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Geschwisterliebe

Trauerfeier für einen Menschen, der trotz und mit seiner Behinderung ein glückliches Leben geführt hat, gemeinsam mit seinen Geschwistern.

Ein Kehrbesen
Gerne griff Herr L. zum Kehrbesen, um die Straßen seines Heimatortes sauberzuhalten (Bild: ThiemePixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Wir haben uns hier versammelt, um von Herrn L. Abschied zu nehmen, der im Alter von [über 80] Jahren gestorben ist.

So spricht Gott (Jesaja 46, 4):

Bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.

Lasst uns beten mit Worten aus dem Psalm 27 (in eckigen Klammern freie Übertragung):

1 Der HERR ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?

2 Wenn [böse Menschen] an mich wollen…,

3 … so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht; … [ich] verlasse … mich auf [Gott].

5 Denn er [beschützt mich] zur bösen Zeit, [er läßt mich sicher wohnen].

7 HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich!

9 Denn du bist meine Hilfe, Gott; verlass mich nicht und tu die Hand nicht von mir ab…

10 Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der HERR nimmt mich auf.

11 HERR, weise mir deinen Weg und leite mich auf ebener Bahn…

13 Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des HERRN im Lande der Lebendigen.

14 Sei getrost und unverzagt und [vertraue auf Gott]!

Amen.

Liebe Trauergemeinde!

Für die meisten war er einfach „der L.“. Als er noch sicherer auf den Beinen war, sahen wir ihn „die Gass‘ kehren“, oder er begegnete uns, den Besen geschultert, die Hand zum Gruß erhoben. In der Familie X. gehörte er dazu wie die anderen auch; bei den Nachbarn und im ganzen Ort war er beliebt.

Nun ist er ganz plötzlich gestorben, in der stürmischen Gewitternacht vor ein paar Tagen. Doch es war nach dem Gewitter, er war schon wieder eingeschlafen, als er dann friedlich, ohne leiden zu müssen, ent-schlafen ist.

Auf der Suche nach einem geeigneten Bibelspruch für diese Ansprache kam mir der Psalm 23 in den Sinn. Da heißt es im letzten Vers (Psalm 23, 6):

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Warum denke ich gerade an diesen Vers? Vielleicht weil wir normalerweise anders denken. Weil wir häufig nur an das Schlechte und Böse denken, das einem widerfahren ist. Weil uns die Unbarmherzigkeit mancher Menschen vor Augen steht, die nicht imstande sind, die Schwachen in ihrer Mitte zu dulden und zu tragen. Gerade im Rückblick auf das Leben von Herrn L. wird uns schmerzlich bewusst, welche Chancen er nicht gehabt hat, einfach weil es in seiner Jugendzeit noch nicht die gleichen Möglichkeiten schulischer und beruflicher Förderung wie heute gab. Dann starb seine Mutter zu früh, auf die er noch angewiesen gewesen wäre; und es kam die Zeit des „Dritten Reiches“, in dem jeder, der nicht voll arbeitsfähig war und angeblich keinen Beitrag zum Aufbau des deutschen Volkskörpers leisten konnte, froh sein musste, wenn er einigermaßen unbehelligt blieb.

Trotzdem wähle ich im Rückblick auf das Leben von Herrn L. diesen Spruch aus:

Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Ja, dieser Spruch ist wahr! Auch im Leben von Herrn L. hat es doch auch immer wieder Bewahrungen und gute Fügungen gegeben, und es hat Menschen gegeben, die ihm geholfen haben und zu ihm gestanden sind, so dass er in seinem Leben – trotz mancher schweren Lebensumstände – glücklich werden konnte.

Kann man das von vielen Menschen sagen, dass sie glücklich sind? Es gibt auf der Welt, und nicht nur unter den Armen und Kranken wohl viel mehr Leute, die wir unglücklich nennen würden. Aber Herr L. konnte ein erfülltes Leben führen und ein im wahrsten Sinne des Wortes „gesegnetes“ Alter erreichen.

