Bild: Pixabay

Ein nüchternes Gebet rechnet mit Wundern

Unsere Welt ist von Zwiespältigkeiten zerrissen, doch umgeben von der heilen und heiligen Welt Gottes, aus der hier und da etwas in unsere sichtbare Welt hereinscheint. Ein nüchternes Gebet ist ein inneres stilles Wahrnehmen der Gegenwart Gottes, der uns mit seiner Liebe umgibt. Nüchtern betend vertrauen wir in einer zerbrechenden Welt auf die heilende und zurechtrückende Macht Gottes.

Wolkenlandschaft bei Sonnenaufgang - Licht bricht von der Seite in ein dunkles Wolkenfeld herein
In einer dunklen Welt sind wir doch vom Licht Gottes umgeben (Bild: PexelsPixabay)

#predigtGottesdienst am 8. Sonntag nach Trinitatis, den 28. Juli 1996, um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey und am 9. Sonntag nach Trinitatis, den 4. August 1996, um 9.00 Uhr in Schafhausen

Herzlich willkommen im Gottesdienst in unserer Klinikkapelle! Heute ist das Thema unseres Gottesdienstes die Frage: Wozu sind wir Menschen eigentlich da in der Welt? Sind wir die Herren der Schöpfung und muss jeder Mensch etwas ganz Besonderes vollbringen, damit er etwas wert ist? Ich werde zeigen: es genügt, wenn wir in ganz kleinen Aufgaben unsere Erfüllung finden – und unser Wert besteht darin, dass Gott uns liebhat!

Als erstes Lied singen wir ein Lied von dem Gott, der unser Leben und die ganze Welt in seiner Hand hält, Nr. 619:

Er hält die ganze Welt in seiner Hand, er hält die ganze Welt in seiner Hand, er hält die ganze Welt in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

Er hält das winzigkleine Baby in seiner Hand, er hält das winzigkleine Baby in seiner Hand, er hält das winzigkleine Baby in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

Er hält die Sonne und den Mond in seiner Hand, er hält die Sonne und den Mond in seiner Hand, er hält die Sonne und den Mond in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

Er hält auch dich und mich in seiner Hand, er hält auch dich und mich in seiner Hand, er hält auch dich und mich in seiner Hand, Gott hält die Welt in seiner Hand.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten mit dem 8. Psalm:

2 HERR, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen, der du zeigst deine Hoheit am Himmel!

4 Wenn ich sehe die Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitest hast:

5 was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?

6 Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt.

7 Du hast ihn zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk, alles hast du unter seine Füße getan:

8 Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere,

9 die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer und alles, was die Meere durchzieht.

10 HERR, unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen!

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Großer Gott, du schenkst uns kleinen Menschen eine besondere Würde. Die Verantwortung für deine irdische Schöpfung hast du uns übertragen, und über uns haben wir nur dich als Herren anzuerkennen. Du schenkst jedem Menschen sein eigenes Leben, seine eigene Begabung, seine eigenen Aufgaben, auch wenn sie noch so klein sind. Hilf uns zu erkennen, wo unser Platz im Leben ist. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören ein Gleichnis von Jesus aus dem Evangelium nach Matthäus 25, 14-30:

14 Es ist [mit dem Himmelreich] wie mit einem Menschen, der außer Landes ging: er rief seine Knechte und vertraute ihnen sein Vermögen an;

15 dem einen gab er fünf Zentner Silber, dem andern zwei, dem dritten einen, jedem nach seiner Tüchtigkeit, und zog fort.

16 Sogleich ging der hin, der fünf Zentner empfangen hatte, und handelte mit ihnen und gewann weitere fünf dazu.

17 Ebenso gewann der, der zwei Zentner empfangen hatte, zwei weitere dazu.

18 Der aber einen empfangen hatte, ging hin, grub ein Loch in die Erde und verbarg das Geld seines Herrn.

19 Nach langer Zeit kam der Herr dieser Knechte und forderte Rechenschaft von ihnen.

20 Da trat herzu, der fünf Zentner empfangen hatte, und legte weitere fünf Zentner dazu und sprach: Herr, du hast mir fünf Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit weitere fünf Zentner gewonnen.

