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Kurskorrektur

Tut Buße! heißt heute: Bekehrt euch von der Sünde, vor den Herausforderungen der Welt ins Privatleben zu flüchten! Bekehrt euch von der Sünde, dem Geist Gottes nichts zuzutrauen! Tut Buße! heißt: Traut dem Geist Gottes zu, dass er Menschen verändern kann! Sagt nicht: die Menschen ändern sich nie! sondern versucht zu sagen: ich will bei mir selbst anfangen.

Ein Pfeil, der eine Umkehr andeutet
Jesu Aufruf zur Buße bedeutet Umkehr (Bild: Elias SchäferPixabay)
direkt-predigtGottesdienst am 2. und 3. Sonntag nach Epiphanias, 18. und 25. Januar 1981, in Weckesheim, Reichelsheim und Beienheim, Heuchelheim und Staden
EKG 50, 1-3 (EG 72):

1. O Jesu Christe, wahres Licht, erleuchte, die dich kennen nicht, und bringe sie zu deiner Herd, dass ihre Seel auch selig werd.

2. Erfülle mit dem Gnadenschein, die in Irrtum verführet sein, auch die, so heimlich ficht noch an in ihrem Sinn ein falscher Wahn;

3. und was sich sonst verlaufen hat von dir, das suche du mit Gnad und ihr verwund’t Gewissen heil, lass sie am Himmel haben teil.

Lesung: Lukas 3, 7-20

7 Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?

8 Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken.

9 Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

10 Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun?

11 Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso.

12 Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun?

13 Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!

14 Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!

15 Als aber das Volk voll Erwartung war und alle dachten in ihren Herzen von Johannes, ob er vielleicht der Christus wäre,

16 antwortete Johannes und sprach zu allen: Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse; der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.

17 In seiner Hand ist die Worfschaufel, und er wird seine Tenne fegen und wird den Weizen in seine Scheune sammeln, die Spreu aber wird er mit unauslöschlichem Feuer verbrennen.

18 Und mit vielem andern mehr ermahnte er das Volk und verkündigte ihm das Heil.

19 Der Landesfürst Herodes aber, der von Johannes zurechtgewiesen wurde wegen der Herodias, der Frau seines Bruders, und wegen alles Bösen, das er getan hatte,

20 fügte zu dem allen noch dies hinzu: er warf Johannes ins Gefängnis.

EKG 49, 1-4 (EG 71):

1. O König aller Ehren, Herr Jesu, Davids Sohn, dein Reich soll ewig währen, im Himmel ist dein Thron; hilf, dass allhier auf Erden den Menschen weit und breit dein Reich bekannt mög werden zur Seelen Seligkeit.

2. Von deinem Reich auch zeugen die Leut aus Morgenland; die Knie sie vor dir beugen, weil du ihn’ bist bekannt. Der neu Stern auf dich weiset, dazu das göttlich Wort. Drum man zu Recht dich preiset, dass du bist unser Hort.

3. Du bist ein großer König, wie uns die Schrift vermeld’t, doch achtest du gar wenig vergänglich Gut und Geld, prangst nicht auf stolzem Rosse, trägst keine güldne Kron, sitzt nicht im steinern Schlosse; hier hast du Spott und Hohn.

4. Doch bist du schön gezieret, dein Glanz erstreckt sich weit, dein Güt allzeit regieret und dein Gerechtigkeit. Du wollst die Frommen schützen durch dein Macht und Gewalt, dass sie im Frieden sitzen, die Bösen stürzen bald.

Predigttext: Matthäus 4, 12-17 (GNB)

Als Jesus hörte, dass man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, zog er sich nach Galiläa zurück. Er blieb aber nicht in Nazaret, sondern nahm seinen Wohnsitz in Kafarnaum, einer Stadt am See Gennesaret, im Gebiet der Stämme Sebulon und Naftali. Das geschah, damit die Voraussage des Propheten Jesaja in Erfüllung ging: „Du Land von Sebulon und Naftali, am See gelegen und jenseits des Jordans, Galiläa der gottfernen Völker! Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein großes Licht. Und für alle, die im finsteren Land des Todes wohnen, leuchtet ein Licht auf.“ Von da an verkündete Jesus seine Botschaft: „Ändert euer Leben! Gott will jetzt seine Herrschaft aufrichten und sein Werk vollenden!“

Liebe Gemeinde!

