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„Lasst euch versöhnen mit Gott!“

Es ist paradox: Gott macht Jesus zur Sünde. Er überwindet unsere Sünde von innen. Er weiß, was wir brauchen: Liebe, Vergebung. Er traut uns zu: Ihr könnt neu anfangen! Was macht das mit uns? Paulus sagt: So wie Jesus die Sünde wird, so werden wir die Gerechtigkeit. Er tut so, als könnten wir auf einmal gerecht und gut leben.

Christus mit ausgestreckten Armen vor goldenen Sternen
Lasst euch versöhnen mit Gott! (Bild: Gerd AltmannPixabay)

direkt-predigtGottesdienst am Karfreitag, den 9. April 2004, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen mit dem Kirchenchor der Paulusgemeinde

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich im Gottesdienst am Karfreitag in der Pauluskirche mit dem Wort zur Woche aus dem Evangelium nach Johannes 3, 16:

„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

Unter dem Leitgedanken „Lasst euch versöhnen mit Gott!“ besinnen wir uns darauf, was Jesus Christus am Karfreitag für uns getan hat.

Musikalisch wird dieser Gottesdienst gestaltet vom Paulus-Kirchenchor unter der Leitung von Eva Michel und von Professor Gottlob Ritter an der Orgel. Herzlichen Dank dafür!

Jetzt singen wir das Lied 88 im Wechsel mit dem Chor. Der Chor singt die Strophen 1, 3 und 6, die Gemeinde die Strophen 2, 4 und 5:

1. Jesu, deine Passion will ich jetzt bedenken; wollest mir vom Himmelsthron Geist und Andacht schenken. In dem Bilde jetzt erschein, Jesu, meinem Herzen, wie du, unser Heil zu sein, littest alle Schmerzen.

2. Meine Seele sehen mach deine Angst und Bande, deine Schläge, deine Schmach, deine Kreuzesschande, deine Geißel, Dornenkron, Speer- und Nägelwunden, deinen Tod, o Gottessohn, der mich dir verbunden.

3. Aber lass mich nicht allein deine Marter sehen, lass mich auch die Ursach fein und die Frucht verstehen. Ach die Ursach war auch ich, ich und meine Sünde: diese hat gemartert dich, dass ich Gnade finde.

4. Jesu, lehr bedenken mich dies mit Buß und Reue; hilf, dass ich mit Sünde dich martre nicht aufs neue. Sollt ich dazu haben Lust und nicht wollen meiden, was du selber büßen musst mit so großem Leiden?

5. Wenn mir meine Sünde will machen heiß die Hölle, Jesu, mein Gewissen still, dich ins Mittel stelle. Dich und deine Passion lass mich gläubig fassen; liebet mich sein lieber Sohn, wie kann Gott mich hassen?

6. Gib auch, Jesu, dass ich gern dir das Kreuz nachtrage, dass ich Demut von dir lern und Geduld in Plage, dass ich dir geb Lieb um Lieb. Indes lass dies Lallen – bessern Dank ich dorten geb -, Jesu, dir gefallen.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten mit dem Psalm 22, den zuerst König David in einer verzweifelten Lage gebetet hat – und dann auch Jesus am Kreuz:

2 Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.

3 Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe.

4 Du aber bist heilig, der du thronst über den Lobgesängen Israels.

5 Unsere Väter hofften auf dich; und da sie hofften, halfst du ihnen heraus.

6 Zu dir schrien sie und wurden errettet, sie hofften auf dich und wurden nicht zuschanden.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wir klagen zu Gott mit weiteren Worten aus Psalm 22:

7 Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, ein Spott der Leute und verachtet vom Volke.