21 Da sprach sein Herr zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!

22 Da trat auch herzu, der zwei Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, du hast mir zwei Zentner anvertraut; siehe da, ich habe damit zwei weitere gewonnen.

23 Sein Herr sprach zu ihm: Recht so, du tüchtiger und treuer Knecht, du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen; geh hinein zu deines Herrn Freude!

24 Da trat auch herzu, der einen Zentner empfangen hatte, und sprach: Herr, ich wusste, dass du ein harter Mann bist: du erntest, wo du nicht gesät hast, und sammelst ein, wo du nicht ausgestreut hast;

25 und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg deinen Zentner in der Erde. Siehe, da hast du das Deine.

26 Sein Herr aber antwortete und sprach zu ihm: Du böser und fauler Knecht! Wusstest du, dass ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und einsammle, wo ich nicht ausgestreut habe?

27 Dann hättest du mein Geld zu den Wechslern bringen sollen, und wenn ich gekommen wäre, hätte ich das Meine wiederbekommen mit Zinsen.

28 Darum nehmt ihm den Zentner ab und gebt ihn dem, der zehn Zentner hat.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja.“
Lied 390, 1-3:

Erneure mich, o ewigs Licht, und lass von deinem Angesicht mein Herz und Seel mit deinem Schein durchleuchtet und erfüllet sein.

Schaff in mir, Herr, den neuen Geist, der dir mit Lust Gehorsam leist‘ und nichts sonst, als was du willst, will; ach Herr, mit ihm mein Herz erfüll.

Auf dich lass meine Sinne gehn, lass sie nach dem, was droben, stehn, bis ich dich schau, o ewigs Licht, von Angesicht zu Angesicht.

Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Liebe Gemeinde!

Manchmal fragen wir uns: Wozu sind wir eigentlich auf der Welt? Lohnt sich unser Leben? Und wenn wir das tun, vergleichen wir uns manchmal auch mit anderen: Der hat es besser getroffen mit seinem Schicksal, die hat mehr erreicht in ihrem Beruf, der hat keine Geldsorgen, die muss sich nicht mit Krankheiten herumplagen! Und vielleicht wünschen wir uns manchmal: Ich möchte etwas ganz Besonderes sein, etwas ganz Besonderes können, damit man mich wirklich anerkennen kann, damit ich in der Welt etwas bedeute.

Nun haben wir in den Texten und Gebeten dieses Gottesdienstes bisher schon gehört, dass es vor Gott gar nichts ausmacht, ob wir mehr oder weniger können, ob wir durchschnittlich sind oder etwas Besonderes darstellen. Egal wie viel wir können, egal wie wenig wir schaffen, entscheidend ist, dass wir unsere Kräfte und Gaben überhaupt einsetzen und nicht verkümmern lassen. Überfordert werden wir nicht, aber wir sollen uns auch nicht unterfordern.

Wertunterschiede gibt es jedoch nicht, der Mensch, der aus fünf Zentnern zehn macht, ist vor Gott genau so viel wert und auch genau so einmalig und unverwechselbar wie der, der aus zweien vier macht. Und wenn der, der einen Zentner bekommen hat, daraus zwei gemacht hätte, wäre er auch nicht getadelt worden. Das Schlimme an diesem dritten Mann im Gleichnis ist, dass er denkt, Gott habe ihn ungerecht behandelt, und Gott würde ihn sowieso niedermachen, egal wie sehr er sich anstrengen würde. Daraus zieht er den trotzigen Schluss: dann bemühe ich mich eben gar nicht. Es hat ja doch keinen Zweck.

Zur Predigt hören wir gleich Vers für Vers einen Text, in dem geht es auch darum, ob es überhaupt Zweck hat, etwas zu tun, ob unser Leben auf dieser Erde überhaupt noch einen Sinn hat. Dieser Text wurde nämlich zu einer Zeit geschrieben, in der man dachte: Die Welt geht bald unter, bald nimmt es ein Ende mit dem üblen Gang der Dinge. Mit diesem Gedanken setzt unser Predigttext aus 1. Petrus 4 ein:

7 Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.

