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Gipsverband für die Seele

Wenn wir genau hinhören, sagt Jesus: ihr sollt   m e i n   Joch auf euch nehmen, ihr braucht nur noch das zu tragen, was   i c h   euch zumute. Ihr sollt nicht versuchen, selber eure Sünden abzubüßen. Das tue ich, Jesus, für euch. Und ihr sollt nicht versuchen, es allen Leuten recht zu machen. Ihr braucht auch nicht in jedem Augenblick eures Lebens Stärke zeigen.

Ein Gipsverband für eine Hand
Kann man die Seele ruhig stellen wie mit einem Gipsverband? (Bild: congerdesignPixabay)

#predigtAbendgottesdienst am Sonntag, 22. September 1985, um 19.00 Uhr in Reichelsheim – und als Morgengottesdienst am gleichen Tag um 9.30 Uhr in Heuchelheim

Guten Abend, liebe Gottesdienstbesucher in Reichelsheim!

Sie werden überrascht sein, dass ich ein Gipsbein mit mir herumtrage, und dazu noch im Gottesdienst. Es ist der Gipsverband, den unser Sohn … drei Wochen lang tragen musste, und zu diesem Gipsbein ist mir eine Predigt für diesen Sonntag eingefallen. … hat mir erlaubt, dass ich es heute in den Gottesdienst mitnehme.

Das erste, was mir zu diesem Gipsbein einfällt, ist, dass wir oft sagen: das ist nicht so schlimm, das ist ja kein Beinbruch. Nun ist hier aber ein Beinbruch passiert, und das war schlimm; z. B. sollte der Bub drei Wochen nicht in die Schule, und das gerade am Anfang des ersten Schuljahrs. Aber dann haben wir einige neue Erfahrungen gemacht, die auch wieder schön waren: wir haben z. B. erlebt, wie gut unser Sohn mit einem ausgeliehenen Rollstuhl zurechtkam, so dass er doch zur Schule „gehen“ konnte. Wir haben gestaunt, wie geduldig er diese Zeit überstanden hat. Wir haben sozusagen erfahren, dass auch ein Beinbruch nicht unbedingt ein nur schlimmer „Beinbruch“ sein muss. Da ich von dieser Erfahrung herkomme, habe ich für den Beginn dieses Gottesdienstes das Lied „Danke“ herausgesucht; vielleicht haben Sie Ähnliches erlebt, so dass Sie sich dem Dank anschließen können.

Lied Beiheft 729, 1-6 (EG 334): Danke für diese Abendstunde
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

So spricht Jesus (Matthäus 11, 28):

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, wie es war von Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Unser barmherziger Gott, von Belastungen kommen wir her, und wir konnten sie tragen, Mutlosigkeit drückte uns tief hinunter, aber überraschende Erfahrungen gaben uns neue Hoffnung. Wir dachten, unsere Gemeinde habe keine Zukunft mehr, und wir erlebten, dass du uns neue Wege gezeigt hast. Das ist meine Empfindung heute; vielleicht sind andere mit ganz anderen Gedanken und Gefühlen hierher in die Kirche gekommen. Alles bringen mir vor dich, Herr, denn du nimmst uns mit allem an, was uns bewegt. Dessen können wir gewiss sein in Vertrauen auf Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus dem Evangelium nach Lukas 10, 38 – 42:

[Jesus] kam … in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Wir singen ein Lied aus der Zeit des Pietismus im 18. Jahrhundert. Dieses Lied will in besonderer Weise die Beziehung des Christen zu Christus beschreiben, zu dem, der uns innerlich satt macht und uns Ruhe und Frieden gibt:

Lied EKG 270, 1-5 (nicht im EG):

1. Allgenugsam Wesen, das ich hab erlesen mir zum höchsten Gut: du vergnügst alleine völlig, innig, reine Seele, Geist und Mut. Wer dich hat, ist still und satt; wer dir kann im Geist anhangen, darf nichts mehr verlangen.

2. Wem du dich gegeben, kann in Frieden leben, er hat, was er will; wer im Herzensgrunde lebt mit dir im Bunde, liebet und ist still. Bist du da und innig nah, muss das Schönste bald erbleichen und das Beste weichen.

