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„Die Wahrheit wird euch frei machen“

Wahrheit bedeutet bei Jesus, dass jemand im Einklang lebt mit allem, was um ihn herum existiert: mit sich selber, mit seinen Mitmenschen, mit der Schöpfung, mit Gott. Diese Wahrheit führt dann auch zu wahrer Freiheit. Denn auch frei sein kann man nicht gegen die Natur oder gegen andere Mitmenschen. Freiheit gibt es nur im Einklang mit dem Rest der Welt.

Kirchenfenster mit Weinblättern und den Schriftzürgen "Alpha-Omega" sowie "Dein Wort ist die Wahrheit"
Was bedeutet es, dass Jesu Wort die Wahrheit ist? (Bild: Harald MaternPixabay)

#predigtGottesdienst mit Taufe am Drittletzten Sonntag im Kirchenjahr, den 6. November 1988 um 10.30 Uhr in Heuchelheim

Guten Morgen in der Heuchelheimer Kirche! Besonders herzlich begrüße ich die kleine …, die mit ihren Eltern, mit ihrer großen Schwester, mit Paten und Verwandten hierhergekommen ist, damit wir sie auf den Namen Jesu taufen.

Lied 190, 1-4:

Wohl denen, die da wandeln vor Gott in Heiligkeit, nach seinem Worte handeln und leben allezeit; die recht von Herzen suchen Gott und seine Zeugniss halten, sind stets bei ihm in Gnad.

Von Herzensgrund ich spreche: dir sei Dank allezeit, weil du mich lehrst die Rechte deiner Gerechtigkeit. Die Gnad auch ferner mir gewähr; ich will dein Rechte halten, verlass mich nimmermehr.

Mein Herz hängt treu und feste an dem, was dein Wort lehrt. Herr, tu bei mir das Beste,sonst ich zuschanden werd. Wenn du mich leitest, treuer Gott, so kann ich richtig laufen den Weg deiner Gebot.

Dein Wort, Herr, nicht vergehet, es bleibet ewiglich, so weit der Himmel gehet, der stets beweget sich; dein Wahrheit bleibt zu aller Zeit gleichwie der Grund der Erden, durch deine Hand bereit‘.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

So spricht Jesus (Johannes 8, 31-32):

Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, wir fragen nach dir, wir beten zu dir hier in der Kirche. Hier nehmen wir uns Zeit, uns mit dir zu beschäftigen. Im Alltagsleben scheinst du oft so weit weg zu sein. Alles scheint auch ohne dich zu laufen.

Doch du bist der, der uns nie allein lässt. Du empfindest mit uns, wenn wir uns freuen oder wenn wir trauern, wenn wir richtige Entscheidungen treffen oder wenn wir in die Irre gehen. Wenn wir uns nach Freiheit sehnen – du willst uns frei machen. Wenn wir den wahren Sinn im Leben finden wollen – du willst ihn uns schenken. Wenn wir nach der Wahrheit fragen – du willst uns aufgeschlossen machen für die Wahrheit. Denn du bist selbst der Weg, die Wahrheit und das Leben in Jesus Christus, unserem Herrn. „Amen“.

Wir hören die Lesung aus Johannes 8, 28b-36:

28 Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir selber tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.

29 Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Er lässt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt.

30 Als er das sagte, glaubten viele an ihn.

31 Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger

32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.

33 Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden?

34 Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.

35 Der Knecht bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig.

36 Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Vor der Taufe singen wir nun das Lied 89, 1-3 aus dem gelben Menschenskinderliederbuch:

Kind, du bist uns anvertraut, wozu werden wir dich bringen?

Liebe Paten und liebe Gemeinde!

Als Taufspruch für … ist mir der Vers in den Sinn gekommen, den wir schon zu Beginn und in der Lesung gehört haben (Johannes 8, 32):

Die Wahrheit wird euch frei machen.