8 Alle, die mich sehen, verspotten mich, sperren das Maul auf und schütteln den Kopf:

9 »Er klage es dem HERRN, der helfe ihm heraus und rette ihn, hat er Gefallen an ihm.«

10 Du hast mich aus meiner Mutter Leibe gezogen; du ließest mich geborgen sein an der Brust meiner Mutter.

11 Auf dich bin ich geworfen von Mutterleib an, du bist mein Gott von meiner Mutter Schoß an.

12 Sei nicht ferne von mir, denn Angst ist nahe; denn es ist hier kein Helfer.

13 Gewaltige Stiere haben mich umgeben, mächtige Büffel haben mich umringt.

14 Ihren Rachen sperren sie gegen mich auf wie ein brüllender und reißender Löwe.

15 Ich bin ausgeschüttet wie Wasser, alle meine Knochen haben sich voneinander gelöst; mein Herz ist in meinem Leibe wie zerschmolzenes Wachs.

16 Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe, und meine Zunge klebt mir am Gaumen, und du legst mich in des Todes Staub.

17 Denn Hunde haben mich umgeben, und der Bösen Rotte hat mich umringt; sie haben meine Hände und Füße durchgraben.

18 Ich kann alle meine Knochen zählen; sie aber schauen zu und sehen auf mich herab.

19 Sie teilen meine Kleider unter sich und werfen das Los um mein Gewand.

Mit David und Jesus rufen wir zu dir, Gott: Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wir beten zu Gott mit Psalm 22, der uns lehrt, die Hoffnung niemals aufzugeben:

20 Aber du, HERR, sei nicht ferne; meine Stärke, eile, mir zu helfen!

21 Errette meine Seele vom Schwert, mein Leben von den Hunden!

22 Hilf mir aus dem Rachen des Löwen und vor den Hörnern wilder Stiere – du hast mich erhört!

23 Ich will deinen Namen kundtun meinen Geschwistern, ich will dich in der Gemeinde rühmen.

25 Denn der HERR hat nicht verachtet noch verschmäht das Elend des Armen und sein Antlitz vor ihm nicht verborgen; und als er zu ihm schrie, hörte er’s.

27 Die Elenden sollen essen, dass sie satt werden; und die nach dem HERRN fragen, werden ihn preisen; euer Herz soll ewiglich leben.

30 Ihn allein werden anbeten alle, die in der Erde schlafen; vor ihm werden die Knie beugen alle, die zum Staube hinabfuhren und ihr Leben nicht konnten erhalten.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gottverlassen, heimatlos, mutterseelenallein, so fühlen sich viele Menschen in unserer Welt. Gottverlassen – das ist auch für David, den großen König Israels ein vertrautes Gefühl. Gottverlassen – so stirbt sogar der Sohn Gottes, er, der dem Höchsten näher war als jemals irgendein anderer Mensch. Wie ist das zu ertragen? Wie ist das zu überwinden? Wie kann es zur Versöhnung kommen mit Gott?

Wir bitten dich, Gott, um Versöhnung mit dir – durch deinen Sohn Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung zum Karfreitag aus dem Evangelium nach Markus 15, 15-39:

15 Pilatus aber wollte dem Volk zu Willen sein und gab ihnen Barabbas los und ließ Jesus geißeln und überantwortete ihn, dass er gekreuzigt werde.

16 Die Soldaten aber führten ihn hinein in den Palast, das ist ins Prätorium, und riefen die ganze Abteilung zusammen

17 und zogen ihm einen Purpurmantel an und flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm auf

18 und fingen an, ihn zu grüßen: Gegrüßet seist du, der Juden König!

19 Und sie schlugen ihn mit einem Rohr auf das Haupt und spien ihn an und fielen auf die Knie und huldigten ihm.

20 Und als sie ihn verspottet hatten, zogen sie ihm den Purpurmantel aus und zogen ihm seine Kleider an. Und sie führten ihn hinaus, dass sie ihn kreuzigten.

21 Und zwangen einen, der vorüberging, mit Namen Simon von Kyrene, der vom Feld kam, den Vater des Alexander und des Rufus, dass er ihm das Kreuz trage.

