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„Eins in Christus Jesus“

Laufen wir in Jesu Fußstapfen und bemühen uns, seine Haltung zu übernehmen? Im Grunde ist es umgekehrt. Jesus geht in unseren Fußstapfen, durchdringt mit seinem guten Geist unser Leben, gibt uns Worte ein, auf die wir von selber nicht kommen würden, gibt uns Kraft, wenn wir unsere Angst und Schwachheit spüren. Jesus selbst hilft uns, gemäß der Jahreslosung zu leben.

Fußspuren im Sand - umgekehrt - der linke Fuß zeigt nach rückwärts
Wer geht in wessen Fußstapfen? (Bild: Maike SörensenPixabay)
direkt-predigtGottesdienst am Neujahrstag, den 1. Januar 2011, um 14.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Tag, liebe Gemeinde!

Zum ersten Gottesdienst im Neuen Jahr begrüße ich alle herzlich in der Pauluskirche. Der Neujahrstag, acht Tage nach Weihnachten, ist zugleich der Festtag der Beschneidung und Namensgebung Jesu. Wir denken daran, was der Name „Jesus“ bedeutet: „Rettung, Befreiung, Hilfe“ und besinnen uns im Sinne dieses Namens auf die Jahreslosung für 2011. Sie steht im Brief des Paulus an die Römer 12, 21:

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

Als erstes Lied im Neuen Jahr singen wir aus dem Ev. Gesangbuch, Nr. 62, die Strophen 1 und 3 bis 5:

1. Jesus soll die Losung sein, da ein neues Jahr erschienen; Jesu Name soll allein denen heut zum Zeichen dienen, die in seinem Bunde stehn und auf seinen Wegen gehn.

3. Unsre Wege wollen wir nur in Jesu Namen gehen. Geht uns dieser Leitstern für, so wird alles wohl bestehen und durch seinen Gnadenschein alles voller Segen sein.

4. Alle Sorgen, alles Leid soll der Name uns versüßen; so wird alle Bitterkeit uns zur Freude werden müssen. Jesu Nam sei Sonn und Schild, welcher allen Kummer stillt.

5. Jesus, aller Bürger Heil und der Stadt ein Gnadenzeichen, auch des Landes bestes Teil, dem kein Kleinod zu vergleichen, Jesus, unser Trost und Hort, sei die Losung fort und fort.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Im Volk Israel gab es schon einmal einen Mann namens Jesus, so wird er jedenfalls in der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel genannt. In unserer deutschen Bibel heißt er Josua. Josua-Joschua oder Jeschua-Jesus, beides heißt „Rettung, Befreiung, Hilfe“. Der erste Mann, der so hieß, war dazu ausersehen, das Volk Israel in das Gelobte Land Israel zu führen:

1 Nachdem Mose, der Knecht des HERRN, gestorben war, sprach der HERR zu Josua, dem Sohn Nuns, Moses Diener:

2 Mein Knecht Mose ist gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich ihnen, den Israeliten, gegeben habe.

7 Sei nur getrost und ganz unverzagt, dass du hältst und tust in allen Dingen nach dem Gesetz, das dir Mose, mein Knecht, geboten hat. …

8 … Dann wird es dir auf deinen Wegen gelingen, und du wirst es recht ausrichten.

9 Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht; denn der HERR, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

In allen Dingen nach dem Gesetz Gottes handeln, das fällt uns schwer. Gottes Gebote als Wegweisung in die Freiheit zu begreifen und in die Tat umzusetzen, daran ist das Volk Israel und auch die Kirche Jesu Christi immer wieder gescheitert. Wir brauchen dich, Gott, der du mit uns gehst in die Herausforderungen eines Neuen Jahres; wir brauchen Vergebung, um neu anzufangen, wenn wir versagt haben. Wir rufen zu dir, Gott:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles im Namen des Herrn Jesus und dankt Gott, dem Vater, durch ihn (Kolosserbrief 3, 17).

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott im Himmel, Vater Jesu Christi, wieder haben wir ein Jahr hinter uns gelassen, randvoll mit den unterschiedlichsten Erlebnissen. Ein ganzes Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist bereits vergangen, und wir können, je älter wir werden, manchmal kaum fassen, wie schnell wir durch die Zeit reisen.

