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„Nehmt einander an!“

Vier farbig gestaltete Hände ergreifen sich gegenseitig, so dass ein Symbol für "einander annehmen" entsteht.
Einander annehmen (Bild: Gordon JohnsonPixabay)

Die Jahreslosung ist ein biblisches Motto, das Christen durch ein ganzes Jahr begleiten kann. Im Jahr 2015 sind weltweit Krisen und Kriege zu überwinden, und da, wo wir leben, sind wir mit verantwortlich für das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Menschen. Dazu passt die Losung für 2015 wie ein maßgeschneiderter Anzug:

„Nehmt einander an,
wie Christus euch angenommen hat
zu Gottes Lob.“

Drei Teile hat dieser Satz des Apostels Paulus in Römer 15, 7. Die Aufforderung „Nehmt einander an“ hat eine Ursache im zweiten Teil „wie Christus euch angenommen hat“, und sie hat ein Ziel im dritten Teil, nämlich dass sie dem „Lob Gottes“ dient.

Paulus ist, wie wir wissen, der Völkerapostel. Er sprach aber nicht nur Menschen außerhalb des Volkes Israel an. Im Gegenteil, ihm war es ein Herzensanliegen, dass Juden und Menschen anderer Völker im Vertrauen auf Jesus in einer neuen Gemeinschaft zusammenleben.

Das war eine große Zumutung für beide Seiten. Juden taten sich schwer damit, mit „unreinen Heiden“ an einem Tisch zu sitzen, Menschen mit hellenistischer Bildung verachteten vielfach die Juden mit ihrer Vielzahl von „engstirnigen Gesetzen“. Paulus sagt: Einflussreiche Juden und mächtige Vertreter des Römischen Reiches haben gemeinsam Jesus ans Kreuz gebracht. Sogar seine Freunde haben ihn verraten, verleugnet, verlassen. Trotzdem gilt allen gemeinsam Jesu Wort am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ In der Sünde sind alle Menschen einander gleich, und uns allen vergibt Gott aus Liebe und Barmherzigkeit: er nimmt uns an, damit wir einander annehmen. Darum: Überwindet eure Berührungsängste – bewegt euch aufeinander zu – begegnet euch mit Respekt, ja mit Liebe.

Aber gibt es Grenzen des Annehmens? Gibt es Menschen, die nicht annehmbar sind? „Zu Gottes Lob“, diese drei Worten deuten eine Grenze an. Wo Menschen sich gegen Barmherzigkeit sperren, wo sie Jesu geringste Geschwister mit Füßen treten, da sind ihre Haltung und ihr Verhalten nicht annehmbar.

Es gibt aber einen Unterschied zwischen dem, was sie tun: der Sünde, und dem, was sie sind: Sünder. Sünde ist unannehmbar, der Sünder aber bleibt ein von Gott geschaffener und geliebter Mensch mit einer unverlierbaren Würde. Denn Vergebung zielt auf Gottes Lob, darauf, dass Menschen sich ändern, dass sie den barmherzigen Gott respektieren und je den Menschen so behandeln, als sei er Gott selbst: nach dem Ebenbild Gottes geschaffen, modelliert nach Gottes Liebe. Können wir von Jesus lernen, sogar Menschen anzunehmen, die uns feindlich gesinnt sind – um sie zur Umkehr zu bewegen?

Pfarrer Helmut Schütz

Geistliches Wort März 2015 im Gießener Gemeindebrief „Evangelisch in der Nordstadt“

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