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Respekt!

Jesus hatte es nicht nötig, mit äußerer Gewalt, mit Druck oder Zwang einen Respekt einzufordern, den man ihm freiwillig nicht geben wollte. Er lebte aus einer Liebe heraus, die ihn innerlich so stark und selbstbewusst machte, dass er niemals zur Gewalt gegen Menschen griff. Aus Liebe ließ er sich sogar vom Hass der Welt töten, ohne selber Gewalt anzuwenden.

Händeschütteln, umgeben von Schriftzügen: "Respect"
Respekt ist heute einer der höchsten Werte (Bild: Gerd AltmannPixabay)

direkt-predigtGottesdienst am Palmsonntag, 24. März 2013, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Herzlich willkommen im Gottesdienst am Sonntag Palmarum in der Pauluskirche! Mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche, in der wir daran denken, wie Jesus das Heilige Abendmahl einsetzt, wie er seine Angst vor dem Tod überwindet, wie er gefangen genommen und verurteilt wird, wie er am Kreuz sterben muss und ins Grab gelegt wird.

Der Palmsonntag scheint in einem Gegensatz zu diesen Ereignissen vom Gründonnerstag und Karfreitag zu stehen. Denn heute denken wir daran, dass Jesus in Jerusalem mit Palmzweigen begrüßt wird: Man will ihn zum König machen. Man will ihn ehren, man begegnet ihm mit größter Hochachtung und Respekt.

Dieses Thema „Respekt!“ wird sich als roter Faden durch diesen Gottesdienst ziehen. Welchen Respekt bekommt Jesus tatsächlich, welche Ehre kommt ihm zu, von Menschen oder von Gott? Und wie halten wir es untereinander mit den Fragen, die sich um Respekt, Achtung und Ehre drehen?

Mit dem Lied 140 erweisen wir dem dreieinigen Gott unsere Ehre:

1. Brunn alles Heils, dich ehren wir und öffnen unsern Mund vor dir; aus deiner Gottheit Heiligtum dein hoher Segen auf uns komm.

2. Der Herr, der Schöpfer, bei uns bleib, er segne uns nach Seel und Leib, und uns behüte seine Macht vor allem Übel Tag und Nacht.

3. Der Herr, der Heiland, unser Licht, uns leuchten lass sein Angesicht, dass wir ihn schaun und glauben frei, dass er uns ewig gnädig sei.

4. Der Herr, der Tröster, ob uns schweb, sein Antlitz über uns erheb, dass uns sein Bild werd eingedrückt, und geb uns Frieden unverrückt.

5. Gott Vater, Sohn und Heilger Geist, o Segensbrunn, der ewig fließt: durchfließ Herz, Sinn und Wandel wohl, mach uns deins Lobs und Segens voll!

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Im Evangelium nach Johannes 12, 12-13, lesen wir von den Ereignissen, an die wir am Palmsonntag denken:

12 Als die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem käme,

13 nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und riefen: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn, der König von Israel!

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Respekt, Achtung, Ehre, das erwarten Menschen voneinander, wenn sie nicht ohnehin in Freundschaft und Liebe miteinander verbunden sind.

Respekt, Achtung, Ehre, das erwarten Schüler von Lehrern, Lehrer von Schülern, Eltern von ihren Kindern und umgekehrt, in gleicher Weise Pfarrer und Konfirmanden, Politiker und Bürger, und ebenso auch verschiedene Bevölkerungsgruppen, die in einem Land miteinander auskommen müssen.

Respekt ist leichter einzufordern als ihn zu üben. Leicht empören uns die Respektlosigkeiten anderer, während uns manchmal gar nicht auffällt, wo wir selber anderen gegenüber die notwendige Ehrerbietung vermissen lassen. Gott, wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Mitten im Buch Levitikus, im 3. Buch Mose, einem Buch, das nur aus Gesetzen des Volkes Israel besteht, finden wir wichtige Worte über Respekt, Achtung und Ehre (Levitikus 19):

18 Du sollst dich nicht rächen noch Zorn bewahren gegen die Kinder deines Volks. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst; ich bin der HERR.

32 Vor einem grauen Haupt sollst du aufstehen und die Alten ehren und sollst dich fürchten vor deinem Gott; ich bin der HERR.

33 Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken.

34 Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der HERR, euer Gott.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.

