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Fastenprozession ohne Sack und Asche

Wie eine Fastenprozession beschreibt der Prophet das, was geschieht, wenn wir zu teilen bereit sind. Das Leben ist nicht grau in grau, wie wenn man in Sack und Asche geht, sondern bunt und leuchtend wie das Morgenrot. Unsere Seele, von Gottes Liebe angerührt und infiziert, schreitet voran auf dem Weg ihrer Heilung von Unrecht und Einsamkeit, von Bitterkeit und Selbstwürfen.

Ein Vogel singt in der Morgenröte
„Dein Licht wird hervorbrechen wie die Morgenröte“ (Bild: Elias Sch.Pixabay)

#predigtTaufgottesdienst am Sonntag Estomihi, 10. Februar 2002, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Musik und Einzug der Täuflinge mit Eltern und Paten

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Am Sonntag vor der Passionszeit begrüße ich Sie herzlich in der Pauluskirche mit dem Wort zur Woche aus dem Evangelium nach Lukas 18, 31:

Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.

Heute ist auch unser Taufsonntag im Monat Februar. Wir taufen …, die wir bei uns mit ihren Eltern und Paten besonders herzlich willkommen heißen!

Lied 334: Danke für diesen guten Morgen
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Wir danken Gott mit unserem Lied. Wir stehen Gott gegenüber, wir halten inne und machen uns bewusst, wieviel wir ihm verdanken.

Lasst uns gemeinsam zu Gott beten mit Psalm 31, einem alten Lied des Vertrauens. Sie finden ihn im Gesangbuch unter Nr. 716. Ich bitte die Männer mit mir zusammen die linksbündigen Verse zu lesen; die Frauen sprechen bitte die eingerückten Verse:

2 HERR, auf dich traue ich, lass mich nimmermehr zuschanden werden, errette mich durch deine Gerechtigkeit!

3 Neige deine Ohren zu mir, hilf mir eilends! Sei mir ein starker Fels und eine Burg, dass du mir helfest!

4 Denn du bist mein Fels und meine Burg, und um deines Namens willen wollest du mich leiten und führen.

5 Du wollest mich aus dem Netze ziehen, das sie mir heimlich stellten; denn du bist meine Stärke.

6 In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott.

8 Ich freue mich und bin fröhlich über deine Güte, dass du mein Elend ansiehst und nimmst dich meiner an in Not

9 und übergibst mich nicht in die Hände des Feindes; du stellst meine Füße auf weiten Raum.

15 Ich aber, HERR, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott!

16 Meine Zeit steht in deinen Händen. Errette mich von der Hand meiner Feinde und von denen, die mich verfolgen.

17 Lass leuchten dein Antlitz über deinem Knecht; hilf mir durch deine Güte!

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Herr, du bist unser Fels und unsere Burg. Bewahre uns davor, unser Leben auf trügerischen Sicherheiten aufzubauen.

Herr, du bist unsere Stärke. Lass uns daran festhalten, gerade wenn wir am Ende sind und nur unsere Schwäche spüren.

Herr, auf weiten Raum stellst du unsere Füße. Bewahre uns vor Engstirnigkeit und hilf uns, mit religiösem Druck gleich welcher Art Schluss zu machen.

Herr, du hast uns erlöst. Bewahre uns vor dem falschen Stolz, uns selbst erlösen zu können durch unsere eigenen guten Taten oder durch unsere eigene Frömmigkeit.

Herr, unsere Zeit steht in deinen Händen. Lass uns dankbar leben als Menschen, die sich ihrer Sterblichkeit bewusst sind, und bewahre uns zugleich davor, an der Kürze unserer Lebenszeit zu verzweifeln.

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Der Apostel Paulus sagt deutlich (1. Korintherbrief 13), dass Gottes Allmacht die Allmacht der Liebe ist, durch die er uns zugleich festen Halt und weitherzige Freiheit schenkt:

1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.

2 Wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, so dass ich Berge versetzen könnte, und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts.

3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen, und hätte die Liebe nicht, so wäre mir’s nichts nütze.

4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf,

5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie läßt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu,

6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit;

7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles.

8 Die Liebe hört niemals auf.

Lasst uns Gott lobsingen! Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.

Der Herr sei mit euch! „Und mit deinem Geist!“

Gott, schenke uns Offenheit für dein Wort, dass wir Vertrauen fassen und unser Leben vor dir verantworten.

Lass uns nicht weghören, wenn Kinder nach dem Glauben fragen oder wenn sich in uns die kleine Stimme meldet: Wozu bin ich auf der Welt.

Zeige uns neue Schritte auf einem Weg, auf dem unser Glaube wachsen kann. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus dem Evangelium nach Markus 10, 13-16:

13 Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an.

14 Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes.

15 Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

16 Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Liebes Ehepaar …, liebe Paten!

