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Anbetung der Macht: Bär-Löwen-Panther und Drachenlamm

Ein Mensch macht eine Psychotherapie. Ungeweinte Tränen spürt er wie ein Meer der Verzweiflung. Aus ihm ist, wie ein furchtbares Tier, seine seelische Krankheit aufgestiegen. Ein zweites Tier will ihn hindern, sich vom ersten zu lösen: Du darfst nicht vertrauen, keine Schwäche zulassen. Schreckliche Ängste werden wach. Schließlich war die seelische Krankheit ein Weg gewesen, um bis heute zu überleben.

Löwe und Bär auf einem Relief als Wappentiere und Symbole politischer Macht
Löwe und Bär dienen bis heute als Symbole politischer Macht (Bild: Siggy NowakPixabay)

#predigtGottesdienst zur Bibelwoche am 3. Sonntag der Passionszeit, Okuli, den 19. März 1995, um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey

Herzlich willkommen im Gottesdienst in unserer Klinik-Kapelle! In der vergangenen Woche hat im Dekanat Alzey eine Bibelwoche stattgefunden; sie stand unter dem Thema: „Unfassbares entdecken in der Offenbarung des Johannes“. Auch ich habe in einigen Gemeinden des Dekanates ein Kapitel der Offenbarung ausgelegt, und heute möchte ich darüber hier im Gottesdienst die Predigt halten.

Loblied 331, 1+6+7:

1) Großer Gott, wir loben dich; Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.

6) Du, des Vaters ewger Sohn, hast die Menschen angenommen, bist vom hohen Himmelsthron zu uns auf die Welt gekommen, hast uns Gottes Gnad gebracht, von der Sünd uns frei gemacht.

7) Durch dich steht das Himmelstor allen, welche glauben, offen; du stellst uns dem Vater vor, wenn wir kindlich auf dich hoffen; du wirst kommen zum Gericht, wenn der letzte Tag anbricht.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir hören, wie der Seher Johannes am Anfang seiner Offenbarung eine Begegnung mit dem in den Himmel erhöhten Jesus Christus erlebt (Offenbarung 1):

17 Und als ich ihn sah, fiel ich zu seinen Füßen wie tot; und er legte seine rechte Hand auf mich und sprach zu mir: Fürchte dich nicht! Ich bin der Erste und der Letzte

18 und der Lebendige. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit und habe die Schlüssel des Todes und der Hölle.

Kommt, lasst uns anbeten. „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott im Himmel, deine geheime Offenbarung macht vielen Menschen Angst. Sie spricht so viel in schrecklichen Bildern, so viel von Weltuntergang und Verdammnis. Hilf uns, genau hinzuhören, richtig zu verstehen. Wenn wir menschliche Macht vergöttern, leben wir sozusagen schon hier auf Erden ohne dich, den wahren Gott, in einer Hölle. Hilf uns heraus aus falschem Glauben und aus abgrundtiefer Verzweiflung, hilf uns zum kindlichen Vertrauen auf dich, o Herr! Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Schriften wie die Offenbarung gab es immer wieder, wenn religiöse Gruppen in großer Bedrängnis und Verfolgung lebten, z. B. das Buch Daniel im Alten Testament. Solche apokalyptischen Bücher, wie sie auch genannt wurden, trösteten ihre Leser, indem sie ihnen das wahre Geheimnis der Welt aufdeckten: Die Welt ist dem Untergang geweiht; so wie sie ist, ist sie nicht mehr zu retten; aber Gott wird alles Böse vernichten und eine bessere Welt schaffen. Aus dem Buch Daniel 7 hören wir nun die Schriftlesung. Der Prophet träumt dort in Bildern von vier ungeheuer mächtigen Weltreichen, die jedoch durch Gott ihre Macht verlieren werden – in ähnlichen Bildern wird später auch Johannes in seiner Offenbarung das römische Weltreich seiner eigenen Zeit beschreiben:

1 Im ersten Jahr Belsazars, des Königs von Babel, hatte Daniel einen Traum und Gesichte auf seinem Bett; und er schrieb den Traum auf, und dies ist sein Inhalt:

2 Ich, Daniel, sah ein Gesicht in der Nacht, und siehe, die vier Winde unter dem Himmel wühlten das große Meer auf.

3 Und vier große Tiere stiegen herauf aus dem Meer, ein jedes anders als das andere.

4 Das erste war wie ein Löwe und hatte Flügel wie ein Adler. Ich sah, wie ihm die Flügel genommen wurden. Und es wurde von der Erde aufgehoben und auf zwei Füße gestellt wie ein Mensch, und es wurde ihm ein menschliches Herz gegeben.