„Tut Buße! Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ In dieser Form kennen wir den zentralen Inhalt der Predigt Jesu. Diese Botschaft hat zwei Teile. Einen Aufruf: Tut Buße! Ändert euch! Kehrt um! Und die Begründung für diesen Aufruf: Der Himmel, also der Bereich von Gottes Herrschaft, ist jetzt nahe herbeigekommen. Gott ist nicht der ferne Gott geblieben, sondern mitten unter die Menschen gegangen. Das Werk der Schöpfung der Welt und des Menschen will Gott jetzt vollenden. Den Menschen, die mit dem Geschenk der Freiheit zum Guten oder Bösen nicht viel Gutes anzufangen wussten, will er den rettenden Ausweg zum Guten zeigen. Nicht nur theoretisch, mit dem Zeigefinger, sondern praktisch, mit dem eigenen Leben, Lieben, Leiden und Sterben.

Der Aufruf: Kehrt um! ist also nichts anderes als ein Aufruf, die Gestalt Jesu anzusehen, sich an seine Taten zu erinnern, seine Worte zu hören und ihm im eigenen Leben nachzufolgen.

Wie so vieles in der Botschaft Jesu wird auch dieser Aufruf oft gründlich missverstanden. Tut Buße – das erinnert uns an das Abbüßen einzelner Sünden. Vielleicht denken wir auch an die Rückkehr zu einem Leben im Rahmen dessen, was wir alle für normal und anständig halten. Aber ist das wirklich schon die angemessene Antwort auf die Botschaft, dass Gott uns nahe ist? Dass Gott kein kleinkarierter Sündenzähler ist, sondern einer, der es gut mit unserer kaputten Welt meint – und mit uns selbst? Was bedeutet Umkehr?

Ich will dazu eine Geschichte erzählen. Stellen wir uns vor, wir sitzen in einem Reisebus, der mit hohem Tempo durch die Lande donnert. Die Mitfahrer halten den Chauffeur ständig an, Höchstgeschwindigkeit zu halten. Auf der Strecke herrschen ungünstige Wetterbedingungen, sogar Nebel. Die Mitfahrer bestehen hartnäckig auf dem hohen Tempo, obwohl sie die Strecke überhaupt nicht kennen. Als der Chauffeur niedriges Tempo fahren will, bedrängen sie ihn. Man sei ja schon oft mit 200 Stundenkilometern gefahren, ohne dass ernsthafte Schwierigkeiten oder irgendein Hindernis aufgetreten seien. Folglich gebe es auch keinen Grund, künftig mit Schwierigkeiten ernsthaft rechnen zu müssen. Dem weiterhin auf niedrigerem Tempo bestehenden Chauffeur wird bedeutet, dass er bei Nichtbeachtung der Weisungen der Mitfahrer ja auch abgelöst werden könnte. Die Mitfahrer höhnen: Was du dir nicht zutraust, das trauen wir uns selbst ohne weiteres zu!

Wie würden wir uns verhalten? Würden wir – als Mitfahrer – auch auf Schnelligkeit bestehen, oder würden wir niedrigeres Tempo bei kleinerem Risiko vorziehen? Würden wir – als Chauffeur – lieber aussteigen und das Gefährt sich selbst überlassen, auch wenn wir dabei unsere Arbeit verlieren? Würde es uns stören, dass Ziel und Weg der Unternehmung unbekannt sind?

