Bild: Helmut Schütz

Der kleine Prinz und der Riesenschlangensatz des Paulus

He, Paulus, jetzt kommst du wieder mit soooo schweren Wörtern. Herrlichkeit, Geist, Weisheit, Offenbarung… Ich glaube, du sieht nicht mit dem Herzen, sondern mit dem Kopf!

Aber, lieber kleiner Prinz, all diese Wörter sind eigentlich keine Kopfwörter. Herrlichkeit, das ist ein Gefühl der Glückseligkeit, die nur Gott einem schenken kann, einfach unbeschreiblich.

Frau Burk und Frau Garth haben vor den Altarstufen ein Herz aus Teelichtern aufgestellt
Frau Burk und Frau Garth haben vor den Altarstufen ein Herz aus Teelichtern aufgestellt

direkt-predigtGottesdienst um „halb 6 in Paulus“ am 4. Sonntag nach Epiphanias, den 29. Januar 2006, um 17.30 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Herz aus Gold

Guten Abend, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie und euch alle herzlich im Abendgottesdienst um „halb sechs in Paulus“ mit dem Thema: „Der kleine Prinz und die Bibel: Man sieht nur mit dem Herzen gut“.

Als Vorspiel haben wir das Lied „Herz aus Gold“ gehört. Wie ein Bergmann gräbt der Sänger nach diesem besonderen Herzen, er überquert Meere und gibt seine Suche nicht auf, auch wenn er alt wird und ihm die Zeit davonläuft.

Wie man mit den „Augen des Herzens“ sehen kann, das wollen wir heute von dem „Kleinen Prinzen“ und vom Apostel Paulus lernen.

Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Vom ewigen Wort Gottes, das wie ein helles Licht in unsere Welt und in unsere Herzen hineinstrahlt, sin­gen wir jetzt aus dem Lied 593 die Verse 1, 4 und 5:

1. Licht, das in die Welt gekommen, Sonne voller Glanz und Pracht, Morgenstern, aus Gott entglommen, treib hinweg die alte Nacht, zieh in deinen Wunderschein bald die ganze Welt hinein.

4. Geh, du Bräutgam, aus der Kammer, laufe deinen Heldenpfad, strahle Trö­stung in den Jammer, der die Welt umdunkelt hat, o erleuchte, ewges Wort, Ost und West und Süd und Nord!

5. Komm, erquick auch unsre Seelen, mach die Augen hell und klar, dass wir dich zum Lohn erwählen, vor den Stolzen uns bewahr, ja, lass deinen Himmelsschein unsres Fußes Leuchte sein!

Mit den Augen des Herzens zu sehen, das wollen wir lernen. Aber was bedeutet das: „mit dem Herzen sehen“? Ist das nicht einfach eine Umschreibung für „Lieben“? Der Kirchenvater Augustin hat einmal gesagt:

„Liebe – und tu, was du willst!“

Wer liebt, ist der freieste Mensch auf der Welt. Alles darfst du tun, wenn du es in Liebe tust.

Lied mit dem Text: Geh aus, mein Herz und such dein Glück in einer neuen Welt. Geh aus, mein Herz und such dein Glück und tue das, was dir gefällt.

Mit den Augen des Herzens zu sehen, das wollen wir lernen. Aber warum ist das so schwer? Warum hat nicht jeder den liebevollen Blick des Herzens?

Nach dem Buch 1. Samuel 16, 7 soll der Prophet Samuel für Israel einen König berufen, und er sucht sie unter den Söhnen eines Mannes mit Namen Isai, die alt genug, stark und durchtrainiert sind und auch noch gut aussehen. Gott will jedoch, dass Samuel David auswählt, den Jüngsten der Söhne Isais, noch nicht erwachsen, noch unerfahren im Kampf, absolut nicht männlich, fast noch ein Kind. Achten wir auf die Gottesstimme, die Samuel hört – was sagt sie über die Augen und das Herz der Menschen?

