Bild: Helmut Schütz

„Damit sie alle eins seien“

Jesus wünscht keine Einheitsreligion, sondern dass wir einander in unserer bunten Vielfalt annehmen – wir Christen in allen Konfessionen, darüber hinaus im friedlichen Dialog der Religionen und sogar mit Menschen ohne Religionsbindung, die Menschlichkeit auf anderen Wegen zu erreichen versuchen. Eins mit Gott, eins mit uns selbst, eins mit den Menschen werden wir dort, wo Gottes Liebe in uns lebt.

Himmelfahrtsgottesdienst am Segelflugplatz in der Wieseckaue bei Gießen
Himmelfahrtsgottesdienst am Segelflugplatz in der Wieseckaue bei Gießen

direkt-predigtGottesdienst der Evangelischen Paulus- und Thomasgemeinde an Christi Himmelfahrt, 9. Mai 2013, um 10.00 Uhr auf dem Segelflugplatz in der Wieseck-Aue

Gottesdienstbesucher auf den Bierzeltgarnituren am Vereinsheim des Flugsportvereins Gießen

Keyboardvorspiel
Begrüßung
Dr. Ulrich Müller bei der Begrüßung zum gemeinsamen Himmelfahrtsgottesdienst mit der Thomasgemeinde
Dr. Ulrich Müller bei der Begrüßung zum gemeinsamen Himmelfahrtsgottesdienst mit der Thomasgemeinde
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.
Lied 165, 1+5+6:

1. Gott ist gegenwärtig. Lasset uns anbeten und in Ehrfurcht vor ihn treten. Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige und sich innigst vor ihm beuge. Wer ihn kennt, wer ihn nennt, schlag die Augen nieder; kommt, ergebt euch wieder.

5. Luft, die alles füllet, drin wir immer schweben, aller Dinge Grund und Leben, Meer ohn Grund und Ende, Wunder aller Wunder: ich senk mich in dich hinunter. Ich in dir, du in mir, lass mich ganz verschwinden, dich nur sehn und finden.

6. Du durchdringest alles; lass dein schönstes Lichte, Herr, berühren mein Gesichte. Wie die zarten Blumen willig sich entfalten und der Sonne stille halten, lass mich so still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.

Gottesdienstteilnehmer vom Altarkreuz aus gesehen

Psalm 145 (EG 756):

1 Ich will dich erheben, mein Gott, du König, und deinen Namen loben immer und ewiglich.

3 Der Herr ist groß und sehr zu loben, und seine Größe ist unausforschlich.

4 Kindeskinder werden deine Werke preisen und deine gewaltigen Taten verkündigen.

8 Gnädig und barmherzig ist der Herr, geduldig und von großer Güte.

13 Dein Reich ist ein ewiges Reich, und deine Herrschaft währet für und für.

Der Herr ist getreu in all seinen Worten und gnädig in allen seinen Werken.

14 Der Herr hält alle, die da fallen, und richtet alle auf, die niedergeschlagen sind.

15 Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zur rechten Zeit.

16 Du tust deine Hand auf und sättigst alles, was lebt, nach deinem Wohlgefallen.

18 Der Herr ist nahe allen, die ihn anrufen, allen, die ihn ernstlich anrufen.

19 Er tut, was die Gottesfürchtigen begehren, und hört ihr Schreien und hilft ihnen.

Dr. Ulrich Müller bei der Schriftlesung

Gebet

Gott, an diesem Tag kommen sich Himmel und Erde näher als sonst. Wir feiern draußen und drinnen, Radfahrer und Segelfliegerinnen zusammen. Wir feiern dich, Jesus Christus, Heiland im Himmel und Bruder auf Erden. Du verbindest uns untereinander auf der ganzen Welt. Du bist geachtet als gläubiger Jude, als Prophet im Islam, als guter Mensch. Wir vertrauen uns dir an, denn du bist mit uns in Raum und Zeit, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.

