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„Fürchte dich nicht, ich bin mit dir!“

Trauerfeier für eine Frau, die in zwei Weltkriegen und in der eigenen Familie viel Leid bewältigen musste, aber auch viele Freude und Bewahrung erfahren und nie ihren Glauben verloren hat. Mit Bibelversen, Denksprüchen und Liedern gestaltete sie ihre Trauerfeier mit.

Fürchte dich nicht: Ein altes Telefon steht auf einem hölzernen Poller, vielleicht an einem Strand, der Hörer hängt, an bunten Fäden gehalten, herunter
Ein altes Telefon erinnert an den Beruf der Telefonistin und an die Frage der Verbindung zu Gott (Bild: cocoparisiennePixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir sind zusammengekommen, um ein erfülltes Leben Gottes barmherzigen Händen anzuvertrauen. Wir gehen den letzten irdischen Weg mit Frau M., die im Alter von [über 90] Jahren gestorben ist.

Eingangsgebet

An diesem Sarg schweige die Klage – wir können von Herzen danken und loben; wir tun es mit Worten aus Psalm 103:

1 Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!

2 Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:

3 der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen,

4 der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,

5 der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler.

6 Der HERR schafft Gerechtigkeit und Recht allen, die Unrecht leiden.

8 Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.

10 Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat.

11 Denn so hoch der Himmel über der Erde ist, lässt er seine Gnade walten über denen, die ihn fürchten.

13 Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.

14 Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.

15 Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde;

16 wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.

17 Die Gnade aber des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind

18 bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, dass sie danach tun.

22 Lobe den HERRN, meine Seele!

Liebe Familie M., liebe Trauergemeinde!

Ich sagte es bereits: Wir haben heute nicht Grund zur Klage, sondern mehr Grund zum Danken und zum Loben, obwohl wir zu einer Trauerfeier zusammengekommen sind. Abschied tut weh, gerade wenn uns ein Mensch wie Frau M. sehr lieb gewesen ist, und deshalb sind wir traurig. Doch wir sind dankbar, weil ihr Leben erfüllt gewesen ist, weil ihr Sterben friedlich gewesen ist, weil sie uns viel mit auf unseren Weg gegeben hat und weil sie bis zum Schluss die Nähe lieber Menschen und die Nähe Gottes gespürt hat.

Fürchte dich nicht, ich bin mit dir

– so spricht Gott, der Herr (Jesaja 41, 10) – diesen Vers „wünsche ich mir als meinen Grabtext“, so hat es mir Frau M. selbst aufgeschrieben.

Und so will ich von diesem Bibelvers aus dem Jesajabuch ausgehen, von dort aus das Licht fallen lassen auf das Leben von Frau M., das nun zu Ende gelebt ist, und auch auf unser Leben, das wir noch weiterführen, für die Zeit, die uns geschenkt ist.

Wem in der Bibel das Wort „Fürchte dich nicht“ gesagt wird, der hat immer allen Grund, sich zu fürchten – nach menschlichen Gesichtspunkten. Gegen alle menschlich-allzumenschlichen Vorstelluntgen von einem bequemen Leben in Harmonie ohne Sorgen und Nöte werden wir immer wieder hart auf die Probe gestellt, stehen wir vor schweren Herausforderungen, wird uns genommen, was uns am liebsten war, müssen wir erkennen, dass manche unserer Pläne zunichte gemacht worden sind. Und dann, wenn uns alles genommen zu sein scheint, wenn wir meinen, verzweifeln zu müssen, wenn wir aus Furcht und Angst wie gelähmt sind in unserem Willen, etwas Sinnvolles zu tun – dann spricht Gott zu uns: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir!“

Was in diesem Vers ausgedrückt ist, davon fühlte sich Frau M. ihr Leben hindurch getragen. Von ihrem Glauben her gewann sie eine innere Heiterkeit und Gelassenheit, eine seelische Stärke, mit der sie nicht auf andere herabsehen oder sich von der Not anderer abschirmen wollte, sondern mit der sie sich immer wieder anrühren ließ vom Schicksal anderer, die Hilfe und Trost brauchten. Bis vor kurzem hat Frau M. selbst noch viele Geschichten aus ihrem Leben erzählt, aus schönen und schweren Tagen, zum Beispiel aus der Postkutschenzeit im deutschen Kaiserreich, wie man zum Beispiel durch das Mädchen vom Amt anderen Telefonkunden etwas ausrichten ließ oder wie dann die Schreckensmeldungen der Kriegsjahre nach der anfänglichen Hochstimmung unser Land niederdrückten. Vom Beginn des Jahrhunderts an hat sie eine Menge von dem mitbekommen, was das Leben in unserem Land von Grund auf verändern sollte: die vielfältigen und ungeheuren Möglichkeiten der Verbreitung von Information mit ihren teils guten, teils schlimmen Auswirkungen.

