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Heilung eines stolzen Mannes

Warum hatte Elisa den mächtigen Mann so kurz abgefertigt? Wollte er ihm zeigen, dass er mit seiner Stärke nicht überall weiterkommt? Ist Naaman vielleicht sogar krank geworden, weil er keine Schwäche zeigen durfte? Ein Hautausschlag kann eine Geheimbotschaft unserer Seele sein: Hallo, ich halte das nicht aus! Ich gehe kaputt, wenn ich niemals zeigen darf, wie dreckig es mir geht!

Arm eines Mannes, der an Schuppenflechte leidet
Psoriasis oder Schuppenflechte – ein Hautausschlag kann Spiegel der Seele sein (Bild: Hans BraxmeierPixabay)

Gottesdienst am Freitag, 20. Januar 2012, um 10.30 Uhr im Ensemble-Pflegeheim Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich bin Pfarrer Helmut Schütz aus der Paulusgemeinde, und ich begrüße Sie alle in unserem ersten Gottesdienst im Neuen Jahr 2012! In der Predigt wird es heute um einen Mann gehen, der schwer krank ist. Ob er Heilung findet? Wie kann ihm geholfen werden?

Als erstes Lied singen wir heute Nr. 322, 1 bis 5:

1) Nun danket all und bringet Ehr, ihr Menschen in der Welt, dem, dessen Lob der Engel Heer im Himmel stets vermeld’t.

2) Ermuntert euch und singt mit Schall Gott, unserm höchsten Gut, der seine Wunder überall und große Dinge tut;

3) der uns von Mutterleibe an frisch und gesund erhält und, wo kein Mensch nicht helfen kann, sich selbst zum Helfer stellt;

4) der, ob wir ihn gleich hoch betrübt, doch bleibet guten Muts, die Straf erlässt, die Schuld vergibt und tut uns alles Guts.

5) Er gebe uns ein fröhlich Herz, erfrische Geist und Sinn und werf all Angst, Furcht, Sorg und Schmerz ins Meeres Tiefe hin.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Wir kommen zu Dir, Gott, Du sorgst Dich um die Verwundungen unserer Seele. Du nimmst ernst, was wir empfinden. Du lässt aushalten, was unerträglich ist. Du weckst Vertrauen, denn Du nimmst uns an mit unserer Angst.

Manchmal meinen wir, wir müssten immer stark sein, immer freundlich und unerschütterlich. Aber dann verlieren wir die Fassung, nur schlechte Gedanken und bittere Worte fallen uns ein. Wir beten zu dir, Gott, um dein Erbarmen, deine Liebe. Nimm uns an, wie wir sind! Amen.

Wir hören die Lesung aus 2. Könige 5. Es ist der Abschnitt, der vor unserem heutigen Predigttext steht:

1 Naaman, der Feldhauptmann des Königs von Aram, war ein trefflicher Mann vor seinem Herrn und wert gehalten; denn durch ihn gab der HERR den Aramäern Sieg. Und er war ein gewaltiger Mann, jedoch aussätzig.

2 Aber die Kriegsleute der Aramäer waren ausgezogen und hatten ein junges Mädchen weggeführt aus dem Lande Israels; die war im Dienst der Frau Naamans.

3 Die sprach zu ihrer Herrin: Ach, dass mein Herr wäre bei dem Propheten in Samaria! Der könnte ihn von seinem Aussatz befreien.

4 Da ging Naaman hinein zu seinem Herrn und sagte es ihm an und sprach: So und so hat das Mädchen aus dem Lande Israel geredet.

5 Der König von Aram sprach: So zieh hin, ich will dem König von Israel einen Brief schreiben. Und er zog hin und nahm mit sich zehn Zentner Silber und sechstausend Goldgulden und zehn Feierkleider

6 und brachte den Brief dem König von Israel; der lautete: Wenn dieser Brief zu dir kommt, siehe, so wisse, ich habe meinen Knecht Naaman zu dir gesandt, damit du ihn von seinem Aussatz befreist.