7 Aber der HERR sprach zu Samuel: Sieh nicht an sein Aussehen und seinen hohen Wuchs; ich habe ihn verworfen. Denn nicht sieht der HERR auf das, worauf ein Mensch sieht. Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an.

Die Augen, die wir im Kopf haben, sehen nur die Oberfläche der Dinge und der Menschen. Sie können nicht ins Herz blicken. Das kann nur Gott. Er kann es uns beibringen. Nur mit Augen unseres eigenen Herzens finden wir Zugang zum Herzen der anderen.

Geh aus, mein Herz und such dein Glück in einer neuen Welt.
Geh aus, mein Herz und such dein Glück und tue das, was dir gefällt.

Tausend Jahre später wird Jesus von seinen Jüngern gefragt, warum er eigentlich immer in Bildern vom Reich Gottes spricht. Könnte er nicht einfach klar sagen, was Sache ist, statt immer diese Gleichnisse zu verwenden? Jesus selber erklärt das im Evangelium nach Matthäus 13, 13-16, so:

13 Darum rede ich zu ihnen in Gleichnissen. Denn mit sehenden Augen sehen sie nicht und mit hörenden Ohren hören sie nicht; und sie verstehen es nicht.

14 Und an ihnen wird die Weissagung Jesajas er­füllt, die da sagt: „Mit den Ohren werdet ihr hören und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen und werdet es nicht erkennen.

15 Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt: ihre Ohren hören schwer, und ihre Augen sind geschlossen, damit sie nicht etwa mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, und ich ihnen helfe.“

16 Aber selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören.

Wer sagt: „Ich glaube nur, was ich sehe“, der sieht nicht genug. Wer nur mit den Augen sieht, die er im Kopf hat, bleibt blind für die entscheidenden Dinge im Leben. Selig sind Augen, die sehen können, weil sie mit einem verstehenden Herzen verbunden sind. Glücklich ist ein Mensch, dem Gott das Herz und damit auch die Augen öffnet.

Geh aus, mein Herz und such dein Glück in einer neuen Welt.
Geh aus, mein Herz und such dein Glück und tue das, was dir gefällt.

Das Glaubensbekenntnis ist für viele kaum zu glauben, weil sie die Glaubenssätze nicht buchstäblich für wahr halten können. Versuchen wir heute einmal, die Bilder, die das Bekenntnis enthält, mit dem Herzen nachzuempfinden. In der Mitte des Liedblattes lesen wir gemeinsam, was fettgedruckt ist, und ich lese die Texte dazwischen:

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen.

Gott ist der, auf den Verlass ist. Seine Liebe ist mächtiger als alles in der Welt.

Den Schöpfer des Himmels und der Erde.

Das Weltall hat Sinn und Ziel von Gott. Die Erde ist ein guter Ort und ruht in den Händen Gottes.

Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn.

Jesus ist der Christus, der Messias der Juden, der Befreier, auf den Gottes Volk gewartet hat. Jesus ist für alle Menschen der Sohn Gottes, die einzige vollkommene Verkörperung seiner Liebe. Jesus ist der Herr, der unsere Freiheit will.

Empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria.

Durch die Geburt von Maria ist Jesus wahrer Mensch. Nicht durch die Gene eines Mannes, sondern durch die Liebe des Heiligen Geistes ist Jesus wahrer Gott.

Gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben.

Jesus ist wahrer Mensch auch im Leiden und Sterben. Er fühlt wie wir und fühlt mit uns. Menschlicher Macht ausgeliefert, stirbt er einen elenden Tod, und sein irdisches Leben endet im Grab.

Hinabgestiegen in das Reich des Todes.

Wenn Jesus zu den Toten in die Tiefe der Verzweiflung hinuntersteigt, dann ist niemand unerreichbar für die Liebe Gottes.

Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Jesus durchbricht Mauern des Todes und Mauern verschlossener Herzen. Gott erweckt ihn aus dem Tod, und die ihr Herz für ihn öffnen, erfahren ihn als den Lebendigen.

