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Bei Jesus ist das Leben

Zum Fest der Erscheinung eines winzigen Sterns in der Finsternis hören wir von Jesus, der uns ewiges Leben schenkt. Aber die Bibel spekuliert nicht über ein Leben nach dem Tod, sondern verkündet Jesus als Hoffnung für unser Leben vor dem Tod. Er schenkt uns ein befreites, tätiges Leben, in dem wir unsere Gaben für andere einsetzen.

Sternenhimmel mit Andromeda-Nebel
Riesige Galaxien erscheinen dennoch nur als kleiner Stern am Himmel (Bild: Hans BraxmeierPixabay)
Gottesdienst am 6. Januar 1980 in Dorn-Assenheim, Weckesheim und Reichelsheim
Lieder aus dem EKG 48, 1-3; 49, 1-3; 53, 1+7+8; 456, 1-3
Gnade sei mit uns und Friede von Gott unserm Vater und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Den Predigttext lese ich aus 1. Johannes 5, 11-13 (GNB):

Gott hat uns ewiges Leben gegeben, und wir erhalten dieses Leben durch seinen Sohn. Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben. Wer aber den Sohn nicht hat, der hat auch das Leben nicht. Ich schreibe euch dies, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt. Ihr verlasst euch ja auf den Sohn Gottes.

Amen.

Liebe Gemeinde!

Ein neues Jahr hat begonnen, die Weihnachtszeit geht mit dem Fest der Erscheinung des Sterns in der Finsternis zu Ende. Dieses Fest heute ist so etwas wie ein zweites Weihnachten, allerdings befreit von Überfrachtungen, durch die die Vorweihnachtszeit und der Heilige Abend oft genug in das Gegenteil des eigentlich Gemeinten umschlagen. Vielleicht ist es gut, dass das eigentliche Weihnachten durch den heutigen Festtag auf bescheidene Weise ins neue Jahr hineinreicht, es legt nach den vielen Lichtern des Tannenbaums nun noch einmal auf einen Stern Wert, der in der Finsternis einen guten Weg zeigt.

Finsternis ist um uns überall: das Geiseldrama in Teheran hält an, die UNO ist machtlos; die Aggression Moskaus in Afghanistan beunruhigt die Welt: ein neuer Kalter Krieg droht die Phase der Entspannung wieder abzulösen, die Gefahr eines Dritten Weltkrieges rückt in bedrohlichere Nähe als zuvor. Auf dem Gebiet der Energie sieht es ebenfalls dunkel aus: noch sparen wir nicht genug, noch wissen wir nicht einmal genau, wo wir uns einschränken könnten, noch ist uns immer nicht bewusst, dass wir eigentlich den Erdölländern dankbar sein müssten, dass sie uns langsam zum Umdenken zwingen, zu dem wir aus freien Stücken nicht fähig waren. Finsternis ist um uns überall auch in den Familien, in denen plötzlich hereinbrechende Krankheit das Leben zu einem qualvollen Bangen zwischen Hoffen und Verzweifeln macht. Oder in Familien, in denen der Streit das Normale wird, bis man sich endgültig auseinandergelebt hat. Oder im Alltag mancher jungen Hausfrau und Mutti, der ihre Aufgaben zu Hause über den Kopf wachsen, weil sie noch unerfahren ist und auch keine Hilfe an ihrem Mann hat; vielleicht fällt ihr auch noch die Decke auf den Kopf, weil sie keinen anderen Kontakt hat als den zu ihrem Mann, der aber den ganzen Tag nicht zu Hause ist.. Vielleicht bringt sie zu wenig Mut auf, mit den Kindern zusammen einmal mit anderen Müttern Kontakt aufzunehmen oder abends einmal etwas für sich ganz allein zu unternehmen – ohne die Familie – um im Kontakt mit anderen Menschen wieder Kraft für ihren Alltag zu gewinnen.

Finsternis – ein Sinnbild für alles, was unser Leben einengt, was uns bedroht, was uns Angst macht, uns die Kehle zuschnürt, was uns das Lebenslicht ausblasen will. Ob der Friede, ob unsere Umwelt, ob unsere Gesundheit oder ob unsere Beziehungen zu anderen Menschen in Gefahr sind – unser Leben als Ganzes ist darin bedroht.

Nun haben wir als Christen eine Hoffnung und eine Aufgabe: uns darauf zu besinnen, dass wir der Finsternis nicht alles zutrauen müssen. Dem Stern, dem winzigen Stern am Himmel, der mit seinem etwas helleren Leuchten nur dem Aufmerksamen auffällt, von dem dürfen wir viel mehr erwarten. Im Klartext: wir dürfen hoffen für den Frieden, für unsere Umwelt, für unsere persönliche Erfüllung, hoffen auf Liebe und Freundschaft. Wir dürfen nicht nur, wir sind geradezu dazu genötigt. Denn wir enthalten uns und anderen etwas Wichtiges vor, wenn wir wie viele andere den Kopf sinken lassen oder wenn wir umgekehrt nur darum optimistisch sind, weil wir die finsteren Verhältnisse in unserer Welt nicht ernstnehmen.

„Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“

– das ist die Jahreslosung für 1980 (1. Timotheus 2, 4), das Motto für dieses Jahr, das zum missionarischen Jahr ausgerufen worden ist. Gott will das, d. h, er macht uns verantwortlich füreinander, über alle Grenzen hinweg – der Verwandtschaft, Schichtenzugehörigkeit, Partei oder Gruppe, Nation, Hautfarbe oder Religion. Allen soll geholfen werden. Alle sollen die Wahrheit erkennen. Und die Wahrheit ist in der Bibel nicht eine Lehre, die man für wahr halten muss, sondern ist eine Person, nämlich Jesus. Das hat Johannes in unserem Predigttext knapp zusammengefasst: Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben. Wer sich auf Jesus Christus verlässt, der hat das ewige Leben geschenkt bekommen.

Nun will ich gleich zwei Missverständnisse abwehren. Es könnte sein, dass sich jemand fragt, was denn das Zutrauen zu Jesus, zu dem Stern Jesu in den Finsternissen unserer Welt mit dem „ewigen Leben“ zu tun haben soll. Hat es mit dem denn nicht Zeit bis nach dem Tod? Nein. Mit dem Wort „ewig“ ist in der Bibel nicht unendlich ausgedehnte Zeit gemeint. Die können wir uns ja auch als unangenehm vorstellen, wenn wir sagen: das dauert ja ewig! Nein, die Bibel meint mit diesem Wort ein erfülltes Leben, das allerdings auch durch den Tod nicht zerstört werden kann, obwohl wir uns das nicht vorstellen können. Die Bibel will gerade nicht über ein Leben nach dem Tod spekulieren, sondern verkündet Jesus als Hoffnung für unser Leben vor dem Tod. Und ein zweites Missverständnis könnte dadurch entstehen, dass jemand meint: ja wenn uns das ewige Leben in den Schoß fällt, geschenkt wird, dann brauchen wir uns ja nicht mehr anzustrengen. So ist es nicht gemeint. Wer so fragt, der weiß noch nichts von dem Geschenk einen befreiten, tätigen, seine Gaben für andere einsetzenden Lebens.

Warum haben wir denn Leben ausgerechnet nur dann, wenn wir uns auf Jesus verlassen? Normalerweise reichen uns doch auch andere Ziele aus: der Schulabschluss, Erfolg im Beruf, den ersehnten Partner bekommen, einigermaßen Zufriedenheit. Nun gut, so lange wir in diesen Lebensbereichen gut zurechtkommen, verschließen wir leicht die Augen vor der Finsternis, die uns überall umgibt, aber auch die Augen vor dem Stern, der als einziger diese Finsternis wirklich durchbricht. Bewusst wird das vielen erst, wenn die dunklen Seiten des Schicksals über sie selbst herfallen: Krankheit, Enttäuschungen, Misserfolge. Manchem aber auch nicht dann. Mancher wird dann erst recht diesem winzigen Stern nichts zutrauen. Mancher wird dann erst recht Gottes Existenz bestreiten. Jesus hatte schon zu Lebzeiten Spott und Hohn zu tragen. Er ist nicht der Typ des Erfolgreichen, des strahlenden Siegers, sondern der Leidende, der Gescheiterte, derjenige, der für seine Freunde sein Leben hingab, der Gewalt nicht mit Gewalt beantwortete. Der zeigte auch, wie Gott ist, den er Vater nannte. Dass Gott unser Freund ist und nicht unser Feind. Dass er mitleidet, wo Menschen leiden, und dass er nicht an der Seite derer ist, die wie Pilatus Menschen verurteilen. Gott ist unser Freund. Ein Freund, das habe ich gestern Abend erfahren dürfen, der nimmt mich so, wie ich bin. Der sagt mir ehrlich, was er von mir denkt. Ihm liegt etwas an mir. Der wäre auch enttäuscht, wenn ich etwas tun würde, was er nicht verstehen könnte. Der würde mich aber nicht fallen lassen, sondern mit mir reden. Der kann ganz anders sein als ich, ist aber offen für mich. Der erwartet nicht heimlich Dinge von mir, die ich nicht erfüllen kann und redet dann mit anderen über mich und meine Fehler.