Der Herr sei mit euch! „Und mit deinem Geist!“

Gott, unser guter Vater im Himmel, gib uns Klarheit und Orientierung in unserem Glauben und in unserem Leben, dass wir wissen, wem welche Ehre gebührt und uns selber weder über- noch unterschätzen. Schenke uns Einsicht durch deinen Heiligen Geist, dass wir dir in rechter Weise die Ehre geben, durch die Vermittlung und im Namen deines Sohnes Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Johannes 12, 20-33:

20 Es waren aber einige Griechen unter denen, die heraufgekommen waren, um anzubeten auf dem Fest.

21 Die traten zu Philippus, der von Betsaida aus Galiläa war, und baten ihn und sprachen: Herr, wir wollten Jesus gerne sehen.

22 Philippus kommt und sagt es Andreas, und Philippus und Andreas sagen’s Jesus weiter.

23 Jesus aber antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.

26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

27 Jetzt ist meine Seele betrübt. Und was soll ich sagen? Vater, hilf mir aus dieser Stunde? Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen.

28 Vater, verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn verherrlicht und will ihn abermals verherrlichen.

29 Da sprach das Volk, das dabeistand und zuhörte: Es hat gedonnert. Die andern sprachen: Ein Engel hat mit ihm geredet.

30 Jesus antwortete und sprach: Diese Stimme ist nicht um meinetwillen geschehen, sondern um euretwillen.

31 Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt; nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.

32 Und ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.

33 Das sagte er aber, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Amen. „Amen.“

Glaubensbekenntnis

Nachdem wir in der Liturgie Gottes von Ehre in der Höhe gesungen haben, besingen wir mit dem Lied 638 Gottes Ehre auf der Erde:

Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Wir hören den Text zur Predigt aus dem Evangelium nach Johannes 17, 1-8:

1 Jesus hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche;

2 denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast.

3 Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

4 Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue.

5 Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.

6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.

7 Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.

8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.

Liebe Gemeinde,

als der neue Papst Franziskus in sein Amt eingeführt wurde, haben ihm viele vor allem auch deswegen Respekt erwiesen, weil er bescheiden auftrat, nicht als unnahbarer Kirchenmachthaber, sondern als einer, der eine arme Kirche, eine Kirche der Armen, repräsentieren möchte. Politische Machtausübung sei nicht die eigentliche Aufgabe der Kirche, sagte er, sondern es gehe um die Macht des Glaubens. Ich erwähne das nicht, um jetzt weiter über den Sinn oder Unsinn des Papstamtes zu reden oder darüber zu spekulieren, ob der neue Papst den Erwartungen entsprechen wird, die er geweckt hat. Nein, dieses Bild drängte sich mir auf, als ich an den ebenso umjubelten Einzug Jesu damals in Jerusalem dachte.

Viele setzten auch damals hohe Erwartungen in Jesus. Ob er sie erfüllen konnte, darüber waren sich damals die meisten schnell im Klaren: natürlich nicht! Er räumte zwar im Tempel auf, den er eine Räuberhöhle nannte, aber an die Spitze eines Aufstandes gegen die Römer setzte er sich nicht. Der Jubel vom Palmsonntag schlug rasch in das Geschrei von der Nacht zum Karfreitag um: „Ans Kreuz mit ihm! Kreuzige ihn!“

Jesus hatte das vorausgesehen, als ihn einmal eine Gruppe von Griechen im Tempel von Jerusalem aufgesucht hatte (Johannes 12). Denen hatte er gesagt:

23 Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde.

„Verherrlicht“, damit ist dasselbe gemeint wie mit dem Wort „Respekt“, „Ehre“, „Achtung“. Der Menschensohn soll geehrt werden, er soll den Respekt erhalten, der ihm zusteht. Aber welcher Respekt stand dem Menschensohn zu? Im Volk Israel war eine Vision des Propheten Daniel lebendig; der hatte mit Augen des Glaubens gesehen, dass irgendwann einmal die Zeit der Weltherrscher abgelaufen sein würde, die wie Bestien über die Menschen regieren; stattdessen würde der Menschensohn kommen und die Welt auf menschliche Weise regieren. Jesus ist der Überzeugung, dass Gott ihm diese Aufgabe des Menschensohnes übertragen hat. Aber auf welche Weise wird man ihm Respekt erweisen?

Dazu sagt Jesus in doppeldeutigen Worten:

32 Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.