Aufgefahren in den Himmel.

Jesus lebt. Nicht sichtbar an einem Ort auf der Erde. Er lebt unsichtbar bei Gott und ist uns allen so nahe wie der Himmel selbst.

Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.

Im Himmel ist der Sohn mit dem Vater eins. Wie Jesus auf Erden war, so übt Gott die Allmacht seiner Liebe aus.

Von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.

Jesus wird der einzige Richter sein, vor dem wir uns verantworten müssen. Nichts, was wir tun, ist ihm gleichgültig. Gut für uns, dass er uns liebt. Aber wehe uns, wenn uns seine Liebe nichts bedeutet.

Ich glaube an den Heiligen Geist.

Heiliger Geist ist Gott in uns, wenn wir vertrauen, hoffen und lieben.

Die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden.

Wir alle sind auf Vergebung angewiesen. Zur Gemeinschaft der Heiligen werden wir jeden Tag neu, wenn wir uns durch Gottes Liebe anrühren und verändern lassen.

Auferstehung der Toten und das ewige Leben.

Wir gehen im Tod nicht verloren und bleiben ewig in Gottes Liebe geborgen.

Darauf sprechen wir gemeinsam:

Amen.

Wir singen das Lied 616 von Jesus, dem Guten Hirten:

Auf der Spur des Hirten führt der Weg durch weites Land

Am Beginn der Predigt stehe ich mit Frau Burk in der Mitte vor dem Altar. Beim Auftritt des Paulus gehe ich auf die Kanzel, vor der das Bild des Paulus hängt, beim Auftritt des kleinen Prinzen geht sie ans Lesepult, vor dem das Bild des kleinen Prinzen mit dem Fuchs hängt.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, hier beginnt ein Gesprächskontakt. Wir wollen den Apostel Paulus mit dem kleinen Prinzen ins Gespräch bringen. Natürlich nur im Rollenspiel, denn Paulus ist ja schon seit fast 2000 Jahren tot, und den kleinen Prinzen gab es nur in der Phantasie des Erzählers Antoine de St. Exupéry.

Zwischen einzelnen Abschnitten dieses Gesprächs singen wir das Lied 631, denn unser Herz kann besser sehen, wenn es auch durch Musik angeregt wird.

Stellen wir uns vor, wir besuchen den Apostel Paulus in Rom. Er war dort für mindestens zwei Jahre, sagt Lukas in den beiden letzten Versen seiner Apostelgeschichte 28, 30-31:

30 Paulus aber blieb zwei volle Jahre in seiner eigenen Wohnung und nahm alle auf, die zu ihm kamen,

31 predigte das Reich Gottes und lehrte von dem Herrn Jesus Christus mit allem Freimut ungehindert.

Paulus lebt in der Welthauptstadt nicht als freier Mann. Wir finden ihn in einer kleinen Zweizimmerwohnung, im dunklen Hinterzimmer mit vergitterten Fenstern. Im vorderen Zimmer sind wir an einem Soldaten vorbeigekommen, der Paulus bewacht. Wir befragen Paulus:

Warum sind Sie ein Gefangener und stehen unter Hausarrest?

Paulus: Ich bin nicht freiwillig nach Rom gereist. Das war ein Gefangenentransport. In Israel hat man mich wegen Hochverrats angeklagt, weil ich Jesus Christus als den Herrn verkündige. Der am Kreuz der Römer gestorben ist, der von Gott auferweckt wurde, dieser Jesus ist der Herr der der ganzen Welt. Aber der Kaiser will, dass man nur ihn den Herrn nennt und ihn womöglich noch als Gott anbetet. Da dürfen wir als Christen nicht mitmachen. Immerhin hat Jesus gesagt: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gottes ist.

Und nun warten Sie auf Ihren Prozess in der Hauptstadt Rom?