Wir bitten dich nun, dass wir dankbar oder mit Gelassenheit das Vergangene loslassen und getrost unter deiner Führung im Neuen Jahr gute Wege beschreiten. Lass unser Herz gefasst bleiben und Mut gewinnen im Vertrauen auf dich und deinen Sohn Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Wir hören zum Tag der Beschneidung und Namengebung Jesu, wie die Eltern von Jesus darauf kommen, ihm genau diesen Namen zu geben. Im Evangelium nach Matthäus 1, 20-21 und 24-25, hört Josef, wie im Traum der Engel Gottes zu ihm spricht, und befolgt seine Anweisungen:

20 Josef, du Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen hat, das ist von dem heiligen Geist.

21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.

24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.

25 Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.

Im Lukasevangelium, Kapitel 2, Vers 21, ist ebenfalls von der Namengebung Jesu die Rede, nachdem in Kapitel 1, Verse 30 bis 31 und 35, Gottes Engel der Maria diese Botschaft überbringt:

30 Fürchte dich nicht, Maria, du hast Gnade bei Gott gefunden.

31 Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm den Namen Jesus geben.

35 Der heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden.

21 Und als [nach der Geburt ihres Kindes] acht Tage um waren und man das Kind beschneiden musste, gab man ihm den Namen Jesus, wie er genannt war von dem Engel, ehe er im Mutterleib empfangen war.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen das Lied 60:

1. Freut euch, ihr lieben Christen all, lobsinget Gott mit hellem Schall, ja singt und spielt aus Dankbarkeit dem Herrn im Herzen allezeit,

2. dass er uns seinen liebsten Sohn herabgesandt vons Himmels Thron, zu helfen uns aus aller Not, zu tilgen Teufel, Sünd und Tod.

3. Du mein herzliebstes Jesulein wollst unser Herz und Sinn allein dabei erhalten stet und fest, dass du der recht Nothelfer bist;

4. wollst uns auch dies angehend Jahr vor Leid behüten und Gefahr, auch Krankheit, Tod und Kriegesnot abwenden als ein gnäd’ger Gott,

5. auf dass dein Wort in diesem Land zunehm und wachs ohn Widerstand, auch Friede, Treu, Gerechtigkeit befördert werd zu aller Zeit.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

So, liebe Gemeinde, lautet also die Jahreslosung, wie sie von der „Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen“ für das Neue Jahr 2011 ausgewählt wurde. Es ist ein Wort, über das man ein ganzes Jahr lang predigen könnte, denn es gibt so viel Böses in der Welt, dass man sich gar nicht genug Gedanken darüber machen kann, wie es durch Gutes zu überwinden wäre.

Ich möchte es heute auslegen, indem ich zugleich auf den Predigttext für den heutigen Tag der Namengebung Jesu eingehe. Der steht im Brief des Paulus an die Galater 3, 26-29:

26 Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus.

27 Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen.

28 Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.

29 Gehört ihr aber Christus an, so seid ihr ja Abrahams Kinder und nach der Verheißung Erben.

Liebe Gemeinde, wir haben das Weihnachtsfest hinter uns, und dieses Geburtsfest Jesu macht nur dann wirklich Sinn, wenn wir das Neue Jahr in Jesu Namen beginnen. Im Predigttext ist zwar nicht ausdrücklich vom „Namen Jesu“ die Rede, aber von der Taufe „auf Christus“. Wörtlich steht da: „Wer in Christus hineingetauft ist, der hat Christus angezogen.“ Das klingt mystisch, als ob wir mit Jesus irgendwie verschmelzen, aber Paulus ist gar kein Mystiker; er verwendet hier zwei verschiedene Bilder, die einen sehr konkreten Sinn haben.

Wer sich damals als Erwachsener taufen ließ, trug ein weißes Taufgewand als äußeres Zeichen dafür, dass er mit der Taufe sein ganzes Leben ändern wollte. Wenn Paulus sagt: „Ihr habt Christus angezogen“, dann sagt er damit mehr, als wenn er nur sagen würde: „Ihr habt euch Jesus als Vorbild genommen.“ Das auch, aber in dem Bild des Anziehens steckt vor allem drin, dass Jesus selbst vom Himmel her mit der Kraft des Heiligen Geistes, mit der Liebe Gottes unsichtbar uns beisteht und umgibt. Bevor wir es schaffen, im Vertrauen auf Jesus Böses mit Gutem zu überwinden, sind erst einmal wir es, die erfahren, dass Jesus mit seiner Liebe und Vergebung Böses in uns überwindet. Wir laufen also nicht nur in Jesu Fußstapfen und bemühen uns, seine Haltung zu Gott und zum Leben zu übernehmen. Im Grunde ist es umgekehrt, wir dürfen uns darauf einlassen, dass Jesus in unseren Fußstapfen geht, dass er mit seinem guten Geist unser Leben erfüllt und durchdringt, dass er uns Worte eingibt, auf die wir von selber nicht kommen würden, dass er uns Kraft gibt, wenn wir nur unsere Angst und Schwachheit spüren. Jesus selbst ist es, der uns hilft, gemäß unserer Jahreslosung zu leben.