Zu vielen Zeiten der Menschengeschichte gab es ähnliche Gedanken. Auch heute gibt es Weltuntergangspropheten, die der Überzeugung sind, lange kann es nicht mehr gut gehen mit der Überbevölkerung, mit der Umweltzerstörung, mit den Katastrophen und Terroranschlägen in einer allzu schnellebig gewordenen Gesellschaft. Erst kürzlich sprach ich mit dem Vater eines Bräutigams, den ich getraut hatte, der sich fragte, ob es überhaupt noch verantwortbar sei, heute Kinder in die Welt zu setzen. Haben diese Kinder denn noch etwas von der Welt? Können sie in einer lebenswerten und kindgerechten Umwelt groß werden? Und wenn sie dann erwachsen sind, werden sie dann noch Berufschancen haben?

Solche Gedanken klingen ganz ähnlich wie das, was hier im Petrusbrief steht: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge“. Und eine normale Reaktion auf solche Gedanken könnte dann Resignation sein, Mutlosigkeit, Gleichgültigkeit, Depression. Dann hat ja doch alles keinen Zweck. Am besten keine Kinder kriegen. Am besten gar nicht mehr viel nachdenken. Am besten sein Leben einfach so vorübergehen lassen und möglichst nicht viel mitkriegen von den bösen Dingen und erst recht nicht fühlen oder gar mitfühlen mit Menschen, die noch schlechter dran sind.

Aber so reagiert Petrus nicht. Er weiß, dass man mit einer solchen Einstellung alles nur noch schlimmer macht. Und er hat eine ganz nüchterne Einstellung zum Weltuntergang. Nun gut, wenn es so kommt, können wir eh nichts dran ändern. Das liegt alles in Gottes Hand. Der wird auch dafür sorgen, dass trotzdem mit uns nicht alles aus ist. Denn schließlich hat Jesus versprochen, dass er am Ende der Welt wieder zurück auf die Erde kommt. Aber wann das genau sein wird, darüber zerbricht er sich nicht den Kopf.

Also nimmt Petrus den Gedanken ans Ende aller Dinge zum Anlass, nun erst recht nachzudenken:

So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet.

Besonnen sollen wir sein, gerade wenn wir in unsicheren Zeiten leben. Wer damit rechnen muss, vielleicht bald alles zu verlieren, dem kann das, was er jetzt noch hat, besonders kostbar werden. Wer weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, etwas zu können oder zu haben oder überhaupt am Leben zu sein, der wird sein Leben vielleicht um so bewusster führen, alles tiefer wahrnehmen.

Und zum tieferen Wahrnehmen der Dinge gehört auch das nüchterne Gebet. Eine Nüchternheit, die sich zweier Wirklichkeiten bewusst ist: unserer sichtbaren, von Zwiespältigkeiten zerrissenen Welt – und der unsichtbaren, heilen und heiligen Welt Gottes, aus der hier und da etwas in unsere sichtbare Welt hereinscheint. Ein nüchternes Gebet ist ein inneres stilles Wahrnehmen der Gegenwart Gottes, der uns mit seiner Liebe umgibt. Ein solches nüchternes Gebet rechnet mit Wundern. Nüchtern betend vertrauen wir in einer zerbrechenden Welt auf die heilende und zurechtrückende Macht Gottes.

Aber Petrus fordert nicht nur zu einem neuen Bewusstsein, nicht nur zu einem neuen Beten auf. Wichtiger noch ist ihm ein neues Verhalten:

8 Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge«.

In einer Zeit, in der Menschen nicht mehr viel auf die Liebe geben, fordert Petrus zur Liebe auf. Und in welcher Zeit gaben die Menschen schon viel auf die Liebe? Zu allen Zeiten hat man gemeint, die Liebe sei doch im Grunde tot. Liebe sei eine Illusion.

