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Zeiten in der Wüste als Chance für neues Leben

Zeugen des Glaubens leben von der Liebe Gottes und versuchen, Liebe im Umgang mit ihren Mitmenschen auszuleben. Dazu ist es nötig, Gott um Kraft zu bitten. Man muss wissen, dass man ohne Gott nichts tun kann, was für die Ewigkeit Bestand hat. Und wer seinen Mitmenschen mit Liebe begegnet, wird nicht gut den ganzen Tag über sie lamentieren können.

Fußspur im Sand der Wüste
Fußspur im Sand der Wüste (Bild: Philippe MOREAUPixabay)

direkt-predigtÖkumenischer Abendgottesdienst in der Gebetswoche für die Einheit der Christen zum Thema „Ihr werdet meine Zeugen sein“ am Dienstag, 21. Januar 1986, um 20.00 Uhr in der Dorn-Assenheimer Kirche
Orgelvorspiel
Begrüßung und Einführung (Petschull)
Lied GL 554,1: Wie schön leuchtet der Morgenstern
Sündenbekenntnis (Schütz / Bausch / Wagner / Eß / Schütz)
Gebet: Gott, deine Stimme ist oft leise (Kleespieß)
Lied GL 516, 1-3: Herr Jesu Christ, dich zu uns wend
Einführung zur 1. Lesung: (Schütz)

„Ihr … werdet meine Zeugen sein“

sagt Jesus (Apostelgeschichte 1, 8). Er sagt es zu allen, die Christen geworden sind, zu allen, die auf sein Wort hören, die sich vom Wort der Bibel haben anrühren und bewegen lassen. Wir hören einen Abschnitt aus dem 5. Buch Mose, der uns im Vorbereitungskreis sehr stark angesprochen hat und der direkt in unsere Zeit hineinpasst:

5. Buch Mose – Deuteronomium 8, 11-19 (Bosold)

(Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 by Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart)

11 Nimm dich in acht und vergiss den Herrn, deinen Gott, nicht, missachte nicht seine Gebote, Rechtsvorschriften und Gesetze, auf die ich dich heute verpflichte.

12 Und wenn du gegessen hast und satt geworden bist und prächtige Häuser gebaut hast und sie bewohnst,

13 wenn deine Rinder, Schafe und Ziegen sich vermehren und Silber und Gold sich bei dir häuft und dein gesamter Besitz sich vermehrt,

14 dann nimm dich in acht, dass dein Herz nicht hochmütig wird und du den Herrn, deinen Gott, nicht vergisst, der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat;

15 der dich durch die große und furchterregende Wüste geführt hat, durch Feuernattern und Skorpione, durch ausgedörrtes Land, wo es kein Wasser gab; der für dich Wasser aus dem Felsen der Steilwand hervorsprudeln ließ;

16 der dich in der Wüste mit dem Manna speiste, das deine Väter noch nicht kannten, (und der das alles tat,) um dich gefügig zu machen, dich zu prüfen und dir zuletzt Gutes zu tun.

17 Dann nimm dich in acht und denk nicht bei dir: Ich habe mir diesen Reichtum aus eigener Kraft und mit eigener Hand erworben.

18 Denk vielmehr an den Herrn, deinen Gott: Er war es, der dir die Kraft gab, Reichtum zu erwerben, weil er seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hatte, so verwirklichen wollte, wie er es heute tut.

19 Wenn du aber den Herrn, deinen Gott, vergisst und anderen Göttern nachfolgst, ihnen dienst und dich vor ihnen niederwirfst – heute rufe ich Zeugen gegen euch an: dann werdet ihr völlig ausgetilgt werden.

Zeuge Christi sein bedeutet nach diesem Text auch, dass man als Christ an den guten Verheißungen und Geboten des Alten Testaments festhält. In einer zweiten Lesung hören wir nun aus dem Matthäusevangelium, dass Jesus uns Mut macht, für den Glauben einzutreten, auch wenn es nicht immer einfach ist, ein solcher Zeuge für die Wahrheit zu sein:

Matthäus 10, 16-20 (Kleespieß)

(Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 by Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart)

16 Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben!

17 Nehmt euch aber vor den Menschen in acht! Denn sie werden euch vor die Gerichte bringen und in ihren Synagogen auspeitschen.

