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Sabbat – Tag der Freiheit und der Hoffnung

Markus malt die Sabbatfeier der Jünger Jesu als die fröhliche Einbringung einer Ernte aus. Sie bahnen Jesus den Weg durch das Saatland, als ob schon Erntezeit wäre, Zeit für den letzten Sabbat am Ende der Zeiten. Jesus wird Juden und Menschen aller Völker zu einer friedlichen Gemeinschaft unter Gottes Wort zusammenbringen und die Hungernden dieser Welt satt machen.

Ein Weg, der durch einen Getreideacker hindurchführt
Wie sah es aus, als die Jünger Jesus einen Weg durch das Kornfeld bahnten? (Bild: LoggaWigglerPixabay)

#predigtGottesdienst am 20. Sonntag nach Trinitatis, den 21. Oktober 2007, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

„Jetzt ist Sabbat!“, sagen wir, wenn mit etwas Schluss sein soll. Sabbat bedeutet „Aufhören“, vor allem Aufhören mit dem Arbeiten und auch mit der Ausbeutung von Mensch und Natur.

Das Konzept des Sabbats: „Alle sieben Tage ein freier Tag!“ haben wir Christen von den Juden übernommen, auch wenn wir den freien Tag nicht am Samstag, sondern am Auferstehungstag Jesu Christi, am Sonntag, feiern.

Aber wozu ist so ein Feiertag eigentlich da? Kann man es auch übertreiben mit der Feiertagsruhe? Um solche Fragen geht es in diesem Gottesdienst, mit denen sich schon Jesus und seine Jünger beschäftigt haben.

Zur Einstimmung singen wir ein Lied vom Sonntag, Nr. 162:

1. Gott Lob, der Sonntag kommt herbei, die Woche wird nun wieder neu. Heut hat mein Gott das Licht gemacht, mein Heil hat mir das Leben bracht. Halleluja.

2. Das ist der Tag, da Jesus Christ vom Tod für mich erstanden ist und schenkt mir die Gerechtigkeit, Trost, Leben, Heil und Seligkeit. Halleluja.

3. Das ist der rechte Sonnentag, da man sich nicht g’nug freuen mag, da wir mit Gott versöhnet sind, dass nun ein Christ heißt Gottes Kind. Halleluja.

4. Mein Gott, lass mir dein Lebenswort, führ mich zur Himmelsehrenpfort, lass mich hier leben heiliglich und dir lobsingen ewiglich. Halleluja.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Mit Psalm 68 beten wir:

5 Singet Gott, lobsinget seinem Namen! Macht Bahn dem, der durch die Wüste einherfährt; er heißt [ICH-BIN-DA]. Freuet euch vor ihm!

6 Ein Vater der Waisen und ein Helfer der Witwen ist Gott in seiner heiligen Wohnung,

7 ein Gott, der die Einsamen nach Hause bringt, der die Gefangenen herausführt, dass es ihnen wohlgehe; aber die sich abwenden, die lässt er bleiben in dürrem Lande.

8 Gott, als du vor deinem Volk herzogst, als du einhergingest in der Wüste…,

10 [da] gabst [du,] Gott, einen gnädigen Regen, und dein Erbe, das dürre war, erquicktest du,

11 dass deine Herde darin wohnen konnte. Gott, du labst die Elenden in deiner Güte.

20 Gelobt sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch.

21 Wir haben einen Gott, der da hilft, und den HERRN, der vom Tode errettet.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wo Wüste ist, da will Gott Regen bringen, wo Krieg und Terror Verwüstung anrichten, da will Gott Recht und Frieden schaffen, wo Menschen nur unter Lasten stöhnen, da will er sie aufatmen und zur Ruhe kommen lassen. Aus den Verwüstungen unseres Lebens, aus dem Unfrieden unserer Tage, aus den Belastungen unseres Alltags rufen wir zu dir, Gott:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Wir lesen im 1. Buch Mose – Genesis 2, 2-3:

2 So vollendete Gott am siebenten Tage seine Werke, die er machte, und ruhte am siebenten Tage von allen seinen Werken, die er gemacht hatte.

