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Selig werden – mit Furcht und Zittern?

Grund zum Zittern vor Gott hätten wir, wenn wir meinen, es gäbe keinen Gott und keine Liebe und unser Leben hätte sowieso keinen Sinn. Oder wenn wir schwere Schuld auf uns geladen haben. Dann müssen wir die Folgen fürchten. In beiden Fällen jagt uns nicht Gott selbst Furcht und Schrecken ein, sondern unser Versuch, ohne Gott zurechtzukommen, lässt uns zittern.

Kirchenfenster mit der Unterschrift: "Selig sind die Trauernden" und einem Bild von einer Frau, die am Ufer zu einem mit Männern besetzten Boot hinübergrüßt
„Selig sind die Trauernden“, sagt Jesus. Was hat Seligkeit mit Furcht und Zittern zu tun? (Bild: falcoPixabay)

direkt-predigtGottesdienst am Reformationssonntag, den 3. November 1996, um 9.00 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey

Ich heiße Sie heute herzlich willkommen mit einem Wort Jesu (Johannes 16, 22):

„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden!“

Ich stelle dieses Wort deshalb an den Anfang, weil ich nachher über eine andere Bibelstelle predigen werde, die man leicht missverstehen kann (Philipper 2, 12):

„Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern!“

Jetzt am Anfang sage ich dazu nur dies: Egal, was nachher in meiner Predigt herauskommen wird – Gott will uns keine Angst machen, sondern er will uns trösten in unserer Angst.

Zu Beginn singen wir das Lied 161:

Liebster Jesu, wir sind hier, dich und dein Wort anzuhören; lenke Sinnen und Begier auf die süßen Himmelslehren, dass die Herzen von der Erden ganz zu dir gezogen werden.

Unser Wissen und Verstand ist mit Finsternis verhüllet, wo nicht deines Geistes Hand uns mit hellem Licht erfüllet; Gutes denken, tun und dichten musst du selbst in uns verrichten.

O du Glanz der Herrlichkeit, Licht vom Licht, aus Gott geboren: mach uns allesamt bereit, öffne Herzen, Mund und Ohren; unser Bitten, Flehn und Singen lass, Herr Jesu, wohl gelingen.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Wir hören Worte aus der Bergpredigt Jesu (Matthäus 5):

3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.

4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.

5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.

6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.

10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

12 Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, durch Jesus Christus kehrst du unsere Maßstäbe um. Leidende sollen glücklich sein, Friedliebende sollen die Macht bekommen, Barmherzige sollen nicht ausgenutzt werden, sondern ebenfalls barmherzig behandelt werden, und Menschen, die geistlich arm sind, die keinen Glauben haben, die mit leeren Händen vor dir stehen, gerade ihnen soll der Himmel gehören. All das ist kaum zu glauben – und doch dürfen wir uns darauf verlassen, denn dein Sohn Jesus Christus hat es uns vorgelebt, dass das wahr ist. Fülle auch unsere leeren Hände, tröste uns, wenn wir traurig sind und wenn wir Angst haben, schenke auch uns ein reines Herz, das zur Sanftmut, zum Frieden und zur Barmherzigkeit fähig wird. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Brief 1. Johannes 4, 16-19:

16 Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

17 Furcht ist nicht in der Liebe,

18 sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe.

19 Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“

Wir singen vor der Predigt das Lied 612:
Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst, mit der du lebst
Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Wir hören heute einen kurzen, aber sehr schwer zu verstehenden Predigttext aus dem Brief des Paulus an die Philipper 2, 12-13:

12 Meine Lieben…, schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.

13 Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen.

Liebe Gemeinde, ich habe gezögert, über diesen Text zu predigen. Denn dieser Text hat mir seit meiner Jugendzeit Angst gemacht – und ich möchte Ihnen nicht Angst machen. „Schaffet, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern!“ Das klingt so, als ob man sich anstrengen müsste, um selig zu sein, um von Gott liebgehabt zu werden. Das klingt so, als ob man vor Gott Angst haben müsste, als ob man niemals sicher sein dürfte, dass Gott einen wirklich liebhat.

Aber das kann Paulus auf keinen Fall meinen. Wir dürfen sicher sein, dass Gott uns liebhat, weil das einfach stimmt. Gott hat uns Menschen lieb, wir können daran gar nichts ändern. Und Gott ist auch kein Buhmann, kein Angstmacher, sondern er ist wie ein unendlich liebevoller Vater, wie eine unendliche liebevolle Mutter, und wir dürfen uns ohne Angst und ohne Furcht und Zittern bei ihm geborgen fühlen. Wir haben genau das ja auch eben in der Lesung (1. Johannes 4) gehört:

17 Furcht ist nicht in der Liebe,

18 sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus; denn die Furcht rechnet mit Strafe.