18 Ihr werdet um meinetwillen vor Statthalter und Könige geführt, damit ihr vor ihnen und den Heiden Zeugnis ablegt.

19 Wenn man euch vor Gericht stellt, macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt.

20 Nicht ihr werdet dann reden, sondern der Geist eures Vaters wird durch euch reden.

Lied 269, 1-2: Nun saget Dank und lobt den Herren

Liebe Gemeinde, ich habe nun die Aufgabe übernommen, die Gedanken des Vorbereitungskreises zur Predigt zusammenzufassen und zu ordnen. Was Sie jetzt hören, ist also nicht meine Predigt, sondern sozusagen ein Zeugnis oder eine Zusammenstellung von Zeugenaussagen aus dem ganzen Kreis der Vorbereitenden. In drei Zusammenkünften haben wir die Bibeltexte, die Sie vorhin gehört haben, auf uns wirken lassen und uns darüber ausgetauscht. Wir waren überrascht, wie nahe uns diese Worte gingen und wie viele Anregungen wir durch sie bekamen. Es ist unmöglich, alles wiederzugeben, was wir im Gespräch herausgefunden haben; deshalb beschränke ich mich auf wenige Stichworte.

Vor allem der Text aus dem 5. Buch Mose hat es uns angetan. Knapp zusammengefasst heißt es da: „Wenn du satt bist und in schönen Häusern wohnst und alles, was du hast, sich mehrt, dann vergiss Gott nicht, der dich aus der Knechtschaft geführt hat, der dich durch die große und furchtbare Wüste geleitet hat.“ Die Israeliten, denen es materiell an nichts mehr fehlt, sollen nicht die Zeit der Wanderung durch die Wüste vergessen, denn dort konnten sie lernen, sich allein auf Gott zu verlassen.

Zum Stichwort „Wüste“ ist uns im Vorbereitungskreis allerhand eingefallen. Scheinbar ist Wüste für uns nur etwas Schlechtes, kein wirtlicher Ort für Menschen, eine öde und leere Stätte, wo Gefahr droht. Wüste ist ein Ort der Einsamkeit, für Jesus wird sie ein Ort der Versuchung. Und doch gibt es auch in der Wüste Leben. Wege führen hindurch. Oasen sind gelegentlich zu finden. Manche suchen die Wüste auf als Ort der Stille und der Besinnung, z. B. die Mönche des Katharinenklosters im Sinai.

Auch uns persönlich kann Gott, bildlich gesprochen, in die Wüste führen. Auch Christen geht es nicht immer gut, auch ein Leben mit Gott ist nicht immer fröhlich, ohne Leid, ohne Tod. Der Verlust des nächsten Menschen, des Partners, der Eltern oder eines Kindes kann in eine seelische Wüste führen. Wenn ein geliebter Mensch fehlt, nicht mehr versorgt und umsorgt werden kann, nicht mehr als Gesprächspartner da ist, dann entsteht ein Gefühl tiefer Trauer oder auch der Leere, und es ist schwer, da hindurchzugehen. Viele kapseln sich in solchen Zeiten ihres Lebens von den Mitmenschen ab, hadern auch mit Gott. Die Abwehr dessen, was man meint, nicht ertragen zu können, führt zur Abkehr von Menschen und von Gott.

Aber die Bibel macht uns Mut, die Wüste zu durchqueren, auch wenn es sich um eine persönlich erfahrene Wüste in unserem Leben handelt. So wie Gott das wandernde Volk Israel in der Wüste mit Wasser aus dem Felsen und mit Manna vom Himmel ernährt hat, so trägt er auch uns durch Durststrecken hindurch. So wie Menschen sich bei ihrer Trauung versprechen, in guten wie in bösen Tagen zusammenzuhalten, so hat Jesus seinen Nachfolgern versprochen, dass er immer bei ihnen sein will. Gottes Zusagen sind zuverlässig! Manchmal ist es vielleicht nur ein kurzes Mut machendes Wort im Gespräch mit der Nachbarin, das uns vorkommt wie eine Wasserquelle mitten in der Wüste, die Gott uns schenkt.