3 Und Gott segnete den siebenten Tag und heiligte ihn, weil er an ihm ruhte von allen seinen Werken, die Gott geschaffen und gemacht hatte.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, unser Schöpfer, hast du wirklich schon ausruhen können, den großen Sabbat deiner vollendeten Welt feiern können? Gott, unser Erlöser und Vollender, ist das Evangelium vom siebten Schöpfungstag nicht hoffnungsfrohe Zukunftsmusik, zuversichtliche Erwartung dessen, was noch kommen wird? Ja, Schöpfer Gott, sehr gut ist deine, unsere Welt, indem du sie dem Tohuwabohu der Finsternis und des Todes entgegen geschaffen hast als einen Ort zum Leben, zum Lieben, zum Glücklichsein. Du lehrst uns durch dein Wort, durch die Bibel, an deine gute Schöpfung zu glauben, denn du trägst den Namen ICH-BIN-DA, du findest dich nicht damit ab, dass wir Menschen aus deiner Schöpfung einen Ort des Todes, des Unfriedens, des Unglücks machen. Du schenkst uns den Feiertag zum Aufatmen – bewahre uns davor, den Trott der Tretmühlen für das höchste Lebensziel zu halten! Du lässt uns innehalten in Zwischenzeiten der Ruhe – schenke uns die Hoffnung auf die vollendete Sabbatruhe am Ende der Zeiten! Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören aus dem 2. Buch Mose – Exodus 31, 12-17, Worte Gottes zur Feier des Sabbats, wie sie das Volk Israel von Gott empfangen hat:

12 Und der HERR redete mit Mose und sprach:

13 Sage den Israeliten: Haltet meinen Sabbat; denn er ist ein Zeichen zwischen mir und euch von Geschlecht zu Geschlecht, damit ihr erkennt, dass ich der HERR bin, der euch heiligt.

14 Darum haltet meinen Sabbat, denn er soll euch heilig sein. Wer ihn entheiligt, der soll des Todes sterben.

15 Sechs Tage soll man arbeiten, aber am siebenten Tag ist Sabbat, völlige Ruhe, heilig dem HERRN.

17 Er ist ein ewiges Zeichen zwischen mir und den Israeliten. Denn in sechs Tagen machte der HERR Himmel und Erde, aber am siebenten Tage ruhte er und erquickte sich.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir singen aus dem Lied 513 die ungeraden Strophen 1, 3, 5 und 7. Es ist das einzige Lied in unserem evangelischen Gesangbuch, in dem der Sabbat als Freudenfest am Ende der Zeiten vorkommt. Zugleich ist es ein Erntedanklied, das wir auch an einem Sonntag singen können, an dem der Altar nicht mit Erntegaben geschmückt ist:

1. Das Feld ist weiß; vor ihrem Schöpfer neigen die Ähren sich, ihm Ehre zu bezeigen. Sie rufen: »Kommet, lasst die Sicheln klingen, vergesst auch nicht, das Lob des Herrn zu singen!«

3. Wenn du, Herr, sprichst dein göttliches »Es werde«, füllt sich mit reichen Gaben bald die Erde. Wenn du dich abkehrst, müssen wir mit Beben in Staub uns wandeln, können wir nicht leben.

5. Wir wollen kindlich zu Gott Hoffnung hegen und auch den Armen spenden von dem Segen; gab er uns wenig, uns dabei bescheiden, gab er uns reichlich, unnütz nichts vergeuden.

7. Am End nimm, Jesu, in die Himmelsscheuern auch unsre Seelen, Sabbat dort zu feiern. Die hier mit Tränen streuen edlen Samen, werden mit Freuden droben ernten. Amen.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, wer bei der Schriftlesung aufgepasst hat, ist vielleicht erschrocken. Wird die Entweihung des Sabbats im alten Israel wirklich mit dem Tod bestraft? Das steht in der Tat so in der Bibel der Juden, die ja auch ein Teil unserer Bibel geworden und geblieben ist. Zwar ist eine solche Todesstrafe unter rechtlich einwandfreien Bedingungen kaum tatsächlich vollstreckt worden, denn bereits im Alten Testament gab es für einen reumütigen Übertreter des Gesetzes Vergebung und Sühne, später überließen die jüdischen Rabbinen das letzte Urteil lieber Gott, aus Scheu vor Fehlurteilen, und im modernen Staat Israel gibt es die Todesstrafe nicht.

