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Jeder Mensch hat einen guten Kern

Trauerfeier für eine Frau, die von der Macht des positiven Denkens überzeugt war und davor warnte, einen Menschen nach dem ersten Eindruck zu beurteilen.

Jeder Mensch hat einen guten Kern: Eine ungeknackte Walnuss, die aber noch in der Hälfte ihre umhüllenden Schale liegt
Stimmt es, dass jeder Mensch einen guten Kern hat? (Bild: PixeleyePixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Frau Z., die im Alter von [über 60] Jahren gestorben ist.

Wir denken zurück an ihr Leben, stellen uns ihr Bild vor Augen, machen uns noch einmal klar, was für ein Mensch sie gewesen ist.

Gemeinsam gehen wir ein Stück auf dem Weg der Trauer und stehen einander dabei zur Seite.

Das alles tun wir im Vertrauen auf Gott, von dem unser Leben herkommt und zu dem es im Tode zurückkehrt.

Zu Gott beten wir mit Worten aus dem Psalm 27:

1 Der HERR ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der HERR ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?

2 Wenn die Übeltäter an mich wollen, um mich zu verschlingen, meine Widersacher und Feinde, sollen sie selber straucheln und fallen.

3 Wenn sich auch ein Heer wider mich lagert, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht; wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf ihn.

5 Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes und erhöht mich auf einen Felsen.

7 HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich!

10 Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der HERR nimmt mich auf.

11 HERR, weise mir deinen Weg und leite mich auf ebener Bahn.

13 Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des HERRN im Lande der Lebendigen.

Liebe Trauergemeinde!

Mit diesem alten Gebet aus dem Liederbuch der Juden dürfen auch wir Christen unseren Glauben an die Güte Gottes ausdrücken. Ich finde die Formulierung stark und tröstlich: „Ich glaube aber doch“, trotz aller Todesmächte, die uns bedrängen, „dass ich sehen werde die Güte des HERRN im Lande der Lebendigen.“ Dieser HERR, in unseren Bibeln meist in Großbuchstaben geschrieben, ist ein Gott, der die Menschen liebt und in die Freiheit führt.

Wie wir angesichts des Todes von Frau Z. von einer solchen Befreiung und Hoffnung auf die Güte Gottes im Lande der Lebendigen reden können, obwohl sie doch gestorben ist, das ist mir in und nach dem Gespräch klargeworden, das ich mit Ihnen über Ihre Mutter geführt habe. Ich will versuchen, davon etwas in meiner Ansprache deutlich zu machen.

Erinnerungen an das Leben der Verstorbenen

Als ich am Anfang den Psalm 27 gebetet habe mit dem Satz: „Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des HERRN im Lande der Lebendigen“, da habe ich an solche Erfahrungen im Leben von Frau Z. gedacht, in denen ihr ein Stück Paradies auf Erden geschenkt war. Wirklich leben wir nur dort, wo wir Güte sehen, wo wir Liebe empfangen und verschenken, wo man sich aufeinander verlassen kann, wo man wie Frau Z. positiv zu denken imstande ist.

Frau Z.s positives Denken wirkte sich auch aus in ihrer Haltung gegenüber anderen Menschen. Sie hat nie üble Nachrede betrieben und meinte, wenn man in ihrer Gegenwart anfing, über jemanden zu lästern: „Jeder Mensch hat einen guten Kern“. Diese Einschätzung hat Ihnen geholfen, manchen Menschen doch noch eine zweite Chance einzuräumen und zu merken: Ihre Mutter hat ja Recht, nicht immer bestätigt sich ein nachteiliger erster Eindruck.

Blauäugig war Frau Z. mit ihrer Lebenshaltung aber nicht. Ich fühle mich an die Einstellung erinnert, die in der biblischen Schöpfungserzählung vertreten wird: Jeder Mensch ist als Ebenbild Gottes geschaffen (1. Buch Mose – Genesis 1, 27), er hat die Chance, die Liebe Gottes auf dieser Erde widerzuspiegeln und ein Segen für andere Menschen zu sein.

