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Sehen können ist immer ein Wunder

Wer nur glaubt, was er sieht, liegt bei Jesus gar nicht so falsch. Jesus will sogar, dass wir sehen, richtig hinsehen. Jesus erwartet nicht, dass wir nur an ihn glauben, weil irgendjemand sagt: „Du musst glauben, sonst kommst du in die Hölle!“ Wir sollen schauen: Wo spüren wir etwas von Gottes Hilfe? Wo stellt uns ein Wort Jesu in Frage?

Zwei Augen sehen aus schwarzem Hintergrund heraus durch zwei Hände hindurch, d. h. durch die von Zeigefinger und Daumen gebildeten Öffnungen
Was bedeutet es, wirklich zu sehen oder blind für das Wesentliche zu sein? (Bild: Gerd AltmannPixabay)

#predigtAbendmahlsgottesdienst am 17. Sonntag nach Trinitatis, den 7. Oktober 2001, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat.

Dieser selbstbewusste Satz aus 1. Johannes 5, 4, ist das Motto des heutigen 17. Sonntags nach Trinitatis.

Unser Glaube an Jesus ist heute ausdrückliches Thema im Gottesdienst. Es ist gut, sich immer wieder einmal darüber Gedanken zu machen, warum wir als Christen unser Vertrauen auf diesen einen Menschen setzen.

Lied 346, 1+2+5:

1) Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden; mein Herz allein bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen. Sein Wort sind wahr, sein Werk sind klar, sein heilger Mund hat Kraft und Grund, all Feind zu überwinden.

2) Such, wer da will, Nothelfer viel, die uns doch nichts erworben; hier ist der Mann, der helfen kann, bei dem nie was verdorben. Uns wird das Heil durch ihn zuteil, uns macht gerecht der treue Knecht, der für uns ist gestorben.

5) Wend von mir nicht dein Angesicht, lass mich im Kreuz nicht zagen; weich nicht von mir, mein höchste Zier, hilf mir mein Leiden tragen. Hilf mir zur Freud nach diesem Leid; hilf, dass ich mag nach dieser Klag dort ewig dir Lob sagen.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

„Mein Herz allein bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen.“ Ist das nicht für Christen selbstverständlich? Wir sind Christen und glauben an Jesus Christus. Wir dürfen bauen auf seine wahren Worte und seine klaren Taten. Er ist für uns der Gottessohn, indem er zugleich der menschlichste Mensch auf Erden ist. Er schenkt uns das Leben, indem er für uns stirbt.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Doch Jesus ist umstritten. Juden glauben nicht, dass Jesus der Messias war – müsste dann nicht die Welt nach 2000 Jahren Christentum anders aussehen? Ein Israeli meinte nach dem 11. September: Jetzt kommt er bald, der Messias! Muslime glauben an Mohammed als den Propheten Gottes und sehen in Jesus nicht mehr als einen verehrungswürdigen Menschen, aber nicht Gottes Sohn. Und wir Christen? Glauben wir unser eigenes Glaubensbekenntnis? „Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unsern Herrn?“ Wie stark ist unser Vertrauen auf den Menschen, in dem Gott auf unserer Erde lebendig wurde? Wie stark ist Jesu Einfluss auf unser Leben – seiner Gedanken, seiner Taten, seines Heiligen Geistes?

Gott, erbarme dich unser, wo wir herabsehen auf Menschen anderen Glaubens. Erbarme dich unser, wo wir gleichgültig sind gegenüber dem eigenen Glauben.

