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Dem soll ich helfen?

Wie soll ich heute erkennen, wer mein Nächster ist? Der Verletzte an unserem Wegrand ist nicht immer einer, der in seinem eigenen Blut schwimmt. Es gibt auch Worte, die verletzen. Kann ich um Entschuldigung bitten? Manchmal sind Konfis unsere Nächsten für uns im Konfi-Team. Wir sind gefordert, ihnen Grenzen zu setzen und manchmal auch nachsichtig zu sein.

Kirchenfenster: "Der Barmherzige Samariter"
Der barmherzige Samariter auf einem Kirchenfenster (Bild: falcoPixabay)
#predigtKonfi-Gottesdienst mit Abendmahl am Sonntag Lätare, den 6. März 2005, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Fünf Wochen vor der Konfirmation feiern wir heute einen besonderen Gottesdienst, den unsere Konfirmanden gemeinsam mit dem Konfi-Team vorbereitet haben. Sie haben die Lieder ausgesucht, Texte und Gebete formuliert, und sie werden eine Spielszene vorführen. Das Thema des Gottesdienstes lautet: „Dem soll ich helfen?“

Lied 455: Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

An einem Sabbatmorgen wacht der Priester Zadok auf und singt sein Loblied für Gott, so wie wir eben eins gesungen haben. Ist die Welt nicht schön, wie sie Gott geschaffen hat? Der Priester Zadok freut sich seines Lebens und ruft seinen Tempeldiener Levi, um den Morgengottesdienst im Tempel von Jerusalem zu feiern.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Dann denkt Zadok nach. Wie war das am Abend vorher? Er hatte sich verspätet auf einer Reise von Jericho nach Jerusalem. Eine gefährliche Straße war das, überall Gesindel, das in den Büschen lauerte. Fast hätte er es nicht geschafft, vor Sonnenuntergang im Tempel zu sein. Das wäre schlimm gewesen, denn mit Einbruch der Nacht fing der Sabbat an; da durfte er nicht mehr auf Reisen sein. Er als Priester musste Vorbild sein: „Du sollst den Feiertag heiligen!“

Da spricht ihn Levi an: „Sag mal, Zadok, du bist doch gestern erst kurz vor mir beim Tempel eingetroffen. Wir waren beide spät dran. Ich mach mir jetzt Gedanken. Hat da nicht einer am Wegrand gelegen? Hast du den auch gesehen, wie er in seinem Blut lag? Ich bin schnell weiter, wir dürfen ja nicht mit Blut in Berührung kommen, wenn wir Dienst im Tempel tun. Aber war das richtig?“

Der Priester Zadok erschrickt. Solche Gedanken hat er sich auch schon gemacht. Hätte er lieber zu spät kommen sollen, sich beschmutzen sollen, statt pünktlich den Gottesdienst feiern zu können? Er ist im Zweifel.

Lasst uns zu Gott rufen:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Ein paar Tage später trifft der Priester Zadok im Tempel einen befreundeten Gastwirt.

„Stell dir vor, was dem Matthias passiert ist“, sagt der zu ihm. „Du kennst doch Matthias, der kommt regelmäßig in den Tempel. Letzten Freitag ist er von Räubern überfallen worden. Du weißt schon, an der gefährlichen Räuberstraße von Jericho nach Jerusalem. Beinahe wäre er verblutet, denn niemand wollte ihm helfen. Gott sei Dank hat einer angehalten und ihn versorgt. Er hat ihn zu mir ins Gasthaus gebracht und mir sogar die Unterkunft und Verpflegung für ihn bezahlt. Du wirst nicht glauben, was das für einer war. Einer von den Ungläubigen aus Samarien! Das hätte ich denen gar nicht zugetraut.“

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.

Der Herr sei mit euch! „Und mit deinem Geist!“

Zwei Menschen haben es eilig. Sie rennen an dem vorbei, dem es dreckig geht. „Was? Dem soll ich helfen? Dann komme ich zu spät zu meinem Termin. Dann mache ich mir die Hände schmutzig. Dann bringe ich mich selbst in Gefahr. Ein Mensch bleibt stehen, leistet Erste Hilfe, setzt sich ein. Was für ein Mensch sind wir? Einer, der vorbeirennt, oder einer, der hilft?

Gott, schenke uns Aufmerksamkeit und ein weites Herz, dass wir aufeinander achten, dass wir nicht gedankenlos an Menschen vorbeigehen, die Hilfe brauchen. Gib uns Mut und Phantasie, um helfen zu können. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Jetzt präsentieren uns eine Konfirmandin und vier Konfirmanden die Spielszene:

„Ein Samariter klagt an!“

Kaiphas: (sitzt auf seinem Richterstuhl; der Gerichtsdiener Jonas tritt zu ihm und verbeugt sich) Welcher Fall liegt als nächster vor?