22 Und sie brachten ihn zu der Stätte Golgatha, das heißt übersetzt: Schädelstätte.

23 Und sie gaben ihm Myrrhe in Wein zu trinken; aber er nahm’s nicht.

24 Und sie kreuzigten ihn. Und sie teilten seine Kleider und warfen das Los, wer was bekommen solle.

25 Und es war die dritte Stunde, als sie ihn kreuzigten.

26 Und es stand über ihm geschrieben, welche Schuld man ihm gab, nämlich: Der König der Juden.

27 Und sie kreuzigten mit ihm zwei Räuber, einen zu seiner Rechten und einen zu seiner Linken.

29 Und die vorübergingen, lästerten ihn und schüttelten ihre Köpfe und sprachen: Ha, der du den Tempel abbrichst und baust ihn auf in drei Tagen,

30 hilf dir nun selber und steig herab vom Kreuz!

31 Desgleichen verspotteten ihn auch die Hohenpriester untereinander samt den Schriftgelehrten und sprachen: Er hat andern geholfen und kann sich selber nicht helfen.

32 Ist er der Christus, der König von Israel, so steige er nun vom Kreuz, damit wir sehen und glauben.Und die mit ihm gekreuzigt waren, schmähten ihn auch.

33 Und zur sechsten Stunde kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde.

34 Und zu der neunten Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lama asabtani? das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

35 Und einige, die dabeistanden, als sie das hörten, sprachen sie: Siehe, er ruft den Elia.

36 Da lief einer und füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn auf ein Rohr, gab ihm zu trinken und sprach: Halt, lasst sehen, ob Elia komme und ihn herabnehme!

37 Aber Jesus schrie laut und verschied.

38 Und der Vorhang im Tempel zerriss in zwei Stücke von oben an bis unten aus.

39 Der Hauptmann aber, der dabeistand, ihm gegenüber, und sah, dass er so verschied, sprach: Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Amen. „Amen.“

Wir singen das Lied 381:
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Wir bekennen gemeinsam unseren christlichen Glauben, heute ausnahmsweise mit den Worten des Glaubensbekenntnisses von Nizäa-Konstantinopel. Sie finden es im Gesangbuch unter der Nummer 805:

Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein. Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. Amen.

Chor – EG 96: Du schöner Lebensbaum des Paradieses
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde!

„Lasst euch versöhnen mit Gott!“

– ein Satz des Paulus (2. Korinther 5, 20), ist das Thema der Predigt.

Haben wir es denn nötig, mit Gott versöhnt zu werden? Und wer es nötig hat, kann wirklich jeder mit Gott versöhnt werden?

Zwei Sätze aus dem Lied, das wir Ihnen vorgesungen haben, machen mir zu schaffen:

Der erste Satz lautet:

„Nur unsretwegen hattest du zu leiden.“

Wenn dieser Satz stimmt, dann sind wir darauf angewiesen, dass Gott sich mit uns versöhnt. Die meisten Menschen drehen die Frage um. Sie werfen Gott vor: „Nur deinetwegen haben wir zu leiden.“ Und sie verneinen die Frage, ob der Mensch sich versöhnen könne mit einem Gott, der üblen Verbrechern nicht das Handwerk legt und kleine Kinder leiden lässt. Nein, an einen solchen Gott können und wollen wir nicht glauben!

Aber wenn Gott nicht derjenige wäre, der als Täter verantwortlich ist für alles Leid in der Welt? Wenn es stimmt, was die Bibel sagt, dass am Karfreitag Gott selbst am Kreuz hängt? Stimmt dieser Satz dann?

