Bild: Florian Huber

Warum Weihnachten grundeinfach ist

Zwei Texte meines Pfarrerkollegen im Ruhestand, Dr. Thomas Schleiff, darf ich hier zum Weihnachtsfest 2023 veröffentlichen: „Dogmatische Gedanken einer Weihnachtsmaus“ und Überlegungen zur Frage: „Warum Weihnachten grundeinfach ist“. Das Gedicht über die weihnachtliche Kirchenmaus, verbunden mit dem Bild von Florian Huber, steht auch im Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrerblatt vom Dezember 2023, S. 769.

Zeichnung der Weihnachtsmaus, die in einer Kirche eine Kerze zum Leuchten in der Pfote hält und das Jesuskind in der Krippe betrachtet. In einer Gedankenblase stellt sich die Maus tanzende Mäuse vor, die Wurst, Käse und andere Leckereien zu essen haben.
Florian Huber hat die Weihnachtsmaus in der Kirche aufgespürt und sogar ihre Gedanken in seinem Bild festgehalten

Dogmatische Gedanken einer Weihnachtsmaus

Zu Weihnachten lebt manche Maus
in Weihnachtssaus und Weihnachtsbraus.
Der Gänsebraten steht im Keller,
im Wohnzimmer die bunten Teller!

Auf geht‘s mit Mut und Maus-Elan
an Nougat, Nuss und Marzipan,
Für Mäuse sind die Feiertage
in reichen Häusern ein Gelage.

Ich arme Kirchenmaus dagegen
hab leider nichts vom Knabbersegen.
Nur in der Krippe trocknes Stroh,
nichts ist mit „knabbert und seid froh“!

Nein, Weihnachten ist für mich arm –
nur eins ist schön – ich hab‘ es warm.
Ich seh den Küster eifrig heizend,
mal nicht mit Gas und Ölen geizend.

Und jedes Jahr, mit Stroh und Heu,
ist mir die Botschaft wieder neu:
denn Gott wird Mensch in Israel –
wird Mensch, nicht Schaf oder Kamel.

Er wird kein Schwein und Känguru,
und außerdem, das geb ich zu:
Er wird, so sagt das Dogma aus:
Er wird auch wirklich keine Maus.

Will Gott hier kommen auf die Erden,
kann er ein Mensch nur, Maus nicht, werden,
kein Tiger, Affe, Elefant.
Doch Gott und Mensch, die sind verwandt.

Als Mensch kann Gott hier Wohl erscheinen,
kann fühlen, denken, lieben, weinen –
oh Mensch, bedenk die Wunderlehre:
Du Mensch bist göttlich – welche Ehre.

Wenn ich‘s als Maus zusammenfasse:
Der Mensch ist einfach Spitzenklasse,
kann denken, singen, beten, sprechen –
als Maus hab‘ ich da manche Schwächen.

Der Mensch besitzt die Hochkultur,
ich Maus bin bloß ‘ne Kreatur –
jedoch ist auch der Mensch ja nur
auch selber eine Kreatur.

Ja, auch der Mensch sitzt in der Falle –
denn sterben müssen schließlich alle.
Da beißt die Maus kein‘ Faden ab:
Wir müssen alle einmal in das Grab.

Doch Gott lässt sich das nicht gefallen –
er meint es gut und zwar mit allen
mit seinem Evangelio
auch mit der Maus in Heu und Stroh.

Ja, Gott der Herr, ward Mensch nicht nur,
er wurde damit Kreatur.
Und das schließt mich als kleine Maus
auf jeden Fall mit ein, nicht aus!

In Bethlehem auf Stroh und Heu
beginnt die Schöpfung noch mal neu.
Und darum stand in diesem Stalle
bestimmt auch keine Mausefalle.

Thomas Schleiff

Warum Weihnachten grundeinfach ist

Ja, Weihnachten ist so grundeinfach, dass sogar eine Kirchenmaus damit keine „intellektuellen Probleme“ hat.

1. Die Menschwerdung Gottes

Man kann das natürlich schwierig machen. „Wie kann Gott Mensch werden?“ Aber besser macht man es einfach – mit dieser scheinbar blöden Frage: Was soll Gott denn sonst werden?