3. Höchstes Gut der Güter, Ruhe der Gemüter, Trost in aller Pein! Was Geschöpfe haben, kann den Geist nicht laben: du vergnügst allein. Was ich mehr als dich begehr, mein Vergnügen in dir hindert, meinen Frieden mindert.

4. Was genannt mag werden droben und auf Erden, alles reicht nicht zu. Einer kann mir geben Freude, Ruh und Leben; Eins ist not, nur du! Hab ich dich nur wesentlich, so mag Leib und Seel verschmachten, ich wills doch nicht achten.

5. Komm, du selig Wesen, das ich mir erlesen, werd mir offenbar; meinen Hunger stille, meine Seele fülle mit dir selber gar! Bleib nur du mein Gut und Ruh, bis du wirst in jenem Leben dich mir völlig geben.

Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Den Predigttext hören wir aus dem Evangelium nach Matthäus 11, 28-30. Da spricht Jesus:

Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Liebe Gemeinde!

Wenn ein Knochen einer zu großen Belastung ausgesetzt wird, dann bricht er. Manchmal genügt schon ein unglücklicher Tritt, ein Ausrutschen, und ein Bein oder ein Arm ist gebrochen. Oder es haben andere den Unfall verursacht, z. B. im Straßenverkehr oder bei einem Foul im Fußballspiel. Wie dem auch sei – am Ende wird so ein Gipsverband benötigt.

Wie wirkt so ein Gipsverband eigentlich? Der Gips selbst hat ja keine heilende Wirkung. Aber er stellt die Bruchstelle ruhig und so können in aller Stille Nährsalze durch das Blut herangebracht werden, die dann neues Knochengewebe aufbauen. Drei Wochen nach dem Beinbruch von unserem … haben wir es auf dem Röntgenbild gesehen: die Bruchstelle hat sich etwas verdickt; sie wird schließlich widerstandsfähiger sein als vorher. An der gleichen Stelle wird kein Bruch mehr vorkommen. Ohne Gipsverband aber wäre das Kind zeitlebens behindert gewesen.

Es gibt aber noch andere Brüche. Auch unsere Seele kann derartig starke Belastungen erleiden, dass wir meinen zu zerbrechen. So kann mancher den Partner kaum noch ertragen; oder ein anderer wird durch ein Kind zu sehr beansprucht; oder die Belastungen durch die Schule oder im Beruf sind zu hoch. Wenn jemand bei geringsten Kleinigkeiten schon anfängt zu weinen, dann kann das ein Zeichen dafür sein, dass er innerlich, nervlich gebrochen ist. Aber es gibt auch viele, denen sieht man solche seelischen Brüche gar nicht an. Um solche inneren Brüche zu heilen, benötigen wir auch eine Art Gipsverband, einen „Gipsverband um die Seele“.

Das klingt komisch. Man kann die Seele doch nicht eingipsen wie ein gebrochenes Bein! Richtig. Aber erinnern wir uns daran, wozu der Gipsverband gut ist: Nur zum Ruhigstellen. Darum geht‛s also: der Seele Ruhe zu verschaffen, ihr Zeit zum Heilen zu geben. Die Wunden der Seele sind nicht weniger ernstzunehmen als die Verletzungen am Körper; Heilung braucht immer Zeit.

Wenn jemand mit einem Beinbruch weiter herumlaufen würde, als sei nichts geschehen, dann würden wir ihn für verrückt erklären. Wer mit einem Armbruch, ohne ihn behandeln zu lassen, weiter Hausarbeit verrichtet, ist zumindest unvernünftig. Aber mit unseren seelischen Verletzungen gehen wir oft so sorglos um.

Da hat mich die Bemerkung eines anderen tief getroffen. Aber ich reiße mich zusammen und lasse mir nichts anmerken. So laufe ich tagelang herum mit einem Knacks im Selbstbewusstsein.

Da hat jemand einen schmerzhaften Verlust erlitten. Aber er fürchtet sich davor, sich seine Gefühle bewusst zu machen. Er verhärtet sieh nach außen, um nicht in einen Abgrund von Verzweiflung zu fallen. Es ist, als lege er statt eines Gipsverbandes eine schwere Panzerung um die verwundete Stelle, nur damit niemand auf die Idee kommt, er könne innerlich verletzt sein. Aber so eine Ritterrüstung verbirgt die Wunde nur, schmiegt sich nicht so an wie ein Gipsverband und hilft also auch nicht zur Heilung.