Einen ganz idealen Freund gibt es unter Menschen wohl nicht, so lange es Eifersucht gibt und Missverständnisse und immer noch bestimmte eigene Zwecke, für die wir den anderen brauchen wollen. Deshalb ist mancher vielleicht auf der Sache nach einem Freund und findet ihn doch nie. Gott als unser Freund ermutigt uns dazu, In den Menschen, denen wir begegnen, mögliche Freunde zu sehen, Menschen, denen wir uns öffnen können. So wie es Jesus getan hat, der sich völlig fremde Menschen als Jünger, als Freunde ausgesucht hat.

Leben, das steht dann nicht mehr unter dem Motto: ich kümmere mich nur um meinen eigenen Kram. Sondern Leben wird ganz weit: mit kleinen Schritten gelingt es vielleicht der Hausfrau, die Hemmungs- und Angstschwelle vor der Kontaktaufnahme mit einem Mütterkreis zu überwinden und selbstbewusster zu leben. Kinder lernen vielleicht im Kindergarten oder Kindergottesdienst, dass es viel wichtiger ist für ein glückliches Leben, einander helfen zu können, mit anderen Kindern streiten und sich wieder vertragen zu können, als schon möglichst früh der Beste im Lernen zu sein. Ein Trauernder weiß vielleicht nach einiger Zeit einen anderen Leidtragenden in seinem Schmerz zu stützen und gemeinsam mit ihm neuen Lebensmut zu gewinnen. Einsatzfreudige Mitbürger wehren sich vielleicht gegen die so selbstverständlich erscheinenden Zwänge, durch die der Friede oder unsere Umwelt in Gefahr geraten. Vielleicht werden wir, wenn wir Leben so verstehen, auch duldsamer gegenüber Andersdenkenden. Wir sind ja nicht darauf angewiesen, einen Gegner fertigzumachen, wenn wir nicht um uns selbst Angst haben müssen; denn wir sind ja von der Wahrheit getragen. Und mehr als der, der die Wahrheit genannt wurde, mehr als Jesus werden wir uns nicht bieten lassen müssen, Und der konnte vergeben.

Bei Jesus ist das Leben. Wir erreichen es nicht auf unsren Wegen, wenn wir es zu etwas bringen wollen oder wenn wir aus unserem Kindern etwas machen wollen nach unseren Vorstellungen. Jesus weckt vielmehr eine Sehnsucht nach etwas anderem und zeigt einen anderen Weg. Unsere Freunde gestern abend haben diese Sehnsucht so umschrieben und in unser Gästebuch eingetragen: „Leben einzeln und frei wie ein Baum, gemeinsam und brüderlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht.“ Für Gott ist jeder einzelne von uns wichtig, und jeder ist, auch als einzelner, nie allein, jeder ist frei und nur seinem Gewissen unterworfen, das ihn an der Liebe Jesu misst. Und gleichzeitig ist der andere uns geschenkt und wir dem anderen, damit wir brüderlich miteinander umgehen.

Das ist für uns Christen nicht nur Sehnsucht, sondern eine begründete Hoffnung und eine Aufgabe. Ich möchte mit einem ganz kleinen Beispiel schließen, das zeigt, wie ein Christ das in seinem alltäglichen Leben verwirklicht. Da schreibt einer, dessen Namen ich erst zum Schluss verrate, über seine Beziehungen zu dem Pfarrer und Theologen Helmut Gollwitzer, der 70 Jahre alt wurde. Er beginnt, indem er beschreibt, was sein 11-jähriger Sohn vom alten Gollwitzer denkt. „Zuerst hieß es bei ihm“, schreibt der Vater, „der Golli ist ein Christ, hat eine schöne kleine Badeanstalt und ist mit seinen 69 Jahren ziemlich alt, rennt aber noch ganz gut.“ Dann kam die nicht gerade kluge Frage von mir, warum unser Freund denn einen Swimming-pool habe. Die Antwort war klüger als die Frage: „Weil er schwimmen will, es in seinem Alter besonders braucht und ihn für andere Menschen zur Verfügung stellt. Man fliegt jedoch raus, wenn immer wieder etwas kaputtgemacht wird.“ Ein Kind zeigt Verständnis für einen viel älteren Menschen und sieht auch, worauf es bei dem Christen ankommt, auch bei diesem Helmut Gollwitzer, der doch ein berühmter Theologe ist: Leben fängt da erst wirklich an, wo einer seinen „Swimming-pool“ nicht für sich allein haben möchte. Der Vater dieses Jungen war übrigens Rudi Dutschke, der umstrittene Studentenführer, der Weihnachten an Spätfolgen eines Attentats gestorben ist, und den viele nur aus den hasserfüllten Beschreibungen seiner Gegner kennen.

Auf Jesus zu vertrauen, der das Leben ist, das bedeutet: vom Hass freizuwerden, Vorurteile abzustreifen, offen zu werden, den Nächsten wie sich selbst zu lieben. Da fängt ewiges Leben an, als ein Geschenk des Himmels. Amen.

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