Und all das ist nicht nur eine Privatsache zwischen uns und Gott. Wir ziehen nicht nur für uns ganz persönlich eine neue Glaubenshaltung an, wir sind auch hineingetauft in das, was Paulus den Leib Christi nennt, in die Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi. Bei jedem Abendmahl wird uns das bewusst, dass wir als Menschen, die auf Jesus vertrauen, gemeinsam diesen Leib Christi bilden.

Interessant ist, dass Paulus uns trotzdem nicht „Jesu Kinder“, sondern „Gottes Kinder“ nennt. Er redet hier auch nicht vom Glauben an Jesus, sondern davon, dass uns der Glaube „in Christus Jesus“ zu Gottes Kindern macht. Offenbar legt Paulus Wert darauf, aus Jesus keinesfalls einen zweiten Gott neben dem einen Gott Israels zu machen. Der eine Gott offenbart sich in Jesus, den er als Messias ins Volk Israel schickt, und der holt zugleich die Menschen der Völker mit ins gleiche Boot.

Daraus ergeben sich nach Paulus weitreichende Konsequenzen:

28 Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.

Warum legt Paulus solchen Wert darauf, dass wir alle „einer“ oder „eins“ in Jesus Christus sind? Will er eine uniformierte gleichgeschaltete Kirche? Sollen alle Unterschiede zwischen Männern und Frauen, zwischen Völkern und Kulturen, zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen völlig eingeebnet werden? Nein, darum geht es nicht. Aber Paulus weiß, dass Menschen dazu neigen, aus menschlicher Verschiedenheit Wertunterschiede abzuleiten, Über- und Unterordnungen, die nicht Gottes Willen entsprechen. Wer mit Unterschieden Abwertungen und Ungerechtigkeit und die Rechtfertigung von Gewalt begründet, der lässt sich vom Bösen überwinden. Dieses Böse soll im Leib Christi keinen Platz haben, sondern mit Gutem überwunden werden.

Konkret nennt Paulus drei Unterschiede: ethnisch-kulturelle, politisch-soziale und geschlechtsspezifische.

Fangen wir mit dem Letzteren an. „Hier ist nicht Mann noch Frau“, sagt Paulus. Natürlich will er die Unterschiede der Geschlechter nicht abstreiten oder gar abschaffen. Im einzelnen pocht er hier und da sogar darauf, dass bestimmte Sitten eingehalten werden; im Bibelkreis hatten wir gesehen, dass er den Frauen in Korinth sogar das Kopftuch im Gottesdienst vorzuschreiben versucht, während die Männer keine Kopfbedeckung tragen sollen. Die Gründe dafür waren für uns nicht mehr nachvollziehbar, und er hat ja dann auch nicht darauf bestanden, dass das eine Anweisung Gottes für alle Zeiten sein solle. Was viel wichtiger ist: Gerade Paulus, dem man oft Frauenfeindlichkeit vorgeworfen hat, hatte kein Problem damit, wenn eine Frau schon damals eine christliche Gemeinde leitete. Lydia, die Vorsteherin der ersten christlichen Gemeinde in Europa, wurde von Paulus persönlich getauft.

Mann und Frau sind ja von Gott gemeinsam als Ebenbild Gottes geschaffen, und so stehen sie auch im Leib Christi mit gleichem Wert und gleicher Verantwortung als Menschen vor Gott. Es ist also im Sinne Christi und des Paulus, wenn spätestens heutzutage Frauen nicht mehr wegen ihres Geschlechts von bestimmten Berufen oder Positionen ausgeschlossen sind; zum Beispiel haben Frauen bewiesen, dass sie das Pfarramt ebensogut ausüben können wie Männer und dass sie auch mit Leitungsaufgaben im Kirchenvorstand oder als Bischöfin nicht überfordert sind.