Dr. Ulrich Müller und Pfarrer Helmut Schütz

Wir hören den Predigttext aus dem Evangelium nach Johannes 17, 20-26. Dieser Text steht auch auf dem Liedblatt. Jesus beendet mit diesen Worten ein langes Gebet für seine Jünger:

20 Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden,

21 damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.

22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind,

23 ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.

24 Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war.

25 Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast.

26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.

Glaubensbekenntnis

Himmelfahrtsgemeinde beim Gesang

Lied 251, 1+5+7:

1. Herz und Herz vereint zusammen sucht in Gottes Herzen Ruh. Lasset eure Liebesflammen lodern auf den Heiland zu. Er das Haupt, wir seine Glieder, er das Licht und wir der Schein, er der Meister, wir die Brüder, er ist unser, wir sind sein.

5. Ach du holder Freund, vereine deine dir geweihte Schar, dass sie es so herzlich meine, wie’s dein letzter Wille war. Ja verbinde in der Wahrheit, die du selbst im Wesen bist, alles, was von deiner Klarheit in der Tat erleuchtet ist.

7. Lass uns so vereinigt werden, wie du mit dem Vater bist, bis schon hier auf dieser Erden kein getrenntes Glied mehr ist, und allein von deinem Brennen nehme unser Licht den Schein; also wird die Welt erkennen, dass wir deine Jünger sein.

Pfarrer Schütz und Dr. Müller beim Gemeindegesang

Predigt
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Pfarrer Helmut Schütz bei der PredigtLiebe Gemeinde, da sind wir nun hier draußen unter freiem Himmel, die Wärme – die Frische – des Frühlings umgibt uns, Ausflugsstimmung liegt in der Luft und buchstäblich werden Segelflugzeuge in die Luft aufsteigen.

Und dann hören wir im Text zur Predigt Worte Jesu nach dem Johannesevangelium, die Pfarrerin Görich-Reinel und mir, als wir sie uns letzte Woche gemeinsam zur Vorbereitung auf diesen Gottesdienst anschauten, erst einmal fast schwindelig werden ließen. Du in mir, ich in dir, sie in uns – das klingt nach einer schwer zugänglichen Mystik. Jesus jongliert mit Worten, die für uns nicht leicht mit konkreten Inhalten zu füllen sind: Wo sehen wir Gottes Herrlichkeit? Wie erkennen wir Gottes Namen? Was hat es mit dieser Liebe und diesem Jesus auf sich, die beide in uns sein sollen? Und dann ist da noch von der Welt die Rede, die Gott nicht kennt, die aber doch erkennen soll, dass wir Jesu Jünger sind. Wie ist das zu begreifen, wie soll das geschehen und was hat das alles mit uns zu tun?

Unser Predigttext ist so angelegt, dass wir nicht alles auf einmal begreifen können. Er lädt uns ein, dass unsere Gedanken Kreise ziehen. So fliegen wir im Geiste wie mit einem Segelflugzeug in aller Ruhe hin und her, kommen einem Ineinander von Himmel und Erde auf die Spur, bleiben zwischen Jesus und Gott, seiner Herrlichkeit und unserer Weltlichkeit in Bewegung.

Barbara Görich-Reinel hatte die Idee, diese kreisende Bewegung im Text bildlich darzustellen mit Kreidekreisen auf einem Blatt Papier.

Predigt von Pfarrer Helmut Schütz mit Symbolzeichnung: Jesus etwas erhöht zwischen Jüngern, die ihm nachschauenSchauen wir uns das Bild an, das auf dem Einladungsplakat gestanden hat und auch auf dem Liedblatt zu sehen ist.