7 Und als der König von Israel den Brief las, zerriss er seine Kleider und sprach: Bin ich denn Gott, dass ich töten und lebendig machen könnte, dass er zu mir schickt, ich solle den Mann von seinem Aussatz befreien? Merkt und seht, wie er Streit mit mir sucht!

8 Als Elisa, der Mann Gottes, hörte, dass der König von Israel seine Kleider zerrissen hatte, sandte er zu ihm und ließ ihm sagen: Warum hast du deine Kleider zerrissen? Lass ihn zu mir kommen, damit er innewerde, dass ein Prophet in Israel ist.

Wir singen ein Lied, das Sie wahrscheinlich nicht kennen, Nr. 584:

Meine engen Grenzen
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde!

Ein General aus Aram, aus dem heutigen Syrien, spielt die Hauptrolle im heutigen Predigttext. Er ist uns in der Lesung vorgestellt worden: Ein „trefflicher Mann“, hoch angesehen, und „gewaltig“ wird er genannt. Er kann sich durchsetzen, er ist ein mächtiger Politiker.

Nur ein Problem hat General Naaman: Er ist krank, aussätzig. Aussatz oder Lepra ist ja eine furchtbare Hautkrankheit; früher wusste man nicht, wie man sie behandeln sollte. Die Leute ekeln sich vor dem Anblick seiner Haut, Gott muss ihn gestraft haben, denken sie. Wäre Naaman nicht ein so mächtiger Mann gewesen, dann hätte man ihn nicht einmal in der Stadt geduldet. Trotzdem: all sein Geld, seine Befehlsgewalt helfen ihm nicht, kein Arzt im Land kann den Aussatz heilen.

Die Ehefrau des großen Generals hat eine Sklavin, die aus dem Volk Israel stammt. Ein junges Mädchen. Man hatte sie geraubt und entführt, weggerissen aus ihrer Familie, in einem der letzten Kriege, den General Naaman gegen Israel gewonnen hatte.

Dieses Mädchen hätte Grund gehabt, Naaman zu hassen. Aber das tut sie nicht. Naaman scheint ein guter Herr zu sein. Und so erzählt sie ihrer Herrin von dem Propheten Elisa in der Hauptstadt ihres Landes, Samaria. Der hat schon viele gesund gemacht, sagt sie. Vielleicht kann er auch ihrem Herrn helfen.

Naaman beschließt, diese letzte Chance zu ergreifen. Wie später die Weisen aus dem Morgenland den neugeborenen König der Juden im Königspalast in der Landeshauptstadt Jerusalem suchen, so wendet sich Naaman an den Palast des Königs von Israel in Samaria, mit der Bitte um Hilfe.

Israels König zerreißt vor Zorn seine Kleider. Er denkt: Die Syrer suchen schon wieder Streit! Ich bin doch nicht Gott, ich kann diesen General doch nicht von seinem Aussatz heilen!

Da greift der Prophet Elisa ein. Er lässt dem König ausrichten: Lass den General aus Syrien zu mir kommen – er wird merken, es gibt noch Propheten Gottes in Israel!

Eigentlich ist das eine Zumutung für den General des fremden Landes. Eine Frechheit. „Wenn er was von mir will, soll er herkommen“, sagt der Prophet Elisa. Wenn sich Naaman geärgert hat, dann schluckt er ihn herunter. Er macht sich auf den Weg mit zehn Zentner Silber, sechstausend Goldgulden und zehn Feierkleidern. So viel ist ihm seine Gesundheit wert. Dafür erwartet er natürlich, dass ihn Elisa gründlich untersucht und behandelt. Aber Elisa reagiert sehr überraschend:

9 So kam Naaman mit Rossen und Wagen und hielt vor der Tür am Hause Elisas.

10 Da sandte Elisa einen Boten zu ihm und ließ ihm sagen: Geh hin und wasche dich siebenmal im Jordan, so wird dir dein Fleisch wieder heil und du wirst rein werden.

