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Baumstumpf

Jesaja denkt an einen Baumstumpf, aus dem neue Triebe sprießen. Neue Kräfte wachsen, wenn man seine eigene Schwachheit annimmt. Wer einsieht, dass er der Droge gegenüber machtlos ist, ist auf dem Weg, clean zu werden. Abnehmende Kräfte müssen kein Grund zur Verzweiflung sein, denn es ist keine Schande, fremde Hilfe anzunehmen.

Ein Baumstumpf mit zwei neuen Trieben
Ein Baumstumpf bringt neue Triebe hervor (Bild: Brita SeifertPixabay)

#predigtAbendmahlsgottesdienst am Sonntag Trinitatis, 7. Juni 2009, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich im Gottesdienst am Sonntag Trinitatis, dem Fest der Heiligen Dreieinigkeit. Gott ist drei-einig, das heißt, wir haben einen einzigen Gott. Gott ist drei-einig, das heißt: der eine Gott begegnet uns auf verschiedene Weise: als unsichtbarer Vater im Himmel, oder indem wir auf Gottes Sohn, Jesus, vertrauen, oder Gottes Heiligen Geist in uns oder in unserer Gemeinde spüren.

Wir loben den dreieinigen Gott mit dem Lied 139:

1. Gelobet sei der Herr, mein Gott, mein Licht, mein Leben, mein Schöpfer, der mir hat mein‘ Leib und Seel gegeben, mein Vater, der mich schützt von Mutterleibe an, der alle Augenblick viel Guts an mir getan.

2. Gelobet sei der Herr, mein Gott, mein Heil, mein Leben, des Vaters liebster Sohn, der sich für mich gegeben, der mich erlöset hat mit seinem teuren Blut, der mir im Glauben schenkt das allerhöchste Gut.

3. Gelobet sei der Herr, mein Gott, mein Trost, mein Leben, des Vaters werter Geist, den mir der Sohn gegeben, der mir mein Herz erquickt, der mir gibt neue Kraft, der mir in aller Not Rat, Trost und Hilfe schafft.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten mit Worten aus Psalm 145. Er steht im Gesangbuch unter der Nummer 756. Ich spreche die nach rechts eingerückten Verse und Sie und ihr bitte die linksbündigen Teile:

1 Ich will dich erheben, mein Gott, du König, und deinen Namen loben immer und ewiglich.

3 Der HERR ist groß und sehr zu loben, und seine Größe ist unausforschlich.

4 Kindeskinder werden deine Werke preisen und deine gewaltigen Taten verkündigen.

8 Gnädig und barmherzig ist der HERR, geduldig und von großer Güte.

13 Dein Reich ist ein ewiges Reich, und deine Herrschaft währet für und für. Der HERR ist getreu in allen seinen Worten und gnädig in allen seinen Werken.

14 Der HERR hält alle, die da fallen, und richtet alle auf, die niedergeschlagen sind.

15 Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.

16 Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, nach deinem Wohlgefallen.

18 Der HERR ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen.

19 Er tut, was die Gottesfürchtigen begehren, und hört ihr Schreien und hilft ihnen.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Manchmal zweifeln wir, Gott. Du bist uns zu klein, zu unsichtbar, zu wenig in unserem Blickfeld. Hast du wirklich genug Macht, um das Böse in der Welt zu überwinden?

Manchmal zweifeln wir, Gott. Du bist uns zu groß. Zu allmächtig, zu weit weg. Warum sollte der Boss der ganzen Welt sich um uns kleine Menschen kümmern?

Gott, du nimmst uns ernst. Sieh uns an mit unseren Zweifeln und überwinde sie. Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Gott, Du bist der Vater über uns. Rufst uns ins Leben. Hast uns lieb. Sorgst für uns. Und setzt uns gute Grenzen.

Gott, Du bist in Jesus auch Sohn geworden und damit bist Du unser Bruder, unser Mitmensch.

Gott, Du bist sogar Geist in uns. Rührst uns an. Bewegst uns. Lässt in uns wachsen, was uns leben lässt: Vertrauen, Liebe und noch mehr.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, sei uns nahe, der du größer bist als das Weltall, der du klein wurdest wie ein Kind, himmlische Kraft, die in uns Schwachen mächtig sein will! Darum bitten wir dich, Gott, den Vater, durch den Heiligen Geist im Namen deines Sohnes Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören den Text zur Predigt aus dem Buch Jesaja 6, 1-13. Jesaja beschreibt mit den diesen Worten seine eigene Berufung durch Gott in den Dienst als Prophet:

1 In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel.

2 Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie.

3 Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!

4 Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch.

5 Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.