Oder ich fühle mich überlastet. Die Termine jagen einander. Ist ein großes Vorhaben abgeschlossen, steht schon wieder – ganz dringend – etwas anderes auf der Tagesordnung. Wie lange kann das gut gehen? Was tun, wenn die ersten Anzeichen für das innere Ausgebranntsein sich melden – Kreislaufbeschwerden, Lustlosigkeit, ständige Müdigkeit, Nervosität und Reizbarkeit? Immer wieder denke ich: das geht schon vorbei, das halte ich schon durch. Muss erst eine wirklich schlimme Krankheit mich aus der Bahn werfen, mich zur Ruhe zwingen?

Ein Gipsverband für die Seele, wie könnte der also aussehen? Wie können wir uns heilsame Ruhe verschaffen, die wie ein anschmiegsamer, schützender Gipsverband ist?

Denken wir an die großen Menschen der Bibel. Z. B. Mose: wir erinnern uns daran, dass er das Volk Israel aus Ägypten führen soll. Als junger Mann geht ihm das Unglück seines Volkes nahe; er wäre sicher bereit, für sein Volk zu kämpfen. Ja, einmal erschlägt er einen Ägypter, der einen seiner Landsleute mit der Peitsche angetrieben hat. Da muss Mose fliehen, und er zieht sich jahrelang in die Wüste zurück, bis er schließlich heranreift zu dem Mann, der das Volk des Israeliten in das neue Land führt. Oder Johannes der Täufer: er härtet sich jahrelang in der Wüste ab, um dann glaubhaft und mit hohem Anspruch seine Botschaft der Umkehr zu verkünden. Oder Jesus: Bevor er sich mit den Menschen einlässt, geht er erst vierzig Tage in die Wüste; auch während seiner öffentlichen Tätigkeit zieht er sich immer wieder in die Stille zurück.

Die Zahl 40 scheint hier eine besondere Rolle zu spielen: vierzig Jahre, vierzig Tage. Es ist eine runde Zahl, die Vollkommenheit andeuten soll, soviel wie gerade genug ist, um der Seele genug innere Kräfte zuzuführen. Ein Gipsverband braucht ja auch nur eine gewisse Zeit angelegt zu werden, dann muss der Knochen, müssen die Gelenke wieder benutzt werden. So wollen auch die Kräfte der Seele nach Zeiten der Stille aktiv eingesetzt werden. Den Zusammenhang zwischen Stille und Aktivität drückt ein Wort auf besondere Weise aus: „Bete und arbeite“.

Mit dem Wort „Bete“ wird deutlich, dass ein Gipsverband für die Seele nicht nur ein einfaches unbestimmtes Abwarten ist. Beten ist eine Offenheit zu Gott hin, zu einem Gegenüber, von dem wir alles Entscheidende für unser Leben erwarten können. Stille und Ruhe bedeutet also auch ein zeitweiliges Stillehalten mit eigener Tätigkeit, um frei zu werden für etwas, das uns nur von außen zukommen kann. Wer ständig in Aktion, in Hetze ist, wer ständig geschäftig herumläuft wie die fleißige Marta in der Jesusgeschichte, die wir vorhin gehört haben, wer ständig sich berieseln lässt von Lärm, Musik, immer neuen Eindrücken, ohne einmal wirklich zur Ruhe zu kommen, der verpasst das Eine wirklich Notwendige, nämlich zuzuhören, was Gott mit unserem Leben vorhat, darüber nachzusinnen, wozu wir auf der Welt sind, uns einzulassen auf ein Gegenüber und uns Trost oder Aufmunterung oder neue Kräfte schenken zu lassen. Maria hat in der Geschichte dieses gute Teil erwählt, nur einfach dazusitzen und Jesus zuzuhören, und den Abwasch in der Küche auch mal stehen zu lassen.