Das Thema Wahrheit, Wahrhaftigkeit, spielt in der Erziehung von Kindern eine große Rolle. Welche Eltern würden nicht Wert darauf legen, dass ihre Kinder sie nicht anlügen, dass sie zuverlässig sind und ein in sie gesetztes Vertrauen nicht enttäuschen? Andererseits ist jede gute Erziehung auch eine Erziehung zur Freiheit. Kinder brauchen zwar bestimmte Grenzen, müssen lernen, bestimmte Regeln einzuhalten, sonst werden sie zu Tyrannen ihrer Umgebung, aber sie dürfen auch nicht nur eingeengt werden, sie können nur zur Verantwortung erzogen werden, wenn sie auch Liebe und Vertrauen erfahren und wenn ihr Freiheitsraum im Laufe ihres Heranwachsens immer größer wird.

Auch in der religiösen Erziehung kommt es auf die Wahrheit an: auf die Suche nach dem, was in der Welt gilt und Bestand hat, was uns Halt geben und unser Leben mit Sinn erfüllen kann.

Dass die Wahrheit uns frei macht, das mag in diesem Zusammenhang ein ungewöhnlicher Gedanke sein. Religion ist für viele Menschen der Inbegriff von Zwang oder zumindest von einem gebundenen Denken und einem engen Gesichtskreis. Leider hat die Kirche dieses Urteil auch oft genug bestätigt. Aber immer wenn sie das getan hat, wenn sie gemeint hat, die Einladung zum Glauben mit Druckmitteln unterstützen zu müssen, ist die Kirche ihrer eigentlichen Botschaft und ihrem Herrn Jesus Christus untreu geworden.

Die kleine … christlich zu erziehen, heißt also keinesfalls, sie in irgendwelche kirchliche Schablonen hineinzupressen. Es geht vielmehr darum, ihr im Laufe ihres Heranwachsens zweierlei zu ermöglichen: Zum einen, dass sie überhaupt Erfahrungen macht mit der Gemeinde und mit dem Glauben anderer Menschen an Gott. Zum andern, dass sie es lernt, sich mit all diesen Erfahrungen eigenständig auseinanderzusetzen. Hier setzt die Verantwortung der Eltern und Paten ein: Kinder brauchen jemanden, den sie sich – so oder so – als Vorbild nehmen, als Gesprächspartner oder auch als Autorität, von der man sich etwas sagen lässt oder an der man sich reiben kann.

Hier kommt es nun nicht darauf an, dass man als Mutter, Vater, Patin, Pate einen möglichst perfekten Glauben zur Schau stellt. Es kommt vielmehr darauf an, dass man den Kindern wirklich das vorlebt, wozu man selber stehen kann, egal wie unvollkommen man das tut und wie zwiespältig und unsicher man sich dabei fühlt. Die fragende und offene Haltung auch in Glaubensdingen ist dem Gott der Bibel viel eher angemessen als ein scheinbar festgefügter und unbeweglicher Standpunkt, der kein Leben und keine Freiheit mehr zulässt.

In diesem Sinne können Eltern und Paten die Verantwortung für Veras christliche Erziehung übernehmen. Bevor wir Euch dazu die Tauffrage stellen, bekennen wir gemeinsam unseren christlichen Glauben, stellvertretend auch für … . Wir verstehen dieses Bekenntnis als eine Bitte um Glauben, denn der Glaube an Gott ist selbst auch immer ein Geschenk von Gott:

Glaubensbekenntnis und Taufe

Nach der Taufe singen wir das Lied aus dem Menschenskinderliederbuch 43, 1-5:

Ein Kind ist angekommen. Wir alle freun uns sehr
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Wir hören zur Predigt noch einmal den Text der Lesung aus Johannes 8, 28b-36. Ich wiederhole ihn bewusst, weil er vielleicht nach dem einmaligem Hören noch nicht ganz aufgenommen werden konnte:

28 Da sprach Jesus zu ihnen: Wenn ihr den Menschensohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es bin und nichts von mir selber tue, sondern, wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich.

29 Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Er lässt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt.