6 Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm,

7 und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei.

8 Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!

9 Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht!

10 Verstocke das Herz dieses Volks und lass ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen.

11 Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt.

12 Denn der HERR wird die Menschen weit wegtun, so dass das Land sehr verlassen sein wird.

13 Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Wir loben den Heiligen Gott, der den Propheten Jesaja berufen hat, mit dem Lied 331 und singen die Strophen 1 bis 3 und 5:

1. Großer Gott, wir loben dich, Herr, wir preisen deine Stärke. Vor dir neigt die Erde sich und bewundert deine Werke. Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.

2. Alles, was dich preisen kann, Cherubim und Seraphinen, stimmen dir ein Loblied an, alle Engel, die dir dienen, rufen dir stets ohne Ruh: »Heilig, heilig, heilig!« zu.

3. Heilig, Herr Gott Zebaoth! Heilig, Herr der Himmelsheere! Starker Helfer in der Not! Himmel, Erde, Luft und Meere sind erfüllt von deinem Ruhm; alles ist dein Eigentum.

5. Dich, Gott Vater auf dem Thron, loben Große, loben Kleine. Deinem eingebornen Sohn singt die heilige Gemeinde, und sie ehrt den Heilgen Geist, der uns seinen Trost erweist.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde! Jesaja hat eine Vision. Mit Augen seiner Seele sieht er, was Menschen sonst verborgen bleibt. Mit Ohren des Herzens hört er, was niemand sonst hört. Er sieht Gott, er hört Gottes Stimme.

Er ist nicht verrückt. Er leidet nicht an einer Psychose. Er sieht mehr als andere Menschen, wird aber nicht blind für die wirkliche Welt. Nein, durch das, was Jesaja hier sehen darf, nimmt er am Ende die Welt, wie sie wirklich ist, schärfer und genauer wahr. Betrachten wir genauer, was Jesaja sieht:

1 In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron, und sein Saum füllte den Tempel.

Was Jesaja da sieht, ist den meisten Menschen vertraut: Gott sitzt wie ein König auf einem Thron. Aber Jesaja kann gar nicht beschreiben, wie Gott aussieht. Er sieht nur ein Stück vom Königsmantel, und davon gerade mal den Saum, und schon dieses bisschen Stoff füllt den großen Tempel in Jerusalem voll aus. Jesaja sieht also nicht etwa Gott selbst, er kriegt nur eine Ahnung, wie gewaltig groß Gott ist. Maler haben versucht, dieses Bild zu malen, und ihre Phantasie spielen lassen. Weil wir Gott im Himmel unseren Vater nennen, haben sie meist einen alten Mann mit Bart gemalt. Aber sieht Gott so aus? Nicht wirklich! Wie Gott aussieht, weiß kein Mensch.

Stattdessen sieht Jesaja im Tempel eine besondere Art von Engeln. Er beschreibt sie so, wie sie auf unserem Fensterbild über dem Altar dargestellt sind:

2 Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füße, und mit zweien flogen sie.

Sechs Flügel haben diese Engel, die Serafim genannt werden. Nur zwei brauchen sie zum Fliegen. Die anderen nutzen sie als Sicht-schutz. Zwei Flügel, um ihre eigenen Augen zu schützen, wie wenn wir die Hand vor das Gesicht halten, um nicht direkt in die Sonne zu blicken. Selbst Engel würden blind werden, wenn sie direkt in das strahlende Licht Gottes hineinschauen würden. Das dritte Flügelpaar benutzen die Serafim, um ihre Füße zu bedecken, das heißt, ihren Unterkörper. Damit wird angedeutet: es wäre nicht gut, wenn wir Menschen in dem Licht, das von Gott kommt, alles sehen könnten. Wer zu viel von sich zeigt, fühlt sich am Ende bloßgestellt; wer zu viele Geheimnisse erfährt, wird am Ende damit nicht fertig. Sogar Engel haben ihre Privatsphäre. Wir erfahren nicht einmal, ob die Serafim nun männlich oder weiblich sind.