Was hat Herrn L.s Glück ausgemacht? Glück hängt immer mit Beziehungen zusammen. Mit Menschen, von denen man Liebe erfährt und die man wieder lieb hat. Glück hängt damit zusammen, dass man geben und empfangen kann, dass man weiß, wie viel Liebe ein Mensch braucht, und dass man einander dankbar sein kann. Herr L. hat Menschen gehabt, die gut zu ihm waren, und denen er ebenso verbunden war. Da ist zunächst die ältere seiner beiden Schwestern, mit der er zusammen gewesen ist seit seiner Jugend, mit der er sich zwar auch mal gestritten hat, wie das unter Geschwistern vorkommt, aber gleich wieder versöhnt hat, mit der er jeden Tag lange Unterhaltungen geführt hat, wenn sie auf dem Hof in ihrer stillen Ecke gesessen haben. Und dann die andere Schwester, Sie, liebe Frau X., die Sie mit ihrem Mann hierher gezogen sind, um für ihre beiden Geschwister da zu sein, als die Eltern dazu nicht mehr in der Lage waren. Diese Geschwisterliebe ist etwas vom Kostbarsten, was ich erlebt habe. Sie mussten viel aufgeben, was jemand anders nicht hätte aufgeben wollen, aber ich bin mir sicher, dass so auch Ihr eigenes Leben eine Erfüllung gefunden hat, die Sie auf keine andere Art hätten erreichen können.

Hinzu kommen die anderen Beziehungen in der Familie X.

Weitere Erinnerungen an den Lebenslauf des Verstorbenen

Konnte sich Herr L. in seiner Familie geborgen und getragen wissen, so fühlte er sich auch in der Nachbarschaft und in den Straßen des Ortes zu Hause. Manchmal so sehr, dass er nicht einmal immer genügend auf die Gefahren des Verkehrs achtete. Schon früh hat er hier nach seiner Schulzeit fleißig und ausdauernd immer gern gearbeitet: zum Beispiel auf dem Feld, bei der Kartoffelernte, an der Dreschmaschine, da wo es am schmutzigsten und staubigsten war, oder wenn es darum ging, Briketts und Kohlen in den Keller zu schaufeln. Auch in der Gärtnerei hat er geholfen, und bis ins hohe Alter hinein hat er an vielen Stellen die Straße gekehrt.

Aber nicht nur Arbeit war sein Leben, sondern Herr L. hat auch gern gefeiert. Auf seinen letzten Geburtstag hat er sich besonders gefreut, und er war schon lange von seinem Herzenswunsch erfüllt, der Gesangverein möge das Lied singen: „So ein Tag, so wunderschön wie heute, so ein Tag, der dürfte nie vergehn!“ Er hat es erlebt, es war für ihn die größte Freude. Gern hätte er auch noch einmal Weihnachten zusammen mit der Familie gefeiert, aber dazu wird es nun nicht mehr kommen: einen Monat nach seiner letzten Geburtstagsfeier ist Herr L. nun ganz plötzlich, ganz friedlich, ohne eine Zeit der Krankheit oder des Leidens, in seinem Bett zu Hause gestorben.

Nach diesem Tod erfüllt uns Trauer und Dankbarkeit. Es tut weh, an den Mann zu denken, der einfach immer da war und der jetzt eine große Lücke hinterläßt. Aber eben darum sind wir auch dankbar für das, was er uns mit seinem Leben bedeutet hat, und für das, was wir ihm geben konnten. Und erleichtert sind wir, weil ihm eine Leidenszeit erspart geblieben ist.

Der gnädige, barmherzige Gott hat ihn zu sich genommen in die ewige Heimat im Himmel, von der Jesus einmal gesagt hat (Johannes 14, 2):

In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.

Wir nehmen von ihm Abschied in der Gewissheit, dass er „bleiben wird im Hause des HERRN immerdar“.

Zugleich dürfen wir darauf vertrauen, dass Gott auch uns, die wir zurückbleiben, nicht allein lassen wird. Er begleitet uns auf unserem Lebensweg und hilft uns, das Richtige zu tun und barmherzig zu sein, barmherzig auch mit uns selbst. Man kann nicht immer nur stark sein und geben und trösten; manchmal ist man auch selbst schwach und trostbedürftig und braucht Hilfe. Beides hat seine Zeit: Geben und Nehmen, Trösten und Getröstetwerden, Starksein und Schwachsein.

Es ist gut, wenn wir wissen: Bevor wir für andere da sein können, war Gott schon für uns da. Die Stärken und Gaben, die wir haben, die haben wir von ihm. Und wenn wir auf Hilfe angewiesen sind, wenn wir am Ende sind, dann ist Gott noch lange nicht am Ende. Er sorgt für uns, wie ein guter Hirte für seine Schafe sorgt. Amen.

Lasst uns beten mit dem Psalm 23:

1 Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

2 Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.

3 Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

5 Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

6 Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Amen.

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