Bild: Helmut Schütz

„Der Tod ist verschlungen vom Sieg“

Nach unserem Tod dürfen wir unverwesliches, unvorstellbar anderes Leben erwarten, Leben in ewigem Frieden, in unzerstörbarer Erfülltheit. Und schon vor unserem Tod dürfen wir uns verwandeln, weil Jesus die Sünde besiegt hat: Statt in Gleichgültigkeit oder Hass oder zerfressen von Vorurteilen zu leben, dürfen wir Liebe leben, eine Haltung des unverdorbenen Einstehens füreinander, einfach weil alle Menschen Kinder Gottes sind.

Bläserkreis bei der Osterandacht 2012 unter der Leitung von Alfred Joswig
Bläserkreis bei der Osterandacht 2012 unter der Leitung von Alfred Joswig

Osterandacht am Ostersonntag, 8. April 2012, 8.00 Uhr am Steinkreuz auf dem Friedhof Gießen
Vorspiel Bläserkreis

„Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!“ Wie in jedem Jahr grüßen wir uns so auch im Jahr 2012 auf dem Neuen Friedhof in Gießen mit dem Ostergruß. Wie in jedem Jahr bin ich dankbar, dass es Herrn Alfred Joswig wieder gelungen ist, einen kleinen Bläserkreis zusammenzutrommeln, der diese Andacht musikalisch umrahmt und unseren Gesang begleitet. Ihnen allen sage ich einen herzlichen Dank!

Und nun beginnen wir unsere Osterfeier im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. (1. Johannes 5, 4b)

Der Tod ist verschlungen vom Sieg. (1. Korinther 15, 54)

Eine durchbohrte Hand, die ein Siegeszeichen macht, vor bewölktem Himmel und dem Schriftzug "opfer?"
Das Motiv stammt von dem Künstler Ralf Kopp, der mir die Veröffentlichung auf der Bibelwelt ausdrücklich gestattet hat.

Unsere heutige Osterfeier habe ich unter das Thema „Sieg“ gestellt. Dazu habe ich mich anregen lassen von der Karfreitagskampagne unserer Landeskirche, die mit großen Bannern und Plakaten auf den Sinn der stillen Feiertage vor Ostern hingewiesen haben. Abgebildet war eine zum Siegeszeichen erhobene, aber durchbohrte Hand, die an die ans Kreuz genagelte Hand Jesu erinnern sollte. Auf dem Plakat stand außerdem das Wort „Opfer“ mit einem Fragezeichen.

Ist der Gekreuzigte ein Opfer oder ein Sieger? Oder vielleicht sogar beides in einem? Am Karfreitag war es nicht einmal für die eigenen Jünger Jesu zu erkennen, dass dieser Tod einen Sieg darstellen sollte. Heute ist der Tag, an dem wir klar und deutlich vom Sieg über den Tod reden dürfen.

Wir tun dies, indem wir zunächst aus dem Lied 113 die Strophen 1 bis 3 singen:

1. O Tod, wo ist dein Stachel nun? Wo ist dein Sieg, o Hölle? Was kann uns jetzt der Teufel tun, wie grausam er sich stelle? Gott sei gedankt, der uns den Sieg so herrlich hat nach diesem Krieg durch Jesus Christ gegeben!

2. Wie sträubte sich die alte Schlang, da Christus mit ihr kämpfte! Mit List und Macht sie auf ihn drang, und dennoch er sie dämpfte. Ob sie ihn in die Ferse sticht, so sieget sie doch darum nicht, der Kopf ist ihr zertreten.

3. Lebendig Christus kommt herfür, die Feind nimmt er gefangen, zerbricht der Hölle Schloss und Tür, trägt weg den Raub mit Prangen. Nichts ist, das in dem Siegeslauf den starken Held kann halten auf, alls liegt da überwunden.