Falls er diesem Ebenbild aber nicht entspricht, nicht entsprechen will, indem er nur seine eigenen Interessen und Bedürfnisse ohne Rücksicht auf ihm anvertraute Menschen verfolgt, kann die Bibel aber auch harte Urteile über eine solche verfehlte Lebenshaltung fällen. Über Menschen, die Kindern ihr Urvertrauen zerstören, hat Jesus sogar einmal gesagt, dass sie besser mit einem Mafiakragen um den Hals an der tiefsten Stelle des Meeres versenkt werden sollten (Markus 9, 42).

Zugleich glaubte Jesus an die Macht der Vergebung, die nicht darin besteht, Unrecht schönzureden, sondern Menschen zuzutrauen, unrechte Wege zu verlassen und sich zu ändern, wenn sie es nur wollen. Vielleicht hat Frau Z. mit ihrem Glauben an den guten Kern in allen Menschen etwas Ähnliches gemeint.

Wie ein so blühendes Leben so schnell enden kann, ist für Sie noch immer nicht wirklich fassbar.

In der Zeit der Krankheit von Frau Z. war Ihnen als ihren Kindern die Unterstützung ihrer Freunde sehr wichtig. Dafür möchten sie Ihnen herzlich danken. Sie waren und sind tief ergriffen, dass so viele von Ihnen, ob gläubig oder nicht, Gebete sprachen und Kerzen für ihre Mutter anzündeten. Wörtlich haben Sie mir geschrieben: „Auch wenn zum Schluss der letzte Funke Hoffnung mit ihr verstarb, sind wir glücklich darüber, dass so viele Menschen ihrer gedacht haben und in den letzten Stunden bei ihr waren. Wir sind uns sicher, dass unsere Mutter diese Einheit und Liebe spüren konnte. Danke!“

Als Frau Z. starb, war sie nicht allein, und Sie nahmen einen friedlichen Ausdruck auf ihrem Gesicht wahr. Sie konnte aufhören zu kämpfen, konnte ihr Leben loslassen. Und es war Ihnen, als ob ihr in diesem Loslassen eine Freiheit, ein Glück und eine bedingungslose Liebe geschenkt waren, die sie in diesem Leben so nicht hatte erfahren können. Mag sein, sie sah in diesem Augenblick buchstäblich die Güte des liebevollen Gottes im Lande der Lebendigen, drüben auf der anderen Seite des Lebens, jenseits des Todes.

Man stellt sich dann auch solche Fragen wie die nach dem „Warum“. Hat Gott im Himmel entschieden, wie Sie es ein wenig salopp formuliert haben: „Die hol ich jetzt zu mir in den Himmel, damit sie auch mal glücklich ist!“? Wir können es nicht sagen und müssen darüber auch nicht nachgrübeln. Sie haben ein gutes Rezept gegen allzu schwere Gedanken vorgeschlagen: Wenn wir später einmal selbst gestorben sind, können wir Gott direkt fragen. Und ich ergänze: Schon jetzt können wir Gott im Gebet alles sagen, sogar wenn wir auf ihn zornig sind und seine Wege nicht begreifen – ob und auf welche Weise er uns antwortet, das müssen wir ihm überlassen.

Lasst uns im Gebet einigen Versen aus dem Psalm 103 nachsinnen und sie auf das Leben von Frau Z. und auf unsere eigene Zukunft beziehen:

1 Lobe den HERRN, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!

Wir fordern unsere eigene Seele auf, dich zu loben, den Gott der Liebe. Alles, was in uns ist, unsere Traurigkeit, unsere Liebe, unser Zorn, unsere Angst, dürfen sich hinstellen und zu dir beten. Du trägst einen besonderen Namen. Du heißt: „Ich bin, der ich bin – Ich bin für euch da.“ Danke, dass du uns beistehst!

2 Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:

Ja, wir dürfen dich loben, auch wenn wir traurig und verzweifelt sind, denn in unserem Leben erfahren wir nicht nur Böses, sondern viel Gutes – überall dort, wo wir voneinander Liebe empfangen und weiterschenken.