Sie werden jetzt sagen: So etwas gibt es doch gar nicht, dass bei einer Fahrt Ziel und Weg unbekannt sind. Sicher, wenn wir an unsere Fahrten mit dem Auto, mit Bus oder Bahn denken, dann wissen wir, wo wir hinwollen. Obwohl in der letzten Woche bei dem großen Schnee manche nicht wussten, wann und wie sie nach Hause kommen würden. Wenn wir aber an unsere persönliche Lebensgeschichte denken oder auch an den Weg, den die Entwicklung unserer Kirche, unseres Landes oder auch unserer gesamten Erde nimmt: ist es nicht wie eine Fahrt in eine ungewisse Zukunft, über die sich die meisten Menschen zu wenig Gedanken machen? Sind wir auf dem richtigen Weg? Wollen wir eigentlich dahin, wo die allgemeine Entwicklung hindrängt? Hat es Zweck, auszusteigen, umzukehren, einen anderen Weg zu suchen?

Ich denke an die Diskussion über die Gefahren für unsere Umwelt. An die Diskussion über das Zauberwort „Wachstum“. Viele meinen, dass wir Wachstum brauchen, Wirtschaftswachstum, Zunahme von Produktion und Verbrauch und Wohlstand. Einige meinen, dass diese Art Wachstum wie ein Krebsgeschwür wirkt, uns zwar Wohlstand bringt, aber auf der Kehrseite zerstörerisch wirkt: für unsere Umwelt, für die Lebenschancen der Armen in der Welt, auch für unsere seelische und körperliche Gesundheit. Aber können wir aussteigen aus dieser Entwicklung? Landen wir dann nicht bei den Grünen oder sonst einer chancenlosen Splitterpartei? Liegen nicht alle Vernunftgründe bei den Experten, die die gegebene Entwicklung unterstützen und begleiten? Müssen wir nicht den Fachleuten glauben? Können wir uns dem technischen und wirtschaftlichen Fortschritt verschließen?

Ich denke auch an die Schwierigkeit, im persönlichen Leben eine Kurskorrektur vorzunehmen. Mein Alltag, mein Beruf, meine Art, mit anderen umzugehen, gefällt mir vielleicht nicht, aber es ist bequemer, weiterzumachen wie bisher. Ich müsste vielleicht einen harten Konflikt mit den Eltern oder dem Ehepartner durchstehen – stattdessen flüchte ich lieber in den Alkohol, oder in eine private, eigene Welt, oder in die Arbeit, die einen schon ganz ausfüllen kann. Aber all das ist kein Ersatz dafür, dass ich auch Konflikte durchstehen muss, mir Ziele setzen muss, meine Lebensschwierigkeiten meistern muss. Und wirklich gesund ist mein Leben erst dann, wenn ich von mir aus fähig bin, im Einklang mit den anderen Menschen zu leben; wenn sie mich etwas angehen, so wie mein Schicksal auch die anderen angeht; wenn ich geben kann, wie ich mir auch etwas schenken lassen kann; wenn ich gemeinsam mit anderen ungeahnte Möglichkeiten in mir und in den anderen entdecke.

In diesen Zusammenhängen müssen wir heute den Aufruf Jesu hören. Tut Buße! heißt heute: Bekehrt euch von der Sünde, die darin besteht, dass ihr vor den Herausforderungen der Welt ins Privatleben flüchtet! Bekehrt euch von der Sünde, die darin besteht, dass ihr dem Geist Gottes nichts zutraut! Tut Buße! heißt: traut dem Geist Gottes etwas zu! Traut ihm zu, dass er Menschen verändern kann! Sagt nicht: die Menschen ändern sich nie! sondern versucht zu sagen: ich will bei mir selbst anfangen.

Sich ändern, das ist nicht einfach. Zuerst ist es schwierig, sich gegen sich selbst durchzusetzen; und dann sind Widerstände anderer Menschen zu erwarten. Wenn man sich für mehr interessiert als den eigenen privaten Umkreis, gibt es viel leicht Reibungspunkte mit den engsten Angehörigen. Wenn man politisch unbequeme Ansichten äußert, wird man leicht als Spinner abgetan. Als Jesus zur Umkehr aufrief, da wusste er schon, dass sein Vorgänger Johannes gefangengesetzt war, dass der seine Bußpredigt mit dem Tod bezahlen musste. Ins Land der gottfernen Völker ging Jesus, um seinen Aufruf zu verkünden, nicht zu religiösen Menschen, die schon eine Predigt erwarten. Und diesen gottfernen Menschen sagt Jesus, dass Gott nahe ist. Ihnen mutet er die Umkehr zu. So auch uns.