„Nur unsretwegen hattest du zu leiden.“

Sind wir schuld an Christi Tod? Direkt natürlich nicht, weil wir damals noch nicht gelebt haben. Aber was hätten wir damals getan? Hätten wir zu den Tätern oder Mitläufern gehört? Oder zu den Freunden, die es nicht einmal schafften, mit Jesus wachzubleiben, als er es gebraucht hätte, und am Ende einfach wegliefen? Und heute? Sind wir mitbeteiligt, wenn die geringsten unter den Geschwistern Jesu unter die Räder kommen, wenn Jugendliche keine Chance im Arbeitsleben haben, wenn sich Fremde ausgegrenzt fühlen, wenn alte Menschen vereinsamt sterben, wenn Kinder misshandelt, vernachlässigt, missbraucht werden? Tun wir etwas an unserem Platz, um zu verhindern, dass Jesus wieder und wieder gekreuzigt wird?

„Nur unsretwegen hattest du zu leiden.“

Irgendwie stimmt der Satz. Darum fühle ich mich auch angesprochen, wenn Paulus mir sagt:

„Lasst euch versöhnen mit Gott!“

Noch ein zweiter Satz aus dem Lied beschäftigt mich:

„Für alle Menschen wollen wir dich bitten.“

Für alle Menschen? Alle sollen mit Gott versöhnt werden können? Auch menschliche Monster wie der Kinderschänder und -mörder Dutroux? Gibt es nicht irgendwo Grenzen? Müssten solche Menschen nicht ewig in der Hölle schmoren?

Jesus zieht die Grenzen jedenfalls nicht so grundsätzlich (Lukas 23, 34):

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“

Das sagt er über die, die ihn töten und quälen. Aber nur einem von den beiden Männern, die mit ihm gekreuzigt werden, sagt er die tröstenden Worte (Lukas 23, 43):

„Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“

Umkehr und Versöhnung sind möglich, sogar in letzter Minute, aber es gibt anscheinend auch Menschen, die dafür nicht offen sind und die sich dafür selbst die Tür versperren.

Wie geht Versöhnung überhaupt? Wie kann Gott sich versöhnen mit den Menschen? Und zwar mit diesen real existierenden Menschen wie du und ich?

Ein Unschuldiger stirbt am Kreuz, und zwar nicht nur in dem Sinne, dass einer unschuldig verurteilt wurde, dass einer diese Tat nicht begangen hat, für die er bestraft wird. Hier stirbt der eine Unschuldige, der keinerlei Schuld auf sich geladen hat, der keine Versöhnung mit Gott nötig hat, weil er der Sohn ist, ohne Sünde, ohne dass irgend etwas zwischen ihm und Gott steht. Wir alle sind immer nur relativ unschuldig, wir alle sind aus eigener Kraft nie völlig versöhnt mit Gott, wir alle sind Sünder. Nur der Sohn Gottes hat die Kraft, uns alle mit Gott zu versöhnen.

Hören wir nun, was Paulus im heutigen Predigttext über die Versöhnung mit Gott schreibt. Er steht in 2. Korinther 5, 14-21 (Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 by Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart):

14 Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben.

15 Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde.

16 Also schätzen wir von jetzt an niemand mehr nur nach menschlichen Maßstäben ein; auch wenn wir früher Christus nach menschlichen Maßstäben eingeschätzt haben, jetzt schätzen wir ihn nicht mehr so ein.

17 Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.

18 Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat.

19 Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anvertraute.

20 Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!

21 Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.

Wie redet Paulus von der Versöhnung mit Gott? Ich finde wichtig, wie er beginnt:

14 Die Liebe Christi drängt uns.

Er erzählt von Christi Tod am Karfreitag nicht aus Freude an grausamen Einzelheiten, wie wir es gerade in dem neuesten Film von Mel Gibson erleben müssen, sondern um der Liebe Christi willen. Er weiß, dass Jesus einen grausamen Tod erlitten hat, aber er malt dieses Geschehen nicht aus. Auch die Evangelisten tun das nicht. Sie wollen den Tätern nicht die Ehre antun, ihren Taten zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Die Bibel stellt durchweg das Opfer in den Mittelpunkt: Jesus, wie er seine Qualen und den Tod aus Liebe erleidet. Er ist grausamen Menschen ausgeliefert, verliert aber weder seine Würde als liebender Mensch noch seine Heiligkeit als der Sohn des barmherzigen Vaters.