Weil wir also bei dem Gott, der uns liebt und vergibt, nicht mit Strafe rechnen müssen, brauchen wir auch nicht in Furcht vor ihm zu leben.

Was meint dann aber Paulus mit seinem Satz, der so furchtbar furchterregend klingt: „Schaffet, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern!“?

Zuerst einmal: Um ihn zu verstehen, dürfen wir ihn nicht trennen von seinem Nachsatz. Denn der fängt mit „denn“ an und ist somit die Begründung für den ersten Satz. „Denn Gott ist’s, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen, nach seinem Wohlgefallen“. Also: Selig werden, sinnvolles, erfülltes Leben haben, an Gott glauben, das schaffen wir niemals allein, sondern Gott schafft es – er bewirkt es. Er bringt uns dazu, dass wir das überhaupt wollen, und er sorgt auch dafür, dass wir damit auch zurechtkommen, dass wir es vollbringen. Aber wie tut er das? Indem er uns Menschen über den Weg schickt, denen wir vertrauen können, die uns zeigen, wie sehr uns Gott lieb hat, die uns so annehmen, wie wir sind. Das alles wird uns geschenkt, das können wir gar nicht selber schaffen.

Was meint dann bloß Paulus mit diesem Wort „schaffen“? „Schaffet, dass ihr selig werdet!“ Vielleicht will Paulus sagen: Dafür, dass Gott euch liebhat, könnt ihr nichts tun. Daran könnt ihr auch nichts ändern. Aber es ist doch ein riesengroßer Unterschied, ob ihr das wahrnehmt und auch so lebt wie Menschen, die von Gott geliebt sind, oder ob ihr das überhaupt nicht merkt, nicht wahrhaben mögt! Dann nämlich macht ihr euch selbst unglücklich – das ist genau das Gegenteil von „selig“. Unendlich schade ist es, wenn ihr meint, ohne die Liebe leben zu müssen, die Gott für euch empfindet. Und gerade dann macht ihr euch selbst glücklich, wenn ihr nicht mehr glaubt, ihr müsstet ganz allein euer eigenes Glück schmieden!

Schaffet, dass ihr selig werdet – das ist ein paradoxer Satz. Ein Satz, der scheinbar widersprüchlich ist. Eigentlich kann man das nicht schaffen – aber indem man einsieht, dass man es nicht durch Anstrengung schaffen kann, überlässt man sich der Liebe Gottes und dann geschieht es einfach – die Seligkeit ist da. Es ist so ähnlich paradox wie die Aufforderung an einen Alkoholiker: „Du bist der einzige, der die Verantwortung dafür trägt, dass du mit dem Trinken aufhörst!“ Niemand kann ihm diese Verantwortung abnehmen. Und trotzdem braucht er in der Regel zugleich sehr viel Unterstützung, um seine eigene Entscheidung auch durchzuhalten. Das Schwierigste an der Übernahme von Verantwortung für sein Alkoholikersein ist ja, dass er damit eingestehen muss: „Ich bin machtlos gegenüber diesem Stoff, ich kann ihn nicht mit meinem Willen, so stark er auch sein mag, kontrollieren.“

Genau so sind wir Menschen machtlos gegenüber der Liebe eines anderen Menschen und erst recht gegenüber der Liebe von Gott. Wir können sie nicht erzwingen, nicht verdienen, nicht erarbeiten, nicht schaffen. Und genau dann, wenn wir anerkennen, dass wir das alles überhaupt nicht müssen, weil Gott uns doch sowieso schon längst liebhat, bekommen wir das als Geschenk, wovon wir dachten, es sei so gut wie unerreichbar.

An dieser Stelle unterbreche ich die Predigt und wir singen das Lied 617:

Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart, ich geb mich hin dem freien Triebe, wodurch auch ich geliebet ward; ich will, anstatt an mich zu denken, ins Meer der Liebe mich versenken.

Ehr sei dem hohen Jesusnamen, in dem der Liebe Quell entspringt, von dem hier alle Bächlein kamen, aus dem der Selgen Schar dort trinkt! Wie beugen sie sich ohne Ende! Wie falten sie die frohen Hände!

O Jesu, dass dein Name bliebe im Grunde tief gedrücket ein! Möcht deine süße Jesusliebe in Herz und Sinn gepräget sein! Im Wort, im Werk und allem Wesen sei Jesus und sonst nichts zu lesen!