5 Und siehe, ein anderes Tier, das zweite, war gleich einem Bären und war auf der einen Seite aufgerichtet und hatte in seinem Maul zwischen den Zähnen drei Rippen. Und man sprach zu ihm: Steh auf und friss viel Fleisch!

6 Danach sah ich, und siehe, ein anderes Tier, gleich einem Panther, das hatte vier Flügel wie ein Vogel auf seinem Rücken, und das Tier hatte vier Köpfe, und ihm wurde große Macht gegeben.

7 Danach sah ich in diesem Gesicht in der Nacht, und siehe, ein viertes Tier war furchtbar und schrecklich und sehr stark und hatte große eiserne Zähne, fraß um sich und zermalmte, und was übrigblieb, zertrat es mit seinen Füßen. Es war auch ganz anders als die vorigen Tiere und hatte zehn Hörner.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja,Halleluja,Halleluja.“

Lied 171: Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott
Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Liebe Gemeinde, die Offenbarung des Johannes ist ein Buch voll von schwierig zu verstehenden Bildern. Manche haben daraus einen Fahrplan des Weltuntergangs herauslesen wollen. Aber das ist sie nicht. Wir können nicht berechnen, wann was in der Welt kommen wird. Es geht vielmehr darum, dass wir die bedrängenden Bilder, die sich uns in einer manchmal furchtbaren Welt aufdrängen, im Vertrauen auf Gott gerade verarbeiten und überwinden können.

In welcher Situation lebten denn die Christen Ende des ersten Jahrhunderts? Was erschien ihnen so furchtbar und ausweglos, dass sie nur in apokalyptischen Bildern noch Trost und Halt finden konnten? Damals herrschte der grausame römische Kaiser Domitian über die ganze damals bekannte Welt. Das war der erste Kaiser, der sich als Gott verehren ließ. Kein Wunder, wenn das Kapitel 13 der Offenbarung uns den römischen Staat in Gestalt eines furchterregenden Tieres vor Augen führt:

1 Und ich sah ein Tier aus dem  Meer steigen, das hatte zehn Hörner und sieben Häupter und auf seinen Hörnern zehn Kronen und auf seinen Häuptern lästerliche Namen.

Für den Seher Johannes, der irgendwo in Kleinasien, der heutigen Türkei lebte, kam die römische Weltmacht in Gestalt von Statthaltern und Steuereintreibern oder der römischen Kriegsflotte „aus dem Meer“, das heißt auf Schiffen über das Mittelmeer gefahren. Die sieben Köpfe dieses Tieres erinnern an die sieben Hügel, auf denen die Welthauptstadt Rom erbaut war. Die sieben Köpfe und die zehn gekrönten Hörner sollen außerdem wie im alten Buch Daniel die Herrscher des römischen Weltreiches versinnbildlichen. Mit den lästerlichen Namen auf den Häuptern sind dann die Ehrennamen gemeint, mit denen sich die römischen Kaiser selbst anreden ließen: „Göttlicher“ oder „Erhabener“ oder „Herr und Gott“.

Die Macht von menschlichen Staaten und Weltreichen verführt immer wieder Machthaber dazu, sich selber an die Stelle Gottes setzen zu wollen. In neuerer Zeit könnte man dabei an Adolf Hitler denken, der als Führer Deutschlands eine Herrenrasse schaffen wollte. Und auch heute gibt es die Macht der Mafia, die Macht des großen Geldes, die Macht einzelner Diktatoren, die viel Krieg und Leid über die Völker der Welt bringen. Überall, wo Staaten ihre Macht missbrauchen, ist offenbar dieses Bild des Johannes angebracht: menschliche Macht wird zu einem unheimlichen Tier mit vielen Köpfen, die gotteslästerliche Namen tragen.