30 Als er das sagte, glaubten viele an ihn.

31 Da sprach nun Jesus zu den Juden, die an ihn glaubten: Wenn ihr bleiben werdet an meinem Wort, so seid ihr wahrhaftig meine Jünger

32 und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.

33 Da antworteten sie ihm: Wir sind Abrahams Kinder und sind niemals jemandes Knecht gewesen. Wie sprichst du dann: Ihr sollt frei werden?

34 Jesus antwortete ihnen und sprach: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht.

35 Der Knecht bleibt nicht ewig im Haus; der Sohn bleibt ewig.

36 Wenn euch nun der Sohn frei macht, so seid ihr wirklich frei.

Liebe Gemeinde!

Ich kann mir vorstellen, dass immer noch nicht so ganz klar ist, was dieser Johannes in dem Text da sagen will. Zweimal habe ich ihn nun schon vorgelesen. Aber vielleicht denken Sie, vielleicht denkt Ihr nun: Dunkel bleibt der Rede Sinn! Was soll das alles?

Ich muss zugeben: Mit Johannes geht es mir oft auch so. So viele Worte kommen da vor, die nicht so einfach zu begreifen sind. Der Sohn Gottes und die Kinder Abrahams, Glaube und Sünde, Freiheit und Knechtschaft – und vor allem dieses schwierige Wort „Wahrheit“. Ist es nicht so: Wenn wir manche Wörter hören, dann geht die Klappe schon fast automatisch runter – wir verweigern die Annahme: „Sünde“ ist so ein Wort, oder wenn wir hören, dass ein Sohn zum Vater sagt: „Ich tue allezeit, was ihm gefällt.“

Ich gebe noch etwas zu: Es wird mir nicht gelingen, den ganzen Text des Johannes verständlich zu machen. Ich glaube, ich habe ihn nicht einmal selber ganz verstanden. Aber was ich verstanden habe, das möchte ich gerne weitersagen. Und ich glaube, das ist eine gute Botschaft, die hilft weiter.

Der Kern dieser Botschaft ist der Satz, den die kleine … als Taufspruch mitbekommen hat: „Die Wahrheit wird euch frei machen.“ Ich habe vorhin schon ein paar Gedanken dazu geäußert, was das für die Kindererziehung bedeutet. Nun will ich noch genauer darauf eingehen: Was ist das für eine Wahrheit, was ist das für eine Freiheit, von der Jesus hier spricht?

Wenn wir über Wahrheit nachdenken, können wir mit der Wahrheit anfangen, nach der die Wissenschaftler forschen. Viele Erkenntnisse über die Welt haben sie bereits herausgefunden, und manche dieser Erkenntnisse haben auch dazu geholfen, dass wir heute freier und unabhängiger leben können als früher, zum Beispiel unabhängiger von den Naturgewalten oder vom Wetter. Mit dem Wäschetrockner wird die Wäsche auch im November schnell trocken. Das Auto lässt uns weite Entfernungen mühelos überbrücken. Dienstboten, die sich früher nur die Reichen leisten konnten, werden heute ersetzt durch Haushaltsgeräte, die in jeder Wohnung stehen. Manche Techniker des vorigen Jahrhunderts haben sogar davon geträumt, dass die Freiheit und das Glück der Menschen durch die Technik immer mehr anwachsen würde, bis hin zu einem Paradies auf Erden.

Und wenn die Menschen ihren Verstand gebraucht haben, um über sich selber nachzudenken, haben sie auch manche Wahrheit herausgefunden, zum Beispiel dass es nicht naturgegeben ist, wenn Fürsten und Gutsherren über die einfache Bevölkerung herrschen, oder dass Kriege nicht unvermeidliche Katastrophen sind, sondern von Menschen verantwortet werden. Auch diese Wahrheiten haben zu mehr Freiheit geführt, zum Beispiel zur modernen Demokratie, zu Mitspracherechten der breiten Bevölkerung, und auch zu dem Versuch, durch Verständigung zwischen den Völkern die Gefahr von Kriegen abzubauen.