Liebe Gemeinde, was ist aber nun mit den dunklen Worten „Furcht und Zittern“? Was will Paulus mit ihnen sagen, wenn er uns damit nicht Angst einjagen will vor unserem liebevollen Gott?

Dieser Ausdruck „Furcht und Zittern“ kommt noch an sieben anderen Stellen der Bibel vor. Und ich habe einmal nachgeschaut, was dort mit diesen Worten ausgedrückt wird.

Manchmal wird diese Redewendung einfach gebraucht, um den Respekt gegenüber jemandem auszudrücken, dem man sich verpflichtet fühlt. So schreibt Paulus in 2. Korinther 7 über die Aufnahme seines Schülers Titus in der dortigen Gemeinde:

15 Und er ist überaus herzlich gegen euch gesinnt, wenn er an den Gehorsam von euch allen denkt, wie ihr ihn mit Furcht und Zittern aufgenommen habt.

„Mit Furcht und Zittern“, das scheint hier einfach „respektvoll“ zu bedeuten. Man möchte dem besonderen Gast nichts schuldig bleiben und will ihn auf keinen Fall vernachlässigen oder kränken. Vielleicht will Paulus in unserem Predigttext also sagen: „Schaffet, dass ihr selig werdet – indem ihr Gott ernst nehmt, indem ihr ihn mit der Ehrfurcht behandelt, die ihm zusteht.“

Im Epheser 6 werden die Worte „Furcht und Zittern“ in einem anderen Zusammenhang gebraucht:

5 Ihr Sklaven, seid gehorsam euren irdischen Herren mit Furcht und Zittern, in Einfalt eures Herzens, als dem Herrn Christus.

Hier frage ich mich: Soll unsere Beziehung zu Gott etwa genauso sein wie die Stellung eines Sklaven zu seinem Herrn? Nein, bestimmt nicht. Denn gerade Paulus spricht an einer anderen Stelle davon, dass wir Kinder Gottes sind, nicht seine Sklaven.

Wieder anders ist es im Psalm 55. Da wird das Leid eines Menschen geschildert, dem Gewalt angetan wurde, und zwar von einer nahestehenden Person. Vielleicht ist es eine vergewaltigte Frau, die in diesem Psalm die furchtbare Erfahrung ihres Missbrauchs schildert:

2 Gott, höre mein Gebet und verbirg dich nicht vor meinem Flehen.

3 Merke auf mich und erhöre mich, wie ich so ruhelos klage und heule,

4 da der Feind so schreit und der Gottlose mich bedrängt; denn sie wollen Unheil über mich bringen und sind mir heftig gram.

5 Mein Herz ängstet sich in meinem Leibe, und Todesfurcht ist auf mich gefallen.

6 Furcht und Zittern ist über mich gekommen, und Grauen hat mich überfallen.

Hier sind die Worte „Furcht und Zittern“ ein Ausdruck der verzweifelten, ausweglosen Panik, in die ein Gewalttäter sein Opfer hineinbringt. Paulus benutzt zwar die gleichen Worte, aber er denkt mit Sicherheit nicht, dass Gott genau so grausam wäre wie ein gewalttätiger Mensch, der uns in Angst und Schrecken versetzt.

In einem anderen Psalm, im Psalm 2, wird gerade solchen Menschen, die viel Macht haben und die sich mit Unrecht und Gewalttat gegen Gott auflehnen, heftig ins Gewissen geredet:

10 So seid nun verständig, ihr Könige, und lasst euch warnen, ihr Richter auf Erden!

11 Dienet dem HERRN mit Furcht und küsst seine Füße mit Zittern,

12 dass er nicht zürne und ihr umkommt auf dem Wege; denn sein Zorn wird bald entbrennen. / Wohl allen, die auf ihn trauen!

Hier ist nun wirklich die Rede davon, dass Menschen vor Gott zittern, dass sie sich vor ihm fürchten sollen. Aber nur bestimmte Menschen sollen zittern und sich fürchten vor Gott. Nur wer hochmütig gegenüber Gott ist, hat es nötig, demütiger und bescheidener zu werden. Wer Unrecht tut, Gewalt übt und sich gegen Gott auflehnt, der kann auch sehr tief fallen, der stürzt nicht nur andere, sondern auch sich selbst ins Unglück. Vor den Folgen ihrer eigenen Taten sollen die Könige zittern, voller Furcht können sie nur noch um Gnade bitten, wenn es für sie noch eine Rettung geben soll.