Wie gesagt, auch Jesus selbst war nicht pausenlos in Aktion. Er brauchte seine Zeiten der Stille, des Gebets, der Erholung, um seine Kräfte wiederzugewinnen. Manchmal musste er sich regelrecht hinwegstehlen von dem allzu aufdringlichen Volk, um Zeit für sich und sein Gespräch mit dem Vater im Himmel zu haben. Den meisten von uns wird‛s ähnlich gehen: wenn wir uns nicht die Zeit wirklich bewusst nehmen für‛s Gebet, da „kommen wir einfach nicht dazu“, dann zerrinnt uns die Zeit wegen unserer vielfältigen Unternehmungen des Tages nur so durch die Finger.

Weil Jesus zeitweise nicht für das Volk da sein wollte, konnte er also in Stille und Gebet neue Kraft sammeln. Und so konnte er dann auch mit vollem Bewusstsein nachher sagen: „Kommet her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken!“ Wer also ihn, diesen Jesus, in der Stille findet, der wird sich gestärkt fühlen, auch wenn er unter sehr viel Mühsal und Belastung zu seufzen hat. Und es muss nicht dabei bleiben, dass solche Stärkung nur in der inneren Beziehung zu Jesus im Gebet stattfindet. Jesus hat die Menschen ja direkt zu sich kommen lassen, hat sie berührt und angefasst, hat ihnen Mut zugesprochen oder ermahnt, hat sie als Personen mit ihrer Verantwortung ernst genommen und ihnen die Sünden vergeben. Und er hat allen, die zu ihm kamen, die Vollmacht und die Erlaubnis gegeben, in seinem Namen genauso zu handeln. Also können auch wir in unserer Umgebung Menschen finden, die an uns das tun, was Jesus damals an Menschen getan hat: uns annehmen, ernstnehmen, trösten, ermahnen, Zeit für uns haben, uns zuhören. Und wir selber können, wenn wir so gestärkt werden, auch für andere in dieser Weise ein Nächster werden.

Jesus sagt nicht: ihr werdet keine Probleme mehr haben. Er spricht von dem Joch, das alle Menschen, die ihm nachfolgen, auf sich nehmen müssen, so wie ein Paar Ochsen, die einen Wagen ziehen sollen, ins Joch gespannt sind. Er spricht von den Lasten, die jeder zu tragen hat. Aber wenn wir genau hinhören, dann sagt er: ihr sollt mein Joch auf euch nehmen, ihr braucht nur noch das zu tragen, was ich euch zumute. Und ich überfordere euch nicht. Ihr sollt eure Nächsten lieben wie euch selbst, nicht mehr und nicht weniger. Mit zusätzlichen Lasten sollt ihr euch nicht überfordern. Z. B. sollt ihr nicht versuchen, selber eure Sünden abzubüßen. Das tue ich, Jesus, für euch. Und ihr sollt nicht versuchen, es allen Leuten recht zu machen. Es genügt, wenn ihr euch bemüht, eure Nächsten zu lieben. Ihr braucht auch nicht in jedem Augenblick eures Lebens Stärke zeigen. Lasst euch Zeit, die Wunden eurer Seele auszuheilen; sucht euch jemanden, dem ihr vertrauen könnt, bei dem ihr euch ausweinen könnt, der euch hilft, wieder mit euch und den Menschen zurechtzukommen.

Auf diese Weise könnte Jesus zu uns reden, und wir können erkennen, dass sein Joch wirklich sanft und seine Last wirklich leicht ist, die er uns auferlegt.

Von Jesus zu lernen, wie er sagt, „sanftmütig und von Herzen demütig“ zu sein, das setzt auch die Stille voraus, und die Offenheit für Gott und den Nächsten. Sanftmut bedeutet, zu warten, bevor ich nach einer Verletzung zurückschlagen will, und zu schauen, wie ich damit fertig werde, ohne den wieder zu verletzen, der mir das angetan hat. Vielleicht gelange ich dann zu einem offenen Wort, zu Vergebung, zu einer neuen Beziehung zum anderen. Demut ist der Mut zum Dienen, die Offenheit für das, was ein anderer braucht, was ihn belastet, der Mut, jemanden darauf anzusprechen, ob er Hilfe benötigt.

