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Sie hat geblüht wie eine unauffällige Blume

Trauerfeier für eine Frau, die in ruhiger Bescheidenheit gelebt hat und in Gegenwart einiger Nachbarn ein anonymes Grab gefunden hat.

Geblüht wie eine unauffällige Blume: eine gelbe Blume wächst aus einer Mauerritze heraus.
Selbst in einer Mauerritze kann eine Blume blühen (Bild: aranhaPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe kleine Trauergemeinde, wir sind auf dem Friedhof versammelt, um Abschied zu nehmen von Frau W., die im Alter von [über 60] Jahren gestorben ist.

Wir beten mit Worten aus dem Psalm 103:

8 Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.

14 Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.

15 Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde;

16 wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.

17 Die Gnade aber des Herrn währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten.

Liebe Gemeinde! Mit einer blühenden Blume vergleicht das alte biblische Lied den Menschen. Wir denken dabei an das, was ein Leben erfüllen kann, an menschliche Schönheit, an Stunden der Freude und des Glücks, vor allem an das blühende Leben in Kindheit und Jugend, aber auch an Zeiten, in denen man in Liebe verbunden war, egal ob als junger oder alter Mensch. Bei jeder blühenden Blume wissen wir aber auch: sie wird schnell verwelken. Bei uns Menschen dauert das etwas länger, aber unser Leben ist trotzdem kurz. Viel zu früh, so scheint es uns, heißt es für manche Menschen: Abschied nehmen von dieser Erde.

Im Evangelischen Gesangbuch steht ein Lied, in dem es heißt (EG 403, 4):

4. Schön sind die Blumen, schöner sind die Menschen in der frischen Jugendzeit; sie müssen sterben, müssen verderben: Jesus bleibt in Ewigkeit.

Hart klingen diese Worte, und trotzdem realistisch; wir blühen wie die Blumen, wir bekommen Falten und werden alt, am Ende kommt unser letztes Stündlein, und von uns bleibt nichts übrig als ein Häufchen Asche in einer kleinen Urne.

Bleibt wirklich nichts übrig? Das Lied schließt nicht mit dem Verderben, sondern es fügt einen Satz an:

Jesus bleibt in Ewigkeit.

Ähnlich sagt der Psalm aus der Bibel (Psalm 103, 17):

Die Gnade … des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten.

Es gibt also etwas, was uns hoffen lässt – über den Tod hinaus. Alles vergeht, alles stirbt, aber die Gnade des Herrn, die Liebe Gottes stirbt nicht. Jeder muss sterben, aber Jesus, der Sohn Gottes, wurde von Gott, dem Vater, aus dem Tode auferweckt und gibt auch uns die Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten.

Wir können darauf vertrauen: Zwar bleibt von unserem Körper am Ende unseres Lebens auf der Erde nicht viel übrig. Die Asche passt in eine Urne. Aber unser Leben ist mehr als diese Asche, mehr als unser Körper. Wir sind wunderbar geschaffen von Gott, und er hat uns von seinem eigenen Geist ein Stück abgegeben, hat uns Leben eingehaucht, wie die Bibel am Anfang der Bibel erzählt.

Und dieses Leben kehrt am Ende zu Gott zurück. Auch Jesus hat am Ende seinen Geist in Gottes Hände gelegt (Lukas 23, 46):

Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!

Eine größere Hoffnung kann es nicht geben: Wir versinken am Ende nicht einfach in ein Grab oder in den Abgrund des Nichts, nein, wir bleiben geborgen in der Liebe Gottes, die uns schon unser ganzes Leben lang unsichtbar umgibt.

Wir kommen von Gott her in dieses Leben, am Ende kehren wir zu ihm zurück. Dazwischen blühen wir wie Blumen, aber wir spüren auch den rauhen Wind der Wirklichkeit, der darüber weht und jede Blume bedroht.

Was hat es im Leben von Frau W. vom Blühen einer Blume gegeben, und wie sehr war ihr Leben geprägt vom rauhen Wind der Wirklichkeit? Sehr viel wissen wir nicht von ihrem Lebenslauf.

Erinnerungen an das Leben der Verstorbenen

Von einer behüteten Kindheit kann man nicht reden, und eine richtige Heimat hat sie auch nicht gehabt. Trotzdem war sie nicht ganz allein auf der Welt. Zwar hatte sie keine Angehörigen, von denen wir wissen, aber sie fand Freunde und Nachbarn, denen sie etwas bedeutete. Auf der Straße konnte man ihr begegnen, wenn sie mit dem Einkaufswagen vom Supermarkt kam, und für Sie als Nachbarin gehörte es zu einem normalen Vormittag, dass Frau W. vor der Tür stand und Sie mit ihr gemeinsam Kaffee getrunken haben.