Wenn Paulus zweitens davon spricht, dass in der Gemeinde Jesu auch der Unterschied zwischen Sklaven und freien Bürgern keine Rolle spielen soll, dann klingt das revolutionär. Zwar war das Ziel des Paulus damals nicht die politische Abschaffung der Sklaverei. Aber auf Dauer kann die Sklaverei nicht als rechtmäßig begründet werden, wenn ein Sklave und sein Herr gleichermaßen als Gottes Kinder zusammen in der Gemeinde Jesu ihren Platz haben. Auf jeden Fall müssen sie einander als Menschen respektieren lernen; spätestens in der Neuzeit haben wir als Christen gelernt, dass es in der Gesellschaft keine von Gott für alle Zeit festgeschriebenen Schichtenunterschiede gibt und geben soll. Niemand ist nur zum Dienen oder nur zum Herrschen geschaffen; auch der politisch Führende muss dem Wohl des Volkes dienen; auch der Mensch, der irgendwo als kleines Rädchen im Getriebe der Gesellschaft seinen bescheidenen Dienst leistet, hat Anspruch darauf, dass seine Arbeit wertgeschätzt und seine Menschenwürde respektiert wird.

Der dritte Satz „Hier ist nicht Jude noch Grieche“ hat zur Zeit wohl die größte Brisanz und Aktualität. Denn er zielt auf Probleme in einer multikulturellen Gesellschaft ab. Paulus sagt: Egal zu welchem Volk oder zu welcher Religion wir gehören, welche Bildung und welchen kulturellen Hintergrund wir haben: Im Leib Christi gehören wir zusammen. Er bringt alle diese Unterschiede damals mit der Gegenüberstellung von „Jude“ oder „Grieche“ auf den Punkt. Wörtlich steht da: „Hier gibt es keinen Judäer und keinen Hellenen mehr.“ Der Mann aus Judäa, der oft sogar den Juden aus dem Hinterland in Galiläa verachtete, soll sich auf seine Beschneidung oder blutsmäßige Abstammung von Abraham nichts mehr einbilden. Der Mann mit seiner aus dem alten Griechenland herkommenden hellenistischen Bildung und Kultur darf auf den Juden nicht herabsehen, auch wenn er die jüdischen Rituale für unverständlich hält.

In unserer Paulusgemeinde leben wir ganz gut nach den Empfehlungen des Paulus. Frauen und Männer kommen im Kirchenvorstand, auf der Kanzel und in Gemeindegruppen gleichberechtigt zu Wort. Wir sind eine Gemeinde, in der sich, so hoffe ich jedenfalls, Menschen aller Bevölkerungsschichten zu Hause fühlen. Und wir sind auch eine Gemeinde, in der sowohl die Kirchenbesucher als auch die Mitarbeitenden aus vielen verschiedenen Völkern und kulturellen Hintergründen herkommen; aus Russland und Eritrea, aus Polen oder den USA, aus China oder Australien.

Eine Frage ist aber schwierig zu beantworten. Wenn Paulus uns sagt: „Ihr seid alle eins in Christus“, dann meint er ja die unterschiedlichen Mitglieder der Gemeinde. Was ist mit denen, die nicht zur Gemeinde gehören, aber dennoch seit langem in unserer Nachbarschaft wohnen?

In der Ökumene der katholischen, baptistischen, evangelischen Christen fühlen wir uns mittlerweile im Glauben an den einen Herrn Jesus Christus verbunden. Aber würde Paulus auch im Blick auf die jüdische Gemeinde in Gießen sagen: „Hier ist nicht Jude noch Christ, sondern wir sind alle eins in Christus?“ Und was würde er sagen im Blick auf die Familien muslimischen Glaubens, die ihre Kinder in unseren Kindergarten schicken? „Hier ist nicht Muslim noch Christ, wir sind alle eins?“ So weit sind wir noch nicht.