Die Szene ist die von unserem Predigttext: Jesus betet mit erhobenen Händen zu Gott für seine Jünger. Wenn ich die Köpfe zähle, komme ich auf elf – Judas hatte den Kreis der Zwölf verlassen, um in die Nacht zu gehen, um Jesus an die Mächte der Finsternis zu verraten. Das ist das, was im Johannesevangelium mit dem Stichwort „Welt“ gemeint ist. Welt, auf Griechisch „Kosmos“, ist in diesem Evangelium nicht die gute Schöpfung Gottes, sondern eine pervertierte Weltordnung, die eigentlich eine Welt-unordung ist. Damals gab sich das Römische Weltreich selber den Namen „Kosmos“, was wörtlich Schmuck bedeutet, daher kommt unser Wort „Kosmetik“.

Die römischen Kaiser waren stolz auf ihr wohlgeordnetes Staatswesen und den Römischen Frieden. Aber dieser Friede war ein mit Gewalt aufgezwungenes Weltsystem, unter dem die Mehrheit der Menschen zu leiden hatte, Sklaven und unterdrückte Völkerschaften, zu denen auch die Juden zählten – und zur Zeit der Entstehung des Johannesevangeliums auch die wachsende Gemeinde der Christen.

Das Johannesevangelium erzählt die Geschichte, wie dieser Kosmos, diese Weltordnung, den liebevollsten und friedfertigsten Menschen der Welt, den Sohn Gottes selbst, zum Tode am Kreuz verurteilt. So versucht die Welt, den Gott, der so ist wie Jesus, aus der Welt hinauszuwerfen.

Pfarrer Schütz während seiner PredigtIch sehe zwei Punkte auf unserem Bild, an der Stelle, wo eigentlich der Jünger Nr. 12 stehen sollte, ist das der Ort, an dem „die Welt“ in ihrer finsteren Gestalt im Jüngerkreis anwesend ist, indem sie in diesen Kreis eine schmerzliche Lücke reißt?

Bevor Jesus von Judas der Tempelpolizei und den römischen Kohorten ausgeliefert wird, betet Jesus lange für seine Jünger. Seine Fürbitte erreicht mit unserem Predigttext seinen Schluss- und Höhepunkt. Hier betet Jesus nicht nur für seine damaligen Getreuen, sondern auch für alle, die später auf ihn vertrauen würden. Dieses Gebet ist also eine Fürbitte für uns, die ein klar umrissenes Ziel hat:

20 Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden,

21 damit sie alle eins seien.

Jesus betet für uns, die wir im 3. Jahrtausend immer noch an Jesus glauben, weil das Wort der Jünger und Apostel Jesu durch die Kette der christlichen Zeugen bis zu uns weitergereicht worden ist. Und zwar betet Jesus dafür, dass wir „eins“ sind, dass Christen in aller Welt wie mit einem Mund sprechen und einmütig handeln. Das klingt wie ein Witz. Sind Christen nicht zersplittert in viele Konfessionen und Sekten? Glaubt nicht jeder Christ anders als der andere? Gab es in der Kirchengeschichte nicht sogar immer wieder blutige Kriege zwischen Christen, weil sie eben nicht eins waren, sondern einander ihre Art zu glauben aufzwingen wollten?

Offenbar hat Jesus allen Grund, für die Einheit der Christen zu beten. Sie ist keine Selbstverständlichkeit; sie ist ein Wunder. Nur Gott selber kann sie verwirklichen. Und von diesem Wunder erzählt er in schwebenden Kreisen; hier geht es nicht um ein Rechthaben, nicht um genaues dogmatisches Wissen, nicht um fanatische Abgrenzung des richtigen vom falschen Glauben, sondern es geht um das geheimnisvolle Wirken der unsichtbaren Kraft, die Gott selber ist.

Als erstes zeichnet Jesus eine Bewegung nach, in die Gott und er selbst und auch wir einbezogen sind. Dafür verwende ich die blaue Farbe, denn Blau ist die Farbe des Himmels und erinnert an die Treue Gottes. Jesus redet davon, wie die Farbe des Himmels sein Leben durchdringt und auch uns in den Himmel, ins Reich Gottes, hineinzieht:

Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein…

Pfarrer Schütz mit blauen Kreisen auf dem BildDer Vater ist in Jesus. Mit dem Namen „Vater“ redet Jesus sehr persönlich den Gott Israels an, der sich bereits seit Abrahams Zeiten mit seinem Namen der Barmherzigkeit und Befreiung offenbart hat. Gott ist also eine unsichtbare und zugleich persönliche Kraft, die Jesus ganz erfüllt und trägt.