33 Das sagte er aber, um anzuzeigen, welchen Todes er sterben würde.

Man wird Jesus „erhöhen“, indem man ihn ans Kreuz hängt. Das klingt nach Ironie und Sarkasmus. Denn wie ein Terrorist oder ein entlaufener Sklave gekreuzigt zu werden, das ist wohl das Gegenteil einer respektvollen Behandlung. Jesus weiß das auch selber, und das liegt wie eine schwere Last auf seiner Seele. Darum betet er zu Gott:

27 Jetzt ist meine Seele betrübt. Und was soll ich sagen? „Vater, hilf mir aus dieser Stunde?“ Doch darum bin ich in diese Stunde gekommen.

28 „Vater, verherrliche deinen Namen!“

Jesus bittet seinen Vater im Himmel also nicht um Verschonung vor dem Leid, das ihn erwartet. Er bittet stattdessen darum, dass Gott seinen heiligen Namen verherrlicht. Wieder dieses Wort, das Herrlichkeit, Ehre, Achtung, Respekt bedeuten kann. Hier sagt nun also Jesus: der Name Gottes soll geehrt werden. Wieso der Name Gottes, wieso nicht einfach Gott selbst?

Gottes hatte seinen Namen dem Mose offenbart, und dieser Name lautete (2. Buch Mose – Exodus 3, 14):

Ich werde sein, der ich sein werde.

Man kann diesen Satz auch anders umschreiben: „Ich bin, der ich bin.“ „Ich bin für euch da.“ „Ich führe euch in die Freiheit.“ Es geht also nicht um einen x-beliebigen Gott, der vielleicht ein alter Tyrann im Himmel ist und der mit den Menschen umspringt, wie er will. Nein, es geht um den Gott Israels, der zugleich der Gott aller Völker ist und der Freiheit und Frieden für alle Menschen will. Dieser Name verdient Respekt, darum bittet Jesus Gott, seinen Vater. [Weiter mit Johannes 12, 28:]

Da kam eine Stimme vom Himmel: „Ich habe ihn verherrlicht und will ihn abermals verherrlichen.“

Jesus bekommt also eine Antwort vom Himmel selbst. So wie Gott bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass sein eigener Name Ehre verdient, so wird es es auch wieder tun. Gott hat ja Israel aus Ägypten befreit, hat das Volk von Babylon zurückgeführt, hat unzählige einzelne Personen getröstet, ermutigt, auf einen guten Weg gebracht. Und jetzt wird Gott wieder eine Befreiungstat vollbringen – aber wer kann das verstehen, dass Jesu Tod am Kreuz Menschen frei macht? Damals hören sie zwar Geräusche vom Himmel, aber sie begreifen nicht, dass hier Gott zu Jesus redet:

29 Da sprach das Volk, das dabeistand und zuhörte: Es hat gedonnert. Die andern sprachen: Ein Engel hat mit ihm geredet.

Nur einige ahnen, dass Jesus hier im Kontakt mit dem Himmel steht; ist das die Stimme eines Engels? Andere denken, es hat wohl ein Gewitter gegeben.

Was die Öffentlichkeit nicht begreift, legt Jesus im Johannesevangelium danach aber seinen engsten Vertrauten ausführlich dar; er tröstet und ermutigt seine Freundinnen und Freunde, damit sie seinen Tod nicht als ein Scheitern missverstehen, sondern als die Erfüllung von Gottes Willen. Und am Schluss seiner Abschiedsreden (Johannes 17) wendet sich Jesus im Gebet an seinen Vater im Himmel.

1 Jesus hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche.

Vorher hatte Jesus den Vater um Respekt für seinen Namen, für den Namen Gottes, gebeten. Hier bittet er ihn: „Ehre mich, damit ich dich ehre! Ehre deinen Sohn, damit der Sohn dir Ehre erweist!“ Was wie ein Deal zwischen Vater und Sohn klingt, wie der Abschluss eines Geschäfts: „Respektierst du mich, respektiere ich dich“, das spiegelt in Wirklichkeit wider, dass Jesus mit Gott in seinem innersten Willen eins ist. Indem Jesus darauf vertraut, dass der Vater zu ihm Ja sagt, sagt Jesus zugleich Ja zum Willen des Vaters. Gott bewahrt ihn zwar nicht vor dem Tod am Kreuz, aber er lässt ihn in diesem furchtbaren Leiden nicht allein.

