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Dieser Tod hat kein Problem gelöst

Trauerfeier für einen jungen Mann, der sich selbst das Leben genommen hat, weil er wohl den Tod als einzigen Ausweg aus seinen Problemen empfand. Aber dieser Tod hat kein Problem gelöst.

Dieser Tod hat kein Problem gelöst: Eine weiße Rose auf einer Bahnschiene
Suizid, zum Beispiel auf Eisenbahngeleisen, löst kein einziges Problem (Bild: Goran HorvatPixabay)

Aussegnung in der Leichenhalle des Friedhofs

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr; sondern soviel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. (Jesaja 55, 8-9)

Herr, unser Gott. Du siehst, wie betrübt wir sind. Lass uns nicht allein in unserem Schmerz. Sprich zu uns in dem Wort deines Trostes und deiner Verheißung. Richte uns auf durch die Gewissheit, dass du unser Vater bist und es gut mit uns meinst. Hilf uns, an deine Treue und Güte zu glauben, auch wo wir deine Wege nicht verstehen. Amen.

Wir hören Worte des Trostes von Jesus Christus (Matthäus 11):

28 Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

29 Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.

30 Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Liebe Trauerfamilie!

Auf der einen Seite ist Gott größer als alles. Seine Gedanken sind für uns oft unbegreiflich; unsere Wege stimmen oft nicht mit seinem Willen überein. Auf der anderen Seite ist Gott uns nahe in seinem Sohn Jesus Christus.

Herr M. hat sich viele Gedanken gemacht über den Kosmos und Gott und seine eigene Rolle im Weltgeschehen. Am Ende führten ihn diese Gedanken in eine Sackgasse. Er sah keinen anderen Ausweg mehr, als seinem Leben selbst ein Ende zu setzen.

Wenn wir heute einen ersten Schritt tun, um von ihm Abschied zu nehmen, dann möchte ich Ihnen die Worte von Jesus ans Herz legen, die wir eben gehört haben.

28 Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.

Wir sind mühselig und beladen. Wir tragen Trauer und Schmerz, sind voller Schuldgefühle und vielleicht auch voller Angst und Zorn. Alle diese Gefühle haben ihren Platz und sind wichtig. In Jesus finden wir ein Gegenüber, dem wir alles anvertrauen können, was uns belastet. Jesus ist sozusagen das menschliche Gesicht Gottes, in dem er uns zeigt, wie er für uns da sein will: liebevoll und stark. Er gibt uns Halt und Orientierung. Er erquickt uns, das heißt, er gibt uns Ruhe und neuen Mut zum Leben.

29 Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.

30 Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Jesus strahlt eine Stärke aus, die nicht gewalttätig ist, sondern sanft und voller Demut. Sanft bedeutet: einfühlsam, verständnisvoll. Er führt behutsam auf einen neuen Weg. Demütig sein hat nichts zu tun mit „gedemütigt werden“, sondern Demut ist ein Wort für eine realistische Lebenshaltung im Vertrauen auf Gott. Wir sind sterbliche, begrenzte Menschen; trotzdem traut Gott uns viel zu. Ruhe für unsere Seele finden wir, wenn wir uns getragen fühlen im Vertrauen auf ihn, wenn wir uns nicht überfordern müssen. Gott gibt uns genug Kraft, um die Herausforderungen unseres Lebens zu bewältigen, auch die Trauer und alles andere, was Sie jetzt belastet.

Was meint Jesus mit dem Joch, das wir auf uns nehmen sollen? Mit einem Joch wurden früher Lasttiere zusammengespannt, die es dadurch leichter hatten, einen schweren Wagen zu ziehen oder eine schwere Last zu tragen. In Ostfriesland gab es früher ein Joch, das war so ein Holzbalken, den man sich bequem über die Schultern legen konnte, um rechts und links schwere Wassereimer über weite Strecken tragen zu können. Ein Joch hilft also, in schwerer Zeit große Belastungen leichter tragen zu können.

„Nehmt auf euch mein Joch“, sagt Jesus, damit meinte er: Nehmt euer Leben so an, wie es ist, in seiner Begrenzung, aber auch mit allen Kräften und Fähigkeiten die euch geschenkt sind.