Natürlich muss man auch das nüchtern betrachten, was unter Menschen als Liebe bezeichnet wird. Es gibt wirklich viele Illusionen gerade im Zusammenhang mit der Liebe. Manchmal macht man sich auch gerne etwas vor, wenn man keine wirkliche Liebe bekommt, aber sich doch wenigstens nach etwas Ähnlichem sehnt, was sich vielleicht ein bisschen wie Liebe anfühlt: verwöhnt werden, bewundert werden, als etwas ganz Besonderes behandelt werden, gebraucht werden bis hin zum ausgenutzt werden. Diese vielen Ersatzformen für Liebe tun uns aber nicht gut. Denn wir dürfen bei all dem ja nicht so sein wie wir sind. Drängt man uns in die Rolle, etwas ganz Besonderes zu sein, dann müssen wir stärker, größer, mächtiger sein, als wir eigentlich sind und wir überfordern uns und brennen irgendwann aus. Lassen wir uns aber ausnutzen, dann fühlen wir uns irgendwann wie der letzte Putzlumpen oder Mülleimer, und wir haben kein Empfinden mehr dafür, wie kostbar wir selber sind, welche Würde wir von Gott her geschenkt bekommen haben.

Mit wahrer beständiger Liebe aber sehen wir einander so wie wir sind: als unverwechselbare, einmalige, liebenswerte Menschen. Wir trauen einander viel zu, aber wir überfordern uns nicht. Wir kritisieren uns auch, aber nicht um niederzumachen, sondern damit wir dazulernen und nicht an irgendwelchen alten Fehlern hängenbleiben.

Offenbar glaubt Petrus: Selbst wenn es von solcher Liebe nur ein bisschen gibt, kann sie eine ganze Menge von dem zudecken, was er „Sünde“ nennt: Lieblosigkeit, Bosheit, Unrecht, Egoismus, Unglaube, Hartherzigkeit.

Lied 629, 1-3: Liebe ist nicht nur ein Wort

Dann, liebe Gemeinde, wird Petrus ganz konkret. Er ermahnt nämlich zur Gastfreundschaft:

9 Seid gastfrei untereinander ohne Murren.

Diese Ermahnung richtete sich ursprünglich an die Gemeinden, die ja oft Besuch von weither bekamen – wenn zum Beispiel wandernde Missionare wie Paulus oder auch Petrus selbst eine Unterkunft brauchten. Man sagt immer, dass früher gerade im Orient die Gastfreundschaft ganz groß geschrieben wurde, aber offenbar gab es auch damals schon Probleme damit, weil ja jeder Gast im Haus den eigenen Tagesablauf irgendwie beeinflusst, man mehr zum Essen auf den Tisch stellen muss und vieles mehr. Man kann sich schon vorstellen, dass es ganz normal war, wenn manch einer auch gemurrt hat, wenn er wieder einen der christlichen Wandermissionare aufnehmen sollte.

In einer Zeit, die so stressig und ruhelos ist wie die heutige, ist es noch schwieriger geworden, diese Ermahnung des Petrus zu befolgen. Man braucht doch einfach auch die Rückzugsmöglichkeit in seine eigenen vier Wände, um wieder zu sich selbst zu finden, um neue Kraft zu tanken, um tun zu können, was man will. Ob man also Menschen in sein eigenes Heim einlädt oder gar aufnimmt, das will gut überlegt sein und muss natürlich auch mit allen Mitbewohnern abgesprochen sein. In einer Zeit, in der man die meisten Strecken mit schnellen Verkehrsmitteln innerhalb eines Tages zurücklegen kann, ist es ja auch kaum noch notwendig, jemanden mal eben über Nacht bei sich zu beherbergen.