Aber diese Suche nach Wahrheit, nach dem Fortschritt und nach immer mehr Freiheit ist schnell an Grenzen gestoßen. Wenn Freiheitsbewegungen nur daran interessiert waren, Freiheit und Gerechtigkeit für das eigene Volk oder die eigene Gesellschaftsklasse zu erkämpfen – gegen den Rest der Menschheit – dann gab es Krieg, vom Bürgerkrieg bis zum Weltkrieg. Und wenn die Wissenschaft nur daran interessiert war, mehr Bequemlichkeit und Nutzen für den Menschen zu schaffen – gegen die Natur – dann beginnt die Natur irgendwann, sich zu rächen.

Wir können zum Beispiel gegen jeden Kopfschmerz Tabletten nehmen. Wunder der medizinischen und pharmazeutischen Wissenschaft! Aber wenn wir deshalb nicht mehr nach den Ursachen der Schmerzen fragen, werden wir ja nicht richtig gesund, obwohl die Kosten des Gesundheitssystems steigen. Wir können unsere menschliche Natur nicht auf die Dauer technisch-medizinisch beherrschen und überlisten.

Ein anderes kleines Beispiel: Wenn Äpfel mit Gift gegen Schädlinge behandelt werden, weil sich nur die schönen, auf Hochglanz polierten Äpfel im Geschäft verkaufen, gelangt immer mehr Gift in unsere Atemluft, ins Wasser und ins Essen.

Stimmt das dann so einfach: „Die Wahrheit wird euch frei machen?“

Wenn Jesus von Wahrheit und Freiheit spricht, dann meint er nicht Verstandeserkenntnis und Wissenschaft allein, und auch nicht nur ihre technische oder politische Umsetzung. Es geht um einen viel umfassenderen Begriff von Wahrheit.

Wahrheit bedeutet bei Jesus, dass jemand im Einklang lebt mit allem, was um ihn herum existiert. Also dass jemand im Reinen ist mit sich selber, mit seinen Mitmenschen, mit der Schöpfung, mit Gott. Diese Wahrheit führt dann auch zu wahrer Freiheit. Denn auch frei sein kann man nicht gegen die Natur oder gegen andere Mitmenschen. Freiheit gibt es nur im Einklang mit dem Rest der Welt. Und wer sich aus dem Lauf der Welt einfach ausklinken will, verrennt sich nur in neue Unfreiheiten.

Aber das klingt nun wirklich nach Utopie, nach einer unmöglichen Wunschvorstellung. Ist das nicht die Sehnsucht nach einer Harmonie, die auf dieser Erde nie zu verwirklichen ist?

Eine vollkommene Harmonie, ein Reich des ewigen Friedens, Gerechtigkeit für alle Menschen, das haben sich Menschen immer erhofft. Die Juden setzten ihre Hoffnung auf den Messias, der all diese Wünsche erfüllen werde. Und die Christen haben in Jesus diese Wünsche erfüllt gesehen. Anders allerdings, als man vorher gedacht hatte.

Im Einklang leben mit allem übrigen – das fängt für Jesus an der Stelle an, von der die meisten Menschen heute gar nichts mehr erwarten. Gott, das ist für ihn die Macht, ohne die die Welt nicht wäre, ohne die es keinen Sinn hätte zu leben. Zu dieser Macht kann er sprechen, er weiß sich von ihr geliebt, sie lässt ihn nie allein. Daher spricht Jesus zu dieser höchsten Macht mit einer ganz vertraulichen, familiären Anrede, er nennt sie „Vater“, er spricht zu Gott wie zu einem geliebten Menschen. „Ich tue nichts von mir selber, sondern wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich. Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Er lässt mich niemals allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt.“ So kann nur ein Sohn reden, der in völligem Einklang lebt mit seinem Vater. So spricht Jesus, der weiß, dass Gott ihn liebt, und der auch weiß, dass Gott ihm einen großen Auftrag gegeben hat, nämlich die Liebe unter den Menschen zu verbreiten.