Herr M. ist damit in seinem irdischen Leben nicht zurechtgekommen, er war und blieb verzweifelt über sein Leben und strebte darüber hinaus. Er fand hier in diesem Leben keine Ruhe, keine Erfüllung, keinen Frieden. Wir hoffen für ihn, dass er diese Ruhe und diesen Frieden jetzt in der Ewigkeit Gottes findet; ich bin gewiss, dass er mit all seinen Gedanken und Belastungen diesem Jesus gegenübersteht und bei ihm gut aufgehoben ist.

Wenn Sie jetzt ein letztes Mal den verstorbenen Herrn M. berühren können, bevor sein irdischer Leib eingeäschert wird, dann ist das schwer für Sie. Niemand kann den Schmerz der Trauer von Ihnen nehmen. Aber Sie lassen einander dabei nicht allein. Und Sie sind dabei auch nicht alleingelassen von Gott im Himmel. Amen.

Gebet: In den dunklen Stunden tröstet uns dein Wort

Gott, gib uns den Mut, zu ändern, was wir ändern können. Gib uns die Kraft zu ertragen, was nicht zu ändern ist. Und gib uns die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Amen.

Beisetzung auf dem Friedhof

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Liebe Familie und Freunde des so jung verstorbenen Herrn M.

Wir sind vom Tod betroffen. Wir müssen Abschied nehmen von Herrn M., der im Alter von [über 20] Jahren seinem Leben selbst ein Ende setzte.

Wir nehmen Abschied von ihm, indem wir uns an ihn erinnern und an sein Leben denken. Wir versuchen, ihm gerecht zu werden, ihm die letzte Ehre zu erweisen.

Und wir denken über uns nach, über das, was wir empfinden, worüber wir grübeln, was uns aufwühlt, nicht zur Ruhe kommen lässt. Denn es ist schwer, mit all dem umzugehen, was in den letzten beiden Wochen auf uns einstürmt ist: mit Bildern, die sich eingeprägt haben, mit dem Durchspielen innerer Vorstellungen im Sinne von „Was wäre gewesen, wenn?“, mit Traurigkeit und Angst, mit Liebe und Zorn, mit Schuldgefühlen und Machtlosigkeit.

Wir hören auch Worte der Bibel, Worte von Gott. Diese Trauerfeier ist ein Gottesdienst, wir feiern ihn im Namen des Gottes, der alle Menschen liebt wie ein guter Vater, der unser Bruder wurde in Jesus, der uns nahe ist mit der Kraft seiner Liebe, gerade dann, wenn wir am Ende sind.

Wir beten mit Worten aus einem alten Lied der Bibel, dem Psalm 77 (Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 by Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart):

2 Ich rufe zu Gott, ich schreie, ich rufe zu Gott, bis er mich hört.

3 Am Tag meiner Not suche ich den Herrn; unablässig erhebe ich nachts meine Hände, meine Seele lässt sich nicht trösten.

4 Denke ich an Gott, muss ich seufzen; sinne ich nach, dann will mein Geist verzagen.

5 Du lässt mich nicht mehr schlafen; ich bin voll Unruhe und kann nicht reden.

6 Ich sinne nach über die Tage von einst, ich will denken an längst vergangene Jahre.

7 Mein Herz grübelt bei Nacht, ich sinne nach, es forscht mein Geist.

8 Wird der Herr mich denn auf ewig verstoßen und mir niemals mehr gnädig sein?

9 Hat seine [Liebe] für immer ein Ende?

10 Hat Gott seine Gnade vergessen, im Zorn sein Erbarmen verschlossen?

11 Da sagte ich mir: „Das ist mein Schmerz, dass die Rechte des Höchsten so anders handelt.“

12 Ich denke an die Taten des Herrn, ich will denken an deine früheren Wunder.

13 Ich erwäge all deine Werke und will nachsinnen über deine Taten.

14 Gott, dein Weg ist heilig. Wo ist ein Gott, so groß wie unser Gott?

15 Du allein bist der Gott, der Wunder tut.

Liebe Trauernde, der Psalm 77, den wir gebetet haben, schloss mit den Worten:

Du allein bist der Gott, der Wunder tut.

Vielleicht finden Sie es unangebracht, an dieser Stelle einen Psalm zu beten, in dem vom Vertrauen auf die Wunder Gottes die Rede ist. Wir könnten uns doch fragen, warum Gott nicht eingegriffen hat, als Herr M. sich selbst das Leben nahm? Gott ließ es zu, wir wissen nicht warum.