Die Ostergemeinde am Steinkreuz auf dem Neuen Friedhof GießenLiebe Ostergemeinde hier am Steinkreuz, der Tod hat keinen Stachel mehr, so haben wir den Tod verspottet. Wenn wir jung wären und so drauf wie manche Jugendliche auf den Schulhöfen, würden wir vielleicht zum Tod verächtlich „Du Opfer!“ sagen. Einen erbitterten Kampf spiegelt unser Osterlied wider, geradezu einen Krieg zwischen Tod, Hölle und Teufel auf der einen Seite und Jesus Christus auf der anderen. Die alte Schlange der bösen Einflüsterung, die wir aus der Geschichte vom verlorenen Paradies kennen, setzt Hinterlist und ihren Giftstachel ein; Jesus ist gegen ihr Gift immun, das darin besteht, Zweifel an Gottes Güte in die Herzen der Menschen zu säen. Dass er der Schlange den Kopf zertritt, klingt grausam, bringt aber in bildlicher Sprache die Überlegenheit des Menschen über die Macht des Bösen zum Ausdruck, wenn er sich von den Scheinargumenten des Bösen gegen Gottes Güte nicht beeindrucken lässt. Die Sünde als Verneinung der Liebe Gottes, das Böse als Nein zu den guten Geboten für ein menschliches Zusammenleben, sie werden dem Menschen nur dann gefährlich, wenn er sie auf Augenhöhe mit dem Guten kommen lässt, als gäbe es eine legitime Wahl zwischen Gut und Böse und als wäre die Sünde halb so schlimm. Dass die Schlange, wieder bildlich gesprochen, dazu fähig ist, Jesus in die Ferse zu stechen, ja, ihn zu töten, das wird am Kreuz in seiner ganzen Tragweite deutlich. Doch gerade indem Jesus sich stechen, foltern, töten lässt, aus Liebe zu Freunden und Feinden, zertritt er endgültig die Macht der Schlange mit ihrem Einspruch gegen Gott: Sollte Gott euch alles verbieten, euch das wirkliche Leben vorenthalten?

Auch die Strophen 4 und 5 singen wir aus dem Lied 113:

4. Des Herren Rechte, die behält den Sieg und ist erhöhet; des Herren Rechte mächtig fällt, was ihr entgegenstehet. Tod, Teufel, Höll und alle Feind durch Christi Sieg bezwungen seind, ihr Zorn ist kraftlos worden.

5. Es war getötet Jesus Christ, und sieh, er lebet wieder. Weil nun das Haupt erstanden ist, stehn wir auch auf, die Glieder. So jemand Christi Worten glaubt, im Tod und Grabe der nicht bleibt; er lebt, ob er gleich stirbet.

Das Lied, das wir gesungen haben, geht auf Worte des Apostels Paulus zurück, die wir jetzt hören. Sie stehen in 1. Korinther 15, 50-58:

50 Das sage ich aber, liebe Geschwister, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.

51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden;

52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden.

53 Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.

54 Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht: »Der Tod ist verschlungen vom Sieg.

55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?«

56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz.

57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!

58 Darum, meine lieben Geschwister, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.

Den Worten des Pfarrers wird aufmerksam zugehört
Den Worten des Pfarrers wird aufmerksam zugehört

Verständlich wird, was Paulus sagt, wenn wir den Doppelsinn des Wortes „Tod“ bedenken. Wo Paulus vom Stachel des Todes spricht, meint er die Macht der alten Schlange, von der bereits die Rede war. Wenn Paulus sagt, „dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können“, dann meint er unsere gefährdete, vergängliche Existenz: Wollen wir uns in ihr behaupten, koste es, was es wolle, sogar zu Lasten anderer Menschen und der Liebe, dann bleibt uns das Himmelreich Gottes verschlossen, das mit seiner Barmherzigkeit, mit Jesu Liebe, mitten unter uns anbricht. Was Martin Luther mit „Verweslichkeit“ und „Unverweslichkeit“ ins Deutsche übersetzt, heißt wörtlich „Verdorbenheit“ und „Unverdorbenheit“. Was unter uns durch Sünde, also Misstrauen, Selbstsucht, Lüge, Korruption verdorben ist, ist nicht aufnahmefähig für die Unverdorbenheit der Liebe, der Hoffnung, des Gottvertrauens, aus denen Gottes Himmel besteht. Es sei denn, Gott zerstört die Macht dieser Verdorbenheit und öffnet uns den Weg zur Unverdorbenheit.