Umgekehrt ist auch Jesus im Vater, das heißt: Der unsichtbare Gott gibt sich selbst ein Gesicht: das Gesicht des Menschen Jesu. Gott ist so für uns da, wie Jesus auf dieser Welt für andere Menschen da war.

Pfarrer Helmut Schütz zeigt auf die Flip-ChartÜberraschend finde ich die Schlussfolgerung, die Jesus zieht: „… so sollen auch sie in uns sein“. Gottvater und Sohn bleiben nicht für sich in ihrer Einheit miteinander, sondern wir haben auch noch Platz in Gott.

Pfarrer Schütz schreibt auf der Flip-ChartBeim Abendmahl sagen wir: Wir bilden den Leib Christi, indem wir zu seiner Gemeinde gehören. Wir hängen an Jesus dran, wie die Teile eines Körpers vom Kopf gesteuert werden. Und so, als eine von Jesus gesteuerte Gemeinschaft, sind wir mitten drin im Kraftfeld Gottes, mitten drin in seinem Reich, in seinem Himmel. Gott will offenbar nicht nur das Gesicht Jesu haben, er will erkennbar werden in den Gesichtern aller Menschen, die auf ihn vertrauen, so wie es in der Schöpfungserzählung heißt: Er schuf uns nach seinem Bilde, männlich und weiblich. Wir sind dazu bestimmt, Gottes Liebe widerzuspiegeln.

Und auch das ist noch nicht die letzte Pointe von dem Satz Jesu. Auch wir Christen sollen nicht einfach nur für uns in Gott sein, fromm und fröhlich sein, sondern diese Gemeinschaft miteinander und mit Gott hat dieses Ziel:

… damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.

Es geht also nicht darum, dass Christen ihr privates Ding mit Jesus und dem lieben Gott machen, und die anderen Menschen bleiben außen vor. Was zwischen uns und Gott passiert, hat Auswirkungen nach außen. Die Welt soll merken, soll es glauben, soll nicht an dieser Realität vorbei kommen, dass Jesus von Gott in die Welt gesandt wurde.

Wenn wir uns daran erinnern, wie klar diese Welt im Johannesevangelium als eine gegengöttliche Welt beurteilt wird, klingt das ganz schön hart. Es geht um eine Welt, die Jesus ablehnt, verrät, verurteilt, im Stich lässt, verspottet, kreuzigt. Für eine solche brutale, grausame Welt gibt Jesus trotzdem die Hoffnung nicht auf. Sie soll die Chance bekommen, zu glauben.

Bild der Teilnehmenden während der PredigtWeiter redet Jesus, und ein neuer Kreidekreis kann beginnen, dieses Mal wähle ich dafür die gelbe Farbe für Gottes Licht und Herrlichkeit, die sich gegen jede Finsternis durchsetzen:

22 Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast…

Wir bekommen also von Jesus „Herrlichkeit“. Toll! Was fangen wir damit an? Das Wort „Herrlichkeit“, auf Griechisch „doxa“, auf Hebräisch „kabod“, ist eins der schwierigsten Wörter in der ganzen Bibel. Man kann es auch mit Ehre oder mit Respekt übersetzen. Ursprünglich war im Alten Testament damit die ganze Wucht der Allmacht Gottes gemeint, der sein Volk mit Macht in die Freiheit führt und dessen Barmherzigkeit sich gegen alle Widerstände durchsetzt. In der Weihnachtsgeschichte hören wir von der Ehre Gottes im Himmel, die sich darin auswirkt, dass auf der Erde Friede möglich werden soll. Gott setzt seine Ehre darein, ein Befreier der Menschen zu sein, ein Friedenskönig, ein Erlöser, ein menschenfreundlicher Gott. Gibt Jesus diese Herrlichkeit an Jesus weiter, und Jesus vertraut sie uns an, dann werden wir praktisch zu Menschenfreunden ernannt, die Frieden schaffen und Gott dabei helfen, den Menschen zu helfen. Johannes legt Wert darauf, dass wir es nötig haben, von oberster Stelle mit dieser Menschenfreundlichkeit beauftragt zu sein. Wir würden sie aus eigener Kraft nie hinkriegen. Und wozu kriegen wir von Gott dieses herrliche Geschenk, die Welt zum Guten verändern zu können? Es ist denen gegeben, die an Jesus glauben, sagt Jesus,

… damit sie eins seien, wie wir eins sind,

23 ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.

Die Herrlichkeit Gottes, die wir von Jesus kriegen, hilft uns also, uns auch als Christen einig zu sein. Das klingt logisch, denn wenn wir uns mit katholischen und baptistischen und allen anderen Christen gemeinsam für Gerechtigkeit und Frieden in der Welt einsetzen, dann haben wir keinen Anlass mehr, um gegeneinander zu kämpfen.

Folgen wir noch einmal der Bewegung, die Jesus hier gedanklich vollzieht: Er, Jesus, ist in uns, so wie der Vater in ihm ist. Das heißt: so, wie Jesus von Gottes heiligem Geist erfüllt ist, so erfüllt uns Jesus mit eben diesem Geist.

Pfarrer Schütz schreibt mit roter Kreide auf die Flip-ChartAber vollkommen eins sein, das geht nur, wenn Liebe Gegensätze überwindet, und so wird hier auch die Liebe ausdrücklich erwähnt, und zwar als eine Macht, die die Welt wahrnehmen kann und an der sie erkennen kann, dass Jesus tatsächlich von Gott kommt. Es heißt, dass römische Bürger damals bewundernd über Christen sagten: „Seht, wie sie einander liebhaben“; da hat sich dieses Gebetswort Jesu als wahr erwiesen.

Noch einmal setzt Jesus in seinem Gebet neu an. Er redet von dem, was er sich selber von Herzen wünscht:

24 Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast, damit sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geliebt, ehe der Grund der Welt gelegt war.

Es klingt wie eine überflüssige Wiederholung, aber es ist Jesus wichtig zu betonen, dass er uns bei sich haben will. Wir sind Jesus von Gott anvertraut worden, und darum will er auch, dass wir die Herrlichkeit Gottes sehen. Ein Herzensanliegen ist es für Jesus, dass wir uns hineinnehmen lassen in Gottes Menschenfreundlichkeit.

Und der tiefste Grund dafür ist eine Liebe, die älter ist als die Grundlegung dieser Welt. Bevor Menschen diese Welt in eine Weltsystem der Unordnung, der Unterdrückung und Ausbeutung verwandeln konnten, war diese Welt von Gott geplant und grundgelegt als eine Schöpfung, in der Frieden, Gerechtigkeit und Liebe möglich sind. Die Liebe Gottes zu seinem Sohn reicht schon in diese Zeit vor aller Zeit zurück, denn es ist die Liebe Gottes selbst, die in Jesus Mensch wurde.

Flip-Chart über die Köpfe der Gottesdienstbesucher hinweg gesehenRaffen wir uns auf zu einem letzten Anlauf, um Jesu Gebet für uns zu begreifen:

25 Gerechter Vater, die Welt kennt dich nicht; ich aber kenne dich, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast.

26 Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen.

Noch einmal erwähnt Jesus die Welt, aber hier scheint er zu resignieren. „Die Welt kennt dich nicht.“ Vorher hat er doch noch gewollt, dass die Welt glaubt und erkennt, dass Jesus wirklich von Gott kommt. Jesus lässt es dahingestellt sein, ob die Welt veränderbar ist oder nicht. Er selbst muss jedenfalls das Todesurteil durch die Welt, vertreten durch jüdische hohepriesterliche und römische Staatsmacht, erleiden.