Trotzdem möchte ich Ihnen und Euch heute dieses Gebet ans Herz legen, denn in den Worten am Anfang ist sehr klar ausgedrückt, was ein Mensch empfinden mag, der sich zwar nach Gott, nach Hilfe, nach der Lösung seiner Probleme, nach Erkenntnis, ja vielleicht nach Liebe sehnt, der aber zweifelt oder sogar verzweifelt, weil Gott ihn nicht zu hören, sich nicht um ihn zu kümmern scheint. Was dem Beter des Psalms am Ende dann doch noch gelingt, sich über die Durststrecke hinwegzuretten und auf neue Wunder Gottes zu hoffen, das hat Herr M. leider nicht geschafft. Er konnte sich nicht so vertrauensvoll auf Gott als Gegenüber einlassen, hat gemeint, sich nur auf die eigenen Kräfte verlassen zu müssen.

Jetzt sind Sie in einer Situation, in der Sie grübeln und in der es kein gutes Mittel gibt, um den Schmerz nicht zu fühlen. Der Psalm kann helfen, diese Spannung auszuhalten: zu fühlen, was jetzt und noch lange und immer wieder weh tun wird, und zugleich wichtige Dinge zu wissen: Es gibt Hoffnung, auch wenn man manchmal nur schwarz sieht. Jeder hat eine Verantwortung zu tragen, für sein eigenes Leben und für die Menschen, die ihm anvertraut sind. Der Weg, den Herr M. gewählt hat, ist eben keine Lösung für irgendein Problem, sondern schafft nur noch mehr Probleme, Leid und Schmerz.

Was wir heute tun können, ist: so klar wie möglich benennen, was wir fühlen, keinem Problem ausweichen, und zwar in der Zuversicht, dass Gott gerade auch dann bei uns ist, wenn wir meinen, wir sind am Ende.

„Mein Herz grübelt bei Nacht“, so betet der Mensch, der den Psalm 77 aufgeschrieben hat, „meine Seele lässt sich nicht trösten“. Was wir nicht begreifen, was uns zweifeln lässt an Gottes Güte, das dürfen wir im Gebet vor Gott bringen. Gott hört unsere Klage, auch wenn er scheinbar schweigt.

Natürlich hilft Reden nicht immer. Worte können nicht den Schmerz wegnehmen. Aber hier und heute ist es gut, sich zu erinnern, zu klagen, auszuhalten, was man fühlt, ein Stück Halt und neue Orientierung zu suchen, zu wissen, dass man auf dem eigenen Weg in die Zukunft nicht allein ist.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Es war schwierig für ihn, mit vielen Alltagsproblemen, mit Ungerechtigkeiten und Verletzungen fertig zu werden. Er fühlte sich zutiefst einsam; man konnte seinen Augen ansehen, wie traurig er war, er trug ein stilles Leiden mit sich herum, schon mit sieben Jahren hatte er zum ersten Mal geäußert, dass er am liebsten nicht leben wolle. Er war ausgesprochen intelligent und feinfühlig, ja übersensibel, und der Widerspruch zwischen den großartigen Gedanken in seinem Kopf und den immer wieder enttäuschenden und aufreibenden Erfahrungen in seinem realen Alltagsleben zermürbte ihn. Er fühlte sich klein, und das war vermutlich der Grund, dass er sich immer wieder in eine innere geistige Welt zurückzog, in der er eine außerordentlich große Rolle zu spielen hatte. Und er litt sehr darunter, dass andere den Glauben an seine besondere Rolle im universalen Geschehen nicht zu teilen vermochten, sondern ihn stattdessen für psychisch krank hielten.

Einige haben noch mit ihm gesprochen am Tag vor seinem Tod, aber niemand konnte ahnen, dass er jetzt diesen Schritt unternehmen würde. Niemand konnte es verhindern. Sein Ziel war es zu sterben, er hatte es lange geplant, niemandem war es möglich gewesen, seinen Lebenswillen ausreichend zu stärken. Er war offenbar an diesem Tag davon überzeugt: „Ich muss es tun.“ Wir stehen machtlos vor dieser Tat, fassungslos, bestürzt und traurig.