Auf jeden Fall nimmt Gottes Wort das Feiertagsgebot außerordentlich ernst: seine Übertretung hat genau so tödliche Folgen wie Mord und Totschlag, wie Ehebruch und Unzucht, wie Geisterbeschwörung und Gotteslästerung. Eigentumsdelikte dagegen, nur mal zum Vergleich, galten in Israel nicht als todeswürdige Verbrechen.

Schon diese Liste zeigt, wie sehr sich unser Rechtsempfinden von dem des Alten Testaments unterscheidet. Zwar sind für uns nach wie vor Mord und Totschlag schlimme Verbrechen. Aber ein Ehebruch geht heute den Strafrichter nichts mehr an, und ob Gotteslästerung überhaupt (und wenn ja, wie hart) bestraft werden soll, ist politisch gerade in der Diskussion. Bei uns wird Diebstahl und Steuerhinterziehung jedenfalls härter bestraft als die Übertretung der Feiertagsruhe.

Warum war in der Bibel das Sabbatgebot so wichtig? Das wurde schon vor 2000 Jahren von Außenstehenden nicht verstanden. Die Juden waren das erste Volk, das einen arbeitsfreien Tag in jeder Woche einführte. Für den römischen Dichter Juvenal galten die Juden wegen ihres Sabbats als faul, der römische Philosoph Seneca begriff nicht, dass die Juden durch ihren Sabbat ein Siebtel ihres Lebens vergeudeten.

Solche Argumente kehren heute in neuem Gewand wieder. Maschinen dürfen am Sonntag nicht stehen bleiben. Das wäre unrentabel. Einkaufszentren müssen auch sonntags offen haben, denn der Rubel soll ungebremst rollen können, möglichst rund um die Uhr.

Genau an dieser Stelle setzt das Sabbatgebot an. Es ist von Anfang an ein Gebot der Freiheit. Mensch und Tier dürfen nicht ohne Unterbrechung ausgebeutet werden und sollen sich auch nicht selber kaputt arbeiten. Es muss Zeit geben, um mit einem Gedicht des Dichters Goethe „zufrieden jauchzen“ zu können: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein!“

Selbst von Gott hörten wir eben in der Lesung: „am siebenten Tage ruhte er und erquickte sich“. Was Luther mit „erquicken“ übersetzt, gibt die katholische Einheitsübersetzung mit „aufatmen“ wieder. Im Urtext steht wörtlich „beseelen“, „beleben“. Der Sabbat ist lebensnotwendig; wenn selbst Gott ihn für sich selber schafft, um sich nach getaner Arbeit zu beseelen, wie viel mehr brauchen wir Menschen diese Zeit außerhalb jedes Zwanges, jeder Tretmühle, um wirklich zu spüren, dass wir leben und wozu wir eigentlich auf der Welt sind! Nicht für die Arbeit leben wir, sondern unser Leben hat seinen Zweck in sich selbst. Genauer gesagt: wir leben als kostbare Menschen auf dieser Erde, weil wir geliebt sind. Und dieses Leben ist nur dann voller Sinn, wenn wir dieses Leben auch anderen Menschen gönnen und ermöglichen, wenn wir Liebe auch denen geben, die uns anvertraut sind.

Im Volk Israel wusste man sehr gut, dass ein Leben in solcher Freiheit ohne Ausbeutung und Unrecht immer bedroht ist. Vielen Menschen ist es überhaupt nicht vergönnt. Die Feier des Sabbats war daher immer auch Symbol der Hoffnung auf das, was immer wieder verloren wurde, was noch kommen sollte. Mit jeder Sabbatfeier hoffte Israel auf das große Sabbatfest am Ende aller Tage, auf die Herstellung eines Friedens, den es bisher noch nicht gab. Im Grunde ist Gottes Schöpfung immer noch im Gange; sie ist erst vollendet, wenn kein Zwangsarbeiter mehr ausgebeutet, keine Frau mehr zur Prostitution gezwungen, kein Kind mehr missbraucht wird. Verstehen wir jetzt, warum der Sabbat im jüdischen Volk so wichtig genommen wurde? Er war der Tag der Freiheit, des wahren Menschseins, des Aufatmens; als Zeichen der Hoffnung nahm er vorweg, was preisgegeben würde, wenn jeder Tag ein Alltag wie jeder andere wäre.

