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Ein Kind findet Zugang zum Herzen des Uropas

Trauerfeier für einen alten Mann, der sich nach einem arbeitsreichen Leben und schwerer Krankheit nicht mehr recht gebraucht fühlt, aber durch sein Urenkelkind wieder etwas Lebensfreude gefunden hat.

Ein Urenkelkind findet Zugang zum Herzen des Uropas: Die Skulptur eines alten Mannes mit Bart mit zwei kleinen Kindern
Kinder können einem alten Mann das Herz aufgehen lassen (Bild: falcoPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Trauernde, wir sind hier versammelt, um von Herrn V. Abschied zu nehmen, der im Alter von [über 70] Jahren gestorben ist.

Trauer ist Erinnerung. Wir rufen uns in Gedächtnis, was war, und bewahren in Liebe, was bleibt.

Trauer ist ein Weg. Wir gehen gemeinsam den Weg zum Grab und helfen einander, das Schwere zu bewältigen, heute und in den Tagen, die kommen.

Trauer ist Trost. Wir hören Worte Gottes, von dessen Liebe wir umschlossen sind. Getragen sind wir, und niemals allein. Die Tränen, die wir weinen, sollen abgewischt werden.

Wir singen aus Lied 327 die Strophen 1 bis 4 und 8:

1. Ach wie flüchtig, ach wie nichtig ist der Menschen Leben! Wie ein Nebel bald entstehet und auch wieder bald vergehet, so ist unser Leben, sehet!

2. Ach wie nichtig, ach wie flüchtig sind der Menschen Tage! Wie ein Strom beginnt zu rinnen und mit Laufen nicht hält innen, so fährt unsre Zeit von hinnen.

3. Ach wie flüchtig, ach wie nichtig ist der Menschen Freude! Wie sich wechseln Stund und Zeiten, Licht und Dunkel, Fried und Streiten, so sind unsre Fröhlichkeiten.

4. Ach wie nichtig, ach wie flüchtig ist der Menschen Schöne! Wie ein Blümlein bald vergehet, wenn ein rauhes Lüftlein wehet, so ist unsre Schöne, sehet!

8. Ach wie nichtig, ach wie flüchtig sind der Menschen Sachen! Alles, alles, was wir sehen, das muss fallen und vergehen. Wer Gott fürcht‘, wird ewig stehen.

Vergänglich ist unser Leben, unsere Zeit, unsere Arbeit, unsere Freude, und auch alles, was uns Sorgen macht.

Ewig ist nur Gott. Im Vertrauen auf ihn haben wir Anteil an seiner Ewigkeit. „Wer Gott fürchtet, wird ewig stehen.“

Wir beten mit den Worten des Psalms 23, aus dem der Pfarrer bei Ihrer kirchlichen Trauung damals Ihren Trauspruch ausgewählt hat:

1 Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

2 Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.

3 Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen.

4 Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.

5 Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.

6 Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Liebe Trauerfamilie, liebe Gemeinde!

Zwei gegensätzliche Bilder stehen uns vor Augen. Auf der einen Seite die Vergänglichkeit unseres Lebens. Dass all unsere Mühe, unsere Arbeit, unser Lieben und Leiden irgendwann ein Ende haben. Dass der Tod unser Leben beendet. Auf der anderen Seite die Ewigkeit Gottes, den der König David im Psalm 23 voller Vertrauen als den Guten Hirten anbetet. Verletzbar, vergänglich, sterblich sind wir Menschen. Und doch umschlossen von der Liebe eines Gottes, der nicht will, dass wir verloren gehen.

Das Ergebnis ist unser irdisches Menschenleben, in dem wir nie zu hoffen aufhören, obwohl wir niemals restlos glücklich sind und manchmal nahe an der Verzweiflung. Kein Leben ist ohne Kummer und Leid, doch wohl auch kein Leben ohne Stunden der Freude und der Erfüllung.