Aber wie geschieht diese Ehrung Gottes durch Jesus, und wie wird umgekehrt Jesus durch Gott verherrlicht? In den folgenden Versen gibt Jesus dazu nähere Erläuterungen:

2 Denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast.

Jesus ist Gottes Sohn, weil Gott ihm Macht über alle Menschen gegeben hat. Das ist eine gewaltige Ehre und Verantwortung, die ein einzelner Mensch übertragen bekommt. Jesus ist Richter im Weltgericht, und Gott vertraut ihm Menschen an, denen er das ewige Leben gibt. Er richtet barmherzig und beurteilt die Menschen danach, wie barmherzig sie sind und ob sie offen sind für Gottes Liebe. Indem Jesus diese Aufgabe erfüllt, gibt er Gott die Ehre.

3 Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen.

Was ewiges Leben ist, wird hier auf ungewöhnliche Art beschrieben. Wir denken ja meist an ein endloses Leben ohne Tod in immerwährendem Glück. Hier heißt es: Derjenige lebt ewig, der Gott und seinen Messias Jesus erkennt. Gemeint ist, dass wir uns im Vertrauen auf Jesus so eng mit der Liebe des Vaters im Himmel verbinden, dass wir aus dieser Liebe niemals herausfallen können, auch dann nicht, wenn wir sterben.

4 Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue.

Hier erinnert Jesus noch einmal an das, was er auf Erden getan hat, um seinem Vater im Himmel die Ehre zu geben. Er hat den Menschen die Liebe Gottes verkündet, und er hat von der Nähe Gottes nicht nur gesprochen, sondern auch in Solidarität mit den Menschen gelebt, die Gottes Beistand besonders nötig brauchten, mit Benachteiligten und Sündern, mit seelisch Belasteten, mit Opfern und Mitläufern eines Systems der Unterdrückung und Ausbeutung. Sie alle, gerade sie, die unter den Menschen verachtet werden, verdienen den größten Respekt, weil Gott auch sie mit einer unverlierbaren Menschenwürde als Bild seiner selbst geschaffen hat und seine ganze Ehre daran setzt, sie aus ihrer Erniedrigung aufzurichten. Die Vollendung des Werkes steht nun kurz bevor; am Kreuz wird Jesus im Johannesevangelium sagen: „Es ist vollbracht!“ Die größte Tat Jesu ist es, dass er als unschuldiges Opfer eine Strafe auf sich nimmt, die eigentlich die sündige Menschheit verdient hätte. So leidet Jesus einerseits an der Seite aller unschuldigen Opfer, und er befreit andererseits alle Täter vor der Vernichtung durch eine gerechte Strafe; er nimmt auf sich, was von Sünde getriebene Menschen ihm antun, und er schenkt uns Vergebung, so dass wir ihm auf seinem Weg der Liebe nachfolgen können.

5 Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.

Im gleichen Atemzug bittet Jesus seinen himmlischen Vater darum, dass er nun auch ihn verherrlicht. Er bittet um eine Ehre, die nicht neu ist. Aber wie kann Jesus bei Gott eine Herrlichkeit gehabt haben, schon bevor die Welt ins Dasein kam? Da Jesus wahrer Mensch ist, ganz und gar, und kein Halbgott, dürfen wir uns das nicht so vorstellen, als ob Jesus sich noch genau an die Zeit vor der Schöpfung erinnern könnte, als er bei Gott war. Aber Jesus ist das fleischgewordene Wort Gottes, in ihm kommt Jesu Liebe in menschlicher Gestalt zur Welt. Und diese Liebe, dieses Wort, war ja bereits in Ewigkeit bei Gott, auch vor aller Zeit und vor der Erschaffung der Welt. Mit der Herrlichkeit dieses Wortes, dieser göttlichen Liebe, möchte Jesus von Gott geehrt werden. Das heißt, er bittet Gott eigentlich darum: Lass mich dem Anspruch gerecht werden, dass ich wirklich deinem Bild der Liebe entspreche, so wie du die Menschen geplant und geschaffen hast! Hilf mir, die Liebe zu leben, auch die Liebe zu denen, die mir zu Feinden werden und mich ans Kreuz nageln.

6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein, und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.

Noch einmal kommt Jesus auf den Namen Gottes zu sprechen. Wir hatten ja bereits gesagt: Dieser heilige Name bedeutet für die Menschen, dass Gott für sie da ist. Er bedeutet Freiheit und Liebe. Wir können auch sagen Befreiung zur Liebe.

Eigentlich gilt diese Befreiung zur Liebe allen Menschen. Sie gilt ja den Sündern und sogar den Feinden Jesu, die ihn töten.

