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Mitten durchs Leiden hindurch geführt

Trauerfeier für eine alte Frau, die sich ihr Leben lang im Gottvertrauen geführt wusste – häufig mitten durchs Leiden hindurch.

Mitten durchs Leiden hindurch geführt: Eine Hand führt einen Pinsel, die Blumen auf Seide ausmalt
Durch eine Reha kam Frau O. zur Seidenmalerei (Bild: Isabel FLPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Ein Wort des Apostels Paulus lautet (Römer 12, 15):

Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden.

Liebe Trauergemeinde, wir sind hier versammelt, um Abschied zu nehmen von Frau O., die im Alter von [über 80] Jahren gestorben ist. Ihr reich erfülltes Leben ist zu Ende gegangen, das Schmerz und Trauer ebenso umfasste wie Freude und Glück und das in letzter Hinsicht unter dem Zeichen eindeutiger Lebensbejahung stand.

Traurig sind wir, doch nicht allein, und wir lassen zu, dass Gott uns Trost schenkt.

Wir hören Worte aus einem alten Lied der Bibel, dem Psalm 68 (Vers 11 nach der Einheitsübersetzung):

4 Die Gerechten … freuen sich und sind fröhlich vor Gott und freuen sich von Herzen.

6 Ein Vater der Waisen und ein Helfer der Witwen ist Gott in seiner heiligen Wohnung,

7 ein Gott, der die Einsamen nach Hause bringt, der die Gefangenen herausführt, dass es ihnen wohlgehe.

11 Gott, in deiner Güte versorgst du den Armen.

20 Gelobt sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.

21 Wir haben einen Gott, der da hilft, und den Herrn, der vom Tode errettet.

Wir singen aus dem Lied 361 die Strophen 1 und 12:

1. Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

12. Mach End, o Herr, mach Ende mit aller unsrer Not; stärk unsre Füß und Hände und lass bis in den Tod uns allzeit deiner Pflege und Treu empfohlen sein, so gehen unsre Wege gewiss zum Himmel ein.

Liebe Gemeinde!

Wir singen von dem Herrn, der den Himmel lenkt, und beten damit den Gott an, von dem unser Leben herkommt und zu dem es wieder zurückkehrt.

Auch Frau O. kam von IHM her und ist zu IHM zurückgekehrt.

Darum singen wir auch vom Himmel, in den unsere Wege am Ende einmünden, und zeichnen mit diesen Worten ein Bild von dem, was uns bestimmt ist als letzte Erfüllung und Vollendung unseres von Gott gewollten und geliebten menschlichen Lebens.

Doch auch vom ganz irdischen Himmel singen wir, an dem Wolken, Wetter und Winde über uns hinwegziehen, für uns Menschen unverfügbar, und wir preisen damit Gott, der uns schon hier auf Erden durch alle Wetterlagen des Lebens hindurch treu begleitet.

Aus dieser Perspektive werfen wir heute einen Blick auf das Leben der Verstorbenen, das auf eine für uns unbegreifliche und dennoch wunderbare Weise von Gott umfangen war.

Ein bewegtes Leben lag vor dem kleinen Mädchen, das als Tochter eines aus dem Weltkrieg heimgekehrten Soldaten geboren wurde. Da sie gern für Kinder da war, erlernte sie den Beruf der Kindergärtnerin, war allerdings nicht im Kindergarten tätig, sondern als Fürsorgerin. Oft waren Freude und Leid in ihrer Familie eng miteinander verwoben. Jung verwitwet bewies Frau O. außerordentliche Stärke, als sie mitten in ihrer großen eigenen Trauer dennoch bemüht war, Licht in das Leben ihrer Kinder zu bringen. Sie erzog ihre Kinder, sah sie sie ihre eigenen Wege gehen, Berufe ergreifen, Familien gründen. Bis in ihr hohes Alter hatte sie umgekehrt genug familiäre Unterstützung, um selbständig in ihrer Wohnung leben zu können.

Wovon war ihr Leben in all diesen Jahren geprägt? Sicher nicht von Rückzug oder gar Resignation. Sie interessierte sich für Kunst und Literatur, insbesondere für künstlerische Darstellungen von Kindern, sie besuchte entsprechende Volkshochschulkurse und hielt selber Vorträge. Sie reiste gern dorthin, wo es große Kunst zu bewundern gab. Auch sportlich tat sie etwas für sich und wanderte zum Beispiel gern.