Man brachte Kinder zu Jesus, er hat sie in den Arm genommen und sie gesegnet. Sie bringen ein kleines Mädchen in die Kirche, wir taufen es in Jesu Namen und nehmen es in die Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi auf. Noch weiß … nichts davon, was das eigentlich ist – Jesus – Taufe – Kirche. Sie trägt das Taufkleid, sie wird das Wasser auf ihrem Kopf spüren, vielleicht denkt sie, sie wird zu einer ungewöhnlichen Zeit gebadet. Erst viel später wird man ihr erklären können, was heute mit ihr geschehen ist. Aber etwas spürt sie, schon seit sie auf der Welt ist, durch Sie, durch Mutter und Vater und andere liebe Menschen um sie herum: Sie ist auf dieser Erde willkommen, sie hat ein Recht, auf dieser Erde zu leben und liebgehabt zu werden, und sie gehört zu den Kindern, von denen Jesus gesagt hat, dass Menschen wie ihnen das Reich Gottes gehört. Nicht weil Kinder immer unschuldig sind – je älter sie werden, desto mehr machen ja auch Kinder Erfahrungen mit Regeln und ihrer Übertretung, und Eltern tun gut daran, klare Grenzen zu setzen. Nein, Kindern gehört das Reich Gottes, weil man sich das Reich Gottes nicht verdienen kann – es ist geschenkt. So wie Eltern ihrem Kind ihre ganze Liebe schenken, einfach weil es ihnen anvertraut ist.

Der Sinn und das Geheimnis des Glaubens an Gott besteht genau darin: fest darauf zu vertrauen, dass diese Erde ein Ort der Liebe ist, dass wie jedes Menschenkind auch … ein geliebtes Kind des Schöpfers dieser Welt ist. Zwar ist diese Welt auch ein Ort der Bedrohungen, des Zweifels und oft genug der Verzweiflung. Aber von Gott her hat die Welt das Vorzeichen „Liebe ohne Grenzen“. Wir sind von dieser Liebe getragen, nicht nur wenn wir klein sind wie jetzt noch …, auch wenn wir größer und schließlich erwachsen geworden sind. Wer groß wird, vergisst manchmal, dass er trotzdem auf Liebe angewiesen bleibt; es ist gut, uns daran zu erinnern.

Der Taufspruch, den Sie für … ausgesucht haben, fasst die guten Wünsche zusammen, die wir Ihrem Kind auf seinen Lebensweg mitgeben. Er steht im Psalm 91, 11 und lautet:

[Gott] hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen.

Dieser Satz aus dem alten jüdischen Liederbuch der Bibel lässt uns vertrauensvoll damit rechnen, dass wir auf allen unseren Wegen umsorgt sind. Niemals sind wir allein, niemals von Gott vergessen, seine Engel sind behütend um uns – ob wir damit nun unsichtbare gute Mächte meinen, von denen wir wunderbar geborgen sind, was uns auch immer geschehen mag, oder ob damit hier und da ein Mensch gemeint sein mag, der für uns zu einem hilfreichen Engel wird. Niemals hört die Liebe Gottes zu einem Menschen auf.

Mit einem alten Tauflied singen wir nun von Jesus, dem wir ein Taufkind anvertrauen und von den Engeln, die es behüten. Und wenn es in der letzten Strophe in alter Sprache heißt, dass das Kind „wohl geraten“ soll, dann wünschen wir uns damit, dass es als liebevoller Mensch heranwächst. Wir singen das Lied 203:

1) Ach lieber Herre Jesu Christ, der du ein Kindlein worden bist, von einer Jungfrau rein geborn, dass wir nicht möchten sein verlorn,

2) du hast die Kinder nicht veracht‘, da sie sind worden zu dir bracht, du hast dein Händ auf sie gelegt, sie schön umfangen und gesagt:

3) „Die Kinder lasset kommen her zu mir, ihn‘ niemand solches wehr, denn solcher ist das Himmelreich, die man mir bringt, beid, arm und reich.“

4) Ich bitt, lass dir befohlen sein, ach lieber Herr, dies Kindelein, behüte es vor allem Leid und alle in der Christenheit.

5) Durch deine Engel es bewahr vor Unfall, Schaden und Gefahr; erbarm dich seiner gnädiglich, gib deinen Segen mildiglich.

6) Gib Gnad, dass es gerate wohl zu deinen Ehrn und Wohlgefalln, auf dass es hier gottseliglich, hernach auch lebe ewiglich.

Glaubensbekenntnis und Taufe
Lied 574: Segne dieses Kind und hilf uns, ihm zu helfen
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde,

dass wir von Gottes Engeln behütet werden, wünschen wir dem Taufkind und uns selbst. Zugleich regt sich auch immer wieder der Zweifel. Sind wir wirklich behütet in dieser Welt? Es gibt keine absolute Behütung vor allen Übeln. Es stößt auch Kindern Schreckliches zu. Selbst wenn wir Kinder vor allem Bösen bewahren könnten, erlitten sie vielleicht Schaden durch Überbehütung.