In der Bibel ist sowieso oft viel wichtiger, was man hört, als, was man sieht. Auch Jesaja hört etwas:

3 Und einer rief zum andern und sprach: Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!

„Heilig“ ist Gott, drei Mal rufen es die Serafim. Das bedeutet: Gott ist ganz und gar gut, in keinster Weise böse. Und weil er heilig ist, kann er auch uns Menschen heil machen; er will uns etwas abgeben von seinem Gutsein. Jesaja nennt ihn den Herrn Zebaoth, dieses hebräische Wort hat Luther in seiner Übersetzung so stehen gelassen. „Zebaoth“ heißt: der Umscharte, der Gott, der nicht einsam ist, der Scharen von Engelmächten um sich hat. Wir Christen sagen auch: Gott ist nicht einsam, er ist der Vater, indem er mit Jesus eins ist. Seinen Geist will er sogar mit uns anderen Menschen teilen. Schon Jesaja sieht, dass Gott zwar zuerst der Gott Israels ist, aber zugleich auch der Gott der ganzen Welt. „Alle Lande sind seiner Ehre voll!“

Übrigens: Die Engel singen nicht so, wie viele sich Engelchöre vorstellen, sondern sie rocken richtig ab:

4 Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens, und das Haus ward voll Rauch.

Die Stimmen dieser Engel sind mächtig, sie bringen die Erde zum Beben. Und auf einmal ist der Tempel voller Rauch wie von Tieropfern, die hier sonst dargebracht werden. Die Engel bringen Gott Opfer dar, die er am liebsten mag: Lieder der Freude und Dankbarkeit.

Jesaja sieht das alles im Tempel, mit den Augen seines Herzens. Er ahnt, dass Gott etwas von ihm will. Will er ihn etwa zu einem Propheten machen, zu einem Sprachrohr für Gottes Wort? Diese Aussicht und die ganze Vision jagen ihm furchtbare Angst ein:

5 Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.

Zwar hat er Gott nicht wirklich gesehen, aber was Jesaja gesehen hat, war für ihn schon zu viel. Muss er nicht vor Gott im Boden versinken? Wie soll er mit seinem Mund heilige Worte Gottes aussprechen können? Er hat unreine Lippen und wohnt unter Menschen, die unreine Lippen haben, sagt er. Er weiß, wie oft man gedankenlos redet und ablästert. Viele Worte verlieren wir darüber, wie schrecklich diese Welt ist. Wer von uns spricht immer nur heilsame Worte aus, die aus einem reinen Herzen kommen?

Gott geht auf seine Weise mit diesem Problem um, indem er nun Jesaja direkt ins Geschehen einbezieht:

6 Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm,

7 und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei.

Mit unreinen Lippen weiß Gott umzugehen, indem er sie reinigt. Wie mit einer glühenden Kohle fühlt Jesaja seine Lippen angerührt. Nicht dass Gott wirklich seine Lippen verbrennt; aber was Jesaja hier erfährt, tut ihm so weh, als spürte er tatsächlich Feuer auf seinen Lippen. Gott nimmt seine Schuld weg. Gott hält ihm nicht mehr vor, was er falsch gemacht hat. Was ihn von Gott getrennt und abgesondert hat, seine Sünde, ist gesühnt. Das ist toll, das schenkt dem Jesaja eine ungeahnte Freiheit, aber das tut auch weh, weil Jesaja jetzt erst recht spürt, was er alles falsch und wie viel er nicht richtig gemacht hat. Er spürt: Was ich getan habe, habe ich getan, ich kann es nicht ändern. Aber wenn Gott mir jetzt vergibt, wenn er meine Schuld durchstreicht, dann kann ich mich nicht mehr herausreden: in Zukunft erwartet er, dass ich meine Lippen anders gebrauche. Die Vergebung Gottes ist wie eine glühende Kohle an den eigenen Lippen, die man für unrein und böse hielt und die Gott jetzt für rein und gut erklärt. Und auf einmal weiß Jesaja, was Gott ganz persönlich mit ihm vor hat:

8 Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!

Jetzt hört Jesaja nicht mehr nur die Stimme der Engel, sondern die Stimme Gottes selbst. Gott ruft, redet dabei aber Jesaja nicht direkt an. Er fragt in den Tempel hinein nach einem Boten. Da meldet Jesaja sich als freiwilliger Bote. Er will ein menschlicher Engel Gottes sein. Und sofort bekommt er von Gott einen merkwürdigen Auftrag:

9 Und er sprach: Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merkt’s nicht!

10 Verstocke das Herz dieses Volks und lass ihre Ohren taub sein und ihre Augen blind, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihren Herzen und sich nicht bekehren und genesen.

Jesaja soll reden ohne Aussicht auf Erfolg. Er soll predigen und dabei wissen: die Leute verstehen es sowieso nicht. Was ist das für ein Prophet, der die Menschen blind und taub für Gottes Wort machen soll, dass sie nicht heil werden an ihrer Seele? Redet Gott hier als Zweckpessimist, der lieber das Schlimmste erwartet, statt unangenehm enttäuscht zu werden?