Jetzt steht Herr M. auf der anderen Seite des Todes seinem Schöpfer gegenüber und ich bin mir sicher, Gott ist ebenfalls traurig über das, was er getan hat. „Warum hast du das getan?“, wird er ihn fragen, „Warum hast du dir nicht doch noch helfen lassen? Warum ist dir alles zu viel geworden? Weißt du nicht, wie traurig deine Angehörigen und Freunde sind, dass du sie einfach verlassen hast?“

Aber ebenso sicher bin ich, dass Gott ihn auch versteht; er wird ihn nicht verurteilen, er begegnet ihm mit Barmherzigkeit. Gott kennt ihn besser, als er sich selber gekannt hat, kennt alle seine Gedanken, alles Grübeln und alle Sorgen, alle Freude und alles Leid in seinem Leben. Gott sieht das Herz an und will nicht, dass ein Mensch, der sich so verzweifelt nach Liebe gesehnt hat, verloren geht.

Wie gehen wir um mit dem, was wir selber empfinden? Alles was ich heute sagen kann, alles, was wir miteinander reden, kann den Schmerz nicht wegnehmen. Es tut weh, und es ist traurig, dass Herr M. gestorben ist und nicht mehr bei Ihnen ist. Diese Trauer muss getragen werden, und es wird viel Zeit vergehen, bis es einmal nicht mehr so weh tut.

Aber nicht nur Trauer kann uns belasten nach so einem Tod. Auch andere Gefühle vermischen sich mit der Trauer, und das ist normal.

Ich denke, man kann auch ganz schön wütend sein, dass Herr M. sich selbst einfach so aus dem Staub gemacht hat. Eine ganze Zeitlang hat ihn das ja auch davon abgehalten, seinem Leben ein Ende zu setzen, er wollte ja seine Familie und Freunde nicht so belasten. Nun hat er es aber doch getan. Warum tat er das Ihnen das an, die er doch liebte?

Vielleicht finden Sie es unangemessen, zornig zu sein auf einen Verstorbenen. Darüber spricht man nicht gern, das gesteht man sich nicht ein. Man möchte doch nicht auf einen wütend sein, den man liebgehabt hat und der nun tot ist. Aber es ist trotzdem normal, auch solche Gefühle zu fühlen. Wie konnte er Sie einfach im Stich lassen? Wenn jemand sich selbst das Leben nimmt, verletzt und trifft er damit immer auch die, die ihn geliebt haben.

Ja, Liebe und Zorn schließen sich nicht aus. Wir sind oft gerade auf die zornig, die wir lieben, weil es uns nicht egal ist, was sie tun, weil wir möchten, dass sie sich ändern. Natürlich ist es schwierig mit dem Zorn auf einen, der nun tot ist, der sich nicht mehr ändern kann. Was nützt es dann noch, sich aufzuregen? Ich denke, wer sich eingestehen kann, dass er zornig ist auf einen Verstorbenen, kann auf der anderen Seite seine Liebe zu ihm viel klarer und echter empfinden. „Ja, ich bin echt sauer auf dich! Ja, und ich habe dich lieb und ich vermisse dich so, und diese Liebe ist wichtiger als alles andere.“

Es ist aber auch aus einem anderen Grund gut, sich den Zorn nicht selber zu verbieten. Wer nicht zornig sein will, empfindet den Zorn insgeheim natürlich doch. Und wenn man ihn unterdrückt, dann richtet man ihn leicht gegen sich selbst. Man macht sich viel zu viele Vorwürfe, man ist zornig auf sich selbst, man gibt sich selbst eine Schuld, die man gar nicht hat.

Das ist nämlich auch noch ein Gefühl, das jeder empfindet, wenn ein geliebter Mensch sich das Leben nimmt: man fühlt sich schuldig. Hätte man etwas tun können, um es zu verhindern? Hätte er mehr Hilfe gebraucht? Habe ich dazu beigetragen, dass er sich so verzweifelt fühlte?

Heute ist entscheidend: Es ist nicht mehr möglich, irgendetwas ungeschehen zu machen. Sie sind machtlos gegenüber dem, was geschehen ist, und nichts, kein Selbstvorwurf, kein Grübeln, keine quälenden Gedanken bringen Herrn M. ins Leben zurück. Das klingt hart, ist aber einfach so. Machtlos zu sein, kann sich schlimmer anfühlen, als Schuldgefühle zu kultivieren. Zu sehen, dass man nichts hätte tun können, dass man erst recht jetzt nichts mehr ungeschehen machen kann, das tut so weh, dass es oft kaum auszuhalten ist.