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Jesus ist mehr als ein Prinzip, an das wir glauben. Er ist Mensch aus Fleisch und Blut, Ausgeburt der Liebe, eingeboren in unsere gequälte, verzweifelte, verlorene Welt – um sie zu retten – um Vertrauen zu wecken uns mit Liebe anzustecken, uns mit Hoffnung auszurüsten, dass die Liebe siegen wird. Darum:

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, dich zu erkennen in Jesus Christus ist ein Geschenk. Den Glauben an dich zu verkünden, das geht nicht mit Druck und mit Angstmacherei. Vertrauen in dich zu setzen aufgrund des Lebens und Sterbens deines Sohnes – das ist gleichbedeutend mit Freiheit, mit Aufatmen, mit Seligkeit. Schenke uns solchen Glauben an Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Der Apostel Paulus, der ursprünglich die Christen verfolgt hatte, war nach seiner Bekehrung zum christlichen Glauben fest davon überzeugt, dass nur Jesus Christus die Menschen retten kann. Er schreibt im Brief an die Römer 10, 9-13:

9 Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.

10 Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet.

11 Denn die Schrift spricht: »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.«

12 Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.

13 Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden«.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Wir bekennen mit dem Mund unseren christlichen Glauben, wir bekennen ihn mit alten Worten und Bildern, in den wir widergespiegelt finden, was wir mit dem Herzen glauben:
Glaubenbekenntnis

Im nächsten Lied klingen Bilder an, die ich in der Predigt aufgreife. Jesus bringt Licht in eine finstere Welt, Jesus macht einen Blinden sehend, Jesus sagt zu sehenden Menschen: „Eigentlich seid ihr blind!“ Wir singen aus dem Lied 441 die Strophen 1 bis 6:

1) Du höchstes Licht, du ewger Schein, du Gott und treuer Herre mein, von dir der Gnaden Glanz ausgeht und leuchtet schön so früh wie spät.

2) Das ist der Herre Jesus Christ, der ja die göttlich Wahrheit ist, mit seiner Lehr hell scheint und leucht‘, bis er die Herzen zu sich zeucht.

3) Er ist das Licht der ganzen Welt, das jedem klar vor Augen stellt den hellen, schönen, lichten Tag, an dem er selig werden mag.

4) Den Tag, Herr, deines lieben Sohns lass stetig leuchten über uns, damit, die wir geboren blind, doch werden noch des Tages Kind‘

5) und wandeln, wie’s dem wohl ansteht, in dessen Herzen hell aufgeht der Tag des Heils, die Gnadenzeit, da fern ist alle Dunkelheit.

6) Die Werk der Finsternis sind grob und dienen nicht zu deinem Lob; die Werk des Lichtes scheinen klar, dein Ehr sie machen offenbar.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde! Warum glauben wir an Jesus? Vielleicht weil er Wunder getan hat? Johannes erzählt in seinem Evangelium, dass Jesus einen von Geburt an blinden Mann heilt. Jesus kann das, er ist Gottes Sohn – vielen ist diese Denkweise vertraut. Andere haben gerade mit Wundern ihre Schwierigkeiten. Selbst wenn Jesus damals einen Blinden heilen konnte – was hilft das uns heute? Vor 23 Jahren in der Blindenschule Friedberg hätte ich den blinden Jungen und Mädchen kaum Hoffnung machen können: „Du musst nur an Jesus glauben, dann wirst du geheilt!“

Aber die Bibel nimmt das, was wir Wunder nennen, gar nicht so wichtig. Dass Jesus einen Blinden heilt, wird eher beiläufig erzählt, es ist nicht der Höhepunkt der Geschichte. Interessanter findet der Evangelist Johannes, was nach der Heilung geschieht. Der Mann, der nach Jahrzehnten zum ersten Mal in seinem Leben sehen kann, hat nämlich jetzt ein neues Problem: Die Tempelpolizei schöpft Verdacht, bezweifelt das Wunder. Ein blind Geborener kann sehen? Das gibt es nicht. Blind geboren zu sein, ist ein Zeichen der Bestrafung durch Gott.

So verhört sie den Mann. „Warst du wirklich blind? Kannst du wirklich wieder sehen? Wer hat dich geheilt?“ „Jesus.“ „Wie hat er das gemacht?“ „Mit einem Brei, den er auf meine Augen gestrichen hat.“ „Das war Arbeit, die er am Sabbat getan hat. Er ist ein Sünder!“ Dem widerspricht der Geheilte entschieden. „Nein, er ist kein Sünder! Er muss ein Mann Gottes sein, sonst hätte er mich nicht heilen können!“ Aber die Männer von der Tempelbehörde wollen sich nicht von einem Menschen belehren lassen, der in Sünden geboren ist und stoßen ihn aus der Gemeinde aus.

