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Ich lebe selbst

Die Umkehr zu Jesus bedeutete, dass man erkannte, wie viel man an sich zu ändern hatte. Was man immer zu rechtfertigen versuchte, was man immer herunterspielte – plötzlich wird einem bewusst: dafür bin ich persönlich verantwortlich. Jesus traut mir zu, mich zu ändern. Ich lebe selbst! Ich mache nicht mehr andere für mein Unglück verantwortlich. Ich kann anderen offen begegnen.

Umriss eines Kopfes mit bunten Spiralen drin
Wie kann ich Buße tun, umkehren, mich ändern – ich selbst sein? (Bild: kalhhPixabay)

direkt-predigtGottesdienst am Buß- und Bettag, Mittwoch, 21. November 1979, um 9.30 in Heuchelheim, 10.30 in Reichelsheim (mit Abendmahl)
Orgelvorspiel
Lied EKG 118, 1-3 (EG 144):

1. Aus tiefer Not lasst uns zu Gott von ganzem Herzen schreien, bitten, dass er aus seiner Gnad uns woll vom Übel befreien und alle Sünd und Missetat, die unser Fleisch begangen hat, als Vater uns verzeihen.

2. O Gott und Vater, sieh doch an uns Armen und Elenden, die wir sehr übel han getan mit Herzen, Mund und Händen; verleih uns, dass wir Buße tun und sie in Christus, deinem Sohn, zur Seligkeit vollenden.

3. Zwar unsre Schuld ist groß und schwer, von uns nicht auszurechnen; doch dein Barmherzigkeit ist mehr, die kein Mensch kann aussprechen: die suchen und begehren wir und hoffen, du lässt es an dir uns nimmermehr gebrechen.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“
Psalm 51, 3-6.11-15:

3 Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte, und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit.

4 Wasche mich rein von meiner Missetat, und reinige mich von meiner Sünde;

5 denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir.

6 An dir habe ich gesündigt und übel vor dir getan, auf dass du recht behaltest in deinen Worten und rein dastehst, wenn du richtest.

11 Verbirg dein Antlitz vor meinen Sünden, und tilge alle meine Missetat.

12 Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist.

13 Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir.

14 Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus.

15 Ich will die Übertreter deine Wege lehren, dass sich die Sünder zu dir bekehren.

Herr, hilf, dass wir uns dir und deinem Wort öffnen, uns nicht verstocken, sondern umkehren in Gedanken, Worten und Werken; denn du bist Herr unseres ganzen Lebens. Amen.

Lesung: Lukas 19, 1-10

1 Und er ging nach Jericho hinein und zog hindurch.

2 Und siehe, da war ein Mann mit Namen Zachäus, der war ein Oberer der Zöllner und war reich.

3 Und er begehrte, Jesus zu sehen, wer er wäre, und konnte es nicht wegen der Menge; denn er war klein von Gestalt.

4 Und er lief voraus und stieg auf einen Maulbeerbaum, um ihn zu sehen; denn dort sollte er durchkommen.

5 Und als Jesus an die Stelle kam, sah er auf und sprach zu ihm: Zachäus, steig eilend herunter; denn ich muss heute in deinem Haus einkehren.

6 Und er stieg eilend herunter und nahm ihn auf mit Freuden.

7 Als sie das sahen, murrten sie alle und sprachen: Bei einem Sünder ist er eingekehrt.

8 Zachäus aber trat vor den Herrn und sprach: Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.

9 Jesus aber sprach zu ihm: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, denn auch er ist Abrahams Sohn.

10 Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Lied EKG 188, 1-2 (EG 289):

1. Nun lob, mein Seel, den Herren, was in mir ist, den Namen sein. Sein Wohltat tut er mehren, vergiss es nicht, o Herze mein. Hat dir dein Sünd vergeben und heilt dein Schwachheit groß, errett’ dein armes Leben, nimmt dich in seinen Schoß, mit reichem Trost beschüttet, verjüngt, dem Adler gleich; der Herr schafft Recht, behütet, die leidn in seinem Reich.

2. Er hat uns wissen lassen sein herrlich Recht und sein Gericht, dazu sein Güt ohn Maßen, es mangelt an Erbarmung nicht; sein’ Zorn lässt er wohl fahren, straft nicht nach unsrer Schuld, die Gnad tut er nicht sparen, den Schwachen ist er hold; sein Güt ist hoch erhaben ob den’, die fürchten ihn; so fern der Ost vom Abend, ist unsre Sünd dahin.

Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Ich predige über zwei Verse aus dem Evangelium nach Markus 1, 14-15 (GNB):

Nachdem man Johannes [den Täufer] ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus nach Galiläa und verkündete im Auftrag Gottes: „Es ist soweit: Jetzt will Gott seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden. Ändert euer Leben und glaubt diese Gute Nachricht!“

– so die Übersetzung der Guten Nachricht, oder, wie es in der Lutherbibel heißt:

„Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“

Amen.

Liebe Gemeinde!