Elisa empfängt ihn nicht einmal! Wieder tut der Prophet etwas Ungehöriges. Er untersucht ihn nicht, lässt ihn durch einen Boten kurz abfertigen. Im Jordan soll er sich waschen, siebenmal. Und jeder wusste: der Jordan war nicht gerade der sauberste Fluss. Jetzt ist Naaman wirklich verärgert und tritt die Rückreise an:

11 Da wurde Naaman zornig und zog weg und sprach: Ich meinte, er selbst sollte zu mir herauskommen und hertreten und den Namen des HERRN, seines Gottes, anrufen und seine Hand hin zum Heiligtum erheben und mich so von dem Aussatz befreien.

12 Sind nicht die Flüsse von Damaskus, Abana und Parpar, besser als alle Wasser in Israel, so dass ich mich in ihnen waschen und rein werden könnte? Und er wandte sich und zog weg im Zorn.

Warum hatte Elisa den reichen und mächtigen Mann so behandelt? Wollte er ihm zeigen, dass er mit seiner Stärke und Macht nicht überall weiterkommt? Ist er vielleicht sogar krank geworden, weil er sich nie eine Schwäche erlauben durfte? Ein Hautausschlag kann durchaus eine Geheimbotschaft unserer Seele sein: Hallo, ich halte es nicht mehr aus! Ich kann nicht immer nur stark sein! Ich gehe kaputt, wenn ich niemals zeigen darf, wie dreckig es mir wirklich geht!

Wenn das stimmt, hat Elisa das richtige Heilmittel gewählt: Er lässt den Naaman spüren, dass Geld, Macht, Einfluss und Stärke nicht alles sind im Leben. Damit kann er sich keine Gesundheit kaufen. Sein Stolz auf das, was er erreicht hat, bringt ihn nicht weiter. Er muss Demut lernen. Soll er wirklich siebenmal im dreckigen Jordan baden?

13 Da machten sich seine Diener an ihn heran, redeten mit ihm und sprachen: Lieber Vater, wenn dir der Prophet etwas Großes geboten hätte, hättest du es nicht getan? Wieviel mehr, wenn er zu dir sagt: Wasche dich, so wirst du rein!

Die kleinen Leute, die den großen General umgeben, helfen ihrem Herrn. Die Diener spüren, wie schwer es ihrem Dienstherrn fällt, dass er einmal nicht etwas Großes, sondern etwas Kleines tun soll. Sie bestärken ihn nicht in seinem Zorn und falschen Stolz. Sie sagen: Hätte der Prophet viel von dir verlangt, mit Freuden hättest du alle Therapievorschläge befolgt. Aber vielleicht tut es dir gut, über deinen eigenen Schatten zu springen und etwas ganz einfaches zu tun.

Und Naaman lässt sich wirklich überzeugen!

14 Da stieg er ab und tauchte unter im Jordan siebenmal, wie der Mann Gottes geboten hatte. Und sein Fleisch wurde wieder heil wie das Fleisch eines jungen Knaben, und er wurde rein.

Das ist fast wie eine Taufe. Wie später bei Johannes dem Täufer taucht Naaman unter im Jordan und wird rein. Naamans Haut wird heil, weil seine Seele wieder ganz und heil ist. Heruntergestiegen ist er von seinem hohen Ross, seinen Stolz hat er überwunden. Er hat sich dem Ratschlag von Menschen anvertraut, die es gut mit ihm meinten. Vorher wusste er nicht, was dabei herauskommt. Ein Mann ändert sich auf wunderbare Weise, und zugleich verschwindet sein Aussatz. Dann will Naaman den Elisa dankbar mit Geschenken überhäufen, aber der Prophet erteilt ihm noch eine Lektion:

15 Und er kehrte zurück zu dem Mann Gottes mit allen seinen Leuten. Und als er hinkam, trat er vor ihn und sprach: Siehe, nun weiß ich, dass kein Gott ist in allen Landen, außer in Israel; so nimm nun eine Segensgabe von deinem Knecht.

16 Elisa aber sprach: so wahr der HERR lebt, vor dem ich stehe: ich nehme es nicht. Und er nötigte ihn, dass er es nehme; aber er wollte nicht.