Jetzt habe ich noch ein neues Wort in die Predigt hineingebracht, die „Liebe“. Ich denke nämlich, dass bei Jesus Wahrheit und Liebe fast das Gleiche sind. Im Einklang leben mit dem Rest der Welt, das ist doch Liebe.

Was Jesus also von der höchsten Macht zu erzählen weiß, mit der er selber vollkommen im Einklang lebt, ist diese Botschaft: „Gott liebt diese Welt – er liebt auch dich – und dich – und mich.“ Das ist das Wort, das Jesus immer wieder den Menschen sagt und auch vorlebt in seinem Verhalten. Für jeden ist Gott da, für die Normalen und für die Außenseiter, für die Frommen und für die Zweifler, für die Zöllner und Sünder nicht weniger als für die Pharisäer und Schriftgelehrten. Jesus hat sogar die Kranken den Gesunden vorgezogen, weil er sagte: die brauchen mehr Hilfe als die anderen. Er ist zu den Ausgeflippten oder den Verrückten gegangen – damals sagte man: Besessene – obwohl man begann, ihn selbst für verrückt zu halten. Immer ging es Jesus darum, zu zeigen: Für Gott gibt es niemanden, den er nicht lieben könnte.

Und wenn einer das spürt und an sich heranlässt, dann kann alles plötzlich anders sein. Was, da liebt mich einer, obwohl ich mich selbst manchmal nicht leiden kann? Wie kann das angehen? Ja, das ist möglich. Da sieht einer über alle Fehler hinweg, da lässt einer die vergangene Schuld begraben sein, da nimmt einer mich an mit Macken und mit Schwächen.

Es mag schwerfallen, das zu akzeptieren. Kann das denn sein, dass da wirklich einer zu mir steht ohne Hintergedanken? Werde ich nicht doch wieder enttäuscht werden?

Und selbst wenn ich glauben kann, dass es Gott gibt, und dass Gott die Liebe ist – kann es nicht sein, dass Gott die Geduld mit mir verliert, dass er mich straft, vielleicht mit Verachtung straft, wenn ich immer wieder versage, wenn ich nur an mich denke, wenn ich ausraste und völlig unvernünftige Dinge tue? Hasst Gott nicht die Sünde? Sagt nicht auch Jesus: „Wer Sünde tut, der ist der Sünde Knecht“?

Nein, dieser Gott verliert nie die Geduld mit uns. Er hört nie auf, uns zu lieben. Er hört nie auf, uns etwas zuzutrauen.

Das mit der Sünde stimmt wohl. Sünde ist wie eine ganz schreckliche Gefangenschaft. Sünde bedeutet nämlich: Sich absondern von Gott. Sich abschneiden von der Gemeinschaft der Menschen. Nicht einmal sich selbst lieben können und darum immer wieder egoistisch handeln, sich verbittert wehren, Dinge tun, die man eigentlich gar nicht tun will.

Aber von dieser Sünde befreit uns Gott. Er sagt zwar nicht: Das ist alles nicht so schlimm. Vielmehr vergibt er uns. Er sagt: Eure Sünde ist nicht größer als meine Liebe. Egal was passiert, ich verliere nie die Geduld mit euch. Auch wenn alle anderen euch aufgeben, ich gebe euch immer noch eine Chance.

Manche allerdings erwarten deshalb nichts von Gott, weil sie gar keine Chance haben wollen. Dann müssten sie ja anfangen, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Denn das erwartet Gott allerdings von uns, das traut er uns zu, das mutet er uns zu: dass wir die Chance ergreifen, die er uns immer wieder gibt.

