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„Ich befehle meinen Geist in deine Hände“

Trauerfeier für eine Frau, die im hundertsten Lebensjahr gestorben ist und für die Ansprache das Psalmwort ausgesucht hat, das Jesus kurz vor seinem Tod am Kreuz gebetet hat.

Ich befehle meinen Geist in Gottes Hände - zwei Hände, nach oben geöffnet
Im Tod seinen Geist in Gottes Hände legen (Bild: Clker-Free-Vector-ImagesPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind hier versammelt, um von Frau I. Abschied zu nehmen, die im 100. Lebensjahr gestorben ist.

Die ihr nahestanden, sind traurig, denn eine Frau, die Ihnen vertraut war, ist nicht mehr. Sie hinterlässt eine Lücke, Sie werden sie vermissen. Zugleich sind Sie dankbar, dass sie Ihnen geschenkt war und dass sie Gott in ihrem Leben so viel verdankt.

Darum lasst uns zu Beginn dieser Trauerfeier zu Gott beten mit einem Loblied aus der Bibel, mit dem Psalm 103:

2 Lobe den HERRN, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat:

3 der dir alle deine Sünde vergibt und heilet alle deine Gebrechen,

4 der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit,

5 der deinen Mund fröhlich macht, und du wieder jung wirst wie ein Adler.

8 Barmherzig und gnädig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.

13 Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der HERR über die, die ihn fürchten.

14 Denn er weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind.

15 Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde;

16 wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennt sie nicht mehr.

17 Die Gnade aber des HERRN währt von Ewigkeit zu Ewigkeit über denen, die ihn fürchten.

22 Lobet den HERRN, alle seine Werke, an allen Orten seiner Herrschaft! Lobe den HERRN, meine Seele!

Es ist ungewöhnlich, bei einer Beerdigung ein Loblied zu singen, aber wir tun es heute trotzdem. Mit dem Lied „Großer Gott, wir loben dich“ loben wir den Gott, der von Ewigkeit da war und in dessen Ewigkeit wir mit unserem Tode hineingenommen werden.

Es steht im Evangelischen Gesangbuch unter der Nr. 331, und wir singen außer der bekannten 1. Strophe die Strophen 6 bis 8, die davon handeln, dass Jesus Christus für uns den Himmel aufgeschlossen hat:

1. Großer Gott, wir loben dich, Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.

6. Du, des Vaters ewger Sohn, hast die Menschheit angenommen, bist vom hohen Himmelsthron zu uns auf die Welt gekommen, hast uns Gottes Gnad gebracht, von der Sünd uns frei gemacht.

7. Durch dich steht das Himmelstor allen, welche glauben, offen; du stellst uns dem Vater vor, wenn wir kindlich auf dich hoffen; du wirst kommen zum Gericht, wenn der letzte Tag anbricht.

8. Herr, steh deinen Dienern bei, welche dich in Demut bitten. Kauftest durch dein Blut uns frei, hast den Tod für uns gelitten; nimm uns nach vollbrachtem Lauf zu dir in den Himmel auf.

Liebe Trauergemeinde, fast 100 Jahre umfasst das Leben der Verstorbenen, ein wahrhaft biblisches Alter hat Frau I. erreicht, und wir denken heute mit Dankbarkeit an dieses Leben zurück.

Wie das bei einem so alten Menschen ist – es gibt niemanden mehr, der sich genau an die Zeit ihrer Kindheit und Jugend erinnern könnte. Was wir wissen, ist, dass sie als junges Mädchen wohl als Kinderpflegerin gearbeitet hat und dass mit ihrer Hochzeit eine lange Zeit glücklichen Familienlebens begann.

Erinnerungen an das lange Leben der Verstorbenen

Frau I. war eine gläubige Frau, wie Sie mir gesagt haben. Sie hat ihr Leben lang Kontakt gehalten zur evangelischen Gemeinde. Als sie nicht mehr zur Kirche gehen konnte, war es ihr sehr wichtig, das Heilige Abendmahl zu Hause feiern zu können, gemeinsam mit dem Pfarrer der Gemeinde und mit ihrer gleichaltrigen Nachbarin, die ebenfalls in diesem Jahr gestorben ist.

Bis zuletzt blieb Frau I. körperlich einigermaßen rüstig und geistig fit; sie war immer froh, daß sie noch aufstehen konnte und meinte: „Ich bin zufrieden!“

Sie gehörte offenbar zu den Müttern, denen es gelang, Eintracht in ihrer Familie zu bewahren, so dass man sich gemeinschaftlich um sie gekümmert hat, obwohl alle Kinder weit voneinander entfernt wohnten.