Aber gerade das Vertrauen auf die Behütung durch Gottes Engel kann uns vor krampfhafter Überbehütung bewahren. Irgendwo endet auch die Verantwortung, die von Eltern zumutbarerweise zu tragen ist, und es ist gut zu wissen, dass wir in einer größeren Macht gemeinsam mit unseren Kindern geborgen und getragen sind.

Vertrauen nennt man diese Haltung Gott und dem Leben gegenüber, für die es keine Sicherheit gibt und auch nicht die Freiheit von jeglichem Leid, stattdessen die Gewissheit, nie im Leben im Stich gelassen zu sein und ungetröstet zu bleiben.

Die Vertrauenshaltung Gott gegenüber kann allerdings auch umkippen in eine fordernde Anspruchshaltung. Als Jesus in der Wüste der Stimme des Versuchers ausgesetzt ist, will sie ihm einflüstern: „Hat nicht Gott gesagt, dass seine Engel dich behüten? Dann verlass dich doch darauf und stürze dich vom Dach des Tempels herunter! Die Engel werden dich auf Händen tragen und du wirst die Menschen beeindrucken!“ Dem widersteht Jesus. Das ist kein Vertrauen mehr zu Gott, das ist Berechnung, Missbrauch Gottes zu magischen Zwecken.

Kennen wir das nicht auch? Lassen wir uns nicht auch manchmal einflüstern, Gott sei uns etwas schuldig? Er müsste uns doch gefälligst so behandeln, wie wir es verdienen? Von so einer verzerrten Glaubenshaltung spricht der Prophet Jesaja im heutigen Predigttext. Herr … liest die Worte des Propheten Vers für Vers, ich lege sie aus (Jesaja 58, 1-9):

1 Rufe getrost, halte nicht an dich! Erhebe deine Stimme wie eine Posaune und verkündige meinem Volk seine Abtrünnigkeit und dem Hause Jakob seine Sünden!

Dem eigenen, von Gott erwählten Volk soll der Prophet vor Augen halten, dass sie sich von Gott gelöst haben. Da wir Christen mit hineingenommen sind in den Bund Gottes mit Israel, gelten diese Worte auch uns, dem christlichen Gottesvolk. In welche Wunde legt der Prophet seinen Finger? Worin besteht unsere Sünde, unsere Absonderung von Gott, wo beginnt unsere Trennung von seiner Liebe?

2 Sie suchen mich täglich und begehren, meine Wege zu wissen, als wären sie ein Volk, das die Gerechtigkeit schon getan und das Recht seines Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern von mir Recht, sie begehren, dass Gott sich nahe.

Wenn heute von Gott die Rede ist, dann häufig so, dass man mit ihm ins Gericht geht. Ja, wenn es ihn gäbe, dann müsste er doch… dann könnte er doch nicht zulassen, dass… Ähnlich wie die Israeliten damals fordern wir von Gott Gerechtigkeit ein, als ob wir gerecht wären und damit das Recht hätten, Forderungen an ihn zu stellen. Wir machen uns ein eigenes Bild von ihm, ärgern uns, wenn er nicht unsere Wünsche erfüllt, vor allem wenn er immer wieder auch verborgen und schwer zu begreifen ist.

Die Menschen, die damals mit Gott ins Gericht gehen, sind keine gottlosen Leute. Sie geben sich Mühe, ihm zu gefallen. Sie fasten und kasteien sich, sie trainieren sich im Glauben mit harten Bußübungen. Jesaja äußert daran Gottes scharfe Kritik:

3 Ihr sagt: Warum fasten wir, und du siehst es nicht an? Warum kasteien wir unseren Leib, und du willst’s nicht wissen? Gott spricht: Siehe, an dem Tag, da ihr fastet, geht ihr doch euren Geschäften nach und bedrückt eure Arbeiter.

4 Siehe, wenn ihr fastet, hadert und zankt ihr und schlagt mit gottloser Faust drein. Ihr sollt nicht so fasten, wie ihr jetzt tut, wenn eure Stimme in der Höhe gehört werden soll.

Ähnliche Vorwürfe werden bis heute an die Adresse guter Kirchgänger gerichtet – zwar nicht im Blick auf das Fasten, das bei uns ja keine große Rolle spielt, sondern auf andere religiöse Handlungen, die äußerlich bleiben. „Was nützt es, wenn ihr sonntags in die Kirche rennt und am Montag lebt ihr wie die Heiden! Was hilft es, wenn ihr in der Bibel lest und dann die Bibel als Keule benutzt, um andere Menschen unter Druck zu setzen!“ Dann geht der Prophet noch einen Schritt weiter: Gott hat nicht nur etwas gegen eine Religion, mit der man sich selber schmückt und andere unterdrückt. Man soll sich auch selber keinen Druck machen.