2 Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther und seine Füße wie Bärenfüße und sein Rachen wie ein Löwenrachen. Und der Drache gab ihm seine Kraft und seinen Thron und große Macht.

Das Tier, das Johannes schaut, vergleicht er mit drei Raubtieren auf einmal: Panther, Bär und Löwe. Der Prophet Daniel hatte mehrere Weltreiche hintereinander in Gestalt je eines dieser Tiere gesehen. Der Prophet Johannes verbindet die Eigenschaften von allen dreien mit dem römischen Reich. Mächtig ist dieses Reich. Allmächtig möchte es gerne sein. Aber Johannes betont: so mächtig es sein mag, dieses Tier aus dem Meer kann den einen allmächtigen Gott nicht von seinem Thron stoßen.

Und es ist auch nicht Gott, der ihm seine Macht gegeben hat, sondern der Drache. Dieser Drache, auch Satan genannt, war im vorigen Kapitel der Offenbarung als die Verkörperung des Bösen aus dem Himmel verbannt worden. Nun versucht er auf der Erde Unheil anzurichten. Wohlgemerkt: der Drache ist kein böser Gott, der dem lieben Gott gegenübersteht, es gibt wirklich keinen allmächtigen oder fast allmächtigen Teufel, der vielleicht sogar noch den Kampf gegen Gott gewinnen könnte. Mit anderen Worten: Wenn Menschen an Gott verzweifeln, weil sie so viel Böses sehen, dann dürfen sie wissen: das Böse hat auf der Erde zwar noch die Möglichkeit, sich auszutoben, aber nur für begrenzte Zeit.

Der Drache war übrigens auch selbst als ein Wesen mit sieben Köpfen und zehn Hörnern beschrieben worden; so gesehen ist das römische Weltreich einfach ein Spiegelbild der Gottlosigkeit und sonst nichts. Die Macht Roms besteht also darin, sich verzweifelt etwas erobern und gewaltsam an sich reißen zu wollen, was Reichtum und Ruhm und Größe verschafft. Aber wahrhaft sinnvolles Leben kann damit niemand erringen, weil man es nicht vom wahren Gott erbittet und geschenkt bekommt.

In der Sicht Johannes des Sehers tut das Tier aus dem Meer jedoch trotzdem so, als hätte es göttliche Macht, als hätte es Macht über den Tod:

3 Und ich sah eines seiner Häupter, als wäre es tödlich verwundet, und seine tödliche Wunde wurde heil. Und die ganze Erde wunderte sich über das Tier,

4 und sie beteten den Drachen an, weil er dem Tier die Macht gab, und beteten das Tier an und sprachen: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm kämpfen?

Bei der tödlichen Wunde, die geheilt wurde, könnte zum Beispiel an den Kaiser Nero gedacht sein, von dem man glaubte, er sei in der Gestalt des Kaisers Domitian auferstanden. Wir könnten heutzutage an all die Versuche von Wissenschaft und Medizin denken, den Tod hinauszuschieben und zu besiegen. Ja, es gibt sogar Leute, die sich einfrieren lassen wollen, bis die Wissenschaft eine Möglichkeit gefunden hat, ewig zu leben. Aber mit all dem will man nur nicht anerkennen, dass wir Menschen endliche, begrenzte Wesen sind.

Auch dem Tier aus dem Meer ist nur begrenzte Zeit gegeben. Aber diese Zeit nutzt es weidlich aus:

5 Und es wurde ihm ein Maul gegeben, zu reden große Dinge und Lästerungen, und ihm wurde Macht gegeben, es zu tun zweiundvierzig Monate lang.

6 Und es tat sein Maul auf zur Lästerung gegen Gott, zu lästern seinen Namen und sein Haus und die im Himmel wohnen.

7 Und ihm wurde Macht gegeben, zu kämpfen mit den Heiligen und sie zu überwinden; und ihm wurde Macht gegeben über alle Stämme und Völker und Sprachen und Nationen.