Vielleicht meint Paulus etwas Ähnliches, wenn er auch uns sagt: „Schaffet, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern!“ Vielleicht will er uns einfach vor Hochmut warnen. Davor, dass wir meinen: Ich komme ohne Liebe und ohne Gott zurecht, ich brauche niemanden und will auch für niemanden da sein. Ich tue, was ich will, und notfalls nehme ich mir, was ich unbedingt haben will, auch wenn ich damit vielleicht jemandem wehtue. Also: eigentlich muss man gar nicht vor Gott zittern und sich fürchten, sondern vor uns selber, vor all dem, zu dem wir fähig sind, wenn wir kein Vertrauen zu Gott haben und uns nicht auf die Liebe einlassen wollen.

Ich unterbreche noch einmal die Predigt, für das Lied 629:
Liebe ist nicht nur ein Wort, Liebe, das sind Worte und Taten

Noch weitere Bibelstellen will ich betrachten, liebe Gemeinde, in der von „Furcht und Zittern“ die Rede ist. So sagt der alte Tobias im gleichnamigen Buch (Tobias 13) von Gott:

4 Er hat uns gezüchtigt um unsrer Sünden willen, und um seines Erbarmens willen wird er uns wieder helfen.

5 Darum bedenkt, was er an uns getan hat; mit Furcht und Zittern preist und rühmt ihn, der ewig herrscht, mit euren Werken!

Gott wird hier wie ein Familienvater beschrieben, der seine Menschenkinder straft, um sie wieder auf den rechten Weg zu führen, wenn sie etwas Böses getan haben. Er will sie aber nicht kaputtmachen, sondern er straft sie, weil er sie lieb hat, und hört nicht auf, sie liebzuhaben. Darum können die Menschen diesem Gott sogar dankbar sein und ihn preisen „mit Furcht und Zittern“ – so ähnlich wie ein Kind, das zwar Angst hatte vor einer Strafe der Eltern, das die Strafe aber trotzdem als gerecht empfindet und weiß: Jetzt ist alles wieder gut! Jetzt kann ich auch wieder lieb sein!

Auch im Buch Hiob kommen die Worte „Furcht und Zittern“ vor, wieder in einem anderen Zusammenhang. Hier fühlt sich Hiob von Gott nicht zu Recht bestraft, sondern zu Unrecht gequält. Aber einer der Freunde Hiobs mit Namen Elifas streitet mit Hiob und wirft ihm vor, irgendetwas müsse er doch getan haben, wofür Gott ihn straft (Hiob 4):

7 Bedenke doch: Wo ist ein Unschuldiger umgekommen? Oder wo wurden die Gerechten je vertilgt?

Und dann erzählt Elifas von einer nächtlichen Eingebung, die er mit Furcht und Zittern erlebt hat:

12 Zu mir ist heimlich ein Wort gekommen, und von ihm hat mein Ohr ein Flüstern empfangen

13 beim Nachsinnen über Gesichte in der Nacht, wenn tiefer Schlaf auf die Leute fällt;

14 da kam mich Furcht und Zittern an, und alle meine Gebeine erschraken.

Und in dieser schrecklichen Nacht hört er eine Stimme, von der er nicht genau weiß, woher sie kommt:

17 Wie kann ein Mensch gerecht sein vor Gott oder ein Mann rein sein vor dem, der ihn gemacht hat?

Nun, Hiob wehrt sich gegen diese Stimme und gegen die düsteren Worte seines Freundes Elifas; er wehrt sich gegen die Unterstellung, als ob er doch schuld sei an seinem eigenen Unglück. Er beharrt darauf, vor Gott über sein unverdientes Schicksal klagen zu dürfen. Hiob übernimmt nicht die Haltung seines Freundes, er fürchtet sich nicht davor, Gott sogar anzuklagen, und er zittert nicht vor einer Strafe Gottes.

Wenn Paulus also sagt: „Schaffet, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern“ – dann kann er nicht meinen, wir müssten uns klein machen vor Gott. Wir dürfen selbstbewusst vor Gott stehen wie Hiob. Wenn wir Grund zum Klagen haben, dürfen wir das tun wie Hiob. Und wenn wir Grund zum Freuen haben, dürfen wir auch die Freude genießen und müssen nicht mit langem Gesicht herumlaufen.

Grund zum Zittern und zur Furcht vor Gott hätten wir nur in zwei Fällen. Entweder wenn wir meinen, wir stünden ganz allein da in der Welt und es gäbe keinen Gott und keine Liebe und unser Leben hätte sowieso keinen Sinn. Dann sind wir ja wirklich in einer verzweifelten Lage. Oder wenn wir schwere Schuld auf uns geladen haben. Dann müssen wir die Folgen fürchten und können ebenfalls unseres Lebens nicht mehr froh werden. In beiden Fällen ist es nicht Gott selbst, der uns Furcht und Schrecken einjagt, sondern es ist gerade unser Versuch, ohne Gott zurechtzukommen, der uns zittern lässt.