Heute blicken wir zurück auf das Leben von Herrn V., das an sein Ende gelangt ist.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

Das letzte Jahrzehnt seines Lebens war sehr stark von Krankheiten geprägt. Irgendwann gaben ihm die Ärzte als Lebenserwartung nur noch höchstens ein Jahr. Dank sehr guter Pflege hat er nun doch noch mehrere Jahre leben dürfen, und das hat er seiner Familie zu verdanken, vor allem seiner Ehefrau, die Tag und Nacht für ihn da war. Die Familie ist auch von Herzen für alle anderen Menschen dankbar, die bei der Pflege unterstützend mitgeholfen haben: da war die Nachbarin und der Hausarzt, und von der evangelischen Pflegezentrale kam eine Schwester täglich zweimal vorbei, um dem Patienten seine Spritzen zu geben.

Durch seine beeinträchtigte Gesundheit konnte Herr V. in den letzten Jahren nicht mehr tun, was er früher so gern getan hatte: Reisen unternehmen oder mit Freunden zum Angeln fahren. Zum Schluss war er auf den Rollstuhl angewiesen, und sein Lebensumkreis beschränkte sich auf seine Wohnung und den Umgang mit seiner Familie. Wahrscheinlich hätte er sich auch über den einen oder anderen Besuch gefreut, aber es lag ihm nicht, seine Enttäuschung zu zeigen.

Er war ja ein Mensch, der sein Herz nicht auf der Zunge trug. Seine ganze Kindheit fiel in die Zeit des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkriegs, und ein Junge wurde in dieser Zeit noch viel weniger als heute dazu angeleitet, mit Gefühlen umzugehen, vor allem, wenn es einem nicht gut geht. Wer ihn gut kannte, merkte aber doch, wie er darunter litt, dass er keine rechte Aufgabe mehr hatte. Manchmal war er sich selbst nicht gut; das kann man verstehen.

Trotzdem war es ein Segen, dass Herrn V. auch diese letzten Jahre geschenkt waren. Das kleine Urenkelkind verstand es, einen Zugang zum Herzen des alten Mannes zu finden. Sie haben mir erzählt, wie es seinen Kopf auf das Bein des Uropas gelegt hat und sich hat streicheln lassen, wie Herr V. es hochgenommen und gedrückt hat. So beginnt auf der einen Seite neues Leben, wo auf der anderen Seite Leben zu Ende geht.

Im Evangelium nach Matthäus 18 wird Jesus einmal von seinen Jüngern gefragt:

1 Wer ist doch der Größte im Himmelreich?

2 Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie

3 und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.

4 Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich.

5 Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.

Diese Verse sind mir eingefallen, als Sie mir davon erzählt haben, wie Herr V. im Kontakt mit einem Kind seine Lebensfreude spüren konnte. Jesus war überzeugt davon, dass es sich nicht ausschließt, erwachsen zu sein und zugleich kindliche Gefühle zuzulassen. Beides gehört zum Leben: Stärke und Schwäche, Arbeit und Spiel, Festhalten und Loslassen.

Oft müssen wir uns anstrengen, um unser Leben zu meistern und in den Griff zu kriegen. Aber das Entscheidende, was unser Leben reich macht und bleibend erfüllt, das entzieht sich unserer Kontrolle. Da muss der alte Spruch umgedreht werden: „Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser“ – jedenfalls dann, wenn es um die Liebe geht, um die Zartheit eines Kindes oder die Verletzbarkeit des Menschen neben uns.

Für Jesus sind die Kinder insofern Vorbild, als sie darauf angewiesen sind, zu vertrauen. So wie sie stehen wir alle vor Gott. Am Ende eines Lebens hat niemand etwas vorzuweisen, womit er Gott beeindrucken könnte – und gerade so nimmt Gott uns an, wie ein Vater sein Kind, wie ein Großvater seinen Enkel – wie ein Urgroßvater das Urenkelkind in die Arme schließt und einfach lieb hat.