  1. In manchen Naturreligionen werden Steine oder besonders Bäume als göttlich verehrt. Gott hat Steine und Bäume geschaffen – aber es ist offenbarer Blödsinn, dass Gott selbst ein Stein oder ein Baum wird.
  2. Sehr viele Menschen sagen heute: Gott ist für mich die Natur. Aber Gott hat die Natur geschaffen. Aber er ist nicht „die“ Natur. Die Natur weiß nichts von sich. Die Natur (die Sterne, das Meer, die Wälder) ist erhaben und schön – aber sie hat kein Herz. Sollte Gott kein Herz haben?
  3. Manche sagen: Für mich ist Gott die „Kraft“, die hinter der Natur steht. Gewiss ist alle Kraft in Gott gegründet. Aber „ist“ Gott diese Kraft? Wer mal Blitz und Donner hat krachen hören, kann sich nur wünschen, dass Gott keine Kraft „ist“.
  4. Zwar gibt es „heilige Kühe“ und das mag auch seinen Sinn haben. Aber kann Gott eine Nachtigall, eine Kuh oder ein Hirsch werden? Tiere haben keine Vernunft, Moral, Phantasie. Jeder „normale“ Mensch sieht ein: Gott kann kein Tier werden.
  5. Aber, so „anmaßend“ das klingen: Gott kann Mensch werden. Der Mensch hat Vernunft und Phantasie, Gefühl und Mitgefühl, Sinn für Schönheit, Moral und Wahrheit. Der Mensch kann das alles auch in den Dreck ziehen. Aber grundsätzlich ist er nach der biblischen Aussage „Gottes Ebenbild“. Natürlich ist er ein unendlich verkleinertes Ebenbild. Verstand, Liebe, Freude sind bei Gott unendlich – beim Menschen sind sie begrenzt. Aber sie gehören in solcher verkleinerten Form zum Menschen.

2. Gott ist die Liebe

Ich lasse mich davon nicht abbringen: Ich meine, dass im Grunde schon die normale menschliche Vernunft begreift, dass Gott die Liebe ist. Der die Frauen, die Sterne und die Blumen geschaffen hat, muss ein unendlich liebendes Herz haben.

Aber es gibt nicht nur Frauen, Sterne und Blumen. Es gibt auch Gewalt, Krebs und Tod. Die Liebe lässt den leidenden Geliebten nicht im Stich. Die Liebe freut sich nicht nur an den Blumen, sie will auch die Schmerzen und Nöte des Geliebten teilen. Wenn Gott wirklich Liebe ist, dann badet er eben nicht nur im Meer der Schönheit – sondern er sucht die geliebten Menschen in ihrer Not auf. Wenn Gottes Weg zu den Menschen ein Liebesweg ist, dann ist es auch ein Leidensweg und ein Weg in das Sterben. Das ist zwar „geheimnisvoll“ – aber nicht schwer zu verstehen.

3. Klein und groß

Die Welt – so unendlich groß. Das Kind in der Krippe – so unendlich klein. Wie kann das Geheimnis der „großen Welt“ in dem „kleinen Kind“ erscheinen?

Aber über groß und klein sollte man noch mal nachdenken. Der Kosmos ist riesig. Aber er „passt“ doch (irgendwie) in unseren kleinen Kopf. Die winzig-winzigen Gedanken (kleiner als klein, nämlich un-räumlich und unsichtbar) umfassen (irgendwie) die Welt.

Der Liebende sagt zum Geliebten: „Du bist mein Ein und Alles!“ Eine Mutter hat solche Gefühle dem Kind gegenüber: „Du bist mein Ein und Alles!“ Das winzige Kind ist der Mutter wichtiger als Sonne, Mond und Sterne. Von hier aus ist es nicht besonders schwer zu begreifen, wie in dem Kind in der Krippe der Sinn der ganzen Welt zusammengefasst sein kann. Wie es ja im Gesangbuch heißt:

„Den aller Weltkreis nie beschloss
der liegt in Marien Schoß.
Er ist ein Kindlein worden klein,
der alle Welt erhält allein.“ (EG 23, 3)

Und „Vom Himmel hoch“ (EG 24, 9):

„Ach, Herr du Schöpfer aller Ding
wie bist du worden so gering,
dass du da liegst auf dürrem Gras,
davon ein Rind und Esel aß.“

– und worin sich wohl auch eine Maus versteckt haben könnte.

Thomas Schleiff

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