Vielleicht spiegelt sich hier eine Erfahrung, die ich aus der Seelsorge kenne. Es ist schon lange her, da fragte ich einen Mann, der regelmäßig den Gottesdienst besucht hatte, warum er auf einmal nicht mehr kam. „Hat Ihnen vielleicht meine Predigt nicht mehr gefallen?“ Er sagte: „Im Gegenteil. Ihre Predigt war zu gut. Ich halte das nicht aus. Das trifft mich zu sehr.“ Wenig später verschwand der Mann spurlos aus dem Ort. Er hatte als Hochstapler verschiedene Menschen betrogen. Worte Gottes konnten ihn offenbar erreichen, aber wirklich sein Leben zu ändern, das schaffte er nicht.

Der Prophet Jesaja will sich aber nicht abfinden mit der Aussicht, immer nur auf taube Ohren und unveränderlich harte Herzen zu stoßen mit seiner Predigt.

11 Ich aber sprach: Herr, wie lange? Er sprach: Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt.

12 Denn der HERR wird die Menschen weit wegtun, so dass das Land sehr verlassen sein wird.

Eine krasse Auskunft! Wer nicht auf Gott hören will, muss seine Lektion auf die harte Tour lernen: Ungerechte Verhältnisse im Volk führen zu Krieg und Verödung des Landes, Verbannung der Menschen. Auch einzelne Menschen werden häufig erst aus Schaden klug. Wer vom Alkohol abhängig ist, braucht oft einen großen Leidensdruck, um wirklich „trocken“ zu werden. Und wer sein Leben auf so verkorkste Weise eingerichtet hat, dass er immer wieder Menschen vor den Kopf stößt, der muss vielleicht wirklich erst so einsam werden, als ob die Stadt seines Lebens ohne Einwohner ist, bis er merkt, dass nicht nur die anderen an seinem Schicksal schuld sind. Häuser ohne Menschen, wüste Felder, Menschen weit weg, verlassenes Land – ich lese das auch als die Landkarte eines verpfuschten Lebens, dem die Orientierung abhanden gekommen ist.

Wem das Leben so zusammengebrochen ist, hat der überhaupt noch irgendeine Chance und Hoffnung?

13 Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals verheert werden, doch wie bei einer Eiche und Linde, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.

Ein ganzes Volk oder ein einzelner Mensch fühlt sich manchmal wie ein gefällter Baum. Empfindet vielleicht auch mancher unter uns so, als hätte er nur noch ein Zehntel seiner Kraft und könnte kaum noch etwas tun? Nur noch ein Stumpf bleibt übrig. Was was soll man tun mit so wenig übrig gebliebener Kraft? Was kann man noch tun, wenn einem alles wegbricht?

Man könnte sagen: Der Baum ist abgehauen, er ist wertlos, damit ist alles aus. Dann nützt auch der Gedanke nicht viel: Wäre ich doch wieder so stark wie vorher, könnte ich mich doch wieder zusammenreißen. Damit verliert man nur noch das letzte bisschen Kraft.

Jesaja deutet eine andere Möglichkeit an. Er sagt: „Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.“ Er denkt an einen Baumstumpf, aus dem neue Triebe sprießen, langsam, über Jahre hin. Und er denkt beim Menschen an neue Kräfte, die gerade dann wachsen, wenn man seine eigene Schwachheit annimmt. Wer am Ende ist, dem wird ein neuer Anfang geschenkt. Wer einsieht, dass er der Droge gegenüber machtlos ist, ist auf dem Weg, clean zu werden. Abnehmende Kräfte müssen kein Grund zur Verzweiflung sein, denn es ist keine Schande, fremde Hilfe anzunehmen.

Auch den Gottessohn Jesus hat man später behandelt wie einen Baum, den man abhackt und umhaut. Und er wurde erst recht, als er getötet wurde, ein heiliger Same. Wie aus einem Baumstumpf ging aus dem toten und auferstandenen Jesus der Heilige Geist hervor, die christliche Kirche, viele Menschen bis in die heutige Zeit hinein, die auf Gott hören wollen, damit ihr Leben heil wird. Auch in uns will Gottes Geist Vertrauen und Hoffnung wachsen lassen, dass wir Verantwortung übernehmen für unser Leben, für unsere Kirche, für unsere Stadt, unseren Landkreis, für Europa. Wir Christen sind bei den politischen Wahlen heute besonders gefordert, Stellung zu beziehen. Wer nicht wählt, lässt zu, dass über den eigenen Kopf hinweg entschieden wird, und trifft die schlimme Entscheidung: Ich kann ja doch nichts tun. Und unser Land, unser Kontinent ist nicht zu retten. Jesaja hört von Gott: „Sogar ein Baumstumpf ist noch längst nicht tot. Gebt niemals auf, selbst wenn die Hoffnung nur noch ganz klein ist.“ Wo wir am Ende sind, können wir noch immer ein heiliger Same für Gott sein. Wo wir nur Krisen sehen, will Gott Gerechtigkeit wachsen lassen. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 638: Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt, damit ich lebe

Im Abendmahl dürfen wir spüren, wie Gott, der Vater, sich in seinem Sohn für uns hingibt und uns durch seinen Heiligen Geist erfüllt. In Brot und Kelch schenkt er uns eine Liebe, die uns und unsere Welt verändert.