Trotzdem sollten wir bedenken: Eigentlich sollte aus dem Leib Christi, so wie Paulus ihn damals vor Augen hatte, keine neue Religionsgemeinschaft werden. Er wollte nicht das Christentum gründen und das Judentum abschaffen. Im Leib Christi sollten Juden und Nichtjuden eine Gemeinschaft bilden: als Kinder Abrahams, dem Gott die Verheißung gab, nicht nur der Stammvater Israels, sondern ein „Vater vieler Völker“ zu werden (Genesis 17, 4). Also: Indem Jesus uns Nichtjuden mit hineinnimmt in die Verheißungen Gottes an Abraham, sind auch wir Kinder Abrahams und Kinder des einen Gottes Israels und der ganzen Welt. Allerdings haben nicht alle Juden auf Paulus gehört. Es entstand dann doch die christliche Kirche im Unterschied zum Judentum, das Jesus als Messias bis heute nicht anerkennt. Später ist durch den Propheten Mohammed eine weitere Religion entstanden, die sich ebenfalls auf den Stammvater Abraham zurückführt.

Wir sehen uns also als Christen im Blick auf die Verschiedenheiten von Kultur und Religion vor größere Probleme gestellt als im Blick auf die Verschiedenheit der Geschlechter und der sozialen Schichten. Das Wort : „Lasst euch nicht vom Bösen überwinden, sondern überwindet das Böse mit Gutem“ kann uns aber auch hier leiten, wo wir nicht von Einheit und Übereinstimmung reden können. Denn auch den anders Glaubenden, selbst wenn er uns gegenüber als Feind auftreten sollte, haben wir zu lieben; wir sollen ihm Böses mit Gutem vergelten. Wenn aber der anders Glaubende uns sogar mit Respekt entgegentritt, dann ist es um so wichtiger, diesen Respekt zu erwidern. Jetzt an Weihnachten haben wir freundliche Weihnachtsgrüße vom Vorsitzenden der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen bekommen, über die wir uns sehr gefreut haben und die wir erwidert haben.

Den Dialog und Verständnis zu suchen ist wichtig, gerade wenn Menschen Feindschaft säen, statt dass man versucht, Probleme im Zusammenleben zu lösen. Brücken zu bauen zwischen Kulturen und Religionen ist wichtig, gerade wenn wir aus Angst vor Fremdheit oder Überfremdung in Versuchung geraten, nur die Unterschiede zu sehen und unsere Schotten dichtzumachen. In der Paulusgemeinde sind wir schon lange auf einem Weg des Dialogs und der Integration über Grenzen hinweg. Schon lange gibt es in unserer Gemeinde Menschen, die zum Beispiel Kindern anderer Muttersprache bei den Hausaufgaben helfen. Schon lange gehören zu unserer Kindertagesstätte Kinder verschiedener Herkunft und Religion. Unser Familienzentrum soll im Neuen Jahr ein Ort werden, wo auch die Erwachsenen im Umfeld der Kita-Kinder stärker miteinander ins Gespräch kommen können.

Ich selber werde im Herbst ein ganzes Vierteljahr eine Auszeit aus der Gemeindearbeit nehmen dürfen, um mich besonders mit diesem Thema zu beschäftigen: Wie kann ich im Kindergarten dazu beitragen, dass Kinder verschiedener Religionen, Christen, Muslime, neuerdings sogar auch Buddhisten gemeinsam von Gott erfahren und ein Stück Glauben einüben? Besonders geht es mir dabei um die Frage: Wie können wir Christen uns als Kinder Abrahams auch mit denen verständigen, die die Kindschaft von Abraham anders begreifen als Paulus und wir?

Ich hoffe, dass wir mit all unseren Bemühungen im Blick auf Dialog, Integration und Brückenbau etwas von dem in die Tat umsetzen, wozu Paulus uns ermahnt:

„Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“

Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 268:

Strahlen brechen viele aus einem Licht
Fürbitten und Stille und Vater unser

Aus dem Lied 58 singen wir die Strophen 11 bis 15:

11. Sprich deinen milden Segen zu allen unsern Wegen, lass Großen und auch Kleinen die Gnadensonne scheinen.

12. Sei der Verlassnen Vater, der Irrenden Berater, der Unversorgten Gabe, der Armen Gut und Habe.

13. Hilf gnädig allen Kranken, gib fröhliche Gedanken den hochbetrübten Seelen, die sich mit Schwermut quälen.

14. Und endlich, was das meiste, füll uns mit deinem Geiste, der uns hier herrlich ziere und dort zum Himmel führe.

15. Das alles wollst du geben, o meines Lebens Leben, mir und der Christen Schare zum sel’gen neuen Jahre.

Abkündigungen

Empfangt Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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