Maul und Macht ist dem Tier gegeben. Menschliche Macht kann sich gegen Gott zu richten versuchen. Menschen haben immer wieder ihr großes Maul aufgerissen und den wahren Gott geleugnet und sich selbst in den Himmel erhoben. Hatte Rom nicht Frieden geschaffen für die ganze Welt? Waren die römischen Götter nicht stärker als der Gott der Juden oder gar der gekreuzigte Gott der Christen? Das römische Reich konnte die Christen lange Zeit verfolgen und die ganze damals bekannte Welt beherrschen. Solche Macht hinterlässt bei den beherrschten Menschen natürlich nachhaltigen Eindruck. Deshalb finden Weltherrscher wie damals die Römer auch immer wieder begeisterte oder sogar fanatische Anhänger:

8 Und alle, die auf Erden wohnen, beten es an, deren Namen nicht geschrieben stehen in dem Lebensbuch des Lammes, das geschlachtet ist, vom Anfang der Welt an.

Johannes kennt in seiner Welt nur ein Entweder-Oder: Entweder man steht im Buch des Lebens, in das man von Jesus Christus selbst eingetragen wird. Oder man betet andere Mächte an als Gott, zum Beispiel den Kaiser, den Staat und seine Götter. Dann kann man auch nicht im Buch des Lebens stehen.

Aber was ist, wenn man die Anbetung der falschen Götter verweigert? Man brachte sich in Lebensgefahr. Was war in der Hitlerzeit, wenn man dem Führer nicht folgen wollte? Man konnte ins KZ kommen. Darum betont Johannes:

9 Hat jemand Ohren, der höre!

10 Wenn jemand ins Gefängnis soll, dann wird er ins Gefängnis kommen; wenn jemand mit dem Schwert getötet werden soll, dann wird er mit dem Schwert getötet werden. Hier ist Geduld und Glaube der Heiligen!

Johannes spricht sich hier für eine Gelassenheit aus, die nur aus einem tiefen Gottvertrauen heraus kommen kann. Was geschehen soll, wird geschehen; weil wir alle in Gottes Hand stehen, sind wir trotzdem nicht verloren.

Lied 374, 1+2+5:

1) Ich steh in meines Herren Hand und will drin stehen bleiben; nicht Erdennot, nicht Erdentand soll mich daraus vertreiben. Und wenn zerfällt die ganze Welt, wer sich an ihn und wen er hält, wird wohlbehalten bleiben.

2) Er ist ein Fels, ein sichrer Hort, und Wunder sollen schauen, die sich auf sein wahrhaftig Wort verlassen und ihm trauen. Er hat’s gesagt, und darauf wagt mein Herz es froh und unverzagt und lässt sich gar nicht grauen.

5) Und meines Glaubens Unterpfand ist, was er selbst verheißen, dass nichts mich seiner starken Hand soll je und je entreißen. Was er verspricht, das bricht er nicht; er bleibet meine Zuversicht, ich will ihn ewig preisen.

Liebe Gemeinde, Johannes sieht noch ein zweites Tier. Diesmal steigt es aus der Erde herauf:

11 Und ich sah ein zweites Tier aufsteigen aus der Erde; das hatte zwei Hörner wie ein Lamm und redete wie ein Drache.

12 Und es übt alle Macht des ersten Tieres aus vor seinen Augen, und es macht, dass die Erde und die darauf wohnen, das erste Tier anbeten, dessen tödliche Wunde heil geworden war.

Das zweite Tier ähnelt dem Lamm Gottes, aber es redet wie ein Drache. Johannes denkt hier an eine Staatsreligion, die nicht dazu da ist, den wahren, ewigen Gott zu verkünden, sondern die Macht des Staates noch zu festigen. Es hat damals in Kleinasien Priester gegeben, die auf drei verschiedene Arten dazu beitragen, dass alle Menschen an die römischen Götter glauben sollen. Und zwar erstens so:

13 Und es tut große Zeichen, so dass es auch Feuer vom Himmel auf die Erde fallen lässt vor den Augen der Menschen;

14 und es verführt, die auf Erden wohnen, durch die Zeichen, die zu tun vor den Augen des Tieres ihm Macht gegeben ist.

