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Haben wir alle den gleichen Herrgott?

Pfarrer Helmut Schütz
Pfarrer Helmut Schütz

„Wir haben doch alle den gleichen Herrgott“, sagt mir ein katholischer Christ, der unseren evangelischen Gottesdienst besucht. Er meint etwas Wahres, doch die Formulierung stimmt mich skeptisch. Genau genommen können wir Gott nicht „haben“. Wenn Gott lebendig da ist, dann ist er es, der uns hat. Und wie er für uns „der Herr“ ist, was er uns zu sagen hat, befreiend und verpflichtend, darüber sind sich nicht alle einig.

Nehmen wir Christen und Muslime. Beide glauben an den einen Gott, den Schöpfer, und beiden ist Jesus sehr wichtig. Aber für uns Christen ist Jesus der Gottessohn, die Verkörperung der Liebe Gottes. Muslime dagegen verehren Jesus als neben Mohammed wichtigsten Propheten, der die Menschen ermahnt, nur dem einen Gott zu dienen. Beten Christen und Muslime also verschiedene Götter an? Nein, sage ich: Muslime und Christen beten den einen Gott verschieden an. Unsere Gedanken über Gott unterscheiden sich, aber Gott, auf arabisch „Allah“, hält auf seine Weise alle Menschen in seiner Hand. Sehr weise heißt es im Koran, Sure 6, 103: „Die Blicke erreichen ihn nicht, aber er erreicht die Blicke.“

Als ich mit unseren Konfis den buddhistischen Tempel im Sandfeld besuche, fragen sie: „Zu wem beten eigentlich Buddhisten, zu Buddha oder zu vielen Göttern?“ „Eigentlich beten wir gar nicht“, antwortet der ältere Mönch, „wir meditieren, und wir singen aus unseren heiligen Schriften.“ Götter mag es geben, aber in der Lehre Buddhas geht es mehr um die Verantwortung für das eigene Leben, die einem kein Gott abnehmen kann.

Religiöse Menschen ganz ohne Herrgott? Eine für Christen und Muslime fremde Vorstellung. Aber was dem einen fremd ist, kann doch als die Wahrheit eines anderen respektiert werden, zumal es sogar Grenzgänger zwischen den Religionen gibt. „Kann ein Christ zugleich Buddhist sein?“, fragen die Konfis, und der Mönch sagt: „Ja.“

Gedanken zum Sonntag am Samstag, 3. März 2012, im Gießener Anzeiger von Pfarrer Helmut Schütz, Pfarrer der Evangelischen Paulusgemeinde Gießen.

2 Kommentare zu „Haben wir alle den gleichen Herrgott?“

  1. Allah wurde unter den rund 360 Wüstengeistern als „Mondgott“ verehrt. Fast jede Moschee und Nationalflaggen islamischer Staaten wird von einem Halbmond geziert. Mohamed erklärte Allah zum alleinigen Gott – ein Moslem soll sein Leben dem Allah unterwerfen.
    Im Islam ist “ Allah “ dem Meschen nicht wesensgleich, Allah ist völlig unnahbar, auch im Paradies.
    Je nach schule gibt es kleine unterschiedliche Auslegungen. Gott ist uns Vater im Himmel, und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde uns Wesensgleich.
    Zu Allah kann man nur als Sklave kommen. – Während ein Christ zu seinem Gott kommt wie ein Kind zu einem Vater. Das Gebet muss im Islam gen Mekka gerichtet sein. Ist dies nicht in genauer Himmelsrichtung eingehalten, ist das Gebet ungültig, so als wäre es nie gesprochen worden.
    Den Gott der Bibel können wir überall, wo wir auch sind, und in jeder Lage anrufen.

  2. Habe den Unterschied zwischen dem Wort Gott und Herrgott gesucht und bin auf diesen schönen Beitrag gelandet. Als Muslimen kann ich nur danke sagen.

    P.S. zur vorherigen Kommentar: Muslimen verehren kein Mondgott, eigentlich ist uns das Symbol Mond egal. Ich kenne kein Beispiel wo es der Prophet Muhammed (Gott segne ihn) irgendwo erwähnt oder benutzt. Die verschiedenen Anwendungen wurden wahrscheinlich vom osmanischen Imperium geerbt.

    Auch das Gebete nur in Richtung Mekka anerkannt werden ist nicht „ganz“ richtig. Du kannst beten wie und wo du willst (im Bett vor dem schlafen) aber wenn du die 5 Tagesgebete machst dann dreht man sich in Richtung Mekka.

    Gott segne euch alle.

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