Das führt Paulus zu der Erkenntnis:

Einer ist für alle gestorben.

Das heißt: Nicht nur wegen uns ist Jesus gestorben, sondern für uns. Wir sind zwar mit schuld an Jesu Tod, aber das reißt uns nicht ins Verderben, weil Jesus uns vergibt. Er stirbt den Tod stellvertretend für uns, den wir dafür verdient hätten, dass wir ihm so etwas antun, dass wir nicht verhindern, was unzähligen Opfern in dieser Welt angetan wird.

Einer ist für alle gestorben.

Daraus zieht Paulus den Schluss:

Also sind alle gestorben.

Wenn Jesus an unserer Stelle stirbt, als wäre er ein Sünder wie wir, dann können wir uns in gewisser Weise als tot betrachten: tot für die Sünde. Paulus erläutert das näher:

15 Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde.

Für sich selbst leben, egoistisch leben, nur um sich selbst kreisen, ängstlich oder arrogant, verzagt oder großspurig, das ist kein wirkliches Leben. Wer nur für sich selbst lebt, ist tot für die Liebe. In dem Augenblick, in dem Jesus diesen Tod für uns stirbt, diese Sünde mit ans Kreuz nimmt, werden wir frei, für ihn zu leben, für Christus, für die Liebe, die er in die Welt gebracht hat.

Paulus ruft uns also dazu auf, Jesus nicht nur einfach als guten Menschen zu sehen, der leider auf grausame Weise umgekommen ist. Nicht nach menschlichen Maßstäben schätzt er ihn ein, sondern er betrachtet ihn sozusagen mit den Augen Gottes: als den Sohn Gottes selbst, als den wahren Stellvertreter Gottes auf Erden. Er verkörpert die Liebe, die Gott uns allen schenkt und die Gott in uns allen wecken will.

So gesehen ist der Karfreitag zwar ein Tag des Todes. Jesus stirbt einen grausamen Tod. Aber mit Jesus stirbt am Kreuz zugleich die Macht, die unsere Sünde über uns hat. So kann Paulus sagen:

Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden.

Es ist, als ob Gott uns noch einmal ganz neu geschaffen hätte:

17 Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung.

Wunderbar geschaffen sind wir, als liebevolle Ebenbilder eines barmherzigen Gottes. Das ist es, was wir erfahren, wenn wir „in Christus“ sind, wie Paulus sagt, wenn wir uns anrühren lassen von seiner Liebe, wenn wir uns darauf einlassen, dass durch seinen Tod am Kreuz unsere Sünde einfach nicht mehr zählt.

Paulus betont, dass wir die Sünde aus eigener Kraft niemals überwinden könnten. Wir haben die Versöhnung mit Gott durch den Sohn wirklich nötig. Genau so deutlich betont er, dass wir wirklich längst mit Gott versöhnt sind. Und das sollen wir allen Menschen weitersagen! Alle sollen mit Gott ins Reine kommen.

18 Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat.

19 Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anvertraute.

20 Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Lasst euch mit Gott versöhnen!

Ich weiß nicht, ob ich wirklich rüberbringen kann, was Paulus meint. Es ist schon spät in der Nacht, als ich diese Predigt schreibe, und mir kommt vieles sehr theoretisch vor. Ich habe nicht mehr die Zeit, noch einmal von vorn anzufangen, muss meine Vorbereitung einfach zu Ende bringen, bevor ich schlafen gehe. Also nur noch ein paar Gedanken zum letzten Vers im Text des Paulus:

21 Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.