Wenn es trotzdem Dinge gibt, die sich wirklich wie ein echtes Versäumnis anfühlen – „Da hätte ich etwas tun können, was ich nicht getan habe“ – „da bin ich ihm etwas schuldig geblieben“ – dann gibt es nur eine einzige angemessene Art, damit umzugehen: Ich kann Gott um Vergebung bitten. Ich kann das, was mich belastet, auf Gott werfen und ihm anvertrauen. Und er wird mich nicht verurteilen, sondern mir sagen: „Du kannst nichts ungeschehen machen, aber du darfst deine Schuld hinter dir lassen. Sie soll dich nicht gefangenhalten. Du darfst neu anfangen und Verantwortung übernehmen. Ich traue dir zu und erwarte von dir, dein eigenes Leben zu führen. Denn dazu habe ich dir dein Leben geschenkt.“ Die Vergangenheit können wir nicht ändern. Aber hier und jetzt und für die Zukunft können wir uns ändern, können wir etwas anders machen.

Und wenn wir Angst vor der Zukunft haben? Wenn wir uns davor fürchten, ohne Herrn M. das eigene Leben weiterzuleben? Dann lassen Sie sich noch ein Wort von Jesus sagen (Johannes 16, 33):

In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Jesus selber hatte auch Angst, aber eine geteilte Angst lässt sich ertragen.

Jetzt wird jeder gebraucht, damit Sie die Trauer nicht allein durchstehen müssen. Es ist ein großes Geschenk, eine solche Familie und solche Freunde zu haben, wie Herr M. sie gehabt hat, und es ist wichtig, in dieser Fürsorglichkeit und Freundschaft auch jetzt zusammenzuhalten.

Dieser Tod hat kein Problem gelöst, sondern nur große Trauer und großen Schmerz verursacht. Probleme lösen wir nur gemeinsam, indem wir einander beistehen und auch um Hilfe bitten, wenn wir selber am Ende sind.

Es ist keine Schande, sich klein und schwach und hilflos zu fühlen; wir sind alle sterbliche und ausgesprochen verletzbare Menschen, und es ist Gottes Sohn Jesus selbst gewesen, der das an seinem eigenen Leibe deutlich gemacht hat: Als er sterben musste, nicht weil er sich zum Tod gedrängt hat, sondern weil er am Kreuz ermordet wurde, hat er zu Gott seine Verzweiflung hinausgeschrien (Matthäus 27, 46):

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Und indem er das getan hat, wurde ihm die Gewissheit geschenkt, in Gottes Liebe geborgen zu sein, und er konnte sagen (Lukas 23, 46):

Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.

Die Wunder, die Gott tut, bestehen oft in den kleinen Dingen, die wir füreinander tun. In der Kraft, die Gott uns schenkt, gerade wenn wir uns schwach fühlen. Im Vertrauen, das wir bekommen, gerade wenn wir unsere Angst zulassen. In der Vergebung, die in uns Frieden einkehren lässt, wenn wir uns mit Schuldgefühlen gequält haben.

Was bleibt uns hier und jetzt zu tun? Wir müssen den verstorbenen Herrn M. loslassen, nachdem wir einige gemeinsame Schritte der Trauer gegangen sind und noch viele weitere folgen werden. So wie er war, können wir uns an ihn erinnern, sehr traurig und doch dankbar für alles, was er Ihnen und euch bedeutet und euch allen an Liebe gegeben hat. Amen.

Barmherziger Gott, wir vertrauen dir Herrn M. an, wir versuchen loszulassen, obwohl uns unendlich viel daran hindert. Trauern heißt: erinnern, danken, mit gemischten Gefühlen umgehen, um Vergebung bitten, loslassen. Hilf uns, diesen Weg bewusst zu gehen.

Wir werfen auf dich, was uns belastet. Gib, dass die schrecklichen Bilder aufhören, uns zu verfolgen. Nimm von uns die quälenden Gedanken, was wir hätten anders machen können. Befreie uns vom Grübeln und vom bohrenden Kreisen um uns selbst.

Es ist schwer genug, auszuhalten, was nicht zu ändern ist: Dass wir traurig sind über diesen Tod. Dass wir nicht die Macht hatten, ihn zu verhindern.

Auf dem langen Weg der Trauer begleite du uns, Gott, mit deinem Trost, mit der Gewissheit, dass du uns liebst und dass auch Herr M. in deiner Liebe gut aufgehoben ist. Schenke uns auch Menschen, denen wir uns anvertrauen können, wenn wir sie brauchen.

Hilf uns, nach vorn zu sehen und den eigenen Weg zu gehen. Hilf uns, für die Menschen da zu sein, die uns anvertraut sind. Amen.

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