In unserem Bibelkreis hier in der Klinik hatten wir einmal eine Diskussion darüber, ob man als Christ zum Beispiel auch bereit sein muss, einen Obdachlosen von der Straße in sein eigenes Haus aufzunehmen. Ich habe dazu Nein gesagt. Die eigene Wohnung ist heute so wichtig geworden als ein geschützter persönlicher Raum, dass wir diesen Raum nicht so ohne Weiteres mit anderen teilen können. Es kann heute auch gefährlich sein, einen Fremden von der Straße aufzunehmen, zumal die Nachbarn nicht mehr unbedingt darauf achten, was nebenan geschieht. Und es wäre auch nicht unbedingt im Sinne eines Obdachlosen, wenn wir versuchen, ihm die Sesshaftigkeit sozusagen aufzudrängen.

Als Gemeinschaft von Menschen, die zusammenleben, müssen wir allerdings schon überlegen, wie das Gebot der Gastfreundschaft heute in die Tat umgesetzt werden kann. Gibt es genug Übernachtungsmöglichkeiten für Obdachlose, gerade im Winter? Ist in der Kirche und im Staat genug Geld da, um Menschen wieder von der Straße zu holen und ihnen Wohnung und Arbeit zu vermitteln, wenn sie das wollen?

In Alzey hat der Hilfsverein der Landesnervenklinik schon viele Ideen verwirklicht, wie man vielen der Patienten, die jahrzehntelang auf den Langzeitstationen gelebt hatten, wieder ein Leben mitten in der Stadt, mitten unter den Leuten möglich machen kann. Da gibt es die betreuten Wohnungen, das Haus in den Benden und jetzt seit einigen Wochen auch die neue Tagesstätte, eine Oase der Ruhe für Menschen, die sonst manchmal in der Unruhe der Stadt kaum einen Platz für sich finden konnten. Dass wir Zeit haben und Platz finden für Menschen, für die man sonst keine Zeit und keinen Platz hat, darum geht es in der Ermahnung des Petrus: „Seid gastfrei untereinander ohne Murren!“

Lied 589, 3-4: Komm, bau ein Haus, das uns beschützt

Schließlich, liebe Gemeinde, fasst Petrus noch einmal zusammen, wie nach seiner Auffassung christliche Liebe aussieht:

10 Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.

Diese Ermahnung hört sich an wie eine Zusammenfassung des Gleichnisses, das Jesus von den verschiedenen Zentnern oder Talenten erzählt hat. Egal was für Gaben wir haben – wir sollen sie füreinander einsetzen, nicht nur für uns selbst und erst recht nicht gegeneinander. Wenn ein Schüler in der Schule zum Beispiel keine Probleme mit dem Lernen hat – dann braucht er sich nicht zu langweilen oder die Schwächeren zu belächeln. Er kann anderen helfen. Selbst wenn man ihn als Streber beschimpft – obwohl er das gar nicht ist.

Wichtig ist dem Petrus, dass wir eigentlich nur die Verwalter oder Haushalter unserer eigenen Begabungen sind. Alles, was wir können und haben, ist uns geschenkt. Das fängt schon mit dem Leben an, das wir uns nicht selbst gegeben haben, das geht weiter mit allen Fähigkeiten, die uns angeboren sind, und auch mit denen, die wir erlernen und uns erarbeiten. Denn auch unsere Lernfähigkeit und unsere Kraft zu arbeiten besitzen wir ja nicht einfach als eine Selbstverständlichkeit, sondern sie sind uns geschenkt – für eine gewisse Zeit.

Am Beispiel des Predigers in der Kirche und am Beispiel von Menschen, die einen sozialen Dienst ausüben, führt Petrus diese Gedanken noch etwas weiter aus. Was bedeutet es, mit den Gottesgaben haushälterisch gut umzugehen?

11 Wenn jemand predigt, dass er’s rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er’s tue aus der Kraft, die Gott gewährt.

Wenn ich also predige, dann rede ich zwar meine Worte, aber durch meine Worte hindurch spricht vielleicht Gott selbst zu uns – wenn Gott es will. Das habe ich nicht in der Hand, sondern ich muss es Gott selbst überlassen, ob und wann es geschieht.