Jonas: Der Fall mit dem Samariter.

Kaiphas: Samariter? Ich habe hier keine Anklage gegen einen Samariter.

Jonas: Nein, keine Anklage gegen einen Samariter. Es geht darum, dass der Samariter einen Priester und einen Leviten anklagt.

Kaiphas: Was nimmt der sich heraus? Ein hergelaufener Ausländer! Gehört nicht einmal unserer Religion an und wagt es, zwei angesehene Vertreter unseres Glaubens zu beschuldigen!

Jonas: Aber nach unserem Gesetz muss auch ein Ausländer gehört werden.

Kaiphas: Das ist natürlich richtig. Na schön. Was wirft er dem Priester und dem Leviten denn vor?

Jonas: Unterlassene Hilfeleistung.

Kaiphas: Lass ihn vortreten.

Samariter: (tritt vor den Richter Kaiphas und verbeugt sich) Hohes Gericht! Vielen Dank, dass Sie mich anhören.

Kaiphas: Wir müssen dich anhören. Unser Gesetz schreibt vor, dass für den Fremdling das gleiche Gesetz gelten soll wie für den Einheimischen.

Samariter: Es geht um den Fall des Matthias. Der ist vor drei Wochen am Freitag Nachmittag ausgeraubt und zusammengeschlagen worden, auf der Straße von Jericho nach Jerusalem. Sie wissen, wie gefährlich diese Straße ist.

Kaiphas: Ja, ja. Aber wie ich höre, geht es Ihnen nicht um die Räuber. Von denen fehlt ja immer noch jede Spur. Sie wollen wirklich zwei fromme Männer aus Jerusalem anklagen?

Samariter: Sie haben vollkommen Recht. Leider ist es nicht gelungen, die Räuber festzunehmen. Aber lassen Sie Matthias reden, der ist mit mir mitgekommen.

Matthias: (tritt mit verbundenem Kopf ebenfalls vor den Richter und verbeugt sich) Verzeihen Sie, dass ich zu Ihnen komme. Eigentlich wollte ich gar nicht Ihre kostbare Zeit in Anspruch nehmen. Aber dieser Herr bat mich, mitzukommen.

Samariter: Genau. Denn beinahe hätte der Überfall auf Matthias ihn das Leben gekostet. Weil ihm zuerst niemand helfen wollte!

Matthias: Das stimmt, Herr! Wenn dieser freundliche Herr nicht vorbeigekommen wäre, dann wäre ich bestimmt verblutet. Er hat angehalten und mich verbunden. Er hat mich auf seinem Esel in eine Herberge gebracht. Und dem Wirt hat er sogar Geld gegeben, damit er mich gut versorgt.

Samariter: War doch selbstverständlich. Jedenfalls bin ich heute noch mal hin, um zu schauen, wie es ihm geht. Wie Sie sehen, ist er ganz gut wiederhergestellt, nur die Wunde am Kopf braucht noch Zeit zum Heilen.

Kaiphas: Freut mich, dass es Ihnen wieder gut geht. Vielen Dank auch für Ihre Hilfe, Herr… wie war doch gleich Ihr Name?

Samariter: Simon heiße ich.

Kaiphas: Und wen beschuldigen Sie?

Samariter: Die Namen wusste ich erst nicht. Aber ich habe sie herausbekommen. Es handelt sich um den Priester Zadok und um einen Leviten, der zufällig auch Levi heißt. Sie waren beide kurz vor Anbruch des Sabbats vor drei Wochen von Jericho nach Jerusalem unterwegs.

Kaiphas: Du willst wirklich Zadok, den Gerechten, anklagen und Levi aus dem Stamm Levi?

Samariter: Ja, genau diese beiden.

Kaiphas: (zum Gerichtsdiener) Dann hol sie herein.

Jonas: (führt Zadok und Levi herein, die seitlich stehen bleiben) Hohes Gericht, hier sind Zadok und Levi.

Matthias: Ja, das sind sie. Ich kenne sie genau. Diese Gesichter vergesse ich nicht.