Für Frau I. war auch wichtig, das Bibelwort festzulegen, über das heute gepredigt wird. Es steht im Psalm 31, 6 und in Lukas 23, 46 und lautet:

Ich befehle meinen Geist in deine Hände.

Ja, an zwei Stellen der Bibel gibt es diesen Vers. Im Alten Testament ist er Teil eines Gebets aus dem Buch der Psalmen. Im Zusammenhang steht da (Psalm 31, 6):

In deine Hände befehle ich meinen Geist; du hast mich erlöst, HERR, du treuer Gott.

Genau dieses Gebet hat Jesus nach der Überlieferung im Lukasevangelium am Kreuz gebetet, bevor er selbst gestorben ist (Lukas 23, 46):

Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.

Ich denke bei diesen Worten an das bedeutungsvolle Bild aus der Schöpfungsgeschichte, wo Gott den Menschen kunstvoll aus Erde formt, wie es ein Bildhauer nicht besser könnte. Und um dieses Kunstwerk zum Leben zu erwecken, haucht er ihm etwas vom eigenen Atem ein. Besser als in dieser Erzählung könnte man nicht ausdrücken, dass unser Leben von Gott kommt, dass wir ohne Gott keine Sekunde leben könnten. Wenn Lukas vom Sterben Jesu so spricht, dass er seinen Geist ausgehaucht hat, dann will er sagen: Das Leben, das auch er von seinem himmlischen Vater geschenkt bekommen hatte, kehrt im Tod zum Vater zurück.

So verstehe ich auch das Bibelwort, das Frau I. sich für ihre Bestattungsfeier ausgesucht hat:

Ich befehle meinen Geist in deine Hände.

Am Ende ihres Lebens lässt sie los, was ihr nur auf Zeit geschenkt war. Es war eine lange Zeit, an menschlichen Maßstäben gemessen, fast hundert Jahre hat sie auf Erden gelebt; und doch war sie kurz, gemessen an der Ewigkeit, in der überhaupt keine Zeitmaßstäbe greifen. Ihr Leben, das von Gott gekommen war, kehrt zu seinem Urheber zurück.

So ist der Abschied von ihr zwar traurig, weil es immer weh tut, wenn man einen vertrauten Menschen, der einem lieb war, nicht mehr bei sich hat.

Zugleich wissen wir jedoch im Glauben, dass sie im Tod nicht verloren geht. Wir wissen nicht, wo und wie das Leben nach dem Tod weitergehen kann, aber wir dürfen getrost darauf hoffen, dass unser Leben, indem es zu Gott zurückkehrt, an seiner Ewigkeit Anteil hat.

Jedenfalls all das, was uns an Liebe in unserem Leben geschenkt war und was wir an Liebe weitergegeben haben, das bleibt in der Liebe Gottes aufgehoben und bewahrt – denn, wie Paulus sagt (1. Kor. 13, 13):

Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Als Jesus sein Leben in Gottes Hände legte, hatte er gerade dem einen Mann, der am Kreuz neben ihm hing, gesagt (Lukas 23, 43):

Heute wirst du mit mir im Paradies sein.

Er war fest davon überzeugt, dass der, der auf Gott vertraut und sich nach seiner Liebe sehnt, schon im Augenblick des Todes an einem neuen Leben Anteil hat – im Reich Gottes, im Paradies, im Himmel, in der Ewigkeit, in der neuen Welt Gottes, wie auch immer wir das nennen wollen, das wir uns mit unseren menschlichen Begriffen und Bildern doch nur unvollkommen ausmalen können.

So tun wir nun, was Frau I. von sich aus bereits getan hat, wir lassen sie los und legen ihren Geist in Gottes Hände. Amen.

Wir singen das Lied 376:

1. So nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich. Ich mag allein nicht gehen, nicht einen Schritt: wo du wirst gehn und stehen, da nimm mich mit.

2. In dein Erbarmen hülle mein schwaches Herz und mach es gänzlich stille in Freud und Schmerz. Lass ruhn zu deinen Füßen dein armes Kind: es will die Augen schließen und glauben blind.

3. Wenn ich auch gleich nichts fühle von deiner Macht, du führst mich doch zum Ziele auch durch die Nacht: so nimm denn meine Hände und führe mich bis an mein selig Ende und ewiglich!

Wir legen die Verstorbene in Gottes barmherzige Hände:

Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand

Barmherziger Gott, wir bitten dich für Frau I.: nimm sie gnädig an in Ewigkeit. Begleite, die ihr nahestanden, und bewahre uns im Glauben und in der Hoffnung. Hab Dank für erfahrene Liebe, für wertvolle Begegnungen und Prägungen. Vergib, was wir einander schuldig geblieben sind. Richte unsern Sinn auf die Erfüllung aus, die unserem Leben gemäß ist, lenke unsere Schritte auf den Weg des Friedens.

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