Nun kommen wir zu Jesus. Er geriet immer wieder in Konflikt mit strenggläubigen Menschen seines Volkes, weil er angeblich den Sabbat entweihte. Wie stand Jesus zum Feiertagsgebot?

Dazu hören wir aus dem Evangelium nach Markus 2, 23-28:

23 Und es begab sich, dass er am Sabbat durch ein Kornfeld ging, und seine Jünger fingen an, während sie gingen, Ähren auszuraufen.

24 Und die Pharisäer sprachen zu ihm: Sieh doch! Warum tun deine Jünger am Sabbat, was nicht erlaubt ist?

25 Und er sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren:

26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren?

27 Und er sprach zu ihnen: Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.

28 So ist der Menschensohn ein Herr auch über den Sabbat.

Was will Jesus? Er will den kostbaren Ruhetag gewiss nicht abschaffen. Aber in seinen Augen macht man aus dem Tag der Freiheit einen Tag der Unfreiheit, wenn man pedantisch darauf lauert, ob irgend jemand an diesem Tag auch nur die kleinste Arbeit leistet. Der Sabbat war schließlich geschaffen worden, damit der Mensch nicht unter die Arbeit versklavt wird. Das Sabbatgebot würde ins Gegenteil verkehrt, wenn es zu einem Zwang wird, das den Menschen ihre Würde, ihre Freiheit, ihr Menschsein nimmt. Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.

So weit, so gut. Aber was will der Evangelist Markus uns mit all den Einzelheiten sagen über das Ausraufen der Ähren und über den König David?

Etwas erzählt Markus übrigens nicht, was die Evangelisten Matthäus und Lukas ergänzen: Matthäus 12, 1 sagt, dass die Jünger Hunger hatten, Lukas 6, 1 erwähnt, dass sie die Körner zwischen den Fingern zerrieben, um sie zu essen. Davon ist bei Markus nicht die Rede.

Markus formuliert wörtlich: „die Jünger fingen an, einen Weg zu machen, indem sie Ähren ausrissen“. Einen Weg machen, das gleiche Wort kommt in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments nur zwei Mal vor. Einmal im Psalm 68, den wir am Anfang gebetet haben, da hieß es (Psalm 68, 5):

Macht Bahn dem, der durch die Wüste einherfährt.

Also, macht einen Weg für den Gott, der den Einsamen ein Zuhause gibt, der die Gefangenen befreit, der aus der Wüste einen bewässerten Garten macht. Und dann kommt das Wort noch einmal vor im Prophetenbuch Jesaja 62, da verspricht Gott den nach Babylon verbannten Juden, dass sie wieder im eigenen Land die Ernte werden einbringen können:

8 Der HERR hat geschworen bei seiner Rechten und bei seinem starken Arm: Ich will dein Getreide nicht mehr deinen Feinden zu essen geben noch deinen Wein, mit dem du so viel Arbeit hattest, die Fremden trinken lassen,

9 sondern die es einsammeln, sollen’s auch essen und den HERRN rühmen, und die ihn einbringen, sollen ihn trinken in den Vorhöfen meines Heiligtums.

10 Gehet ein, gehet ein durch die Tore! Bereitet dem Volk den Weg! Machet Bahn, machet Bahn, räumt die Steine hinweg! Richtet ein Zeichen auf für die Völker!

Hier soll ein Weg gemacht werden für das Volk, damit es zurückkehren kann ins Land der Freiheit.

Der Evangelist Markus spielt auf diese Bibelstellen an, indem er die Sabbatfeier der Jünger Jesu wie die fröhliche Einbringung einer Ernte ausmalt. Sie ziehen an den Sabbaten mit Jesus durch die Felder und bahnen ihm den Weg durch das Saatland, als ob schon Erntezeit wäre, Zeit für den letzten Sabbat am Ende der Zeiten. Sie trauen es ihm zu: Er wird dem unter den Römern wieder in Unfreiheit lebenden Volk Israel den Weg zur Freiheit bahnen! Und nicht nur den Juden allein; als der auferstandene Gottessohn bringt Jesus Juden und Menschen aller Völker zu einer friedlichen Gemeinschaft unter Gottes Wort zusammen. So bricht mit Jesus die Zeit an, in der die Schöpfung zur Vollendung kommt, in der auch die Hungernden dieser Welt satt werden, Ruhe finden und fröhlich Erntedankfest feiern können.