Kaiphas: Zadok, einer meiner besten Priester! Er hält sich genau an das Gesetz Gottes. Er gibt den zehnten Teil seines Einkommens für die Armen. Wenn er Opfertiere für Gott schlachtet, macht er es genau so, wie es Gott vorgeschrieben hat. Er ist immer pünktlich zum Gottesdienst im Tempel. Und dieser Levi hier ist sein treuer Diener. Er ist absolut zuverlässig! Noch nie war er zu spät im Tempel, wenn der Sabbat begann.

Samariter: Aber das ist es ja gerade! Die beiden haben sich so beeilt, rechtzeitig vor Sonnenuntergang im Tempel zu sein, dass sie Matthias einfach hätten verbluten lassen!

Matthias: Ja, so war es. Das alles ist nämlich am Freitag passiert. Ich lag da am Wegrand und konnte mir nicht helfen. Es wurde schon fast dunkel. In der Nacht hätte mich niemand mehr retten können. Ich war so glücklich, als endlich jemand vorbeikam – der Priester Zadok, ich kenne ihn vom Tempel. Er predigt immer, dass man barmherzig sein soll und den Armen helfen soll. Und er sah mich auch – aber er ging schnell vorbei.

Kaiphas: Stimmt das, Zadok? Was hast du zu deiner Entschuldigung vorzubringen?

Zadok: Ich war in Eile, Herr. Ich musste in Jerusalem sein, bevor die Nacht und damit der Sabbat begann. Am Sabbat darf man nicht auf Reisen sein. Den Sabbat darf man nicht brechen! Außerdem war es nicht sicher, ob der Mann wirklich am Verbluten war.

Kaiphas: Leben retten darf und muss man auch am Sabbat. Aber nur, wenn es gar nicht anders geht. Ich verstehe, dass Zadok nicht leichtfertig den Sabbat brechen wollte. Verurteilen kann ich meinen treuen Priester daher nicht.

Samariter: Und was ist mit dem Leviten Levi hier? Willst du ihn auch entschuldigen? Er kam hinter dem Priester her und lief noch schneller vorbei als der Priester.

Levi: Ich hatte Angst, Euer Ehren! Ich wusste doch nicht, ob die Räuber noch in den Büschen steckten. Sollte ich mich in Gefahr bringen? Und außerdem war ich auf dem Weg zum Dienst im Tempel. Wenn meine Hände blutig geworden wären, ich wäre unrein geworden und hätte meinen Dienst nicht tun dürfen.

Kaiphas: Etwas mehr Mut würde ich von einem Tempeldiener erwarten, lieber Levi. Aber ich verstehe, dass du deine Hände rein halten wolltest für Gott. Darum will ich auch dich nicht verurteilen.

Samariter: Ach, kümmert es dich gar nicht, dass diese beiden den Matthias hätten verbluten lassen? Ist denn der Sabbat wichtiger als das Leben eines Menschen und kann man seine Hände beschmutzen, wenn man das Leben eines Menschen rettet?

Kaiphas: Du bist ein Samariter und hast nicht das gleiche Gesetz wie wir. Wage es also nicht, mir vorzuschreiben, wie ich unser Gesetz auslege.

Matthias: Ich kenne einen Rabbi, einen von euch Juden, der gesagt hat (Markus 2, 27):

Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.

Kaiphas: Das klingt ja so, als wollte er unser Gesetz abschaffen! Sag mir den Namen von diesem Rabbi!

Matthias: Jesus heißt er. Und er will nicht das Gesetz abschaffen, sondern erfüllen. Von ihm habe ich gelernt: Wer seinen Nächsten liebt, hält das Gesetz am besten! Wer einfach zupackt und hilft, wo es nötig ist. So wie dieser Samariter.

Kaiphas: Jesus ist sein Name? Von ihm hört man ja viel in letzter Zeit. Den Namen werde ich mir merken müssen. Wir dürfen ihn nicht aus den Augen lassen. Wer so über das Gesetz redet, kann gefährlich werden. Zadok und Levi jedenfalls werden freigesprochen. Simon und Matthias, ihr dürft nun gehen.

Vielen Dank, liebe Konfirmanden, für eure Spielszene!

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Lukas 10, 25-37:

25 Und siehe, da stand ein Schriftgelehrter auf, versuchte [Jesus] und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?

26 Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du?

27 Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst«.

28 Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben.

29 Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster?

30 Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halbtot liegen.

31 Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber.

32 Desgleichen auch ein Levit: als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber.

33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte er ihn;

34 und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn.

35 Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir’s bezahlen, wenn ich wiederkomme.

36 Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste gewesen dem, der unter die Räuber gefallen war?

