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Zur Hoffnung berufen

Ein Schmetterling auf einem Grabstein
Ein Schmetterling auf einem Grabstein (Bild: Claudia PetersPixabay)

Wir hoffen alle – dass endlich der Frühling auf Dauer durchbricht, dass die nächste vor uns liegende Aufgabe gelingt, dass wir gesund bleiben oder werden, dass uns Katastrophen und Kriege erspart bleiben und … und … und… Der diesjährige evangelische Kirchentag steht unter dem Motto: „Zur Hoffnung berufen“. Das Wort „berufen“ mutet in diesem Zusammenhang merkwürdig an: es klingt nach Einsetzung in ein Amt, nach Beauftragungen, nach einem Beruf, den man erlernen muss. Müssen wir Hoffnung lernen, müssen wir Hoffnung ausüben wie einen Beruf oder wie ein Ehrenamt?

Wenn wir uns die Gefahren vergegenwärtigen, die unser Überleben auf der Erde bedrohen, können wir uns auch ausmalen, wie anstrengend es ist, ein Hoffender zu werden oder zu bleiben.

Kürzlich las ich einen Aufsatz einer australischen Kinderärztin über die tödlichen Auswirkungen radioaktiver Strahlung, der mich schockiert hat. Einige Sätze aus diesem Artikel: „Ich habe große Angst, dass wir vielleicht nicht einmal mehr das Jahr 2000 überleben … Wenn ein Atomkrieg ausbräche, würde die menschliche Rasse ganz aussterben. Es gibt keine Möglichkeit, einen Atomkrieg zu überleben. Selbst wenn einige Menschen nicht sterben würden, wären Wasser und Luft so verseucht, dass sie später an Leukämie oder einem anderen Krebs zugrundegehen würden … Atomkraftwerke sind nichts anderes als Atomwaffen … Wenn wir Atomwaffen und Atomkraftwerke nicht abschaffen, werden wir höchstwahrscheinlich nicht überleben. Es wäre wirklich schlimm. Unsere Entwicklung bis heute hat Billionen von Jahren gedauert, und wir sind zu großer Liebe und zu phantastischen Beziehungen zu anderen Menschen, zu großer Kreativität und herrlicher Kunst fähig. Wir sind ganz einmalige Lebewesen. Mit unserer Intelligenz haben wir es andererseits so weit gebracht, dass wir alles Leben auf dieser Erde auslöschen können. Und wir scheinen wie die Lemminge genau darauf zuzusteuern …“

Hoffnung? Hoffen heißt nicht: die Gefahren verdrängen, die Augen abwenden und seelenruhig – weil unwissend – auf der Bombe zu leben, sondern: eine Zuversicht gewinnen, durch die wir den Kräften der Zerstörung ins Auge blicken können und aufstehen, um Ihnen entgegenzutreten. Die Aufforderung der Ärztin Helen Caldicott lautet: „Wir müssen die Verantwortung auf uns nehmen“ (so der Titel ihres Aufsatzes, den man für 50 Pf bei Gisela Ottmer, Honrothstraße 16, 3300 Braunschweig, anfordern kann). „Wir müssen uns wehren für unsere Kinder und für die Zukunft der ganzen Menschheit.“

Das müssen wir erst lernen. Es ist ungeheuerlich, was diese Form der Hoffnung von uns verlangt: an Veränderungen unserer Welt zu glauben, die unmöglich erscheinen, umdenken, das richtig Erkannte vertreten und gemeinsam handeln. So weit bin ich noch lange nicht, sind wir auch in den Kirchengemeinden nicht. Und doch sollen wir über die Losung nachdenken: „Zur Hoffnung berufen“. Zur Hoffnung beruft uns Christus, der sich gefangennehmen und töten ließ, statt von seinem Weg der Liebe und des Vertrauens zu Gott abzuweichen. Im Vertrauen auf ihn können wir in der Kirche Hoffnung lernen.

Der Prophet Jesaja hatte schon seinem Volk vor langer Zeit verkündet: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht“ (Jesaja 7, 9) – ihr werdet nicht überleben!

Zum Nachdenken am Samstag, 11. Mai 1979, in der Wetterauer Zeitung von Helmut Schütz, Reichelsheim.

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