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Mariä Lichtmess

Bei einer evangelischen Pfarrkonferenz am 2. Februar denke ich über den biblischen Text zum Fest „Mariä Lichtmess“ nach, der auch mit dem Schicksal des Volkes Israel und mit der christlichen Sühnopfertheologie zu tun hat.

Mariä Lichtmess: ein Kirchenfenster stellt dar, wie Maria und Josef im Tempel in Gegenwart der Propheten Simeon und Hanna das Fest der Darbringung Jesu feiern
Das Fest der Darbringung Jesu im Tempel von Jerusalem (Bild: falcoPixabay)

Andacht auf der Dekanatskonferenz Gießen in der Paulusgemeinde am 2. Februar 2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist ein Feiertag im Kirchenjahr, den ich noch nie besonders begangen ha­be: „Lichtmess“ oder „Darstellung des Herrn“. Er spielt in der katholischen Kirche und auch in volkstümlichen Bräuchen und Redensarten eine viel größere Rolle als in der evangelischen Kirche.

Mit Lichtmess hört traditionell in der katholischen Kirche die Weihnachtszeit auf, früher endete an diesem Tag auch das Gesindejahr, danach konnten sich Knechte und Mägde einen neuen Dienstherren suchen. Auch das Bauernjahr begann an Lichtmess, jetzt nahmen die Landwirte ihre Arbeit wieder auf, und ab diesem Tag war es auch wieder möglich, bei Tageslicht zu Abend zu essen. Eine Bauernregel zu diesem Tag macht uns, da das Wetter heute noch einmal winterlich geworden ist, Hoffnung für die mittelfristig zu erwartende Wetterlage: „Ist’s an Lichtmess hell und rein, wird ein langer Winter sein. Wenn es aber stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit.“

Was feiern wir nun aber kirchlich am 2. Februar? Der Evangeliumstext für heute steht in Lukas 2, 22-24:

22 Und als die Tage ihrer Reinigung [„ihrer“ bezieht sich hier in der Mehrzahl auf die Eltern Jesu mit ihrem Kind] nach dem Gesetz des Mose um waren, brachten sie ihn [Jesus] nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen,

23 wie geschrieben steht im Gesetz des Herrn: »Alles Männliche, das zuerst den Mutterschoß durchbricht, soll dem Herrn geheiligt heißen«,

24 und um das Opfer darzubringen, wie es gesagt ist im Gesetz des Herrn: »ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben«.

Dieser Text zeigt klassisch, wie stark unser christliches Evangelium in der jüdischen Tora verwurzelt ist. Die Gebote der Tora für Mütter und erstgeborene Söhne werden von Jesu Eltern genau befolgt.

Interessant finde ich, dass sich die Tage „ihrer“ Reinigung nicht auf Maria, sondern im Plural auf die ganze Familie beziehen. Ich mag das so deuten: die Zeit der Unreinheit der Mutter beschert ihr eine bis zwei Wochen lang eine Auszeit von ihren Pflichten im Haushalt, insbesondere des Kochens; dadurch war dem Mann eine stärkere Beteiligung an den häuslichen Verrichtungen zugemutet. Weitere 33 bis 66 Tage, die Zeit der Reinigung, verbrachte die Mutter in einer teilweisen Isolation von größeren Menschenmengen; Verrichtungen wie Wasserholen und Einkaufen musste also wohl auch mehr als sonst der Mann übernehmen: Reinigung als Gemeinschaftsaufgabe eines Elternpaares.

Da Jesus ein Junge war, war diese Auszeit für die Mutter nur halb so lang wie bei einem Mädchen; eine wohlwollende Auslegung dieses Unterschiedes geht davon aus, dass einem Baby-Mädchen eine schwächere Konstitution zugeschrieben wurde als dem männlichen Neugeborenen, und durch diese Regelung konnte es zum eigenen Schutz sozusagen länger unter Quarantäne bleiben. Das war eine festgefügte Struktur, in der Mütter in ihrer Familie offenbar genug Unterstützung finden konnten, um die Zeit des Kindbetts zu überstehen und für ihr Kind zu sorgen.

Heute gibt es diese festgefügten Regeln nicht mehr so; trotzdem ist die Geburt eines Kindes nach wie vor mit besonderen Herausforderungen und Gefahren verbunden; wir erleben mit Sohn und Schwiegertochter gerade die letzten Wochen ihrer Schwangerschaft mit und freuen uns, dass sie sich gemeinsam gut vorbereitet haben und alle Hilfe in Anspruch nehmen, die notwendig ist. Leider gibt es heute unter den materiell viel besseren Bedingungen der modernen Welt viel mehr Mütter, die allein oder ohne familiäre Hilfe ein Kind bekommen und aufziehen müssen; einer von vielen Gründen, weshalb Familienzentren wie Pilze aus dem Boden schießen, um neue Unterstützungsstrukturen für Familien zu schaffen.