Wird Jesus gehört werden? Von Martin Buber gibt es eine Geschichte, die geht so:

„Ein gottbegeisterter Mann ist einst aus dem Bereich der Geschöpflichkeit in die große Leere, in den Himmel gegangen. Da wanderte er dahin, bis er an die Pforte des Geheimnisses kam. Er klopfte an. Von drinnen rief es ihn an: Was willst du hier? Ich habe, sagte er, den Ohren der Sterblichen, den Menschen, dein Lob verkündet, aber sie waren taub. So komme ich zu dir, dass du selber mich hörest und mir einen Rat gibst. – Kehr um, rief es von drinnen. Hier ist kein Ohr. In die Taubheit der Sterblichen habe ich mein Hören versenkt.“

Es ist ein Wunder, wenn Menschen den Aufruf zur Umkehr nicht nur hören, sondern auch befolgen. Wenn sie Gott und die Welt mit anderen Augen sehen. Wenn sie nicht mehr anders können als sich einzusetzen für mehr Menschlichkeit, gegen die Zerstörung der Umwelt, gegen die Macht des Geldes. Umkehr ist nicht Bekehrung in einem verengten Sinn von Frömmigkeit, in einem nur privaten, auf das eigene Seelenheil bedachten Sinn. Wenn wir das „Frommsein“ weiter fassen könnten, auf alle die beziehen, die dem Aufruf Jesu folgen, dann hat auch die Liedstrophe vor der Predigt ihren guten Sinn: „Du wollst die Frommen schützen durch dein Macht und Gewalt, dass sie im Frieden sitzen, die Bösen stürzen bald.“ Die Strophe hat den Sinn, die Umkehrenden zu ermutigen. In der Wirklichkeit scheint es ja andersherum zu sein: die Bösen, die Geldleute, die Egoistischen, die Bequemen, die Mitläufer – sie scheinen fester im Sattel zu sitzen als die Mahnenden, die Zögernden, und Zweifelnden (wo es um immer mehr Wachstum und technischen Fortschritt geht), die Aktiven und Unbequemen (wo es um immer mehr Menschlichkeit und Gerechtigkeit geht). Aber die Bösen stürzen bald – spätestens in ihr Grab, ohne Hoffnung auf einen Gott. Andere – ich will sie nicht die Guten nennen, vielleicht ist das Wort „die Frommen“ wirklich einmal treffender gewesen, also die, die sich vom Geist Gottes angerührt fühlen und verändern lassen – die wissen auch, dass sie böse sind, dass sie jeden Tag sich neu auf Umkehr einlassen müssen. Aber sie machen eine hoffnungsvolle Erfahrung, die schon Jesaja 9, 1 (GNB) beschrieben hatte und der Evangelist Matthäus wiederholt:

Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein großes Licht; für die, die im Land der Finsternis wohnen, leuchtet ein Licht auf.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
EKG 49, 5-6 (EG 71):

5. Du wollst dich mein erbarmen, in dein Reich nimm mich auf, dein Güte schenk mir Armen und segne meinen Lauf. Mein’ Feinden wollst du wehren, dem Teufel, Sünd und Tod, dass sie mich nicht versehren; rett mich aus aller Not.

6. Du wollst in mir entzünden dein Wort, den schönen Stern, dass falsche Lehr und Sünden sein meinem Herzen fern. Hilf, dass ich dich erkenne und mit der Christenheit dich meinen König nenne jetzt und in Ewigkeit.

Fürbitten, Vaterunser, Abkündigungen und Segen
EKG 50, 4-5 (EG 72):

4. Den Tauben öffne das Gehör, die Stummen richtig reden lehr, die nicht bekennen wollen frei, was ihres Herzens Glaube sei.

5. Erleuchte, die da sind verblend’t, bring her, die sich von uns getrennt, versammle, die zerstreuet gehn, mach feste, die im Zweifel stehn.

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