An dieser Stelle folgt der heutige Predigttext, im Evangelium nach Johannes 9, 35-41:

35 Es kam vor Jesus, dass sie ihn ausgestoßen hatten. Und als er ihn fand, fragte er: Glaubst du an den Menschensohn?

36 Er antwortete und sprach: Herr, wer ist’s? dass ich an ihn glaube.

37 Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn gesehen, und der mit dir redet, der ist’s.

38 Er aber sprach: Herr, ich glaube, und betete ihn an.

39 Und Jesus sprach: Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, damit, die nicht sehen, sehend werden, und die sehen, blind werden.

40 Das hörten einige der Pharisäer, die bei ihm waren, und fragten ihn: Sind wir denn auch blind?

41 Jesus sprach zu ihnen: Wärt ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; weil ihr aber sagt: Wir sind sehend, bleibt eure Sünde.

Liebe Gemeinde, noch einmal: Warum sollen wir unser Vertrauen gerade auf Jesus setzen? Ich finde, es reicht nicht zu sagen: Er hat eben Wunder getan. Er war eben Gottes Sohn. In den Versen, die wir gehört haben, wird uns mehr von ihm erzählt – mehr von dem Menschen und Seelsorger Jesus, mehr von dem Geist Gottes, der in ihm wirkt.

Am Anfang hören wir beiläufig, wie aufmerksam Jesus auf das Schicksal des Blindgeborenen auch nach seiner Heilung achtet. „Jesus hörte, dass sie ihn ausgestoßen hatten. Und wie er ihn fand, sprach er ihn an.“ Jesus geht seinem Patienten nach, er gibt sich die Mühe, ihn zu suchen, als er von seiner misslichen Lage erfährt. Vorher war er blind, galt zwar als von Gott gestraft, gehörte aber zur Gemeinschaft, die ihn mit Almosen unterstützte. Jetzt kann er sehen, sich selber versorgen, aber er ist aus seinem sozialen Umfeld ausgestoßen. Worauf soll er sich jetzt verlassen – mit dem neugewonnenen Augenlicht, aber ohne die Menschen, die ihm bisher Halt und Stütze geboten haben? Worauf will er sein Vertrauen setzen?

Jesus sucht, findet und fragt ihn: „Du, vertraust du auf den Menschensohn?“

Menschensohn – so redet Jesus oft von sich selber. Das Wort bedeutet eigentlich schlicht „Mensch“ und steht zur Zeit Jesu dafür, dass die Juden einen besonderen Menschen erwarten, der das Ebenbild Gottes im Menschen wiederherstellt, den Weltenrichter, den Messias. Der ehemalige Blinde muss nicht erklärt bekommen, was der Menschensohn ist, aber er fragt Jesus, wen er meint: „Ja, wer ist er, Herr, dass ich auf ihn vertrauen soll?“

„Du hast ihn doch gesehen“, sagt Jesus; „der mit dir redet, der ist es.“ Jesus behauptet nicht einfach: „Ich bin es.“ Er fordert nicht einfach: „Mir musst du vertrauen.“ Er spricht den Mann auf seine eigenen Augen und Ohren an. Viele sagen: „Ich glaube nur, was ich sehe.“ Hier sagt Jesus: „Recht so. Sieh nur genau hin. Nimm wahr, was mit dir geschehen ist. Trau deinen eigenen Sinnen. Du weißt, dass du wieder sehen kannst. Du hörst meine Worte und kannst beurteilen, ob du auf mich vertrauen kannst.“

Wer nur glaubt, was er sieht, liegt bei Jesus also gar nicht so falsch. Jesus will sogar, dass wir sehen, richtig hinsehen. Jesus will, dass wir unseren Ohren trauen, wenn wir seine Stimme hören. Jesus erwartet nicht, dass wir nur an ihn glauben, weil irgendjemand sagt: „Du musst glauben, sonst kommst du in die Hölle!“ Jesus lädt dazu ein, dass wir aufmerksam durchs Leben gehen und schauen: Wo spüren wir etwas von Gottes Hilfe? Wo stellt uns ein Wort Jesu in Frage? Wo gibt uns die Bibel Orientierung? Wo geschehen Dinge in unserem Leben, die wir nicht selber in der Hand haben?