Von einem Geheimnis redet Paulus, das viele nicht begreifen. Wenn er sagt: „Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune“, dann denken viele: damit hat Paulus nicht Recht behalten. Das Ende der Welt mit Posaunenklang und Weltgericht ist doch nicht zu seinen Lebzeiten angebrochen.

Ich denke, Paulus meint etwas anderes: Er lässt offen, ob die Posaune nach unserem Tod erschallt oder auch schon mitten in unserem Leben. In Israel riefen Posaunen das Volk zusammen, wenn es um Entscheidendes ging, zum Beispiel die Verpflichtung auf die Gebote Gottes. Unsere Kirchen rufen mit Glocken zum Gottesdienst oder zum Tageszeitengebet; ist damit nicht ein Ruf gemeint, mitten in unserem Leben aufzustehen vom Tod der Verdorbenheit und uns verwandeln zu lassen durch Vergebung, so dass wir ein unverdorbenes Leben führen? „Denn dies Verdorbene muss anziehen die Unverdorbenheit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit.“ Beides ist gemeint: Nach unserem Tod dürfen wir ein unverwesliches, völlig unvorstellbar anderes Leben erwarten, ein Leben in ewigem Frieden, in unzerstörbarer Erfülltheit. Und auch schon vor unserem Tod dürfen wir uns selber verwandeln, weil Jesus die Sünde besiegt hat: Statt Gott zu misstrauen dürfen wir im Gottvertrauen leben. Statt zu verzweifeln und unsere Welt den Zerstörungsmächten zu überlassen, dürfen wir in Hoffnung leben und in kleinen Schritten an der Verwirklichung von Gerechtigkeit und Frieden arbeiten. Statt in Gleichgültigkeit oder Hass oder zerfressen von Vorurteilen zu leben, dürfen wir Liebe leben, eine Haltung des unverdorbenen Einstehens füreinander, einfach weil alle Menschen Kinder Gottes sind.

Versammelte Gemeinde unter blauem Himmel am Steinkreuz auf dem Friedhof
Versammelte Gemeinde unter blauem Himmel am Steinkreuz auf dem Friedhof in Gießen

Wir singen aus dem Lied 101 die Strophen 1 bis 4:

1. Christ lag in Todesbanden, für unsre Sünd gegeben, der ist wieder erstanden und hat uns bracht das Leben. Des wir sollen fröhlich sein, Gott loben und dankbar sein und singen Halleluja. Halleluja.

2. Den Tod niemand zwingen konnt bei allen Menschenkindern; das macht alles unsre Sünd, kein Unschuld war zu finden. Davon kam der Tod so bald und nahm über uns Gewalt, hielt uns in seim Reich gefangen. Halleluja.

3. Jesus Christus, Gottes Sohn, an unser Statt ist kommen und hat die Sünd abgetan, damit dem Tod genommen all sein Recht und sein Gewalt; da bleibt nichts denn Tods Gestalt, den Stachel hat er verloren. Halleluja.

4. Es war ein wunderlich Krieg, da Tod und Leben ′rungen; das Leben behielt den Sieg, es hat den Tod verschlungen. Die Schrift hat verkündet das, wie ein Tod den andern fraß, ein Spott aus dem Tod ist worden. Halleluja.

In diesem Lied verspottet Martin Luther den Tod. Ein Tod frisst den anderen, der Tod wird zum Spott, zu einem lächerlichen Opfer, wie unsere Jugendlichen in diesem Fall sogar mit Recht sagen dürften. Luther zitiert in seinem Lied ein Lied, das schon Paulus zitiert hat: „Der Tod ist verschlungen vom Sieg. Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?“ Damit zitiert Paulus zwei Worte im Alten Testament.