In beiden Fällen können wir einfach umkehren zu Gott: um zu schauen, ob er nicht doch da ist, um zu erleben, ob er uns nicht doch in die Arme schließt, um Vergebung zu erfahren, um die Geborgenheit seiner Liebe zu spüren. Dann kann die Furcht vor Strafe aufhören, dann brauchen wir nicht mehr aus lauter Verzweiflung zu zittern und zu zagen.

Die letzte Bibelstelle zum Thema steht in 1. Korinther 2. Paulus spricht dort von seinen persönlichen Gefühlen, wenn kaum jemand seine Botschaft hören will:

1 Als ich zu euch kam, kam ich nicht mit hohen Worten und hoher Weisheit, euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen.

2 Denn ich hielt es für richtig, unter euch nichts zu wissen als allein Jesus Christus, den Gekreuzigten.

3 Und ich war bei euch in Schwachheit und in Furcht und mit großem Zittern;

4 und mein Wort und meine Predigt geschahen nicht mit überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft,

5 damit euer Glaube nicht stehe auf Menschenweisheit, sondern auf Gottes Kraft.

Hier wird also vollends klar: Paulus fürchtet sich nicht vor Gott und zittert nicht vor seinen Strafen. Er verkündet einen liebevollen Gott, der aus Liebe zu uns sogar sein Leben für uns hingab.

Aber mit dieser Botschaft kommt man nicht überall gut an. Manchmal zweifelt man vielleicht sogar selber daran, ob das auch stimmt, ob Gott uns wirklich liebhat, ob es ihn auch wirklich gibt, ob unser Leben wichtig ist und wir uns liebhaben dürfen. Diese Erfahrungen meint Paulus wohl in erster Linie, wenn er sagt: „Schaffet, dass ihr selig werdet – auch wenn ihr manchmal Furcht habt und schwach und unsicher seid und vor Angst zittert! Trotz allem ist es wahr: Gott hat euch lieb und euer Leben ist sinnvoll. Denn Gott lässt euch nicht verloren gehen!“ Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

Wir singen das Lied 410:

Christus, das Licht der Welt. Welch ein Grund zur Freude!

Und nun feiern wir – wie immer am ersten Sonntag des Monats – das heilige Abendmahl miteinander – mit Brot und Traubensaft. Wer daran teilnehmen will, kommt nach vorn, wenn es so weit ist, die anderen mögen auf ihrem Platz bleiben und gehören auch zu uns dazu. Nach den Einsetzungsworten singen wir das Lied 190.2.

Freundlicher, treuer, geduldiger, barmherziger Gott, du stößt niemanden zurück, der zu dir kommen will. Du kennst unsere Furcht vor Strafe und unser Zittern vor dem, was Menschen uns antun, und wir dürfen dessen gewiss sein: Du willst uns keine Angst machen, du willst nicht, dass wir vor dir zittern. Vielmehr vergibst du unsere Schuld und lässt unsere verwundete Seele ruhig werden. Du schenkst uns deine Liebe, und in deinem Sohn schenkst du dich uns selbst. Darum essen wir das Brot, und wir trinken aus dem Kelch, zum Zeichen, dass wir zu dir gehören.

Abendmahl

Gott, wir danken dir dafür, dass du uns alles schenkst, was wir brauchen: Vom Essen und Trinken angefangen bis hin zum seelischen Beistand und zu der Liebe, ohne die wir nicht leben könnten. Wir müssen uns oft fürchten, wir zittern manchmal vor lauter Angst, und ich bin froh, dass wir nicht vor dir Angst haben müssen! Wenn wir doch vor dir zittern vor lauter Furcht – dann dürfen wir Hilfe suchen, dürfen wir uns aussprechen mit einem Seelsorger. Wir dürfen um Vergebung bitten und in der Bibel nachlesen, wie liebevoll du wirklich bist. Mit unserer Angst dürfen wir uns dir anvertrauen. Lass uns in deiner Liebe geborgen sein! Amen.

Vater unser

Wir singen das Lied 163:

Unsern Ausgang segne Gott, unsern Eingang gleichermaßen, segne unser täglich Brot, segne unser Tun und Lassen, segne uns mit sel’gem Sterben und mach uns zu Himmelserben.

Abkündigungen

Gott, der Herr, segne euch, und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. Amen.

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