Als Jesu Gegner ihn fragen, warum seine Jünger am Sabbat etwas Unerlaubtes tun, da erinnert er an den König David: „Habt ihr nie gelesen, was David tat, als er in Not war und ihn hungerte, ihn und die bei ihm waren?“ Allerdings erzählt er die Geschichte aus dem Alten Testament ein wenig anders, als sie dort steht. In 1. Samuel 21 heißt es nämlich:

2 Als David nach Nob kam zum Priester Ahimelech, [fragte er ihn:]

4 Hast du nun etwas bei der Hand, etwa fünf Brote, oder was sonst vorhanden ist, das gib mir in meine Hand.

5 Der Priester antwortete David: Ich habe kein gewöhnliches Brot bei der Hand, sondern nur heiliges Brot; nur müssen die Leute sich der Frauen enthalten haben.

6 David antwortete dem Priester: Sicher, Frauen waren uns schon etliche Tage verwehrt. Als ich auszog, war der Leib der Leute nicht unrein, obgleich es nur um ein gewöhnliches Vorhaben ging; um wieviel mehr werden sie heute am Leibe rein sein.

7 Da gab ihm der Priester von dem heiligen Brot, weil kein anderes da war als die Schaubrote, die man vor dem HERRN nur hinwegnimmt, um frisches Brot aufzulegen an dem Tage, an dem man das andere wegnimmt.

Da bekommt König David als Bittsteller von dem Priester Ahimelech heilige Brote für sich und seine Leute zum Essen. Vorher muss er nachweisen, dass seine Leute nach den Vorschriften der Weisung Gottes nicht unrein sind.

Jesus formt die Erzählung um. Er erzählt (Markus 2) von David,

26 wie er ging in das Haus Gottes zur Zeit Abjatars, des Hohenpriesters, und aß die Schaubrote, die niemand essen darf als die Priester, und gab sie auch denen, die bei ihm waren.

Warum Jesus statt des Priesters Ahimelech den Namen eines anderen Priesters erwähnt, das zu erklären, würde hier zu weit führen. Wichtig ist: Hier geht David selber in das Haus Gottes hinein. Er isst von dem heiligen Brot, als sei er selbst ein Priester. Er nimmt und gibt aus eigener Vollmacht. Offenbar spricht Jesus nicht von dem König David, wie er in Israel regiert hatte, sondern vom Davidssohn der Zukunft, vom Messias, der kommen soll am Ende der Zeiten. Was Jesus erzählt, läuft also auf dasselbe hinaus wie der Weg, den seine Jünger durch das Ährenausraufen machen: Dieser David, dieser Messias, ist Jesus selbst. Er hat das Recht, Grenzen zu überschreiten, selbst wenn es Grenzen des geltenden Rechtes sind; denn er tut das nicht willkürlich, nicht um das Recht und Gesetz Gottes aufzuheben, sondern um das Wort und die Weisung Gottes erst wirklich zur Geltung zu bringen.

Wozu ist der Sabbat da? Er soll Leben und Freiheit bringen, er soll Menschen aufatmen lassen von all ihren Belastungen. Darum überschreitet der Messias Grenzen, er gibt den Bedürftigen, was sie brauchen. Mit leerem Magen kann man nicht zur Ruhe kommen und fröhlich Sabbat feiern. Jesus ist ein Messiaskönig, der das weiß. Er hat selber auch Hunger, ist oft genug ohne Obdach, er ist auf einer Augenhöhe mit denen, für die sich viel ändern muss, damit sie in menschenwürdigen Verhältnissen leben können.

Am Ende spricht Jesus nicht nur vom Davidssohn, sondern vom Menschensohn. Er ist der Messias Israels und erfüllt die Hoffnungen seines Volkes, und zugleich ist er der Sohn der ganzen Menschheit, Sohn Adams, wie es in der Sprache Jesu heißt. Jesus, der Menschensohn, ist Herr auch über den Sabbat.