Ich finde diesen Satz des Paulus großartig. Denn er zeigt mir, wie gut Jesus uns alle verstehen kann. Gott hat den Sündlosen zur Sünde gemacht. Jesus muss sich fühlen wie die Sünde selbst, als er unschuldig gequält und bestraft wird. In Jesus erleidet Gott unser Schicksal, als unversöhnter Mensch in einer zerrissenen Welt leben zu müssen. Er, der auf Gott vertraut wie kein anderer, durchleidet dennoch Gottverlassenheit und schreit die Worte heraus (Markus 15, 34 / Matthäus 27, 46):

„Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“

Genau auf diese Weise bleibt Jesus mit dem Vater verbunden. Genau dort am Kreuz ist der Gott zu finden, wenn wir ihn anklagen wollen, weil er sich um uns nicht kümmert. Am Karfreitag sind wir gefragt: Wollt ihr Gott dort finden, wo er ist? Wollt ihr euch um ihn kümmern, wo er in Not ist? Wollt ihr ihn aufsuchen, wo er euch braucht – wo einer der geringsten seiner Geschwister auf die Liebe angewiesen ist, mit der Gott uns wunderbar geschaffen und ausgestattet hat?

Es ist paradox: Gott macht Jesus zur Sünde. Er tut so, als sei Jesus ein Sünder. Er kann sich in unsere Lage einfühlen und überwindet unsere Sünde von innen. Er weiß, was wir brauchen: Nichts als Liebe, als Vergebung. Er traut es uns zu: Ihr könnt neu anfangen!

Was macht das mit uns? Paulus sagt: So wie Jesus die Sünde wird, so werden wir die Gerechtigkeit. Er tut so, als könnten wir auf einmal gerecht und gut leben. Und o Wunder: das geht sogar. Wer Liebe erlebt, kann Liebe weitergeben. Wem Gutes zugetraut wird, kann Gutes tun.

So funktioniert die Versöhnung mit Gott. Es ist keine Anstrengung, die doch scheitern muss. Es ist eine Verwandlung, die Gott in uns bewirkt, wie von selbst, ein Geschenk von oben. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 93, das Pastor Friedrich von Bodelschwingh, der Leiter der Behindertenanstalten von Bethel mitten in der Hitlerzeit im Jahre 1938 gedichtet hat:

Nun gehören unsre Herzen ganz dem Mann von Golgatha

Lasst uns beten!

Gott, Vater Jesu Christi, wir bitten dich für unsere von Gewalt, Krieg und Terror zerrissene Welt. Für die Opfer, dass sie Schutz und Begleitung finden, für die Täter, dass sie sich zur Umkehr entschließen, für ratlose Politiker, dass sie andere Mittel gegen den Terror einsetzen als immer nur neue Gewalt. Wir rufen zu dir:

Kyrie eleison

Gott, Vater Jesu Christi, wir bitten dich für die Familien, in denen Kinder und Jugendliche auf liebevolle Zuwendung und gute Grenzen verzichten müssen. Wir bitten, dass Eltern einsehen, was sie ihren Kindern schuldig sind, und dass sie sich selber Rat und Hilfe suchen, wenn sie nicht mehr weiter wissen. Wir rufen zu dir:

Kyrie eleison

Gott, Vater Jesu Christi, wir bitten dich für Menschen, die unter Krankheiten und Schmerzen zu leiden haben und sich oft fragen, ob du dich um ihr Leid nicht kümmerst. Zeige ihnen, dass du ihnen näher bist, als sie denken, dass du selber sie trägst mit deiner barmherzigen Liebe. Wir bitten dich auch für diejenigen, die um einen geliebten Menschen trauern, heute insbesondere für die Angehörigen von … Lass uns darauf vertrauen, dass dein Sohn Jesus Christus auch für … gestorben ist, und nimm sie durch deine Gnade auf in dein ewiges Reich im Himmel. Wir rufen zu dir:

Kyrie eleison

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir außerdem auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser

Der Chor singt das Lied 98:

Korn, das in die Erde, in den Tod versinkt
Abkündigungen

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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