Das ist das erste: die Leute wollen Wunder und Beweise für göttliche Macht sehen – nun, es gibt Berichte aus der römischen Geschichte, dass es durchaus Tricks gab, um den Leuten weiszumachen, dass Feuer vom Himmel fiel. Ein mit Werg umwickelter Vogel wird heimlich angezündet und fliegt voller Panik brennend davon – Feuer fällt vom Himmel, die Leute glauben an ein göttliches Wunder. Natürlich gibt es auch in einem wahren Glauben an Gott Platz für Wunder – aber echte Wunder sind kein Betrug und sollen auch gar keine sensationellen Beweise für den Glauben sein. Nein, sie sind ganz einfach schlichte Zeichen dafür, dass sich in der Welt vieles ändert in Richtung auf Leben und Liebe und Frieden und Hoffnung, wenn Menschen anfangen, Vertrauen auf Gott zu haben.

Weiter mit dem falschen Lamm:

Und [es] sagt denen, die auf Erden wohnen, dass sie ein Bild machen sollen dem Tier, das die Wunde vom Schwert hatte und lebendig geworden war.

15 Und es wurde ihm Macht gegeben, Geist zu verleihen dem Bild des Tieres, damit das Bild des Tieres reden und machen könne, dass alle, die das Bild des Tieres nicht anbeteten, getötet würden.

Das ist das zweite: Als Kennzeichen einer missbrauchten Religion wird hier der Zwang erwähnt – die erzwungene Anbetung von Götzenbildern. Schon dieser Zwang als solcher zeigt: Diese Religion kann nicht echt sein, echte Religion kommt von innen, ist freiwillig, beruht auf einem gewachsenen Vertrauen, nicht auf einem bei Todesstrafe erzwungenem Gehorsam.

Und die dritte Methode des zweiten Tieres:

16 Und es macht, dass sie allesamt, die Kleinen und Großen, die Reichen und Armen, die Freien und Sklaven, sich ein Zeichen machen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn,

17 und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, wenn er nicht das Zeichen hat, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.

Hier ahmt das falsche Lamm wieder etwas nach, was es auch bei den Juden und Christen gibt: Die Juden tragen Schriftworte an Stirn und Hand, um sich immer an Gottes Weisungen zu erinnern. Die Christen empfingen damals bei ihrer Taufe ein Zeichen an ihrer Stirn, um zu zeigen: Wir gehören Gott und niemandem sonst.

Bei den Zeichen, die vom römischen Staat verlangt wurden, hat man an die römischen Münzen mit den eingeprägten Kaiserbildern gedacht, ohne die man nicht kaufen und verkaufen konnte. Klar ist jedenfalls, dass jeder, der sich damals von den öffentlichen Opferfeiern für die staatlichen Götter ausschloss, einfach auffallen und wohl auch Nachteile in Kauf nehmen musste. Das ist so ähnlich, wie wenn heute ein Schüler, der nicht die teuren Markenklamotten trägt, in der Klassengemeinschaft ausgeschlossen wird. Oder wenn man in einer geselligen Runde schief angesehen wird, wenn man keinen Alkohol mittrinkt.

Zum Abschluss dieses Abschnitts folgt noch ein Zahlenrätsel, wie es damals sehr beliebt war:

18 Hier ist Weisheit! Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tieres; denn es ist die Zahl eines Menschen, und seine Zahl ist sechshundertundsechsundsechzig.

Dieses Rätsel ist schwer zu lösen. Die Buchstaben des Namens „Kaiser Nero“ ergeben in den Zahlwerten, die sie in der hebräischen Sprache hatten, zum Beispiel genau 666. Das macht auch Sinn, denn er soll ja nach dem Glauben vieler römischer Bürger in Gestalt des Kaisers Domitian wieder zum Leben erweckt worden sein. In späteren Jahrhunderten hat man aber in dieser Zahl auch andere Personen der Weltgeschichte wiederzuerkennen geglaubt, zum Beispiel den Papst oder Martin Luther oder Napoleon oder Adolf Hitler. Nach einer anderen Auslegung ist die Zahl 888 die Zahl Jesu – demgenüber ist natürlich die Zahl 666 ein Zeichen für die Unterlegenheit des Tieres. Ebenso könnte man die Zahl 777 als Zahl der göttlichen Vollkommenheit deuten – dreimal die Ziffer der sieben Schöpfungstage -, die von dem Tier nicht erreicht wird.