Ich treffe eine Frau, die mir sagt: „Ich bin nicht fromm. Ich glaube nur, was ich sehe. Ich musste alles immer mit meinen eigenen Händen machen.“ Ich frage sie: „Und woher hatten Sie die Kraft dazu?“ Da wird sie nachdenklich: „Ja, woher?“ Am Ende lässt sie offen, wie viel Bewahrung und wie viel Grund zur Dankbarkeit sie in ihrem Leben doch schon erfahren hat.

Dem geheilten Blindgeborenen fällt es wie Schuppen von den Augen. Ein zweites Mal wird seine Blindheit geheilt, diesmal eine Blindheit in seiner Seele. Er schaut Jesus an, er spürt, dem kann er vertrauen, und er spricht es auch aus: „Ich vertraue, Herr!“ Er wirft sich vor ihm auf die Knie. In Jesus nimmt er die Macht Gottes wahr, die ihn geheilt hat. In Jesus erkennt er die Liebe Gottes, die ihn, den von frommen Menschen Ausgestoßenen, nicht verachtet. In Jesus erkennt er den Menschensohn, der kommen soll, um allen Menschen die Wahrheit über Gott zu offenbaren.

Jesus sieht, dass der Blinde nun endgültig sehend geworden ist. Er lebt in einer Welt des Vertrauens, auch wenn er ein Ausgestoßener ist. Die Liebe Gottes kann ihm niemand mehr wegnehmen. Vor allem an die, die unterscheiden zwischen Geretteten und Verlorenen, richtet Jesus nun ein deutliches Wort: „Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen, damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind werden.“

Niemand außer dem Menschensohn hat das Recht, endgültig über Menschen zu richten – wie im Gleichnis vom Weltgericht im Matthäusevangelium, wo die Menschen sich wundern, was sie alles für Jesus getan oder ihm schuldig geblieben sind in den geringsten Geschwistern Jesu (Matthäus 25, 31-46). Dieser Richter setzt neue Maßstäbe, stellt die Welt auf den Kopf. Die Blinden macht er sehend, die Sehenden sind in seinen Augen blind. Für Jesus ist der Blindgeborene kein von Gott gestrafter Mensch. Er darf sich als geliebtes Kind Gottes sehen, egal ob seine Augen wieder gesund werden oder nicht. Und die Pharisäer, diese ernsthaft um den Glauben bemühten Menschen, die genau zu wissen meinen, wer zu Gott gehört und wer nicht – die sind nicht so sehend, wie sie glauben.

Kein Wunder, dass den Pharisäer die Worte Jesu nicht passen. Johannes erzählt: Einige Pharisäer, die bei Jesus waren, hörten dies und fragten ihn: „Sind wir etwa auch blind?“ Jesus urteilt hart über sie: „Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: ‚Wir sehen!‘ Darum bleibt eure Sünde.“

Ich glaube, Jesus will sagen: Ein Blinder weiß nicht, wie Farben aussehen. Wer für die Güte Gottes blind ist, weil er nie Liebe erfahren hat, der kann sich auch nicht gegen die Güte Gottes wenden, ihr könnt ihn nicht als Sünder brandmarken. Ein Blindgeborener, dem ihr nachsagt, dass er von Gott gestraft ist, kann gar nicht von Gott gestraft sein – wofür denn?