Aber nicht nur in Lebenskrisen will Gott der Herr unseres Lebens sein, sondern auch an Tagen, an denen wir glauben, selber alles alleine zu bewältigen; nicht nur dann, wenn es uns weniger gut geht und wir Hilfe brauchen, sondern auch dann, wenn es uns gut geht und wir glauben, ohne seine Hilfe zurechtzukommen. Und damit wir nicht vergessen, dass Gott der Herr aller unserer Tage ist, auch der schönen Tage, sollen wir die Zeiten der Wüste und wie wir hindurchgeführt wurden, ebenfalls gut im Gedächtnis behalten.

Warum schickt Gott uns überhaupt Wüstenzeiten? hat ein Mitglied unseres Vorbereitungskreises gefragt, und schreibt selber dazu: Unser Text sagt, aus dem Grund, damit wir uns demütigen und er uns hernach wohltäte, also aus erzieherischen Gründen, wenn wir hochmütig werden. Denn wir sollen das, was „wir“ erreicht haben, dankbar als Geschenk von Gott ansehen und nicht unserer eigenen Kraft zuordnen.

Wenn wir also in eine Erfahrung hineingeraten, die uns wie eine Wanderung durch eine Wüste vorkommt, dann kann das auch ein Anlass sein, zur Besinnung zu kommen und zu beten. Was war mir vorher geschenkt, was ich vielleicht viel zu selbstverständlich hingenommen habe? Wo habe ich bisher den Sinn meines Lebens gesehen, und muss ich vielleicht jetzt neu auf die Suche gehen? Wo sind Menschen, die ich bitten könnte, mich auf meinem schwierigen Weg zu begleiten? Im Vorbereitungskreis für diesen Gottesdienst und im Bibelkreis in Reichelsheim haben wir schon die Erfahrung gemacht, dass wir aus dem Gespräch über die Bibel viel Kraft und Mut schöpfen können, unseren Alltag zu bewältigen. Solche Gemeindekreise mit evangelischen und katholischen Christen oder auch die regelmäßigen Gottesdienste und Messen unserer Gemeinden können so etwas sein wie Oasen mitten in der Wüste. Da kreuzen sich Wege verschiedener Menschen, die durch die Wüste gehen, da ist ein Ort der Begegnung, des Austauschs von Erfahrungen und des Auftankens von Freude und Hoffnung.

Es ist sehr schade, dass viele Menschen in unseren Kirchengemeinden nicht mehr diese Erfahrung kennen, dass Kirche und Gottesdienst und Gemeinschaft in der Gemeinde wie eine erfrischende und stärkende Oase auf dem Weg durch die Wüste sein kann. Jemand aus dem Vorbereitungskreis hat aufgeschrieben, wie man in eine selbstverursachte Wüste geraten kann, nämlich in die Entfernung von Gott. Da ist einer nicht ungläubig, aber er sieht so viele Dinge, die ihn daran hindern, zur Kirche zu gehen, dass sein Glaube verkümmert. Nur am Wochenende ist Gelegenheit zum Ausschlafen, die Familie verlangt ihr Recht, man fährt gern mal übers Wochenende weg, Überstunden müssen gemacht werden usw. usw. Wer deswegen ein schlechtes Gewissen hat, wird sich bald daran gewöhnen und sein Gewissen abstumpfen. Vielen fehlt aber ganz einfach eine Vorstellung davon, was ihnen Gottes Wort überhaupt bieten könnte. Dankbarkeit gegen Gott ist für sie wirklich ein Fremdwort. Verantwortlichkeit gegenüber Gott kann dann auch kaum entstehen. Die Kirche bleibt dann keine Oase mehr für ermattete und mutlose Seelen, sondern sie wird ein Dienstleistungsgewerbe und verkauft an den Höhepunkten des Lebens ein paar Amtshandlungen.

Jetzt könnte ich zu lamentieren beginnen über die schlechten Zeiten, was Kirchgang und Frömmigkeit betrifft. Besser ist es, die Klage über das, was uns Sorgen macht, einfach so stehen zu lassen, und uns stattdessen noch einmal auf das zu besinnen, was uns Mut machen kann. Eine Frau aus dem Vorbereitungskreis hat gesagt: Zeugen des Glaubens leben von der Liebe Gottes und versuchen, diese Liebe auch im Umgang mit allen ihren Mitmenschen auszuleben. Dazu ist es nötig, jeden Tag Gott um Kraft und seine Hilfe zu bitten. Man muss wissen, dass man ohne Gott nichts tun kann, was für die Ewigkeit Bestand hat. Ja, und wer seinen Mitmenschen mit Liebe begegnet, der wird nicht gut den ganzen Tag über sie jammern und lamentieren können. Zugleich aber sollen wir auch wissen: wir dürfen uns und sollen uns auch selber mit Liebe begegnen. Sonst werden wir unmenschlich gegen uns und andere.