Wenn man das Gleiche sagt, sagt man noch längst nicht dasselbe, sondern sogar oft etwas ganz Gegensätzliches. So ist es z. B. mit dem Wort Buße. Martin Luther hat mit diesem Wort so viel Gutes verbunden, dass er gesagt hat: „Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht: ‚Tut Buße‛ usw., hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll.“ Wir heute, 450 Jahre später, können schon mit einem einzigen Bußtag im Jahr wenig anfangen. Bei Buße denken wir ans Autofahren, an Verkehrssünden, ans Bußgeld; vielleicht noch an den katholischen Beichtstuhl und die Selbstprüfung nach irgendwelchen verborgenen Sünden; oder an Männer früherer Zeiten im Büßergewand, in Sack und Asche; vielleicht auch an heutige todernste Frömmigkeit von Menschen, die sich und anderen kein Vergnügen gönnen. Und Buße soll das ganze Leben, jeden einzelnen Tag, bestimmen?

Luther muss mit diesem Wort etwas anderes meinen, als uns heute im 20. Jahrhundert dazu einfällt. Für ihn war dieses Wort gleichbedeutend mit Befreiung, mit Freude.

Das war damals alles andere als selbstverständlich. Als Luther seinen Satz, dass das ganze Leben der Christen Buße sein sollte, an die Schlosskirchentür von Wittenberg nagelte, als erste seiner berühmten 95 Thesen, da verband man eigentlich mit dem Wort Buße diejenigen frommen und guten Werke, die man zu tun hatte, um für sich selbst, für andere oder sogar für Verstorbene die Aussicht auf einen Platz im Himmel und ein abgekürztes Leiden im sogenannten Fegefeuer zu haben. Beichtväter erlegten ihren Beichtkindern Gebete als Bußen auf, z. B. 10 Vaterunser, 5 Ave Maria, oder Rosenkranzbeten.. Almosen sollten gegeben werden, an Kreuzzügen sollten sich bestimmte dazu fähige Männer beteiligen. Schließlich kam es so weit, dass Geldspenden für die aufwendigen Paläste und Kirchen der immer weltlicheren und prunksüchtigeren Kirchenoberen schon genügen sollten, um den Weg der Seele in den Himmel zu erleichtern. „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer in den Himmel springt“ – so konnte es Luther damals hören. Das wollte Luther nicht mehr länger mit ansehen.

Denn diese Art von Buße, diese vielen Werke, nicht nur die Auswüchse bei den Geldbußen – sie sind zu viel und zugleich zu wenig. Sie belasten, sie machen Angst, sie erwecken den Eindruck, als ob man durch sie die Seligkeit erringen könnte, doch man weiß gleichzeitig, dass man es nicht kann, da man nie genug tun kann.

Das ganze Leben ist eine Buße – das bedeutete für Luther: eine Kehrtwendung hin zu Jesus. Denn Jesus stellte keine Bedingung auf, die einer erfüllen musste, um zu ihm zu kommen. Jeder konnte zu ihm, jedem konnte vergeben werden. Da musste nicht erst durch gute Werke der Himmel verdient werden. Da stand der Himmel plötzlich offen, das unverlierbare Glück, menschliche Wärme und Nähe, die nicht erkauft werden mussten, das Bewusstsein, ernstgenommen zu werden als ein einmaliges, einzigartiges Geschöpf Gottes und nicht wegen der eigenen Fehler und Unvollkommenheiten seinem Zorn preisgegeben.

Diese Umkehr zu Jesus bedeutete dann allerdings, dass man erkannte, wie viel man an sich zu ändern hatte. Was man immer zu rechtfertigen versuchte, was man sich nie eingestehen wollte, was man immer herunterspielte – plötzlich wird einem bewusst: dafür bin ich persönlich verantwortlich, dafür habe ich gerade zu stehen, da muss ich, nicht erst die anderen, nein, ich muss an mir einiges ändern. Besser gesagt: Man sieht, dass man es kann, denn Jesus traut es jedem zu. Es wird zwar große Überwindung kosten, aber es wird dem, der es wagt, ein erfüllteres Leben bringen. Auch das Gefühl: Ich lebe selbst! Ich mache nicht mehr andere für mein Unglück verantwortlich. Ich kann anderen offen begegnen.

So wird die von Martin Luther so hochgelobte Buße auch für uns aktuell: denn es fehlt bei uns an dieser Art von Buße und Umkehr – die eigene Verantwortung wahrzunehmen, statt immer den anderen die Verantwortung zuzuschieben, Jesus um Vergebung für die eigene Schuld zu bitten und um die Kraft, ein brüderliches Leben führen zu können.