Ja, ich bin freier römischer Bürger und habe Anspruch auf einen ordentlichen Prozess. Man behandelt mich anständig. Ich darf sogar Gäste empfangen, und man hindert mich nicht einmal daran, ihnen etwas von Jesus Christus zu erzählen.

Wir haben Ihnen noch jemanden mitgebracht. Es ist ein Gast aus der Zukunft, ein Gast aus einer Phantasiegeschichte, die erst lange nach Ihrer Zeit geschrieben werden wird. Hier ist er – der kleine Prinz.

Ich bin neugierig auf dich, Paulus. Weil ich gehört habe, dass du auch mit dem Herzen sehen kannst. Mir hat nämlich einmal ein Fuchs gesagt: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Etwas Ähnliches habe ich an die Gemeinde in Ephesus geschrieben, die ich gegründet habe und die mir sehr am Herzen liegt (Epheser 1, 18):

[Gott] gebe euch erleuchtete Augen des Herzens.

In Gottes Namen wolln wir finden, was verloren ist

Was meinst du damit, wenn du an die Leute in Ephesus schreibst: „Gott gebe euch erleuchtete Augen des Herzens.“

Willst du den ganzen Satz hören, in dem das vorkommt?

Ja, gerne.

Ich lese ihn in eurer Bibel. Und in eurer Kirche ist er heute als Predigttext dran. Hier steht er – Epheser 1, 15-20:

15 Nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen,

16 höre ich nicht auf, zu danken für euch, und gedenke euer in meinem Gebet,

17 dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen.

18 Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens, damit ihr erkennt, zu welcher Hoffnung ihr von ihm berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist

19 und wie überschwenglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde,

20 mit der er in Christus gewirkt hat.

Warte mal, Paulus, du wolltest nur einen Satz vorlesen!

Das alles ist ein Satz. Der geht sogar noch weiter. Ich bin noch nicht fertig…

Der Satz ist ja so lang wie eine Riesenschlange! Ehrlich gesagt, ich habe nichts verstanden. Dein Satz ist nicht nur lang, da sind auch sehr schwere Wörter drin.

Das hat mir unser lieber Bruder Petrus auch einmal geschrieben (2. Petrus 3, 16):

In [deinen] Briefen [sind] einige Dinge schwer zu verstehen.

Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich glaube, deine Sätze können nur Leute auf Anhieb verstehen, die wie Riesenschlangen sind. Riesenschlangen verschlingen ihre Beute im Ganzen. Aber normale Menschen können nicht so viel auf einmal verdauen. Sie müssen ihr Essen Bissen für Bissen essen und jeden Bissen langsam kauen und verdauen.

Und du meinst, auch meine Sätze sind leichter verdaulich, wenn ich sie in mundgerechte Stücke aufteile?

Genau. Fang einfach an!

Einverstanden.

15 Nachdem ich gehört habe von dem Glauben bei euch an den Herrn Jesus und von eurer Liebe zu allen Heiligen,

16 höre ich nicht auf, zu danken für euch.

Als erstes musste ich den Leuten in Ephesus einfach danken. Ich hatte gehört, dass sie an Jesus glauben und eine große Liebe zu allen Heiligen haben. Und dafür bin ich sehr dankbar. Verstehst du?

Mal sehen. An Jesus glauben, was meinst du damit?

Sie vertrauen ihm. Weil er ihre Sorgen versteht. Weil er sich Zeit für sie nimmt.

Meinst du vielleicht, dass Jesus sie gezähmt hat?

Gezähmt? Das macht man mit wilden Tieren. Davon habe ich keine Ahnung.

Der Fuchs, von dem ich dir erzählt habe, der wollte von mir gezähmt werden. Ich sollte mir Zeit für ihn nehmen. Ihn mir vertraut machen. Er meinte, das geht nicht nur mit Tieren, sondern auch mit einer Blume oder mit einem Menschen.

Ja, vielleicht war das, was Jesus gemacht hat, so etwas wie dieses Zähmen.