Zurück zum Fest des 2. Februar. Das Fest hieß früher früher „Mariä Lichtmess“, wohl auch weil man Dankbarkeit ausdrücken wollte, dass die Mutter Jesu alle mit dem Kindbett verbundenen Gefahren heil überstanden hatte. Die Reise nach Jerusalem zum Tempel bedeutete ja für die Mutter den er­sten Kontakt mit der Öffentlichkeit; ich erinnere mich, dass es in meiner Kindheit noch Frauen gab, die beim Kirchgang zur Taufe ihres Kindes zum ersten Mal wieder aus dem Haus gingen und dabei auch einen besonderen Segen bekamen.

Aber wie im Mittelpunkt dieses Kirchgangs doch die Taufe des Kindes stand, so richtet sich nun die Aufmerksamkeit auch im Evangelium nach Lukas auf das Kind, das im Tempel zu Jerusalem dem Herrn „dargestellt“ oder „geweiht“ wird, wie Luther bzw. die Einheitsübersetzung formulieren. Alle männliche Erstgeburt in Israel gehört Gott, seit der Pharao Gottes erstgeborenen Sohn Israel mit dem Tod bedrohte und der Engel Gottes daraufhin die Erstgeburt Ägyptens erschlug.

Das heißt erstens: Jesus wird in eine Menschheit hineingeboren, in der Töten und Getötetwerden an der Tagesordnung ist. Und zweitens: Wenn wir als Christen Jesus den eingeborenen oder einzigen Sohn des Vaters nennen, dann soll uns dieses Wort wohl auch daran erinnern, dass nicht nur Jesus getötet wurde, sondern auch Gottes erstgeborener Sohn Israel seit dem Exodus immer wieder zur Schlachtbank geführt wurde, von den Assyrern, Babyloniern, Römern, der mittelalterlichen Kirche bis hin zu Hitlerdeutschland und dem fanatischen Islamismus der heutigen Welt.

Wir können auch sagen: Lukas zeichnet hier den Weg vor, den Jesus später nach Jerusalem gehen wird, wo der neue Pharao, der Statthalter des Römischen Reiches, den neuen Isaak, Gottes eingeborenen Sohn als Repräsentanten Israels auf dem Altar eines Gottes zum Opfer darbringen wird, der den Gott Israels damit endgültig der Lächerlichkeit und Vernichtung preisgeben will.

Hier als Baby wird Jesus noch wie jeder jüdische Junge durch ein Tier­opfer ausgelöst, zwei Tauben statt eines Lammes und einer Taube wie bei reicheren Leuten. Aber seine eigene Opferung wird letzten Endes nur aufgeschoben wie bei Isaak. Der Gott Abrahams hatte dieses Menschenopfer am Ende doch nicht gewollt und Isaaks Opferung gestoppt – aber Isaak-Israel als Volk fiel immer wieder, mit oder ohne eigene Schuld, fremden Mächten zum Opfer und fühlte sich durch diese Mächte, sei es gerecht wie im Babylonischen Exil, sei es ungerecht, wie im Buch Hiob in der Zeit der hellenistischen Herrschaft dargestellt, vom eigenen Gott gestraft.

Ein Denkanstoß zur Diskussion um die Sühnopfertheologie: Vielleicht ist Jesus als zweiter Isaak zu denken, als Repräsentant des Volkes Israel, der einem zweiten Pharao zum Opfer fällt, als dem Repräsentanten dessen, was biblisch Sünde heißt, nämlich all der Mächte, die auf unserer Welt dem Leben, der Gerechtigkeit und dem Frieden der Menschen entgegenstehen.

Den Exodus aus dieser Absonderung von Gott, diese doppelte Verneinung, bewerkstelligt Gott in Jesus nicht durch seinen Engel, der die Erstborenen der Römer schlägt, sondern indem der Erstgeborene Gottes sich selber stellvertretend erschlagen lässt und im Namen des Vaters am Kreuz den Sündern vergibt. Aus der doppelten Verneinung, dem Exodus aus der Sünde wird dadurch ein einfaches „Ja“: der Sünder bekommt neues Leben geschenkt, als Chance zur Bewährung in einer Welt, die durch die Tötung des Gottessohnes am Kreuz eigentlich alle Chancen verspielt hat.

Die Kirche Jesu Christi hätte daraus lernen sollen, dass der Engel des Herrn in Zukunft an den Erstgeborenen Israels und der Völker der Welt vorübergehen wollte, ohne neue Blutbäder anzurichten. Leider hat die Kirche, als sie stark wurde, gegenüber Juden, Ketzern, Muslimen immer wieder gemeint, „Engel des Herrn“ in der blutigen Form spielen zu müssen. Heute sind wir Christen gefordert, als Nachfolger des stellvertretend auf dem Altar Pharaos geopferten neuen Isaaks, der seinen Mördern vergibt, dem Clash der Kulturen entgegenzuwirken und, so weit es an uns liegt, den Dialog und den Frieden zwischen den Kulturen und Religionen zu fördern.