37 Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Amen. „Amen.“

Lied 625: „Schön sind deine Namen“
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, aus verschiedenen Blickwinkeln haben wir eine Geschichte betrachtet und zuletzt noch einmal gehört, die vielen von uns vertraut ist. „Der barmherzige Samariter“ ist sprichwörtlich geworden für Menschen, die selbstverständlich helfen. Das Wort „Samariter“ war früher ein Schimpfwort gewesen, heute nennen sich Hilfsorganisationen wie der „Arbeiter-Samariter-Bund“ nach dem Mann aus Samarien im Gleichnis Jesu.

Im Konfirmandenunterricht am letzten Dienstag haben sich einige Konfis die Frage gestellt, wie man das Gleichnis in die heutige Zeit übertragen kann. Drei Konfirmanden tragen vor, was sie zu dieser Frage überlegt haben:

Wer ist mein Nächster?

In der Geschichte vom Barmherzigen Samariter ist es der, der unter die Räuber gefallen ist.

Wer ist bei uns mein Nächster?

Ist es der Junge, der auf dem Schulhof von fünf anderen zusammengeschlagen wird und dem keiner hilft?

Ist es der Mann, der im Dutenhofener See untergeht, sich in den Algen verfängt und nicht mehr allein loskommt? Niemand hilft – zum Glück kann die Gruppe der DLRG ihn rechtzeitig retten.

Ist es der alte Mann, der im Freien umfiel und nicht mehr hochkam? Wie gut, dass der Nachbarsjunge ihn sah und ihm half.

Oder könnte es die Frau sein, die im Badezimmer umfiel? Da der Junge, der gerade zur Haustür hereinkam, den Schlag hörte, konnte er den Notarzt rufen.

Wer ist Ihr Nächster?

Gehen Sie mit offenen Augen durchs Leben!!

Danke für eure Gedanken zum Thema!

Euch sind eine ganze Menge Beispiele eingefallen, wo Menschen heute Hilfe brauchen. Manchmal bleiben auch heute Menschen ohne Hilfe auf der Strecke. Warum? Warum sind wir oft genau so blind für den, der unsere Hilfe braucht, wie damals der Priester und der Levit? Das waren ja keine schlechten Menschen. Die haben Gottesdienst gefeiert wie wir. Die wollten Gottes Gebote besonders gut erfüllen. Aber den Mann am Wegrand ließen sie liegen. Die Sabbatruhe war wichtiger, die Hände mussten sauber bleiben für den Gottesdienst im Tempel. Dagegen erhebt Jesus Einspruch: Gott fühlt sich nicht geehrt, wenn der Priester auf dem Weg zum Gottesdienst unbarmherzig an einem Verletzten vorbeigelaufen ist. Gott verlangt von uns Menschen Barmherzigkeit, weiter nichts.

Das ist einfach und doch so schwer.

Wie soll ich denn heute erkennen, wer mein Nächster ist? Der Verletzte an unserem Wegrand ist nicht immer einer, der in seinem eigenen Blut schwimmt. Es gibt auch Worte, die verletzen und Menschen dazu bringen, sich aus einer Gemeinschaft zurückzuziehen: sie sterben nicht körperlich, aber es ist doch ein kleiner sozialer Tod, der da verschuldet wird, wenn man die Grenzen des Nächsten überschreitet und er sich in seiner Würde angetastet fühlt. Wenn ich es bin, der aus Unachtsamkeit verletzende Äußerungen getan habe – kann ich über meinen Schatten springen und wirklich aufhören, Recht behalten zu wollen? Kann ich um Entschuldigung bitten?

Ist meine Nächste vielleicht die türkische Frau an der Aldi-Kasse, die darum bittet, mit ihrem einen Artikel vorgelassen zu werden, und ein Mann pöbelt sie an: „Bei euch zu Hause drängelt man sich an der Kasse vielleicht vor. Das tun wir hier in Deutschland nicht!“ Soll ich mich einmischen und sagen: „Bitte bleiben Sie doch sachlich!“? Es stehen noch 20 andere in der Schlange, und der Mann wirkt ziemlich aggressiv. Gesagt habe ich nichts.

Manchmal sind Konfis unsere Nächsten im Konfi-Team. Sie dürfen von uns verlangen, dass wir es nicht aufgeben, mit ihnen gemeinsam nach Gott zu fragen. Wir sind gefordert, ihnen Grenzen zu setzen und manchmal auch nachsichtig zu sein. Ich spüre, worunter manche von ihnen leiden, nicht nur wenn sich einzelne einmal bei mir aussprechen. Leider ist es oft schwer, wirklich über das zu reden, was einem auf der Seele liegt. In der Gruppe schon gar nicht, andere könnten ja lachen. Aber nur wenige trauen sich, um ein persönliches Gespräch mit dem Pfarrer zu bitten.