5 Soll das ein Fasten sein, an dem ich Gefallen habe, ein Tag, an dem man sich kasteit, wenn ein Mensch seinen Kopf hängen lässt wie Schilf und in Sack und Asche sich bettet? Wollt ihr das ein Fasten nennen und einen Tag, an dem der HERR Wohlgefallen hat?

Es hilft niemandem, wenn man sich innerlich mit Selbstvorwürfen kasteit und sich dann sündig, klein und schlecht fühlt.

Aber was dann? Lehnt der Prophet jede Form des Fastens und der durch Religion motivierten Taten ab? Nein! Denn Gott spricht:

6 Das aber ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast, lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst, reiß jedes Joch weg!

7 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!

Hier wird dem Volk Israel und uns selbst ins soziale Gewissen geredet. Hört auf mit Unrecht und Unterdrückung! Seid bereit, mit Hungernden und Armen zu teilen! Helft mit, dass Obdachlose ein Dach über dem Kopf finden! Entzieht euch nicht der Verantwortung für Familienmitglieder, die Unterstützung brauchen!

Ich denke, diese Forderungen finden wir alle gut, nur mit der Umsetzung haben wir unsere Schwierigkeiten, denn Teilen ist nicht so leicht, erfordert Opferbereitschaft – und auch viel Phantasie und Ausdauer, wenn es darum geht, Strukturen in der menschlichen Gesellschaft zu ändern, in denen das Unrecht sich häuslich eingerichtet hat.

Ein solches Fasten, einen Verzicht, der anderen Menschen zugutekommt, versteht der Prophet nicht als überfordernde und bedrückende Forderung. Nein, dieses Fasten wirkt heilsam auf uns zurück:

8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.

Wie eine Fastenprozession beschreibt der Prophet das, was im Leben eines einzelnen oder einer Gemeinde geschieht, wenn wir zu teilen bereit sind. Das Leben ist nicht grau in grau, wie wenn man in Sack und Asche geht, sondern bunt und leuchtend wie das Morgenrot. Unsere Seele, von Gottes Liebe angerührt und infiziert, schreitet voran auf dem Weg ihrer Heilung von Unrecht und Einsamkeit, von Bitterkeit und Selbstwürfen. Das Bild vom Festzug, in dem die Gerechtigkeit vor uns hergeht und Gottes Herrlichkeit hinter uns den Abschluss bildet, wäre die beste Werbung für unsere Kirche und den christlichen Glauben – nicht was wir uns auf uns einbilden, wirkt einladend und missionarisch nach außen, sondern das, was an Barmherzigkeit von uns ausstrahlt. Es ist die gleiche Barmherzigkeit, die wir durch die Rückendeckung Gottes empfangen und ohne die wir nichts tun könnten.

Angetreten war der Prophet mit einer radikalen Kritik an der Anspruchshaltung gegenüber Gott. Nun endet er seine Rede mit einem tröstlichen Zuspruch:

9 Dann wirst du rufen, und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich.

Wir haben nichts zu fordern, aber wir bekommen alles, was wir brauchen. Wir können Gottes Nähe nicht erzwingen, aber gerade wenn wir meinen, er ist nicht da, dann ist er uns näher als wir denken. Wir dürfen ungeduldig schreien und rufen, Gott hält uns sogar aus mit wütenden Klagen und Anklagen. Gerade wer religiös nichts zu bieten hat, wer zu Gott kommt wie ein kleines Kind zu seinen Eltern, den schließt Gott in die Arme. Selig sind die geistlich Armen, sagt Jesus – er verheißt uns unzerstörbare Erfüllung, die wir den Heiligen Geist nicht gepachtet haben, sondern ihn immer wieder neu geschenkt bekommen müssen, weil wir immer wieder mit leeren Händen vor Gott stehen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 420: Brich mit den Hungrigen dein Brot

Barmherziger Gott! Wir danken dir für deine Liebe, mit der du uns erfüllst, damit wir sie ausstrahlen. Wir bitten dich um deine Kraft, dass wir uns den Herausforderungen gewachsen fühlen, vor die du uns stellst. Hilf uns beim Teilen des Brotes, beim Gespräch mit dem Mutlosen und dem Einsamen, beim Singen mit dem Niedergeschlagenen. Lass uns die Geduld nicht verlieren, wenn jemand unbelehrbar erscheint und wenn Kinder auf unseren Nerven Klavier spielen.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir außerdem auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser
Lied 171: Bewahre uns, Gott, behüte uns Gott
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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