Lied 373, 1+3+6:

1) Jesu, hilf siegen, du Fürste des Lebens; sieh, wie die Finsternis dringet herein, wie sie ihr höllisches Heer nicht vergebens mächtig aufführet, mir schädlich zu sein. Satan, der sinnet auf allerhand Ränke, wie er mich sichte, verstöre und kränke.

3) Jesu, hilf siegen und lass mich nicht sinken; wenn sich die Kräfte der Lügen aufblähn und mit dem Scheine der Wahrheit sich schminken, lass doch viel heller dann deine Kraft sehn. Steh mir zur Rechten, o König und Meister, lehre mich kämpfen und prüfen die Geister.

6) Jesu, hilf siegen und lass mir’s gelingen, dass ich das Zeichen des Sieges erlang; so will ich ewig dir Lob und Dank singen, Jesu, mein Heiland, mit frohem Gesang. Wie wird dein Name da werden gepriesen, wo du, o Held, dich so mächtig erwiesen.

Ja, liebe Gemeinde, mögen Christen von Weltmächten und politischen Systemen auch immer wieder bedroht sein, sie dürfen wissen: die Bedrohlichkeit menschlicher Machtausübung ist immer zeitlich begrenzt und hat nichts mit göttlicher Allmacht zu tun. Im Untergang der Staatsform des Nationalsozialismus in unserem Land und des Kommunismus im Osten konnten wir das in diesem Jahrhundert beobachten.

Wenn das aber die einzige Möglichkeit wäre, unser Kapitel der Offenbarung auszulegen, dann frage ich mich: Hat sie uns denn nicht auch persönlich noch etwas zu sagen, die wir nicht in einer solchen Verfolgungszeit leben, die wir höchstens indirekt von staatlicher Machtausübung betroffen sind?

Eugen Drewermann hat vorgeschlagen, die Offenbarung noch etwas tiefsinniger auszulegen. Ihm fiel nämlich auf, dass die Offenbarung ja nicht einfach geschichtliche Zusammenhänge in nüchternen Worten berichtet, sondern dass sie uralte mythische Bilder verwendet. Von Drachenkämpfen und von Tieren, die aus dem Meer aufsteigen, hat man sich schon bei den alten Babyloniern und Ägyptern erzählt. Drewermann sagt nun, dass mit solchen Bildern nicht nur Geschichte beschrieben wird, sondern man versucht seelisch zu verarbeiten, was man in der Welt erfährt.

Wenn das so ist, kann man die Bilder der Offenbarung auch auf das eigene persönliche Erleben beziehen. Denn auch einzelne Menschen erfahren in ihrem Leben manchmal, dass sie am Ende sind, dass ihre ganze Welt, so wie sie sie bisher gesehen haben, zusammenbricht.

Betrachten wir aus dieser Sicht noch einmal die beiden Tiere aus dem Meer und aus der Erde. Könnte das erste Tier nicht auch ein Symbol sein für die Macht, die zum Beispiel eine Droge, Alkohol oder Tabletten verleihen? Das Leben ist oft schwer zu bewältigen. Aber die Droge hilft, alles unter Kontrolle zu bringen. Unter Alkoholeinfluss spürt man keine Angst mehr, kein Gefühl des Kleinseins und der Peinlichkeit. Tabletten verhelfen dazu, das endlose Kreisen schwermütiger Gedanken abzustellen und schlafen zu können. Ist das nicht ganz ähnlich wie mit dem Tier aus dem Meer? Aus einem Meer von Angst und Verzweiflung erhebt sich der Wunsch, eben diesen Abgrund von Gefühlen in den Griff zu bekommen und mit Hilfe eines Suchtmittels stark zu bleiben: „Wer ist dem Tier gleich und wer vermag mit ihm zu streiten?“

Aber mit der Zeit kehrt sich alles um, gerade weil man der Droge immer mehr Macht einräumen muss. Im Bild gesprochen: Das zweite Tier festigt mit Verstandesgründen die Macht des ersten, man versucht zu rechtfertigen, warum man trinkt, dass man doch nur ein paar Tabletten zur Beruhigung. nimmt. Statt das Leben in den Griff zu bekommen, gerät man immer mehr in den Griff der Sucht. Schließlich steht das ganze Leben unter dem Zeichen „Abhängigkeit“. Alle Gedanken drehen sich nur noch darum: Woher kriege ich meinen Stoff – und um die Frage: Wie drehe ich alles so, dass niemand meine Abhängigkeit merkt, am wenigsten ich selbst?