Aha. Und weil Jesus die Leute in deiner Gemeinde gezähmt hat, können sie auch andere Leute zähmen. Meinst du das mit der großen Liebe, die sie haben?

Das kann man so sagen.

Aber warum zähmen sie die Heiligen? Heilige tun doch nur Gutes? Sind die nicht schon zahm genug?

Es wäre schön, wenn das so wäre. Mit den Heiligen meine ich alle, die zu Jesus gehören, auch euch hier in der Kirche. Ich habe gehört, wie ihr vorhin gesagt habt: „Ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen“.

Ein Heiliger ist also einer, der sich von Jesus zähmen lässt?

Das hast du schön ausgedrückt.

Dann verstehe ich auch, dass Heilige nicht immer nur Gutes tun. Ich habe nämlich eine Rose, die ich über alles liebe. Die habe ich, glaube ich, auch gezähmt. Aber die kann ganz schön nervig sein. Trotzdem ist sie für mich wichti­ger als ein ganzes Feld mit tausend Rosen.

Du hast begriffen, was Liebe ist. Es geht nicht darum, allgemein jeden zu lieben. Sondern, wie es in der mündlichen Überlieferung der Juden heißt: „Jeder, der ein Leben rettet, gelte wie einer, der eine ganze Welt gerettet hat“.

Etwas Ähnliches hat auch der Mann gesagt, der meine Geschichte aufgeschrieben hat, Antoine de St. Exupéry (Der sommersprossige Knabe“, in: „Die Stadt in der Wüste“, Bd. 2, S. 565ff.):

Da hältst du mir einen empfindsamen Vortrag über die Qualen, die Kinder erdulden, und du ertappst mich dabei, dass ich gähne. Doch du hast mich nirgendwohin geführt. Du sagst mir: „Bei jenem Schiffbruch sind zehn Kinder ertrunken…“, aber ich verstehe nichts von Arithmetik und könnte auch nicht doppelt so viel weinen, wenn die Zahl doppelt so groß wäre. … Ich aber werde über ein bestimmtes Kind weinen, wenn du mich auf einem besonderen Pfade zu ihm hinführen kannst, und so, wie ich durch eine bestimmte Blume den Zugang zu allen Blumen finde, werde ich durch dieses Kind alle Kinder wiederfinden und nicht nur über alle Kinder, sondern über alle Menschen weinen.

Ich glaube, St. Exupéry hat viel von der Liebe verstanden – und auch von Gott.

Stimmt, am Schluss hat er gesagt: „…dadurch begegne ich Gott“. Ich begegne Gott, indem ich eine Blume begieße, indem ich einen Fuchs zähme, indem ich für ein Kind da bin und es liebhabe, so wie es ist.

In Gottes Namen wolln wir finden, was verloren ist

Willst du jetzt ein zweites Stück von meinem Satz verstehen?

Ich will es versuchen.

Ich gedenke euer in meinem Gebet,

17 dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und der Offenbarung, ihn zu erkennen.

He, Paulus, gerade hatte ich angefangen, dich zu verstehen. Jetzt kommst du wieder mit soooo schweren Wörtern. Herrlichkeit, Geist, Weisheit, Offenbarung… Mir schwirrt der Kopf. Ich glaube, du sieht nicht mit dem Herzen, sondern mit dem Kopf!

Aber all diese Wörter sind eigentlich keine Kopfwörter. Herrlichkeit, das ist ein Gefühl der Glückseligkeit, die nur Gott einem schenken kann, einfach unbeschreiblich. Dieses Gefühl gibt es hier auf der Erde nur ganz selten, nur für kurze Augenblicke. Dann ahnen wir, wie es im Himmel sein wird.

Was ist mit dem Geist? Wie soll ich mir den vorstellen?

Geist, Heiliger Geist, das ist kein Gespenst, keine blasse Idee, kein Prinzip, sondern ein frischer Wind, der durch die Kirche weht. Er bewegt Herzen, manchmal trocknet er auch Tränen.

Mit Weisheit und Offenbarung kann ich aber wirklich nichts anfangen.