Oder ist mein Nächster der Mann oder die Frau, die mich im Seltersweg ansprechen, anbetteln, um eine Gefälligkeit bitten? Leider wird hier unsere Hilfsbereitschaft oft schamlos ausgenutzt. Dass wir in einer gefährlichen Welt leben, setzt ja auch das Gleichnis Jesu voraus – immerhin war der Verletzte am Wegrand von Räubern überfallen worden. Im Seltersweg entpuppt sich manchmal ein scheinbar Hilfsbedürftiger als räuberischer Taschendieb. Und niemand kann kontrollieren, ob jemand, der da bettelt, tatsächlich bedürftig ist. Da dürfen wir ohne schlechtes Gewissen Nein sagen.

Es geht nicht darum, dass wir allen Menschen helfen sollen. Sonst hätte Jesus gesagt: „Liebt alle Menschen, und zwar mehr als euch selbst!“ Nein, er greift das Gebot aus dem Alten Testament auf: „Liebe deinen Nächsten, und zwar wie dich selbst!“ Jesus überlässt es uns, herauszufinden, wer von den vielen, denen wir begegnen, unser Nächster ist. Wenn wir aufmerksam sind, dann spüren wir, wer wirklich unsere Hilfe braucht oder ob wir mit dem schlechten Gewissen, das uns plagt, nur uns selber unnötig quälen. Wer anderen ein barmherziger Samariter sein möchte, sollte auch mit sich selber barmherzig umgehen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 582: Lasst uns Brot brechen und Gott dankbar sein

Wir feiern Abendmahl. Am Abend vor seinem Tod hat Jesus das Mahl geteilt mit dem, den er am meisten liebte, mit dem, der ihn verriet, mit dem, der ihn verleugnete, mit allen, die ihn wenig später im Stich ließen.

Herr Jesus Christus, sei barmherzig mit unseren Herzen. Mach harte Herzen weich, gib ängstlichen Herzen Mut. In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt Ihr Gottes Treue und Vergebung annehmen, so sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr sei mit euch. „Und mit deinem Geiste.“

Die Herzen in die Höhe! „Wir erheben sie zum Herren.“

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott. „Das ist würdig und recht.“

Würdig und recht ist es, Gott ernst zu nehmen in seiner Menschlichkeit, der uns nicht danach beurteilt, ob wir frömmer oder besser sind als andere, sondern der uns liebevoll annimmt, so wie wir sind, und von uns nur Barmherzigkeit fordert.

Zu dir rufen wir und preisen dich, Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Vater unser und Abendmahl

Nun lasst uns beten. Im Konfi-Unterricht in der letzten Woche haben fünf Konfis die folgenden Fürbitten formuliert:

Wir beten für alle Konfirmandinnen und Konfirmanden in Gießen und wünschen ihnen auf ihrem weiteren Lebensweg viel Glück, Gottesegen und das Gott sie immer beschützen mag.

Wir wünschen den neuen Konfirmandinnen und Konfirmanden viel Glück auf ihrem Weg in die Einführung in unsere Gemeinde.

Wir wünschen uns Frieden auf der Welt, und lass es keine Kriege mehr geben.

Lass allen Menschen geholfen sein, die Hilfe brauchen und dass niemand mehr Hunger leiden muss oder obdachlos ist.

Lass keine unschuldigen Menschen mehr sterben, denn sie tragen schon genug Leid.

Und beschütze unsere Familien, Freunde, Bekannte, Verwandte und die ganze Gemeinde vor Leid und vor Bösem.

Lasse die Natur nicht mehr so wüten, wie sie es schon oft getan hat, und stoppe den Terrorismus.

Wir hoffen, dass sich alles bessert und das Leben sich zum Guten wendet.

Barmherziger Gott, wir bitten dich heute besonders für drei Verstorbene, die zur Paulusgemeinde gehört haben: … . Nimm sie gnädig auf in dein ewiges Reich im Himmel und stehe den Angehörigen und Freunden in ihrer Trauer bei. Schenke ihnen und uns die Gewissheit, dass unser Leben ewige Erfüllung findet, wenn wir deine Liebe empfangen und weitergeben. Amen.

Lied 632, 1-3: Wenn das Brot, das wir teilen, als Rose blüht
Abkündigungen

Und nun geht mit Gottes Segen. Vielleicht bleiben Sie auch noch ein wenig zusammen im Gemeindesaal bei Kaffee oder Tee.

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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