Ich verstehe das so: Wer Jesus als dem Herrn nachfolgen will, der bekommt von ihm in gewisser Weise auch den Sabbat geschenkt. Wir Christen feiern ihn zwar nicht wie die Juden am Samstag, sondern an dem Tag, an dem Jesus auferstanden ist. Aber unseren Sonntag dürfen wir doch so feiern, wie der Sabbat ursprünglich gemeint war: als einen Tag der Freiheit und der Hoffnung.

Der Sonntag als Tag der Freiheit: ja, vielleicht ist so ein Sonntag wie heute ein Stück Aufatmen, das wir uns gönnen. Vielleicht erleben Sie ja gerade jetzt den Gottesdienst als das Geschenk einer kleinen Insel der Ruhe. Wer sich das nicht vorstellen kann, wie wichtig diese Ruhe für den einen oder die andere ist, der sollte wenigstens Respekt davor haben und die eigene Unruhe innen in sich drin behalten, statt den Gottesdienst zu stören.

Der Sonntag als Tag der Hoffnung: Viele kommen vor lauter stressigen Anforderungen auch in der Freizeit kaum zur Ruhe, sehnen sich aber danach. Freiheit, menschenwürdiges Leben, ohne sich ständig Sorgen machen zu müssen, das erhoffen wir für alle Menschen. Um an diesem Ziel mitzuwirken, bitten wir Gott, dass er uns auf Wege mitnimmt, wie sie damals die Jünger gegangen sind. Ich meine nicht, dass wir es ihnen wörtlich genommen nachmachen sollten: dafür hätte wohl heute kein Landwirt Verständnis, wenn wir durch die Äcker laufen und Ähren abreißen würden. Nein, es geht um den Weg, den wir miteinander in unserer Gemeinde, in unserem Stadtteil, in unserer Menschenwelt gehen: dass wir auf diesem Weg menschlich miteinander umgehen, dass wir unseren Stadtteil auch in Zukunft sozial gestalten, dass wir in der Kirche voller Gottvertrauen und im Einklang miteinander nach Gottes Willen fragen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 424: Deine Hände, großer Gott, halten unsre liebe Erde

Unsere Fürbitten bringen wir vor Gott, zu dem wir gemeinsam rufen: „Wir bitten dich, erhöre uns.“

Für die vielen, die unter ihrem aufreibenden Arbeitsalltag leiden und zu wenig Anerkennung finden, rufen wir zu dir: „Wir bitten dich, erhöre uns.“

Für Menschen, die durch Streiks für ihr Recht kämpfen, dass sie es mit Augenmaß tun, für die vielen Menschen, die keinen gerechten Lohn erhalten, für alle, die Arbeit suchen, rufen wir zu dir: „Wir bitten dich, erhöre uns.“

Für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, für die verantwortlichen Politiker und Politikerinnen, für alle, die an einer handlungsfähigen, demokratischen Gemeinschaft arbeiten, rufen wir zu dir: „Wir bitten dich, erhöre uns.“

Für die Opfer von Terroranschlägen und Kriegshandlungen; für alle, die Leidenswege anderer Menschen mitgehen, sie trösten und begleiten, rufen wir zu dir: „Wir bitten dich, erhöre uns.“

Für die Erhaltung unserer Feiertage als gemeinsamer Tage der Erholung, des Aufatmens und des Innehaltens, dass sie nicht dem wirtschaftlichen Zweckdenken geopfert werden, rufen wir zu dir: „Wir bitten dich, erhöre uns.“

Für das Aufatmen unserer ganzen Lebenswelt auf der Erde, dass die Umwelt bewahrt bleibe vor noch größerer Zerstörung und dass du sie am siebten Tag mit Freude und Ruhe anblicken kannst, rufen wir zu dir: „Wir bitten dich, erhöre uns.“

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir noch auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser
Lied 171: Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott
Abkündigungen

Bevor wir das Nachspiel hören und im Saal vielleicht noch ein wenig beim Kirchencafé zusammensitzen, empfangen Sie Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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