Wer spürt, dass er seine innere Einheit verloren hat, oder dass seine Beziehungen zu Gott oder zu anderen Menschen nicht ganz stimmen, dem empfehle ich einen seelischen Gipsverband z. B. in Form von täglichen Zonen der Stille, des Schweigens, des Betens oder Bibellesens. Wer das allein nicht schafft, der mag ein Training besuchen, wie wir es jetzt in unserem Bibelkreis anbieten – ein Ort des Gesprächs über Bibel und Glauben und was wir damit für unser Leben anfangen. Und wer Kraft sucht für einen besonderen Dienst an seinen Nächsten, z. B. in Gesprächen und Besuchen, der kann sich an unserem Besuchsdienstkreis beteiligen, der übermorgen sein erstes Treffen hat.

Viele sehnen sich heute nach Ruhe und Frieden, und kommen doch nicht aus dem Alltagstrott heraus. Viele missverstehen auch den Wunsch nach Ruhe und Frieden, weil sie denken, man wolle sich eine heile Welt vorgaukeln und aus der Welt des Unfriedens und der Unruhe einfach fliehen. Im Konfirmandenunterricht und in der Jugendgruppe haben wir gelegentlich erlebt, wie gut es tut, sich ganz zu entspannen, ganz still zu sein, nur auf sein eigenes Inneres zu hören und zu schauen, welche Bilder vor den geistigen Auge entstehen. Dass auch junge Menschen, die sonst kaum einmal ruhig sind, die sogar den Disco-Lärm suchen und in ihren Zimmern laute Musik laufen lassen, hier und da die Stille suchen, ist ein gutes Zeichen. Wir als Erwachsene müssen ihnen aber wohl dabei helfen, mit dem fertigzuwerden, was da in der Stille für Bilder und Gefühle in ihnen hochkommen. Sonst werden sie sich lieber wieder zumachen und so tun, als wäre nichts. Denn unser Inneres spiegelt auch die Verletzungen wider, die wir erlitten haben, und wir brauchen Hilfe, um die Schmerzen durchzustehen, die uns die Verletzungen bereiten. Wir brauchen neue Kraft, um neuen Belastungen standhalten zu können.

Aus dem Alltag in die Stille finden, aus der Stille wieder in den Alltag zurückkehren, darauf kommt es an. Beten hat seine Zeit, und Arbeiten hat seine Zeit. Ebenso ist es mit Geben und Nehmen, mit Reden und Schweigen, mit Glauben und Zweifeln. Eins stützt das andere; und wer nur das eine erfahren will, der erfährt sich nur halb. Wir brauchen nicht immer nur stark sein oder scheinen; wir können dazu stehen, dass wir auch manchmal einen Gipsverband für die Seele brauchen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied Beiheft 655,1-4 (EG 585): Ich rede, wenn ich schweigen sollte

Lasst uns beten.

Gott, wir dürfen zu dir reden, wir dürfen auch auf dich hören. Nur wenn wir still werden, hören wir deine Stimme,nur dann wird uns bewusst, was du uns sagen willst. Mach uns bereit, dein Joch auf uns zu nehmen, die Last der Nächstenliebe, die Sorge für diesen Tag, und schenke uns die Erfahrung, dass wir daran nicht allein zu tragen haben und dass dein Joch sanft, deine Last leicht zu tragen ist. Schenke uns Ruhe und Stille, in der wir neue Kraft gewinnen. Schenke uns Gemeinschaft, in der wir einander unterstützen, statt uns gegenseitig unter Druck zu setzen und zu verletzen. Mach uns sensibel dafür, wann der richtige Zeitpunkt da ist: für ein Gespräch oder für ein in-Ruhe-Lassen, fürs Reden oder fürs Schweigen, für das vertrauensvolle Glauben oder fürs kritische Fragen, für die Stille oder für den anstrengenden Einsatz für andere. Herr, hilf das Rechte sagen, hilf uns das Gute wagen, Herr, hilf das Rechte tun! Amen.

Vater unser
Lied EKG 357, 1-2 (472):

1. Der Tag hat sich geneiget, die Nacht hat sich genaht. Gott sei gebenedeiet, der uns beschützet hat. Er woll durch seine Güte, durch seine große Macht uns gnädiglich behüten auch jetzt in dieser Nacht.

2. Nichts ist auf dieser Erden, das da beständig bleibt, allein die Güt des Herren, die währt in Ewigkeit, steht allen Menschen offen; Gott lässt die Seinen nicht. Drauf setz ich all mein Hoffen, mein’ Trost, mein Zuversicht.

Abkündigungen und Segen

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