Erst wenn man sich der höheren Macht anzuvertrauen lernt, wie die Anonymen Alkoholiker sagen, kann man seine Machtlosigkeit eingestehen, von der Abhängigkeit frei werden und das Leben mit Gottes Hilfe anders bewältigen.

Ein weiteres, letztes Beispiel: Ein Mensch macht eine Psychotherapie. Er hatte nie vertrauen können und findet nun einen Menschen, dem er alles anvertrauen kann, was ihn belastet. Und da spürt er auf einmal, dass eine Unmenge ungeweinter Tränen in ihm ist, ein furchtbarer Schmerz, den er immer verdrängt hatte. Diese Tränen, diese Schmerzen liegen wie ein Meer vor ihm, wie ein Abgrund der Verzweiflung. Und wird ihm vielleicht bewusst: aus diesem Meer ist seine seelische Krankheit aufgestiegen – wie ein furchtbares Tier, das ihn verschlingen will.

Und während er versucht, sich von diesem Tier in der Therapie zu lösen, steigt ein anderes Tier aus der Erde herauf und redet ihm ein: du darfst keine Schwäche zulassen, deine Gefühle nicht fühlen, dich niemandem anvertrauen. Schreckliche Ängste werden wach. All die Sicherungsmechanismen, die in seinem Charakter verankert sind, melden Alarm! Man darf doch nicht so viel von sich erzählen. Letzten Endes wird man doch enttäuscht. Man bekommt doch sowieso nichts geschenkt. Immerhin hat ja jeder Mensch doch etwas zu verlieren: Wer es geschafft hat, bis ins Erwachsenenalter hinein zu überleben, der hat sich ein bestimmtes Bild von der Welt gemacht, das ihm vertraut ist. Es sind vielleicht falsche Vorstellungen, es mögen viele Illusionen darunter sein, zum Beispiel, dass man andere Menschen doch noch mit vielen Vorleistungen dazu bringen könnte, dass sie einen liebhaben, aber es tut doch weh, sich davon zu verabschieden. Es ist so, als ob man mit Händen und Füßen an dem Tier aus dem Meer festhalten will, schließlich war die seelische Krankheit ja ein Weg gewesen, um bis heute überleben zu können.

Da ist es gut, aus den Bildern der Offenbarung zu lernen, dass wir es wirklich nicht mehr nötig haben, unsere Gefühle, unser Schwachsein, unsere Krankheit aus eigener Kraft unter unsere Kontrolle zu bekommen. Wenn wir es ganz neu lernen, unser Herz auszuschütten und einen inneren seelischen Halt zu finden, dann können wir eingefahrene Denkgewohnheiten und Abhängigkeiten aufgeben, auch wenn es weh tut. Gott selbst schenkt uns Geduld und Vertrauen, damit wir es lernen, dem Leben neu zu begegnen und unsere Ängste zu bewältigen. Meist tut er das, indem er uns Menschen über den Weg schickt, denen wir uns anvertrauen können. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 612: Fürchte dich nicht, gefangen in deiner Angst

Lass uns, großer Gott, nicht verzweifeln, wenn wir uns machtlos fühlen gegenüber den Kriegen und Katastrophen in unserer Welt, oder auch gegenüber den persönlichen Belastungen und Niederlagen in unserem eigenen Leben. Hilf uns, Menschen zu finden, die ein offenes Ohr für uns haben. Lass das Vertrauen in uns wachsen, dass wir in auswegloser Lage doch noch auf Hilfe hoffen dürfen. Schenke uns die Gewissheit, dass wir deine Kinder sind und im Buch des Lebens geschrieben stehen. Amen. Gemeinsam beten wir:

Vater unser
Lied 15:

Lass mich dein sein und bleiben, du treuer Gott und Herr, von dir lass mich nichts treiben, halt mich bei deiner Lehr. Herr, lass mich nur nicht wanken, gib mir Beständigkeit; dafür will ich dir danken in alle Ewigkeit.

Abkündigungen

Gott, der Herr, segne euch, und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden. Amen.

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