Woran Jesus sich festhält, bevor er ins Leiden geht, ist ein doppeltes Vertrauen: Er kennt Gott als einen gerechten Vater, obwohl er ihn in ein ungerechtes Leiden hineingehen lässt. Und er vertraut darauf, dass wir ebenfalls erkennen: nämlich dass Jesus von Gott gesandt ist.

Der Himmel zieht sich zu - gleich wird es anfangen zu regnen
Der Himmel zieht sich zu – bald wird es anfangen zu regnen

Abschließend redet Jesus vom Namen Gottes. Der Name Gottes ist ein Programm. Gott selber nennt ihn im Alten Testament, als Mose ihn nach seinem Namen fragt: „Ich bin da. Ich werde sein, der ich sein werde. Ich führe euch in die Freiheit.“ Dieser Name ist keine Beschwörungsformel, er entzieht sich jeder menschlichen Kontrolle, er fasst das zusammen, was ich vorhin unter dem Stichwort „Herrlichkeit“ anzudeuten versucht habe.

Immer wieder neu muss dieser Name kundgetan werden, offenbart und erklärt werden, damit jeder weiß: dieser Gott ist ein unpersönlicher, tyrannischer Herrscher, sondern ein menschenfreundlicher Gott, der die Freiheit und die Zufriedenheit jedes Menschen unter dem Himmel Gottes will.

Obwohl die Welt Gott nicht kennt und sich gegen Gottes Herrlichkeit sperrt, gibt Jesus es dennoch nicht auf, genau in dieser Welt den befreienden Namen Gottes zu verkünden. Die Adresse dieser Verkündigung sind aber wiederum „wir“: diejenigen, die auf Jesus vertrauen.

Das Bild, das auf der Flip-Chart entstanden ist - mit blauen, gelben, grünen und roten KreisenWir hören, was für ein Gott Gott ist, wie er befreit, wie er Frieden schafft, auf welche Weise er die Liebe ist. Gott ist die Liebe als eine Solidarität, die alle Menschen umfasst und nicht nur Teilgruppen und Gesinnungsgemeinschaften. Sie zielt auf die Welt, will sogar ihre Dunkelheiten erreichen und durchdringen, in Licht verwandeln. Mit dieser Liebe liebt Gott Jesus, er steht zu ihm auf seinem Weg, auf dem er zum Opfer der ungerechten Weltordnung wird. Dieselbe Liebe zu Jesus soll in uns sein, und so ist auch Jesus in uns. So habe ich nun auch noch die rote Farbe der Liebe in unserem Bild untergebracht, die zugleich die Farbe des Blutes ist. Denn die Welt wird, kurz nachdem Jesus dieses Gebet gebetet hat, sein Blut vergießen. Aber damit wird seine Liebe nicht getötet, die Herrlichkeit Gottes nicht ausgelöscht, die Treue Gottes nicht geschmälert.

An dieser Stelle unterbrach ein heftiger Regenschauer den Gottesdienst unter freiem Himmel, und in Windeseile zogen alle einschließlich der musikalischen Technik in die Gemütlichkeit des Vereinsheims um, wo die Predigt und der Gottesdienst zu Ende geführt wurden.

Wir können uns abschließend fragen, wo denn nun eigentlich die Grenze zwischen all diesen Gotteskreisen und der Welt verläuft. Wir würden falsch denken, wenn wir unsere eigene Religion oder gar Konfession mit denen gleichsetzen, die in Jesus sind. Wo außerhalb unserer christlichen Religion Menschen auf ihre Weise von Gottes Barmherzigkeit ergriffen werden und Gottes Reich verwirklichen, da sind auch sie „in Gott“ und Jesus „in ihnen“.