Ich selber war erstaunt über ihre geistige Beweglichkeit, als ich sie zu einer ihrer hohen Geburtstage inmitten ihrer Bildergalerie besuchte und sie mir verriet, dass sie kürzlich noch einmal die Bibel ganz durchgelesen habe. Und sie war offenbar eine wache und kritische Leserin. Im Alten Testament gefielen ihr die Kriegsberichte nicht so sehr. Dem Apostel Paulus hielt sie vor, dass er die Frauen nicht so ganz ernst nahm. Ihre besondere Vorliebe galt dem Johannesevangelium.

Indem sie in all den Jahren auch von Krankheit und Unfall nicht verschont blieb, musste sie erleben, dass wir von Gott nicht immer am Leiden vorbeigeführt werden, sondern oft mitten hindurch. So zum Beispiel bei ihrem schweren Autounfall oder bei ihrem Herzinfarkt. Ohne die Reha damals hätte sie allerdings wohl nicht die Seidenmalerei kennen gelernt und nun auch selber aktiv zu malen begonnen.

Alles in allem blieb Frau O. ihr Leben lang ein warmherziger, lebensbejahender Mensch. Salopp gesagt, war sie ein Stehaufmännchen. Noch vor ihrer letzten Operation meinte sie – ich glaube – zu einem Enkelkind, das eine Prüfung vor sich hatte: „Wir beide schaffen das schon!“ Und sie war überzeugt: „Ach, mein Lachen kommt schnell wieder.“ Ihr Humor war eine Gottesgabe; sie wusste, dass sie mit Gottes Hilfe alles schaffen konnte.

Nicht geschafft hat sie es, wieder gesund und noch älter zu werden; ihr angegriffenes Herz wurde mit der Situation nach der Operation nicht fertig.

Aber es war ihr vergönnt, dass ihre Kinder da sein konnten, als sie starb und damit ihren letzten Umzug vollzog – an den Ort des ewigen Lichtes im Himmel, von dem Jesus in den Abschiedsreden des Evangeliums nach Johannes 14, 2 sagt:

In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.

Was ist der Grund eines solchen Gottvertrauens, in dem sich Frau O. getragen wusste, ihr Leben lang? Der Apostel Paulus legt dar, dass wir im Frieden leben, wenn wir uns nicht auf uns, sondern auf Gott verlassen (Römer 5 – GNB):

1 Gott hat uns … angenommen, weil wir uns ganz auf ihn verlassen. Jetzt ist Frieden zwischen ihm und uns.

Gottvertrauen wurzelt in Gott selber, im Grund des Lebens selbst, der allem, was ist, gegenübersteht und alles in unendlicher Liebe trägt. Denn nach Paulus gelingt es dem unbegreiflich großen und fernen Gott trotzdem, für uns real erfahrbar zu sein. Er schreibt:

Das verdanken wir Jesus Christus, unserem Herrn;

2 denn er öffnete uns den Zugang zu der Gnade Gottes, die wir im Vertrauen angenommen haben und die jetzt unser Leben bestimmt.

Der große Gott spricht ein Wort zu uns, und dieses Wort ist Liebe. Es besteht darin, dass er uns unvollkommene Menschen vollkommen annimmt. Dieses Wort verkörpert sich in einer Person mit Namen Jesus, der uns ein für allemal den Zugang zu Gott möglich gemacht hat. Ich lese bei Paulus noch weiter:

Nun sind wir voll Freude und Zuversicht, weil wir fest damit rechnen, dass Gott uns an seiner Herrlichkeit teilnehmen lässt.

Paulus redet von dieser Herrlichkeit trotz der Gebrochenheit unserer Existenz, in der unser Leben hier auf Erden gefangen bleibt.

3 Sogar dass wir jetzt noch leiden müssen, ist uns ein Grund zur Freude. Denn wir wissen, dass Leiden zur Standhaftigkeit führt;

4 Standhaftigkeit aber führt zur Bewährung, und in der Bewährung festigt sich unsere Hoffnung.

5 Diese Hoffnung aber gibt uns die Gewissheit, dass Gott uns nicht fallen lässt. Er hat ja unsere Herzen mit seiner Liebe erfüllt, als er uns den heiligen Geist geschenkt hat.

Gott nimmt uns an und lässt uns nicht fallen. Seine Liebe ist um uns, so lange wir leben, und auch dann, wenn wir sterben. Niemals fallen wir aus ihr heraus, auch im Tode nicht.

In dieser Gewissheit dürfen wir heute Frau O. traurig, aber getröstet, loslassen und der ewigen Liebe Gottes anvertrauen. Amen.

Wir singen das Lied 376:

1. So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.

2. In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz. Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind: es will die Augen schließen und glauben blind.

3. Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht: so nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!

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