Aber die Pharisäer – sie sagen, dass sie sehen. Jesus unterstellt ihnen auch, dass sie sehen können. Sie können die Güte Gottes sehen, denn sie sind reich beschenkt – mit ihrem Leben, mit ihrem Glauben. Sie kennen die Bibel, wissen um Gottes gute Schöpfung, kennen die Worte über Gottes Barmherzigkeit. Sie könnten Gottes Güte sehen – und sind doch blind. Weil sie auf das, was Gott ihnen geschenkt hat, stolz sind, als wäre ihr Glaube ihre eigene Leistung. Und weil sie Menschen, die nicht den gleichen Glauben haben, verachten, als würde Gott nicht auch sie lieben.

Ich sehe hier eine ähnliche Situation wie beim Pharisäer und Zöllner. Der Zöllner sieht an sich kein gutes Haar. „Sei mir Sünder gnädig“, kann er nur sagen, und Jesus akzeptiert ihn als einen Mann mit Gottvertrauen. Der Pharisäer, der ein großes Ansehen hat in der Gemeinde und Gott dafür dankt, dass er nicht so ist wie der Zöllner, der ist in Jesu Augen blind. Er sieht in die falsche Richtung – statt zu danken für Gottes Barmherzigkeit, statt zu schauen: Wie kann ich dem Zöllner auch helfen, Gottes Liebe zu erfahren? kreist er um sich selber und ist stolz auf den eigenen Glauben (Lukas 18, 9-14).

Sehen können – das ist immer ein Wunder. Uns müssen die Augen aufgetan werden für das, was in dieser Welt wesentlich ist. Dass diese Welt ein guter Ort ist, dass dieses Leben sinnvoll ist, versteht sich nicht von selbst, wird in Frage gestellt von Gewalttätern, von Schicksalsschlägen.

Doch das Wunder kann geschehen, dass wir sehen: diese Welt ist ein guter Ort, ein guter Gott hat sie geschaffen. Trotz Bosheit und Leid ist dieses Leben voller Sinn, weil Gott sich selbst dem Leid aussetzt und so sogar die Bosheit überwindet. Ich weiß keine Antwort auf die Frage, warum Gott Bosheit und Leid nicht einfach abschafft oder verhindert. Doch ich glaube: Gott leidet mit, er stirbt mit. Er ist anwesend in Jesus, sein Geist steckt vollkommen in diesem Mann, Gottes Geist geht durch Schmerzen, Tod und Hölle, weil er uns Menschen liebt und nicht will, dass wir verlorengehen.

In Jesus ist Gott, in ihm sehe ich Gottes Barmherzigkeit. So sage ich Ja zu dem Satz des Paulus (Römer 10, 9):

Wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.

Ich bin dafür dankbar, dass ich darauf vertrauen kann. Ich kann darum werben und dafür beten, dass auch andere auf den Gott vertrauen, der in Jesus da ist.

Aufpassen müssen wir, dass wir den Satz des Paulus nicht als christliche Pharisäer umdeuten und drohen: Wenn du nicht an Jesus glaubst, bist du verloren. Das sagt Paulus nicht. Wer meint, Gott in die Karten sehen zu können, ist in Wahrheit blind. Wen wir für blind halten – von dem sagt Jesus vielleicht: Er hat keine Sünde. Wir stehen vor Gott mit leeren Händen. Was wir sehen, was wir haben, was wir glauben, ist sein Geschenk an uns. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 382: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr

Im Abendmahl sind wir eingeladen, die Liebe Gottes zu schmecken und in uns aufzunehmen. Brot und Kelch stehen dafür, wie weit diese Liebe ging – dass Jesus sein Leben für uns Sünder geopfert hat.

Gott, nimm von uns, was uns von dir trennt: Unglauben, Lieblosigkeit, Verzagtheit. Hochmut, Trägheit, Lebenslügen.

In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt Ihr Gottes Treue und Vergebung annehmen, so sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr sei mit euch. „Und mit deinem Geiste.“

Die Herzen in die Höhe! „Wir erheben sie zum Herren.“

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott. „Das ist würdig und recht.“

Würdig und recht ist es, in der Liebe des Menschen Jesus dich, den heiligen Gott, zu erkennen und zu dir Vertrauen zu fassen. Zu dir rufen wir und preisen dich, Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Vater unser und Abendmahl

Jesus ist wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich. In Jesus lebt Gottes Liebe. Wir empfangen Jesu Leib, so lebt Gottes Liebe in uns.

