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Kleiner Kämpfer im Engelheer

Trauerfeier für ein tot geborenes Kind, um das die Mutter und der Vater auf ihre verschiedene Art und Weise trauern. Ich gehe darauf ein, indem ich an Bilder der biblischen Überlieferung erinnere.

Kleiner Kämpfer im Engelheer: Ein in japanischer Art gezeichneter Junge als Samurai-Kämpfer mit umgeschnalltem Schwert
Ein kleiner Junge als Samurai-Kämpfer (Bild: OpenClipart-VectorsPixabay)

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Frau A., lieber Herr Z., liebe Trauergemeinde!

Wir sind hier zusammengekommen, weil ein Kind bei seiner Geburt gestorben ist. Wir nehmen Abschied von B. und wollen ihn gemeinsam auf diesem Friedhof bestatten.

Wir hören Trostworte aus dem Buch Jesaja 43:

1 Und nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat…: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

3 Ich bin der HERR, dein Gott,

4 du [bist] in meinen Augen so wert geachtet … und ich [habe] dich lieb.

5 So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.

Liebe Gemeinde!

Wenn wir sonst hier auf dem Friedhof von einem Menschen Abschied nehmen, dann erinnern wir uns an sein Leben. Heute trauern wir um ein Kind, dem es verwehrt blieb, überhaupt sein Leben antreten zu dürfen. B. hat das Licht der Welt nicht erblickt.

Aber für die Mutter und für den Vater gibt es trotzdem Erinnerungen. Immerhin ist der Kleine gemeinsam mit dem Zwillingsbruder C. 32 Wochen lang im Bauch der Mutter herangewachsen, und der Vater hat gemeinsam mit seiner Frau diese Zeit miterlebt. Beide haben die Geburt gesunder Kinder erhofft, nachdem einmal klar war, dass es Zwillinge werden würden und dass die große Schwester gleich zwei Brüder bekommen sollte. Die beiden Brüder hätten auch nicht einfach gleich ausgesehen, der B. wäre vom Aussehen her mehr nach der Mutter und seiner Schwester gekommen, und der C. ist seinem Vater ähnlicher.

Was bleibt ihnen von B. außer diesen wenigen Erinnerungen? Zwei Fotos wurden von ihm gemacht, und Fußabdrücke haben Sie von ihm, zum Zeichen, dass auch B. schon Spuren in dieser Welt hinterlassen hat. Seine Eltern haben sich auf ihn gefreut und trauern jetzt um ihn. Und wenn ein Elternpaar in einem Kreis von Freunden und Verwandten lebt, der Anteil nimmt an Freud und Leid, dann ist eine ganze Reihe von Menschen davon betroffen, wenn eine Geburt nicht so glücklich verläuft, wie man es erhofft. Jedenfalls sind Sie nicht allein beim Abschied von B.; Verwandte und Freunde begleiten Sie auf dem Weg zu dem kleinen Kindergrab.

Wer oder was kann uns trösten auf diesem Weg? In der Bibel sagt Gott einmal selber durch den Mund des Propheten Jesaja 66, 13:

Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.

Das heißt: Gott nimmt nicht einfach die Trauer weg; Trost besteht nicht in der Verleugnung der Realität. Sondern wie eine Mutter ihre Kinder in den Arm nimmt, damit sie weinen können und dabei nicht allein sind, so umgibt uns Gott mit seiner Liebe wie mit einem warmen Mantel und lässt uns nicht allein mit dem, was auf unserer Seele liegt.

Die Skulptur „Geborgen“, die von Heide Theiß gestaltet wurde und auf unserem Friedhof in der Nähe der Kindergräber steht, lässt etwas von diesem mütterlichen Trost ahnen, mit dem Gott uns in unserer Trauer umgibt.

Was außerdem tröstlich ist, davon haben Sie als Mutter mir erzählt, liebe Frau A.: Sie haben B. angezogen und geben ihm mit auf den Weg: ein Kuscheltier, eine Spieluhr und ein Bild, das seine Schwester gemalt hat. Die Liebe der ganzen Familie soll ihn begleiten auf dem Weg in die andere Welt, die er so viel früher erreicht als andere Menschen.

Ihnen als Vater, lieber Herr Z., ist noch etwas anderes wichtig. Sie interessieren sich für die Tradition der japanischen Samurai-Kämpfer und ihre Tugenden, die man Bushi-Do nennt, den „Weg des Kriegers“. Für unsere europäisch-christlich geprägten Ohren klingt das ungewöhnlich, denn hat nicht Jesus die Feindesliebe gepredigt statt kriegerischer Künste? Aber einerseits haben sich weder Staat noch Kirche in Europa nach Jesu Feindesliebe gerichtet, und andererseits betrachtet ja gerade die japanische Kampfkunst der Gegner nicht als Feind, sondern als Freund, der es einem ermöglicht, die eigenen Fähigkeiten zu erproben. Die sieben Tugenden eines Kämpfers: Ehrlichkeit, Mut, Mitgefühl, Höflichkeit, Ehrhaftigkeit, Aufrichtigkeit und Loyalität – sie erinnern mich an die europäische Ritterlichkeit, das sind Haltungen, die ein Vater durch Vorbild und Erziehung gern an seinen Sohn weitergibt.

Sie trauern heute auch um das, was Sie diesem Sohn nicht konkret hier in diesem Leben weitergeben können. Und Sie hoffen, dass der kleine B. auf eine andere Art, wie Gott es will, zur Erfüllung seines Lebens findet.

In der jüdisch-christlichen Tradition, also im Alten Testament unserer Bibel, ist oft von Gott als dem Herrn der Heerscharen die Rede, womit der von seinen starken Engeln umgebene Gott gemeint ist, der auf seine Weise Rache übt, um Opfern von Demütigung und Gewalt ihr Recht zu verschaffen. Wenn es zum Beispiel beim Propheten Maleachi 3, 1 heißt:

Der Engel des Bundes, den ihr begehrt, siehe, er kommt! spricht der HERR Zebaoth

– dann muss man sich die Engel im Himmel nicht unbedingt alle als liebliche und sanfte harfenschwingende Wesen vorstellen, sondern man kann an durchaus kämpferische Engel denken, die eine wichtige Rolle im Kampf gegen das Böse spielen. So übrigens auch der Erzengel Michael im Kampf gegen den siebenköpfigen Drachen, von dem Johannes in seiner Offenbarung 12, 7 zu erzählen weiß:

Und es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen.

Wer weiß, vielleicht darf auch der kleine B. zum Engelheer des Himmels gehören und lernt dort, auf dem Weg des Kämpfers gegen das Böse zu gehen. Amen.

Gott des mütterlichen Trostes, Herr der Heerscharen und Herr über Leben und Tod. Du siehst, wie traurig wir sind über den Tod des kleinen B. Wir hätten gewünscht, dass er groß wird und seiner Mutter Freude macht und seinem Vater Ehre. Doch so sollte es nicht sein. Wir müssen ihn loslassen in deine Hände. Begleite uns in unserer Trauer und lass uns offen sein für die Herausforderungen des Lebens. Lass uns nie vergessen, wie kostbar das Leben ist und dass wir auf dieser Erde leben, um Liebe zu empfangen und zu geben. Amen.

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