Gott ist kein Wunscherfüllungsautomat, der uns ohne unsere Beteiligung ein bequemes, sorgenfreies Leben verschafft. Aber wie sieht dann seine Hilfe für uns aus? Manchmal schickt er uns Menschen über den Weg, die uns ein Stück Liebe, ein Stück Hilfe anbieten. Und dann ist es an uns, diese Liebe, diese Hilfe anzunehmen, etwas daraus zu machen. Gott will uns nicht gängeln, nicht wie Marionettenpuppen führen. Er traut uns zu, dass wir selbst für uns verantwortlich sind, auch wenn das manchmal ein knochenharter Weg ist, mit Schmerz und Anstrengung, mit Wut und Trauer. Aber nicht nur das. Es gibt immer wieder auch die Erfahrung von Glück und Freude. Das Gefühl: Da versteht mich jemand. Bei diesen Menschen bin ich akzeptiert. Ich kann mir etwas zutrauen. Ich bin nicht allein auf der Welt.

Mit solchen Erfahrungen können wir nicht alle Probleme der Welt auf einmal lösen. Wir werden nicht die vollkommene Harmonie schaffen. Wir werden skeptisch sein, wenn jemand das Paradies auf Erden verspricht. Aber wir werden zuversichtlich leben können und uns für Frieden und Gerechtigkeit einsetzen können, soweit wir dazu die Macht und die Kraft haben. Was brauchen wir mehr, als die Kraft für jeden neuen Tag, und den Mut für jeden nächsten Schritt!

In einem Morgengebet, das ich gern bete, hört sich das so an:

Gib mir Kraft für einen Tag.
Herr, ich bitte nur für diesen,
dass mir werden zugewiesen,
was ich heute brauchen mag.

Gott hat uns zugedacht, was wir brauchen. Gott sorgt für uns, durch Menschen, durch Chancen, durch neue Kraft an jedem neuen Tag. Das ist die Wahrheit, die uns frei macht. Kaum zu glauben, aber wahr: Gott hat uns lieb. Auch dich und dich und mich. Amen.

Und der Friede Gottes, der viel größer ist, als unser Denken und Fühlen erfassen kann, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Menschenskinderliederbuch 50, 1-7: Gott liebt diese Welt

Gott, wir danken dir, dass du uns lieb hast. Dass du uns nicht überforderst, sondern uns Tag für Tag eine neue Chance gibst. Wir können zu dir kommen mit all unseren Gedanken und Gefühlen, mit dem, was uns gelungen uns, und auch mit dem, was in uns kaputt gegangen ist, mit unserem Glück und auch mit unserer Verzweiflung, mit unserem kleinen Glauben und auch mit unseren großen Zweifeln. Du nimmst uns, wie wir sind, und hilfst uns zu neuem Leben. Du siehst auf unsere Welt, die wir oft für einen hoffnungslosen Fall halten, und du gibst uns Hoffnung, trotzdem, du gibst unsere Welt nicht auf. Die Wahrheit über uns und unsere Welt ist nicht der Tod, nicht das Verderben. Die Wahrheit ist: deine Liebe. Mach uns offen für deine Liebe! Hilf uns, die Chancen zu ergreifen, die du uns gibst! Amen.

Vater unser
Lied 208, 1-6:

Ach bleib mit deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ, dass uns hinfort nicht schade des bösen Feindes List.

Ach bleib mit deinem Worte bei uns, Erlöser wert, dass uns – beid, hier und dorte – sei Güt und Heil beschert.

Ach bleib mit deinem Glanze bei uns, du wertes Licht; dein Wahrheit uns umschanze, damit wir irren nicht.

Ach bleib mit deinem Segen bei uns, du reicher Herr; dein Gnad und alls Vermögen in uns reichlich vermehr.

Ach bleib mit deinem Schutze bei uns, du starker Held, dass uns der Feind nicht trutze noch fäll die böse Welt.

Ach bleib mit deiner Treue bei uns, mein Herr und Gott; Beständigkeit verleihe, hilf uns aus aller Not.

Am Donnerstag dieser Woche um 19.00 Uhr ist noch eine besondere Sache für alle jungen und jung gebliebenen Leute: nämlich ein Konzert mit Liedern zum Mitsingen und Mitdenken vom Gesangsorchester Peter Janssens aus Telgte in Westfalen. Es findet statt in der Turnhalle des TSV in Fauerbach, Am Runden Garten.

Und nun lasst uns mit Gottes Segen in die neue Woche gehen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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