Vielleicht doch. Wenn ich um Weisheit und Offenbarung bitte, dann flehe ich Gott an: Hilf mir, mit dem Herzen zu sehen! Hilf mir, die Augen des Herzens aufzumachen!

Warum sagst du das dann nicht gleich?

Ich hab‘s den Leuten in Ephesus dann ja auch ausdrücklich geschrieben:

18 Und er gebe euch erleuchtete Augen des Herzens.

Er, damit meine den Gott, von dem Jesus erzählt hat. Jesus hat ihn seinen Vater genannt, so vertraut ist er mit ihm gewesen, mit dem Höchsten im Himmel. Gott hat alles geschaffen, und er kümmert sich um jede Blume, um jedes Tier, um jedes Kind, um jeden einzelnen Menschen. Dieser Vater im Himmel hilft uns, mit dem Herzen zu sehen.

Aber da muss er sich ganz schön anstrengen. Denn vor allem viele große Leute sind entschieden ganz ungewöhnlich.

Wen meinst du denn damit?

Zum Beispiel einen Säufer, den ich getroffen habe. Der trank so viel, weil er vergessen wollte, dass er sich schämte. Und er schämte sich, weil er so viel trank. Aber einen Geschäftsmann fand ich noch verrückter. Der meinte, ihm gehören die Sterne, nur weil vor ihm niemand daran gedacht hat, sie zu besitzen. Und was machte er mit den Sternen? Er verwaltete sie. Er zählte sie. Immer wieder. Er nannte sich einen ernsthaften Mann. Er nannte sich reich. Aber ich fand ihn lächerlich und arm.

Ich glaube, du hättest dich mit dem Jesus gut verstanden. Der fand es auch schlimm, wenn man immer nur ans Geld denkt und sich unnötige Sorgen macht.

Mag sein. Ich weiß jedenfalls, was es heißt, etwas zu besitzen. Ich besitze eine Blume, die ich jeden Tag begieße. Ich besitze drei Vulkane, die ich jede Woche kehre. Es ist gut für meine Vulkane und gut für meine Blume, dass ich sie besitze. Aber der Geschäftsmann ist für die Sterne zu nichts nütze.

In Gottes Namen wolln wir finden, was verloren ist

Darf ich dir jetzt noch einen dritten Abschnitt aus meinem Riesenschlangensatz vorlesen?

OK, aber wirklich nur noch einen.

18 Mit sehenden Augen des Herzens sollt ihr erkennen, zu welcher Hoffnung ihr von Gott berufen seid, wie reich die Herrlichkeit seines Erbes für die Heiligen ist

19 und wie überschwenglich groß seine Kraft an uns, die wir glauben, weil die Macht seiner Stärke bei uns wirksam wurde,

20 mit der er in Christus gewirkt hat.

Ach, Paulus, das ist ja wieder so schwierig.

Du hast ja Recht, kleiner Prinz. Lass mich nur zwei Worte aus diesem Stück des Satzes rauspicken und sie erklären. Das eine Wort ist Hoffnung. Das andere Wort ist Kraft. Wer auf Jesus vertraut, kriegt Hoffnung und Kraft.

Hoffnung und Kraft. Das klingt gut. Aber kann man sich auf Hoffnung verlassen? Du bist hier in Rom in einem kleinen Zimmer eingesperrt, du kannst hoffen, dass man dich freispricht, dass du nicht getötet wirst. Wird deine Hoffnung nicht schon bald enttäuscht werden?

Natürlich hoffe ich auf den Freispruch. Aber auch wenn der Kaiser mich zum Tode verurteilt, gehe ich nicht verloren. Denn dann gehe ich dahin, wo Jesus jetzt schon ist, in den Himmel. Wenn ich bei ihm bin und bleibe, ist mein Leben gerettet. Dann gehe ich nicht verloren. Das ist eine Hoffnung, die mir niemand nehmen kann.