Das eine steht im Buch Jesaja 25, 8 – vor zwei Jahren stand es im Mittelpunkt dieser Osterandacht:

„Er wird den Tod verschlingen auf ewig.“

Dieser Vers kann auch so gelesen werden, wie Paulus es getan hat: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg.“ Bereits das Volk Israel freute sich, dass Gott die Todesmächte der Ungerechtigkeit und Sklaverei besiegte und dem Volk Freiheit und Frieden schenkte.

Das andere Wort steht im Buch Hosea 13, 14. Auch dort wird dem Volk Israel Befreiung zugesagt:

„Ich will sie aus dem Totenreich erlösen und vom Tode erretten, Tod, ich will dir ein Gift sein; Totenreich, ich will dir eine Pest sein…“

In der katholischen Einheitsübersetzung steht hier: „Unterwelt, wo ist dein Stachel?“ Neu bei Paulus ist, dass er sagt: „Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz.“ Der Tod ist dann schlimm, wenn er unser Leben mit Bitterkeit und Selbstsucht, mit Sinnlosigkeit und Unfrieden vergiftet.

Durch das Gesetz Gottes, seine Tora, seine Wegweisung erkenne ich, was Sünde ist, aber ich kann sie aus eigener Kraft nicht überwinden. Gott muss selber die Macht der Sünde brechen, muss mir Vergebung schenken, muss in mir Vertrauen zu ihm wachsen lassen, mich zur Hoffnung und Liebe fähig machen. Das alles schenkt uns Gott, indem er Jesus aus dem Tode erweckt.

Darum jubelt Paulus: „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!“ Obwohl wir alle auf unseren leiblichen Tod zugehen, wird es nicht endgültig vom Tod verschlungen, sondern umgekehrt, der Tod bleibt verschlungen vom Sieg, den Jesus errungen hat. Darum bekräftigt Paulus, wie dankbar wir für uns kostbares und sinnvolles Leben sein können: „Darum, meine lieben Geschwister, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.“ Amen.

Der Bläserkreis vor dem Steinkreuz auf dem Friedhof am Rodtberg in Gießen
Der Bläserkreis vor dem Steinkreuz auf dem Friedhof am Rodtberg in Gießen

Wir singen das Lied 108:

1. Mit Freuden zart zu dieser Fahrt lasst uns zugleich fröhlich singen, beid, groß und klein, von Herzen rein mit hellem Ton frei erklingen. Das ewig Heil wird uns zuteil, denn Jesus Christ erstanden ist, welchs er lässt reichlich verkünden.

2. Er ist der Erst, der stark und fest all unsre Feind hat bezwungen und durch den Tod als wahrer Gott zum neuen Leben gedrungen, auch seiner Schar verheißen klar durch sein rein Wort, zur Himmelspfort desgleichen Sieg zu erlangen.

3. Singt Lob und Dank mit freiem Klang unserm Herrn zu allen Zeiten und tut sein Ehr je mehr und mehr mit Wort und Tat weit ausbreiten: so wird er uns aus Lieb und Gunst nach unserm Tod, frei aller Not, zur ewgen Freude geleiten.

Vater im Himmel, du hast durch die Auferweckung Jesu Christi vom Tode den Tod besiegt und der Sünde die Macht genommen. Wir dürfen getrost und zuversichtlich im Vertrauen auf deine Liebe leben und auch unsere geliebten Verstorbenen in deiner barmherzigen Obhut wissen. Danke für Frieden und Glück, für Wegweisung und Trost, für dein Reich, das mitten unter uns anbricht, wo wir deinen guten Wegen folgen. Amen.

Vater unser

Wir singen das Lied 99:

1) Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

2) Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen; seit dass er erstanden ist, so lobn wir den Vater Jesu Christ‘. Kyrieleis.

3) Halleluja, Halleluja, Halleluja! Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

Segen
Nachspiel Bläserkreis

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