…Predigt zum Lied 276 aus dem Evangelischen Kirchengesangbuch: „Geht hin, ihr gläubigen Gedanken“ – im neuen Evangelischen Gesangbuch – das im Advent 1993 in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau eingeführt wurde – leider nicht mehr enthalten. Der Liederdichter staunt: Gott hat Pläne mit allen Menschen, auch mit denen ganz unten.
Loslassen
…Manchmal muss man trauern um Menschen, die einem nur Böses angetan haben. Man kann von ihnen nicht loslassen, weil man immer noch die Vorstellung hat: Irgendwann müssen sie mir doch geben, was sie mir schulden. Wie schwer fällt es, sich einzugestehen: Ich werde nie von dir bekommen, was ich mir immer gewünscht habe, und trotzdem habe ich dich immer liebgehabt.
„Taube werden hören die Worte des Buches“
…Wir waren taub für gute Worte, und auf einmal können wir annehmen, dass jemand zu uns sagt: Du darfst dich liebhaben! Wir waren blind für Gottes Liebe, und auf einmal spüren wir Angenommensein in einem Gespräch, Geborgensein, wo uns jemand in den Arm nimmt, Verständnis in einer Gruppe Gleichgesinnter. Wir können heil werden in unserer Seele.
„Wenn ich schwach bin, so bin ich stark“
…Im Verlieren kann ein Gewinn stecken. Einer, der es immer nötig hat, zu gewinnen, ist in Wirklichkeit ein Verlierer. Wer immer stark ist, schützt sich oft nicht ausreichend vor Gefahren, die auch ihn bedrohen. Und jemand, der schwach scheint, kann durch innere Stärkung auch ein schweres Schicksal überwinden.
Kindlich vertrauen, singen und schreien
…Ja, sagt Jesus, ich habe die Kinder gehört. Sie kriegen mit, was hier geschieht. Ist das nicht herrlich, dass Menschen wieder sehen können, nicht mehr gelähmt sind, ist es euch denn gar nicht wichtig, dass hier Wunder geschehen, dass Menschen wieder gesund werden? Die Kinder freuen sich darüber, und deshalb singen sie, ja, sie schreien ihre Lieder einfach so heraus.
Heraus aus dem Schneckenhaus!
…Jesus scheint aufmerksam auf das zu achten, was ihm die Jünger gerade dadurch sagen, indem sie es ihm nicht direkt sagen, er spürt, wie sie sich seelisch ein-igeln, sich sozusagen in ihr Schneckenhaus hinein verkriechen, nur um ja nichts zu spüren von ihrer Sorge um Jesus und von ihrer verzweifelten Angst, was denn sein würde, wenn Jesus wirklich sterben muss.
Sind wir alle kleine Sünderlein?
…Paulus weiß, wovon er redet, wenn er von der Sünde spricht. Ohne Vertrauen zu Gott verstrickt man sich in Sünde. Man will gerecht und gut sein, sozusagen die Liebe Gottes erzwingen – und mit all der eigenen Anstrengung erreicht man das Gegenteil. Aus eigener Kraft kann kein Mensch gut sein; so vollkommen ist kein Mensch, um Gottes Anerkennung zu verdienen.
Ein Senfkorn lehrt uns Hoffnung
…Gerade die unscheinbaren Gesten der Liebe lassen uns leben. Das Gefühl, ein Arzt tut meine Sorgen nicht einfach ab – eine Schwester hört mich an mitten in der Nacht, wenn ich vor Angst nicht schlafen kann – eine Mitpatientin nimmt mich in den Arm. In all dem hält Gott uns fest und lässt uns nicht in einen Abgrund fallen.
Das Leben gewinnt an Breite, Länge, Höhe, Tiefe
…Das Leben gewinnt an Breite – wir müssen nicht stur geradeaus gehen, ohne nach rechts oder links zu schauen. Es gewinnt an Länge – die Vergangenheit ist nicht mehr ein Klotz am Bein, die Zukunft kein dunkler Abgrund. Wir bekommen Kraft aus der Höhe und gewinnen Mut, uns dem zu stellen, was in der Tiefe unserer Seele verborgen liegt.
„Finsternis ist wie das Licht“
…Nicht um mich kaputtzumachen, kommst du mir nahe, Gott, nicht um mich zu zerstören, nicht um mir die letzte Zuflucht zu nehmen. Nein, vielmehr willst du selbst meine Zuflucht sein; du willst Licht in meine Dunkelheit bringen, willst mich retten aus meinen Ängsten, so dass ich voller Vertrauen und Liebe leben kann.