Du gehst also gerne weg von dieser Erde? Findest du das Leben hier auf der Erde gar nicht wichtig und schön?

Doch. Gott hat uns dieses Leben ja geschenkt, weil er uns lieb hat. Ich erlebe hier so viel Vertrauen und Liebe, dass ich einfach glücklich bin. Aber das Leben hier auf der Erde ist nicht alles. Und wenn es aufhört, gibt es noch mehr zu hoffen.

Du wolltest noch ein zweites Wort erklären: Kraft.

Ja. Kraft ist etwas, was die meisten Menschen nur in ihren Muskeln suchen. Oder in ihrem Geldbeutel. Kraftprotz sagen wir. Zahlungskräftig. Aber die wahre Kraft liegt im Herzen.

Wer mit dem Herzen sehen kann, bekommt diese Kraft?

Oder umgekehrt, wer Gott um Kraft für sein Herz bittet, der kann mit dem Herzen sehen. Ich weiß, dass Gott mich liebt. Früher war ich ein Mensch, der andere Menschen eingesperrt hat, nur weil sie auf die falsche Art und Weise an Gott glauben. Heute bin ich selber eingesperrt, weil andere meinen, dass ich falsch an Gott glaube. Aber heute fühle ich mich stärker als damals, weil man nur stark ist, wenn man anderen nicht weh tun muss. Wer geliebt wird, bekommt Kraft. Wer stark ist, kann lieben. Wer lieben kann, ist stark.

Danke, lieber Paulus, das ist ein schönes Schlusswort: Wer stark ist, kann lieben. Wer lieben kann, ist stark.

Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
In Gottes Namen wolln wir finden, was verloren ist

Lasst uns beten:

Großer Gott, wir bitten um Kraft für Schwache, für Trostbedürftige, für Menschen, die am Ende sind. Richte uns auf, gib uns Mut, wenn wir niedergeschlagen und deprimiert sind. Mach uns unsere Stärken bewusst, lass uns Schwächen überwinden, die wir meistern können, lass uns unsere Unzulänglichkeiten aushalten, die nicht zu ändern sind.

Vertrauenswürdiger Gott, wir bitten um Glauben. Um einen Glauben, den wir im Herzen spüren und der nicht im Kopf drückt. Lass ein Vertrauen in uns wachsen, dass wir bei dir geborgen sind und unsere Angst beruhigt wird.

Lieber Gott, wir bitten um Liebe. Dass wir spüren: wir sind von dir geliebt. Dass wir es wagen: auf Menschen zuzugehen. Hilf uns, Verständnis und Mitgefühl für Menschen aufzubringen, die anders sind, hilf uns, Vorurteile zu überwinden und nicht nur aufs Äußere zu schauen. Wenn wir in die Welt hinausschauen, wagen wir kaum, um Liebe zu bitten, wo Hass und Gewalt an der Tagesordnung sind. Bewahre die Menschen im Nahen Osten nach den Wahlen in Palästina vor noch mehr Unruhe und Terror und schenke den Politikern Einsicht und Versöhnungsbereitschaft.

Lebendiger Gott, wir bitten dich für Menschen, die gestorben sind. Nimm sie auf in deinem Himmel.

Heute denken wir vor dir besonders an Herrn …, der im Alter von 63 Jahren gestorben und kirchlich bestattet worden ist. Für ihn und seine Angehörigen bitten wir dich um viel Barmherzigkeit und Frieden und Liebe.

Und wir denken auch an den früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, dessen Tod kurz nach seinem 75. Geburtstag viele in unserem Land bewegt.

Was wir noch auf dem Herzen haben, bringen wir in der Stille vor Gott:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen das Lied 621:

Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich still und leise
Abkündigungen

Unser Herr Jesus Christus, geboren von der Jungfrau Maria, segne dich und behüte dich. Der Gott Abrahams und Saras lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Die heilige Geistkraft erfülle dich mit Gottvertrauen und Liebe und gebe dir Gottes Frieden. Amen.

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