Elisa mutet dem Naaman zu, nicht einmal bezahlen zu dürfen für seine Heilung. Der gewaltige Feldherr soll nicht zurückfallen in altes Denken: Ich bin groß und mächtig, ich behalte die Dinge im Griff, ich kann für alles bezahlen. Naaman begreift. Es gibt Dinge, die sind nicht mit Geld zu bezahlen. Diesen Propheten kann er nicht kaufen. Und er erkennt: Das muss an dem Gott Elisas liegen. Der ist auch nicht käuflich. Der verschenkt alles.

17 Da sprach Naaman: Wenn nicht, so könnte doch deinem Knecht gegeben werden von dieser Erde eine Last, soviel zwei Maultiere tragen! Denn dein Knecht will nicht mehr andern Göttern opfern und Brandopfer darbringen, sondern allein dem HERRN.

18 Nur darin wolle der HERR deinem Knecht gnädig sein: wenn mein König in den Tempel Rimmons geht, um dort anzubeten, und er sich auf meinen Arm lehnt und ich auch anbete im Tempel Rimmons, dann möge der HERR deinem Knecht vergeben.

Merken Sie: Jetzt wird Naaman wirklich demütig. Nicht unterwürfig. Aber er traut sich, um etwas zu bitten. Es ist eine bescheidene Bitte. Nur ein wenig Erde aus dem Heiligen Land möchte er. Eine Gebetsecke einrichten und an den Gott Israels denken, will er, wenn er sich wieder einmal elend fühlt und trotzdem versucht, den starken Mann zu spielen.

Und noch etwas wünscht sich Naaman: dass der Prophet Geduld mit ihm hat. Als hoher Staatsbeamter muss er an Opferfeiern für heidnische Götter teilnehmen, er muss seinen König im Tempel begleiten, stützen und führen. Kann Elisa ihm das verzeihen? Ja, das kann er. Er fordert von Naaman nichts Übermenschliches.

19 Er sprach zu ihm: Zieh hin mit Frieden!

So wurde der kranke Naaman gesund an Seele und Leib. Gott nahm kleine Menschen in Anspruch, um das Herz eines stolzen Menschen demütig zu machen.

Auch wir dürfen getrost in dieser Welt leben. Sie bleibt Gottes Welt, auch wenn wir uns manchmal fragen: Wo bleibt denn Gott in meiner Krankheit, in meinen schwachen Stunden, in meiner Verzweiflung? Wie der arme reiche Mann, der Naaman, dürfen wir uns Gott mit allem anvertrauen. Er steht uns bei.

Als der Apostel Paulus einmal zu Jesus betete: „Nimm eine Krankheit von mir!“, da schien ihm Jesus nicht zu helfen. Drei Mal betete er, aber Paulus wurde nicht gesund. Schließlich hörte Paulus, wie Jesus zu ihm sagte (2. Korinther 12, 9):

Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!

Damit war dem Paulus wirklich geholfen. Er konnte mit seiner Krankheit leben. Er konnte seine Schwachheit annehmen. Dieses Wort ist auch die Jahreslosung für dieses Jahr 2012, und ich lege sie Ihnen ans Herz: Jesus Christus spricht: „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 383 nach der Melodie des Liedes 402:

Herr, du hast mich angerührt

Großer Gott, vor dir haben wir es nicht nötig, größer und stärker zu sein, als wir sind! Nimm uns an, einfach so, wie wir sind, und lass uns dich auch so annehmen, wie du bist: ein Gott mit freundlichem Angesicht, ein menschlicher Gott, der auf menschliche Weise nahe ist und tröstet, und der manchmal auch eine harte, schmerzliche Einsicht schenkt.

Großer Gott, gerade weil du groß bist, hast du es nicht nötig gehabt, immer hoch oben zu sein. Im Kind in der Krippe wurdest du ganz klein, ganz schwach, ganz Mensch, ganz einer von uns. Daher lass uns spüren, dass du uns nahe bist: in der Freude und im Leid, in Gesundheit und Krankheit, im Starksein und im Schwachsein.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir persönlich auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser

Wir singen das Lied 236:

Ohren gabst du mir

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. Amen.

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