Sie hat es schwer gehabt, hat es auch andern nicht immer leicht gemacht. Aber im Grunde war sie ein hilfsbereiter und guter Mensch, so haben Sie sie erlebt. Sie hat geblüht wie eine Blume, vielleicht eine bescheidene, unauffällige Blume, aber mit ihrer eigenen Würde und Erfüllung im Leben.

Im Krankenhaus ist sie gestorben. Nun geht es ihr wie der Blume, von der es im Psalm 103, 16 heißt:

Und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.

Die Asche ihres Leibes findet ihre letzte Ruhe unter dem grünen Rasen auf unserem Friedhof.

Im Unterschied zur Blume, um die niemand trauert, gibt es jedoch Menschen, die an Frau W. denken. Es sind Menschen da, die ein Stück ihres Lebens mit ihr geteilt haben. Erinnerungen an die Verstorbene sind lebendig – an Begegnungen, an Prägungen, an Gespräche, an Liebe, die sie empfangen und geben konnte. Ob ein Mensch vergessen ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob es einen Grabstein gibt, auf dem sein Name steht.

Sicher, irgendwann werden auch wir, die sich an Frau W. erinnern, tot sein. Und doch bleibt sie und bleiben wir in einem ganz anderen Sinn unvergessen. Wer im Tod hinüberwechselt in eine andere unbekannte Welt, in ein Land jenseits des Todes, den vergisst Gott selber ganz gewiss nicht.

Wir haben gehört, wie Psalm 103, 17 diesen Gedanken ausdrückt:

Die Gnade … des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten.

Wir leben nicht in einer gnadenlosen Welt, sondern es gibt Liebe, die wir erleben können. Es ist schon richtig, dass es auch viel Böses gibt, aber vom Bösen sollen wir uns nicht beeinflussen und überwältigen lassen. Jesus hat es uns vorgemacht: Egal wie viel andere ihm Böses antaten, er zahlte es ihnen nicht heim, er blieb dabei, Böses mit Gutem zu vergelten und sogar seine Feinde zu lieben. Darum ist diese Erde nicht einfach ein Jammertal, sondern ein Ort, wo Liebe möglich ist, wenn wir sie annehmen und weitergeben.

Wenn wir in die Ewigkeit kommen, wird Jesus uns fragen: Was habt ihr auf der Erde mit der Liebe gemacht, die ihr geschenkt bekommen habt? Wart ihr füreinander da? Habt ihr es ernstgenommen, dass euer Leben ein kostbares Geschenk von Gott ist? Habt ihr die anderen Menschen so behandelt, wie ihr gern behandelt werden wollt? Seid ihr barmherzig umgegangen mit den anderen Menschen und auch mit euch selbst? Habt ihr gemerkt, dass ihr jeden Tag die Chance habt, neu anzufangen?

Am Leben von Frau W. können wir nichts mehr ändern. Das letzte, was wir für sie tun können, ist dieser heutige Gang zu ihrem Grab – wir erweisen ihr die letzte Ehre. Wir dürfen das getrost und getröstet tun, denn Gott nimmt sie am Ende mit Ehren an. Lasst uns nun ihre Urne zur letzten irdischen Ruhestätte geleiten. Wir gehen im Frieden unseres Gottes. Amen.

Gott, unsere Zuversicht, wir vertrauen darauf, dass unsere Namen im Himmel geschrieben sind und dass du auch Frau W. in Gnaden aufnimmst in dein himmlisches Reich.

Wir denken zurück an ihr Leben, an Tage der Freude, aber auch an schwere Zeiten. Wir legen alles in deine Hände, auch das, wovon wir gar nichts wissen. Wir danken dir für alles Gute, das sie erfahren hat, und für die Liebe, die sie weitergeben konnte.

Hilf uns nun, dass wir sie getrost loslassen können. Du vergisst sie nicht, und auch wir sind bei dir nicht vergessen. Denn deine Liebe umgibt uns von allen Seiten in Zeit und Ewigkeit.

Wir wissen, wie kostbar die uns geschenkte Zeit ist. Lass uns umkehren von Wegen, die uns in die Irre führen. Hilf uns, jeden Tag neu deine Liebe anzunehmen. Zeige uns, wo wir gebraucht werden und was du mit uns in unserem Leben vor hast. Amen.

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