Um uns selbst geht es also, um jeden einzelnen von uns, nicht um das, was die anderen eigentlich tun müssten oder sollten. Deshalb finden wir es so schön, dass in unserem Vorbereitungskreis oder im Bibelkreis bis zu elf Personen versammelt waren, die sich über ihren Glauben ausgetauscht haben und Stärkung erfahren haben. Und wir reden nicht lang und breit darüber, dass so viele andere diese Chance bisher nicht genutzt haben.

Etwas bezeugen kann man immer nur selber. Man kann niemand dazu zwingen, ein Zeuge zu sein. Wenn wir angerührt wurden durch ein Wort von Gott, dann können wir diese Erfahrung auch anderen mitteilen. Dann strahlen wir etwas aus von der Liebe und Hoffnung, die durch Christus in die Welt kam. Dann sehen wir den Sinn des menschlichen Lebens nicht nur in der eigenen Leistung und im Erwerb materieller Güter, sondern darin, dass wir in allem und hinter allem Gott am Werk sehen und ihn bezeugen. Dann sind wir bereit, hier oder da Verantwortung zu übernehmen, und wir sind Vorbilder für andere.

Dass diese Art, Christ zu sein, nicht an eine bestimmte Konfession gebunden ist, sehen wir an unserem Vorbereitungskreis. Auch in unserem Bibelkreis sind Christen beider Konfessionen ohne jeden Unterschied beteiligt, und wir lernen voneinander. Wie nahe sich die Konfessionen schon gekommen sind, ist vielleicht daran abzulesen, dass wir bei der Vorbereitung gar keinen Anlass sahen, auf besondere Dinge, die uns trennen, einzugehen. Nur die Tatsache, dass wir keine gemeinsame Eucharistie, kein gemeinsames Abendmahl miteinander feiern können, schmerzt ein wenig und macht bewusst, dass im Miteinander der Konfessionen noch ein langer Weg zu gehen ist. Heute sind wir dankbar, dass wir einig sind in der wichtigsten Frage unseres Glaubens: dass wir alle auf unsere Art und Weise Zeugen Jesu Christi sein sollen.

Dass diese Art, Christ zu sein, nicht immer leicht zu leben ist, zeigt der Satz Jesu: „Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe!“ Wer den Glauben ernst nimmt und in der Öffentlichkeit dazu steht, wird oft belächelt oder bekommt Schwierigkeiten. Aber wer an Jesus, den guten Hirten, glaubt, kann zugleich gewiss sein, dass er seine Schafe beschützt, so wie es in Psalm 23, 4-6, formuliert ist:

„…und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde, du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“

Amen.

Gebet nach der Predigt (Kleespieß)
Informationen zum Ökumenischen Opfer (Kleespieß)
Lied GL 644, 1-7: Sonne der Gerechtigkeit
Glaubensbekenntnis (Petschull / Alle)
Gebet (Petschull / Bausch / Wagner / Eß / Bosold / Kleespieß / Schütz)
und „Herr, erbarme dich“ (gesungen, eingeleitet von Petschull)

Herr, ich danke Dir, dass Du mich nimmst mit meinen großen Schwächen und Stärken. Danke, dass du geholfen hast mit Mitchristen diesen Gottesdienst zu gestalten. Danke, dass es mir gut geht. Hilf durch mich jenen, die meiner Hilfe bedürfen. Danke für jeden Menschen, der mir Denkanstöße und Gespräche gibt und mir somit hilft wach (hungrig) nach deinen Worten und Willen zu werden und zu bleiben. Bitte hilf mir, nach deinem Wort zu leben, anderen Menschen dabei zu helfen, deine Worte weiterzutragen, zu bekennen und nachzuleben – und die meinen Wüsten nach deinem Wort sicher zu durchqueren.

Stille und Vater unser (Petschull / Alle)
Entlassung (Schütz)
Segen (Petschull)

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