Und wenn jemand einen anderen Dienst tut, sei es beruflich oder ehrenamtlich, dann ist das ganz ähnlich. Er tut sein Möglichstes, nach seinen Kräften, aber was am Ende daraus wird, das liegt in Gottes Hand, das geschieht durch die Kraft Gottes selbst. Wenn man sich bemüht nach den Kräften, die Gott einem schenkt, dann ist man sich auch der Grenzen bewusst, die dem Helfen gesetzt sind. Jeder Helfer braucht selber auch Hilfe, vor allem soll das Helfen nicht dazu führen, dass man selber leerbrennt, während man für einen anderen Menschen überverantwortlich Dinge tut, die er eigentlich auch selber tun könnte.

Zum Schluss noch einmal die Frage: Wozu das alles, wenn es doch so scheint, als ob sowieso bald alles „den Bach hinunterginge“? Lohnt es sich denn, überhaupt noch etwas zu tun, auch wenn die Kräfte ganz gering und das Ergebnis kaum der Rede wert erscheint? Petrus sagt: Auch der kleinste Dienst ist ein Lob für Gott. Zum Beispiel wenn sich ein schwacher Patient dazu überwindet, ein freundliches Lächeln für einen Mitpatienten übrig zu haben. Oder wenn ein leidender Mensch sich dazu entschließt, es als seine Aufgabe anzunehmen, dass er mit seinen Schmerzen zu leben lernt.

In den Worten des Petrus hört sich das so an, und damit soll diese Predigt enden:

Damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 497, 1+11-13:

1) Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun und Werk in deinem Willen ruhn, von dir kommt Glück und Segen; was du regierst, das geht und steht auf rechten, guten Wegen.

11) Wer fleißig betet und dir traut, wird alles, davor sonst ihm graut, mit tapferm Mut bezwingen; sein Sorgenstein wird in der Eil in tausend Stücke springen.

12) Der Weg zum Guten ist gar wild, mit Dorn und Hecken ausgefüllt; doch wer ihn freudig gehet, kommt endlich, Herr, durch deinen Geist, wo Freud und Sonne stehet.

13) Du bist mein Vater, ich dein Kind; was ich bei mir nicht hab und find, hast du zu aller G’nüge. So hilf nur, dass ich meinen Stand wohl halt und herrlich siege.

Guter Gott, lass uns nicht verzagen, wenn wir uns schwach fühlen. Lass uns nicht überheblich werden, wenn wir etwas gut können. Weil du uns liebhast, müssen wir nicht besser sein als andere Leute, müssen wir nicht stärker erscheinen als wir sind, dürfen wir fühlen, was wirklich in uns ist.

Hilf uns, Gott, dass wir es lernen, Liebe anzunehmen und uns selber liebzuhaben, so dass wir auch fähig werden, unsere Liebe anderen Menschen zu geben, ohne uns selber dabei zu verlieren. Lass uns Menschen finden, bei denen wir unser Herz ausschütten können, wenn es nötig ist. Und sei du uns allezeit nahe mit deiner großen Güte. Amen.

Wir beten gemeinsam mit den Worten Jesu:

Vater unser

Wir singen aus dem Lied 331 – „Großer Gott, wir loben dich“ – ausnahmsweise einmal nicht die ersten, sondern die letzten drei Strophen, 9 bis 11:

9) Sieh dein Volk in Gnaden an. Hilf uns, segne, Herr, dein Erbe; leit es auf der rechten Bahn, dass der Feind es nicht verderbe. Führe es durch diese Zeit, nimm es auf in Ewigkeit.

10) Alle Tage wollen wir dich und deinen Namen preisen und zu allen Zeiten dir Ehre, Lob und Dank erweisen. Rett aus Sünden, rett aus Tod, sei uns gnädig, Herre Gott!

11) Herr, erbarm, erbarme dich. Lass uns deine Güte schauen; deine Treue zeige sich, wie wir fest auf dich vertrauen. Auf dich hoffen wir allein, lass uns nicht verloren sein!

Abkündigungen

Gott, der Herr, segne euch, und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. Amen.

Schreibe einen Kommentar

Mit dem Abschicken des Kommentars stimmen Sie seiner Veröffentlichung zu (siehe Datenschutzerklärung). Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.