3 Der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen.

Ja, Gott, du vergibst uns, wo wir Fehler und Schuld einsehen. Du lässt uns neu anfangen. Du gibst uns neue Chancen, auch wenn nicht durch eigene Schuld unglücklich geworden sind. Unsere schlimmsten Gebrechen sind nicht körperliche Beschwerden, sondern wo es uns an Liebe gebricht, wo uns menschliche Wärme fehlt; dieses Gebrechen heilst du durch deine Liebe, wenn wir Liebe an uns heranlassen.

4 Der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit.

Gott, du willst nicht, dass wir verloren gehen. Aus Verderben und Demütigung holst du uns heraus. Jeden Menschen behandelst du wie einen König, wie eine Königin. Du setzst uns eine Krone auf, weil wir Menschen sind, die von dir geschaffen und geliebt sind. Du willst, dass wir unser Leben meistern und Glück erfahren.

5 Der deinen Mund fröhlich macht, und du wirst wieder jung wie ein Adler.

Gott, du schenkst uns Freude, wie wir sie mit unseren Kindern und Enkeln erleben, wenn wir unbeschwert spielen und unsere Sorgen vergessen. Starker Gott, du trägst uns wie auf Adlerflügeln oder gibst uns unter Adlerflügeln Schutz, und so kann es sein, dass wir vergessen, wie hart wir kämpfen und was wir durchstehen mussten. Wo du uns neuen Lebensmut gibst, fühlen wir uns wieder jung.

6 Der HERR schafft Gerechtigkeit und Recht allen, die Unrecht leiden.

Ja, Gott, du trittst für das Recht der Rechtlosen ein, du richtest Menschen auf, die am Boden zerstört sind.

8 Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.

Großer Gott, unglaublich ist die Geduld, die du mit uns hast; du gibst uns nicht auf mit unendlicher Güte; du trägst uns mit deiner Liebe.

14 Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.

Ja, Gott, du weißt, dass unser Leib aus Materie von der Erde ist, dass wir nicht ewig haltbar sind. Du hast uns ja geschaffen.

15 Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde.

Dankbar sind wir, dass wir in unserem Leben nicht nur Staub sind, sondern dass wir auch wachsen wie das Gras und blühen wie die Blumen. In höchster Blüte stehen wir dann, wenn wir imstande sind, Liebe anzunehmen und weiterzugeben.

16 Wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.

Nur kurz ist unser Leben, Gott. Wir rasch kann der Wind des Todes uns das kostbare Geschenk unseres Leben wieder nehmen!

17 Die Gnade aber des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten, und seine Gerechtigkeit auf Kindeskind

18 bei denen, die seinen Bund halten und gedenken an seine Gebote, dass sie danach tun.

Guter Gott, wer sich an dich hält, der bleibt ewig, auch wenn wir vergänglich sind. Wer sich an deine guten Gebote hält und Kindern die Liebe weitergibt, die sie für ihr Leben brauchen, der bleibt mit dir im Einklang, der hat ein Bündnis mit dir geschlossen und führt ein Leben, mit dem er glücklich und zufrieden sein kann.

Mit den Gedanken dieses Psalms der Bibel und im Vertrauen auf dich, Gott, der du uns mit deiner Liebe umgibst, nehmen wir heute Abschied von Frau Z. Wir sind traurig über ihren Tod und dankbar für ihr Leben. In der Zuversicht, dass sie nun bei dir ist und du sie bedingungslos annimmst mit all dem, was sie mit sich getragen hat und wonach sie sich gesehnt hat, lassen wir sie getrost los und vertrauen sie deinen lieben Händen an.

Uns, die wir zurückbleiben, schenke die Kraft, um zu bewältigen, was uns belastet. Begleite uns auf dem Weg der Trauer und hilf uns, im Vertrauen auf dich unser eigenes Leben zu meistern. Hilf uns klarzukommen mit den Gedanken an den Tod und schenke uns die Einsicht, wie kostbar das uns geschenkte Leben ist. Mach uns bewusst, dass wir von dir geschaffen sind, um auf dieser Erde Liebe zu empfangen und zu geben. Amen.

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