Nehmt und gebt weiter, was euch gegeben ist – lebendigen Leib der Liebe Gottes.

Herumreichen des Korbs

Christi Blut, am Kreuz vergossen, besiegelt Gottes Bund mit uns. So sehr liebt uns Gott, dass er mitstirbt mit Leidenden und stirbt für Sünder. Nehmt hin denKelch der Vergebung, des neuen Anfangs, der Versöhnung zwischen Gott und Mensch.

Austeilen der Kelche

Jesus Christus spricht: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer auf mich vertraut, selbst wenn er stirbt, wird er leben. Und jeder, der lebt und auf mich vertraut, nein, der stirbt nicht – in Ewigkeit.

Gehet hin im Frieden!

Lied 214:

1) Gott sei gelobet und gebenedeiet, der uns selber hat gespeiset mit seinem Fleische und mit seinem Blute; das gib uns, Herr Gott zugute. Kyrieleison. Herr, du nahmest menschlichen Leib an, der von deiner Mutter Maria kam. Durch dein Fleisch und dein Blut hilf uns, Herr, aus aller Not. Kyrieleison.

2) Der heilig Leib, der ist für uns gegeben zum Tod, dass wir dadurch leben. Nicht größre Güte konnte er uns schenken, dabei wir sein solln gedenken. Kyrieleison. Herr, dein Lieb so groß dich zwungen hat, dass dein Blut an uns groß Wunder tat und bezahlt unsre Schuld, dass uns Gott ist worden hold. Kyrieleison.

3) Gott geb uns allen seiner Gnade Segen, dass wir gehn auf seinen Wegen in rechter Lieb und brüderlicher Treue, dass uns die Speis nicht gereue. Kyrieleison. Herr, dein Heilig Geist uns nimmer lass, der uns geb zu halten rechte Maß, dass dein arm Christenheit leb in Fried und Einigkeit. Kyrieleison.

Abkündigungen

Gott, wir danken dir, dass du dich uns schenkst. Wir danken dir für unseren Glauben, ob groß oder klein und vertrauen darauf, dass du gesagt hast: Schon ein kleiner Glaube reicht aus, um Berge der Verzweiflung wegzurücken, um Bäume festgefahrener Vorurteile auszureißen und um auf einem Meer von Angst sicheren Boden unter den Füßen zu gewinnen.

Schenke uns Augen, die klar sehen, wie kostbar unser Glaube ist.

Um der Wahrheit willen schenke uns den Mut, für den eigenen Glauben einzustehen – aber ohne Standhaftigkeit im Glauben mit Rechthaberei und Engstirnigkeit zu verwechseln.

Um des Friedens willen schenke uns die Bereitschaft, den Dialog mit Menschen zu führen, die anders denken und glauben – aber ohne uns selber aufzugeben.

Schenke uns Augen, die klar sehen können: Wie kostbar unser Leben ist und wie zerbrechlich der Friede, für den wir mitverantwortlich sind.

Wenn wir in Angst und Sorge die Weltlage betrachten, schenke uns Zuversicht, dass du uns trägst und nicht verlässt, was auch immer uns begegnen wird.

Wenn wir um einen geliebten Menschen trauern, bewahre in unseren Herzen auch die Dankbarkeit, dass er uns geschenkt war, und begleite uns auf dem Weg der Trauer. Insbesondere schließen wir heute … in unser Gebet ein, die … gestorben ist.

Wir beten auch für Gemeindeglieder, die schwer krank sind und um ihr Leben bangen. Sei du ihnen und ihren Angehörigen in schweren Stunden nahe. Amen.

Und nun lasst uns mit Gottes Segen in den Sonntag gehen – wer möchte, ist im Anschluss noch herzlich zum Beisammensein mit Kaffee oder Tee im Gemeindesaal eingeladen.

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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