Erinnerungen an schwere Kriegszeiten

In dem, was Frau M. damals durchgemacht hat, wurde ihr Glaube auf eine harte Bewährungsprobe gestellt. Sie hielt daran fest: Gott spricht: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir.“ Sie hat sich außer diesem Vers auch ein Gebet aufgeschrieben, das ihr vielleicht gerade in dieser Zeit besonder wichtig geworden ist:

Gott ist mein Schild, er decket mich bei allen Ungewittern; selbst wenn der Hölle Pforten sich mit aller Macht erbittern, ist SEIN Panier nur über mir, so kann ihr blinder Schrecken mir keine Furcht erwecken.

Frau M. hat sich nach dem Krieg nicht verzweifelt und mutlos zurückgezogen, sondern sie ist aktiv geblieben; sie hat lange Jahre im VdK mitgearbeitet, ist Hinterbliebenenbetreuerin gewesen und hat sich erst in hohem Alter allmählich aus ihren Vereinstätigkeiten herausgelöst.

Erinnerungen an familiäre Zeiten von Freude und Leid

Bei alledem ist es gar nicht so einfach, unbeirrbar an dem Gott festzuhalten, der gesagt hat: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir.“ Gute Tage machen den einen dankbar, der andere nimmt sie als selbstverständlich hin. Und schwere Zeiten führen den einen zum Beten, den anderen treiben sie in Zweifel an Gott. Der Psalmdichter, der gebetet hat: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden“ (Psalm 90, 12), der hat gewusst, dass wahre Klugheit nicht darin besteht, die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen, auch nicht darin, alle Hoffnung aufzugeben, sondern vielmehr darin, Gott anzuerkennen als den, der uns unser Leben schenkt und es uns wieder nehmen kann, und unser Leben anzunehmen als kostbares Geschenk, das uns vielleicht nur noch diesen Tag geschenkt ist und das wir nutzen sollen zur Ehre Gottes in der Liebe zum Nächsten.

Frau M.s Lebens ist uns ein Vorbild und eine Mahnung, weil sie Nächstenliebe selbstverständlich gelebt hat, nicht um sich zur Schau zu stellen, sondern weil sie selbst gewusst hat, was Armut heißt, und weil sie Kraft genug fand im Glauben an Gott. Als manch anderer das Vaterland oder den Führer wichtiger zu nehmen begann als den lebendigen Gott Israels und der Christenheit, da hielt sie an ihrem Glauben und an ihrer sozialen Einstellung fest. Solchen Mut, aus Glauben geboren, brauchen wir auch heute, um in den Gefahren standzuhalten, die uns heute bedrohen, um menschlich zu bleiben in einer Zeit, in der der einzelne sein Gesicht zu verlieren droht.

Ich werde nicht vergessen, wie in einer Zeit, in der das Verhältnis zwischen Alt und Jung oft von Spannungen geprägt ist, Frau M. ein so herzliches Verhältnis auch zu den ganz jungen Menschen gehabt hat. In jedem Jahr hat sie, wenn wir beim Advents- oder Sternsingen auch vor ihrem Haus mit den Kindern ein Lied gesungen haben, an ihrem Fenster gestanden und eine kleine Dankesrede gehalten, auch noch im Alter von über 90 Jahren. Und die Kinder haben gemerkt, dass sie ihr eine große Freude machen konnten, und haben sich darüber auch gefreut. Ein Leben, das solche Augenblicke kennt, ist ein von Sinn erfülltes Leben. Daraus erwächst Kraft, auch das Schwere zu tragen und zu sich zu sagen, wie es auch Frau M. mit einem Denkspruch getan hat:

O mein Herz, gib dich zufrieden, o verzage nicht so bald!

Sie musste nicht verzagen, sie war auch in ihren bangen Stunden kurz vor ihrem Tod nicht alleingelassen; sie konnte im Kreise ihrer Kinder in Frieden Abschied nehmen von dieser Welt und heimgehen in unsere himmlische Heimat, die uns niemand mehr nehmen kann. Nun ist sie ganz aufgenommen von dem, der von Anfang an und für alle Zeit zu ihr und zu uns allen spricht:

Fürchte dich nicht, ich bin mit dir.

Ich möchte unsere Feier hier in der Halle schließen mit einem Gebet, das eigentlich ein Lied ist, ein Lied, das erst in diesem Jahr geschrieben worden ist und das ich vorgestern mit einigen Jugendlichen bei einem kirchlichen Konzert hörte. Dieses Lied schließt Erfahrungen des langen Lebens von Frau M. mit Erfahrungen der jungen Generation zusammen, es eröffnet Trost für Traurige, Hoffnung für Mutlose, Glauben für Zweifelnde:

Einer harten Probe gleicht heute unser Leben… komm heraus aus dem Loch deiner Mutlosigkeit, komm herein in die Kette der Mutigen, mag sein, du spürst Hoffnung im Gegenwind…

Mit diesen Gedanken, o Herr, unser Gott, blicken wir zurück und blicken wir voraus. Wir nehmen Abschied von Frau M. und bleiben zurück, um unser Leben zu leben. Sei du auch heute mit uns, wenn wir Frau M. auf ihrem letzten Weg zum Grab geleiten. Dorthin wollen wir nun gehen in deinem Frieden, im Frieden Jesu Christi, unseres Herrn. Amen.

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