Gott, nimm von uns, was uns von dir trennt: Unglauben, Lieblosigkeit, Verzagtheit. Hochmut, Trägheit, Lebenslügen. In der Stille bringen wir vor dich, was unsere Seele belastet:

Beichtstille

Wollt Ihr Gottes Treue und Vergebung annehmen, so sagt laut oder leise oder auch still im Herzen: Ja!

Auf euer aufrichtiges Bekenntnis spreche ich euch die Vergebung eurer Sünden zu – im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Der Herr sei mit euch. „Und mit deinem Geiste.“

Erhebet eure Herzen! „Wir erheben sie zum Herren.“

Lasset uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott. „Das ist würdig und recht.“

Würdig und recht ist es, Gott ernst zu nehmen als den der groß ist in seiner Güte und Freundlichkeit zu uns Menschen. Würdig und recht ist es, uns selber anzunehmen als Menschen mit aufrechtem Gang, von Gott geliebt und verantwortlich für unser Leben. Zu dir rufen wir und preisen dich, Heiliger Gott:

Heilig, heilig, heilig ist der Herr Zebaoth; alle Lande sind seiner Ehre voll. Hosianna in der Höhe. Gelobet sei, der da kommt im Namen des Herrn. Hosianna in der Höhe.

Vater unser und Abendmahlsworte

Gott hat uns eingeladen. Wir essen das Brot, wir trinken den Saft der Weintrauben, wir schmecken Gottes Freundlichkeit. Es ist eine Einladung, keine Verpflichtung, nur wer möchte, kommt nach vorn in den Abendmahlskreis. Die anderen, die auf ihrem Platz sitzen bleiben, sind auch so ein Teil unserer Gemeinschaft mit Christus.

Kommt, denn es ist alles bereit! Schmeckt und seht, wie freundlich Gott ist! Amen.

Austeilung des Abendmahls

Jesus, wie ein abgehauener Baum stirbt er, von Menschen gefällt, getötet, und doch ein heiliger Same, der vielen Menschen Segen bringt und ihre Seelen heil macht. Wir empfangen Jesu Leib, und Gottes Heiliger Geist lebt in uns. Nehmt und gebt weiter, was euch gegeben ist – den lebendigen Leib der Liebe Gottes.

Herumreichen des Korbs

Jesus vergießt sein Blut am Kreuz, besiegelt den Bund, den Gott mit uns schließt. So sehr liebt uns Gott, dass er sein Leben für uns hingibt. Nehmt hin den Kelch der Vergebung, des neuen Anfangs, der Versöhnung zwischen Gott und Mensch.

Austeilen der Kelche

Der Apostel Paulus spricht: Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Geht hin im Frieden!

Lasst uns beten.

Gott im Himmel, du stößt keinen zurück, der dich finden will. Dich kann man nicht anschauen, doch wir können uns vorstellen, dass du ein Gesicht wie das von Jesus trägst, dass du uns so barmherzig anschaust, wie Jesus die Menschen angesehen hat. Lass deinen Heiligen Geist an uns arbeiten, dass wir Vergebung und Trost annehmen, dass wir Mut und Hoffnung gewinnen, dass wir tun, was unsere Aufgabe ist an unserem Platz im Leben.

Gott im Himmel, in deinen Augen ist diese Welt nicht verloren, sondern du gibst uns den Auftrag, sie zu gestalten. Du hast dem Propheten Jesaja Kraft gegeben, Worte zu sagen, auch wenn sie auf taube Ohren stoßen. Öffne unsere Ohren, dass wir dein Wort hören. Gib uns Mut, dass wir dein Wort sagen. Gib uns Kraft und Ausdauer, dass wir dein Wort tun: dass wir uns für Frieden einsetzen, dass wir zuhören, wo seelische Not ist, dass wir helfen, wo jemand nicht weiter weiß, dass wir nicht resignieren und aufgeben, wo wir an Grenzen stoßen, dass wir um den Geist beten, durch den du diese Welt und uns verwandelst. Amen.

Lied 625: Wir strecken uns nach dir, in dir wohnt die Lebendigkeit
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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