Diese Erfahrung wird besonders schön im Psalm 23 ausgedrückt, der Sie in Ihrem Leben schon begleitet hat:

1 Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.

An messbaren Gütern mag unser Leben arm sein; aber was unser Leben wirklich reich macht, dass man sich auf andere verlassen kann, dass man Liebe empfängt und gibt, daran muss es keinen Mangel geben, denn der Gute Hirte ist da. Seine Liebe steht uns zur Verfügung. Empfangen und verschenken, das ist unsere Aufgabe.

6a Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang.

Kaum zu glauben, dass das stimmt. Man erkennt es auch nur, wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, dass es wahr ist: Da ist ein Gott, der uns liebt. Wir dürfen die dunkle Brille absetzen, durch die diese Welt nur wie ein Jammertal aussieht.

Aber wo geht nun der Verstorbene hin, was werden Sie dem Urenkelkind sagen können, wenn es alt genug ist, um zu fragen? Wir wissen keinen genauen Ort anzugeben, wo wir nach dem Tod sein werden, denn in Grab und Urne liegen nur sterbliche Überreste, Staub und Asche oder „Erde zu Erde“, wie die Bibel sagt.

Aber das ist nicht alles, was von unserem Leben bleibt: Es kommt von Gott her und kehrt im Tode zu ihm zurück. Wenn von Adam in einem großartigen Bild erzählt wird, dass er von Erde genommen ist und wieder zu Erde werden soll, dann wird zugleich auch geschildert, warum dieser Lehmklumpen atmen und leben kann, mit eigener Seele und einem eigenen Geist: Gott haucht ihm etwas von seinem eigenen Leben in die Nase. Wir alle sind Adam, lebendig durch Gottes Gnade, und wenn wir sterben, dann kehrt unser Lebensgeist wieder zurück zu Gott.

Wo wir dann sind, in der Nähe Gottes, das drückt die Bibel in einer Vielzahl von Bildern aus. Der Himmel über uns wird zum Bild für die Größe des unsichtbaren Reiches Gottes; und einmal heißt es in der Bibel, dass nicht einmal der Himmel groß genug ist, damit Gott darin wohnen könnte.

Im Psalm 23 heißt es:

6b Ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Der Opa ist im „Haus“, sagt das Urenkelkind, weil es das Wort „Krankenhaus“ noch nicht aussprechen kann. In einem tieferen Sinn hat es jetzt recht, denn wir dürfen darauf vertrauen, dass Herr V. im Hause Gottes ist, dass er für immer bei ihm wohnen darf. Diesen Trost hat uns auch Jesus mitgegeben, als er seinen Jüngern sagte (Johannes 14):

1 Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!

2 In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn‘s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten?

Ja, im Haus Gottes sind viele Wohnungen; so können wir uns und unsere Kinder trösten mit dem Gedanken, dass wir im Tode nicht verloren sind. Amen.

Wir singen aus dem Lied 393 die Strophen 1, 6 und 7:

1. Kommt, Kinder, lasst uns gehen, der Abend kommt herbei; es ist gefährlich stehen in dieser Wüstenei. Kommt, stärket euren Mut, zur Ewigkeit zu wandern von einer Kraft zur andern; es ist das Ende gut, es ist das Ende gut.

6. Kommt, Kinder, lasst uns gehen, der Vater gehet mit; er selbst will bei uns stehen bei jedem sauren Tritt; er will uns machen Mut, mit süßen Sonnenblicken uns locken und erquicken; ach ja, wir haben‘s gut, ach ja, wir haben‘s gut.

7. Kommt, Kinder, lasst uns wandern, wir gehen Hand in Hand; eins freuet sich am andern in diesem wilden Land. Kommt, lasst uns kindlich sein, uns auf dem Weg nicht streiten; die Engel selbst begleiten als Brüder unsre Reihn, als Brüder unsre Reihn.

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