Aber die meisten begreifen das jetzt noch nicht. Der Glaube an das Evangelium beginnt ganz klein. Es sind zunächst nur einige wenige, die sich um Jesus geschart haben, die Gott ihm gegeben hat, die aus der Weltordnung ausgeschert sind, die eigentlich eine von Unrecht und Gewalt geprägte Weltunordnung ist. Nur sie sind offen für die Offenbarung des Namens, nur sie lassen sich von ihm zur Liebe befreien.

7 Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt.

In die Schar dieser Menschen, die das Wort Jesu bewahren, werden auch wir hineingerufen. Auch wir dürfen Jesus unseren Respekt als Gottes Sohn erweisen, weil er sich ganz und gar von Gott mit seiner Liebe beschenken ließ.

8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.

Was Jesus von Gott bekam, behielt er nicht für sich. Es war das Wort der ewigen Liebe Gottes, das Jesus in sich vollkommen aufnahm, und dieses Wort gab er an andere Menschen in der Münze vieler Worte und Taten der Liebe weiter. Und wir sind gefragt, ob auch wir zu denen gehören, die seine Liebe annehmen und auf Gott vertrauen.

Was hat das alles mit der Art zu tun, in der wir von Respekt und Ehre und gegenseitiger Achtung reden? Jesus hatte es jedenfalls nicht nötig, mit äußerer Gewalt, mit Druck oder Zwang einen Respekt einzufordern, den man ihm freiwillig nicht geben wollte. Er lebte aus einer Liebe heraus, die ihn innerlich so stark und selbstbewusst machte, dass er niemals zur Gewalt gegen Menschen griff. Aus Liebe ließ er sich sogar vom Hass der Welt töten, ohne selber Gewalt anzuwenden. Auf diese Weise gibt Jesus Gott die Ehre, denn Gott ist die Liebe, die keinen Menschen verloren gehen lassen will. Und umgekehrt gibt der Vater im Himmel seinem Sohn Jesus die Ehre, indem er ihn vom Tode auferweckt und zu sich in den Himmel holt, wo er die Aufgabe erhält, über alle Menschen ein gerechtes und barmherziges Urteil zu sprechen. Und wenn wir Orientierung suchen, was wir denn tun sollen und können, hören wir einfach noch einmal einen Satz, den Jesus den Griechen sagte, als sie ihn im Tempel besuchten (Johannes 12):

26 Wer mir dienen will, der folge mir nach; und wo ich bin, da soll mein Diener auch sein. Und wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.

Mit anderen Worten: von Jesus können wir lernen, Gott und den Menschen mit Respekt zu begegnen, nicht nur Freunden und Familienangehörigen, sondern auch Fremden und sogar solchen Menschen, die wir nicht leiden können oder die uns beleidigen. Vielleicht bringt Jesus unsere eigenen Vorstellungen von Ehre und Respekt völlig durcheinander. Sie haben mit einem Gott zu tun, der groß ist, indem er sich zu den kleinen Leuten hingezogen fühlt, der sogar seine Feinde mit einer unendlich großen Liebe liebt. Lasst uns diesem Gott unseren Respekt erweisen, lasst uns ihn loben und ehren und seinem Sohn Jesus auf seinem Weg der Liebe nachfolgen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 75:

1. Ehre sei dir, Christe, der du littest Not, an dem Stamm des Kreuzes für uns bittern Tod, herrschest mit dem Vater in der Ewigkeit: hilf uns armen Sündern zu der Seligkeit. Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison.

2. Wäre nicht gekommen Christus in die Welt und hätt angenommen unser arm Gestalt und für unsre Sünde gestorben williglich, so hätten wir müssen verdammt sein ewiglich. Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison.

3. Darum wolln wir loben, danken allezeit dem Vater und Sohne und dem Heilgen Geist; bitten, dass sie wollen behüten uns hinfort, und dass wir stets bleiben bei seinem heilgen Wort. Kyrie eleison, Christe eleison, Kyrie eleison.

Fürbitten und Gebetsstille und Vater unser

Wir singen zum Schluss noch einmal eine Liedstrophe zur Ehre des dreieinigen Gottes, das Lied 160:

Gott Vater, dir sei Dank gesagt und Ehre; Herr Jesu Christ, den Glauben in uns mehre; o Heilger Geist, erneu uns Herz und Mund, dass wir dein Lob ausbreiten alle Stund.

Abkündigungen

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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