Auch in der Schule sprachen wir gestern über den Bußtag. Zum Wort Buße erinnerten sich einige Schüler an die Bußgelder im Straßenverkehr, andere an das Beichten in der katholischen Kirche. Dann erzählte ich den Schülern von Martin Luther und dass er gesagt habe, dass das ganze Leben der Christen eine Buße sein soll. Was meint er wohl damit? fragte ich. Da erinnerte sich ein Schüler der dritten Klasse an die Geschichte von Jesus und Zachäus, die wir vorhin gehört haben. Ein unbeliebter Reicher wird von Jesus menschlich angenommen – und lernt dadurch auf einmal selbst, menschlich zu handeln: er gibt mehrfach zurück, was er sich unrechtmäßig angeeignet hatte. Dieser Schüler hat erkannt: bei der Buße geht es nicht um Schimpfen, Tadeln, Nörgeln, damit sich einer endlich bessert. Sondern es geht um menschliche Nähe auch zu denen, die Fehler haben – dann können sie sich auch ändern. Und diese menschliche Nähe haben wir alle nötig. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied EKG 188, 3 (EG 289):

3. Wie sich ein Mann erbarmet ob seiner jungen Kindlein klein, so tut der Herr uns Armen, wenn wir ihn kindlich fürchten rein. Er kennt das arm Gemächte und weiß, wir sind nur Staub, ein bald verwelkt Geschlechte, ein Blum und fallend Laub: Der Wind nur drüber wehet, so ist es nimmer da, also der Mensch vergehet, sein End, das ist ihm nah.

Für die, die nicht am Abendmahl teilnehmen wollen, bitten wir um den Segen des Herrn: Es segne uns Gott der Allmächtige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Gehet hin in Frieden. Amen.

Lied EKG 442, 1 (nicht im EG):

Herr, du wollst uns vollbereiten zu deines Mahles Seligkeiten, sei mitten unter uns, o Gott. Lass uns, Leben zu empfahen, mit glaubensvollem Herzen nahen und sprich uns los von Sünd und Tod. Wir sind, o Jesu, dein; dein lass uns ewig sein. Amen, Amen. Anbetung dir! Einst feiern wir das große Abendmahl bei dir.

Wir haben von dem Zöllner Zachäus gehört. Bei dem fing Buße mit Tischgemeinschaft an, Tischgemeinschaft mit Jesus. Jesus setzte sich mit jedem an einen Tisch. Er lädt auch uns ein. Er sagt: Ich soll nicht die in Gottes neue Welt einladen, bei denen alles in Ordnung ist, sondern die ausgestoßenen Sünder.

Wir bekennen unsere Schuld: Wir richten andere – und tun doch dasselbe. Wir verachten Gottes Güte und Geduld, weil wir sein Gesetz zwar hören, aber nicht tun, weil wir die Umkehr zum Leben, die Gott von uns will, verweigern. Wir bitten dich: Herr, erbarme dich!

Ist dies die aufrichtige Bitte von uns allen, so darf ich euch uns allen die Gnade und Vergebung Gottes zusprechen. Gottes Güte treibt uns zur Umkehr; gegen alle Vernunft gibt er uns noch ein Jahr, noch einmal Zeit, noch einmal umzukehren und Buße zu tun. Ein zerschlagenes Herz wird Gott nicht verachten. Amen.

Wir erinnern uns an die Worte, mit denen Jesus sein Mahl zum Gedächtnis einsetzte:

Einsetzungsworte – Christe, du Lamm Gottes – Austeilung

In Frieden lasst uns den Herrn anrufen: „Herr, erbarme dich!“

Nimm von uns alle Lauheit und Gleichgültigkeit, lass uns aus der Zuschauerrolle herauskommen, lass uns die Freiheit eines Christenmenschen nicht raffiniert zum Nichtstun ausnützen. Lasst uns den Herrn anrufen: „Herr, erbarme dich!“

Lass deine Kirche Zeugnis geben von Buße, Besserung, Umkehr, Änderung, von der Kraft des Evangeliums, das Leben jedes einzelnen und aller zusammen zu erneuern. Lass deinen Geist unter uns wirken und in der ganzen Welt am Werke sein, die Herzen erwärmen, die Gedanken beflügeln, die Kräfte in Bewegung setzen, damit überall Gerechtigkeit wachse und die Ungerechtigkeit bekämpft werde, damit dein Friede alles erfülle. Lasst uns den Herrn anrufen: „Herr, erbarme dich!“

Wir beten gemeinsam:

Vater unser

Abkündigungen: Am Donnerstag in einer Woche, 29. November, lade ich herzlich zur Podiumsdiskussion um 20.00 in der Mehrzweckhalle Reichelsheim ein. Näheres im Kirchenblättchen.

Lied EKG 165 (EG 222):

1. Im Frieden dein, o Herre mein, lass ziehn mich meine Straßen. Wie mir dein Mund gegeben kund, schenkst Gnad du ohne Maßen, hast mein Gesicht das sel’ge Licht, den Heiland, schauen lassen.

2. Mir armem Gast bereitet hast das reiche Mahl der Gnaden. Das Lebensbrot stillt Hungers Not, heilt meiner Seele Schaden. Ob solchem Gut jauchzt Sinn und Mut mit alln, die du geladen.

3. O Herr, verleih, dass Lieb und Treu in dir uns all verbinden, dass Hand und Mund zu jeder Stund dein Freundlichkeit verkünden, bis nach der Zeit den Platz bereit’ an deinem Tisch wir finden.

Segen

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