Singen wir abschließend nach dieser Andacht und hinführend zu unserer Konferenz aus dem Lied 166 die Strophen 1, 4 und 5:

1. Tut mir auf die schöne Pforte, führt in Gottes Haus mich ein; ach wie wird an diesem Orte meine Seele fröhlich sein! Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht.

4. Mache mich zum guten Lande, wenn dein Samkorn auf mich fällt. Gib mir Licht in dem Verstande und was mir wird vorgestellt, präge du im Herzen ein, lass es mir zur Frucht gedeihn.

5. Stärk in mir den schwachen Glauben, lass dein teures Kleinod mir nimmer aus dem Herzen rauben, halte mir dein Wort stets für, dass es mir zum Leitstern dient und zum Trost im Herzen grünt.

Mein Blitzlicht enthält drei Stichpunkte: Familienzentrum – Konzeptionsentwicklung zur Interreligiösen Kompetenz – Studienurlaub.

Familienzentrum

Im Blitzlicht vor fast genau zwei Jahren am 4. Februar 2009 an dieser Stelle dachte ich, unser Familienzentrum würde spätestens vor einem Jahr eröffnet werden. Ein Architektenwechsel für unsere Baumaßnahme sowie bürokratische Hindernisläufe zwischen der Carl-Franz-Straße und dem Berliner Platz in Gießen sowie dem Paulusplatz in Darmstadt führten zur Verzögerung von über einem Jahr. Anfang Juni 2010 kam dann endlich die Betriebsgenehmigung vom Magistrat der Stadt Gießen, und Frau Linke ließ den Architekten Engelhardt sofort den Startschuss für den Beginn der Bauarbeiten geben, obwohl die Betriebsgenehmigung aus Darmstadt offiziell erst im August bei uns eintraf. Diese zwei Monate zusätzlicher Verzögerung hat uns Frau Linke immerhin erspart.

Nach fünf Monaten Bauzeit konnten Anfang November die neuen Räume eröffnet werden, und mittlerweile sind schon sehr viele der neuen Kinder eingewöhnt und die Räume auch fast alle mit allen neuen Möbeln ausgestattet. Ein paar kleinere Arbeiten sind immer noch fertigzustellen, die Jugendwerkstatt wird auch noch Schränke bauen, damit das, was in den der Kirchengemeinde verbliebenen Räumen immer noch herumsteht, endlich seinen Platz findet. Am 1. März wollen wir jedenfalls mit einem kleinen Empfang offiziell das Familienzentrum und die neuen Räume eröffnen. Am 19. Juni folgt dann die große Einweihung beim gemeinsamen Gemeindefest der Paulus- und Thomasgemeinde und der Paulus-Kita.

Interreligiöse Kompetenz

Inhaltlich will sich das Kita-Team und die Kirchengemeinde in diesem Jahr schwerpunktmäßig mit dem Thema „Interreligiöse Kompetenz“ beschäftigen. Es soll Konzeptions-Tage für den Kirchenvorstand und das pädagogische Team in Kita und Gemeinde geben, Gelegenheit der Kontaktaufnahme zu Vertretern anderer religiöser Gemeinschaften in der Nordstadt und eine Zukunftswerkstatt mit Gemeindemitgliedern und Kita-Eltern. Dieses Gemeindeprojekt möchten wir vom Dekanat fördern lassen und haben den entsprechenden Antrag abgegeben.

Studienurlaub

Ich selber bereite meinen Studienurlaub im Herbst dieses Jahres zum gleichen Themenfeld vor. Da das Thema der interreligiösen Bildung im Kindergarten und Familienzentrum leicht ausufern kann, möchte ich den Fokus auf die Beschäftigung mit den ähnlichen und doch unterschiedlichen Erzähltraditionen in der Bibel und im Koran legen. Schon seit Jahren erzähle ich den Kindern unserer bisher vier, jetzt sechs Gruppen jede Woche im Stuhlkreis biblische Geschichten, und dabei hören immer auch muslimische Kinder zu, in deren Tradition die Erzählungen von Adam, Noah, Abraham, Josef, Mose, David, Salomo, Zacharias, Johannes, Maria und Jesus auch vorkommen. Es reizt mich, die Unterschiede und Zusammenhänge dieser Traditionen anzuschauen und Möglichkeiten des Erzählens biblischer Geschichten in einem interreligiösen Horizont auszuloten.

Damit ist mein Blitzlicht beendet. Vervollständigen möchte ich es dadurch, dass ich euch und Ihnen nachher die Gelegenheit biete, unsere neuen Räume unten einmal kurz zu durchstreifen und zu besichtigen. Vielleicht fangen wir mit der Pause etwas eher an, so dass wir zwischen 16.15 und 16.30 Uhr, wenn die Kinder draußen sind, runtergehen können.

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