Umgekehrt zeigt bereits das Beispiel des Judas, dass auch ein scheinbarer Insider in Wirklichkeit der Welt verfallen sein kann, indem er in fanatischer Verblendung Jesus selbst oder die geringsten unter seinen Geschwistern einer unbarmherzigen Weltordnung als Opfer ausliefert. Wo Christen unduldsam und fanatisch werden, wo sie, statt von Liebe erfüllt zu sein, selber eigenmächtig die Grenze zur Welt ziehen und jedem, der außerhalb steht, die Hölle androhen, da laufen sie Gefahr, selber aus dem Kraftfeld des Namens Gottes, seiner Herrlichkeit, seiner Liebe herauszufallen.

Abschluss des Gottesdienstes im Vereinsheim des Flugsportvereins Gießen
Abschluss des Gottesdienstes im Vereinsheim des Flugsportvereins Gießen

Jesus betet dafür, dass alle, die auf ihn vertrauen, eins sein werden. Er wünscht sich keine Einheitsreligion, sondern dass wir lernen, einander in unserer bunten Vielfalt anzunehmen und solidarisch füreinander einzustehen – wir Christen in allen Konfessionen, aber auch darüber hinaus im friedlichen Dialog der Religionen, und sogar mit Menschen ohne Religionsbindung, die Menschlichkeit auf anderen Wegen zu erreichen versuchen. Die Grenzen zur Welt verlaufen anders, manchmal mitten durch unsere Gemeinden oder durch unser eigenes Herz hindurch. Eins mit Gott, eins mit uns selbst, eins mit den Menschen werden wir dort, wo Gottes Liebe in uns lebt. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 255,1-6:

1. O dass doch bald dein Feuer brennte, du unaussprechlich Liebender, und bald die ganze Welt erkennte, dass du bist König, Gott und Herr!

2. Zwar brennt es schon in heller Flamme, jetzt hier, jetzt dort, in Ost und West, dir, dem für uns erwürgten Lamme, ein herrlich Pfingst- und Freudenfest;

3. und noch entzünden Himmelsfunken so manches kalte, tote Herz und machen Durst’ge freudetrunken und heilen Sünd und Höllenschmerz.

4. Verzehre Stolz und Eigenliebe und sondre ab, was unrein ist, und mehre jener Flamme Triebe, die dir nur glüht, Herr Jesu Christ.

5. Erwecke, läutre und vereine des ganzen Christenvolkes Schar und mach in deinem Gnadenscheine dein Heil noch jedem offenbar.

6. Du unerschöpfter Quell des Lebens, allmächtig starker Gotteshauch, dein Feuermeer ström nicht vergebens. Ach zünd in unsern Herzen auch.

Fürbitten

Jesus Christus, du bist der Weg, der uns Menschen – Frauen, Männer und Kinder – zusammenführt und miteinander verbindet. Hilf uns in unserer zerrissenen Welt und lass uns gemeinsam Mächte abwehren, die sie zerstören. Du bist die Wahrheit, die uns offen macht für die Not und die Bedürfnisse unserer Mitmenschen. Hilf uns in Liebe weiterzukommen, mit Wertschätzung und klaren Erwartungen. Du bist das Leben in Fülle, das uns allen verheißen ist. „So viel wir brauchen“! Du ziehst uns in Gottes Glanz und Herrlichkeit, machst uns heilig. Deshalb bitten wir dich für alle, denen der Himmel verschlossen ist – hier auf Erden: Wir bitten für diejenigen, denen das Leben leer erscheint. Wir bitten für Gebeugte, dass sie aufrecht gehen und nimm den Engherzigen die Angst vor der Weite. Lass uns keine Angst vor grundsätzlichem Wandel haben, hin zu dir, und nicht an bestehenden Verhältnissen herumdoktern. Lass deinen Glanz, deine Herrlichkeit für uns spürbar bis in die dunklen Seiten dieses Lebens reichen. Amen.

Gebetsstille und Vaterunser
Segenslied vom Weltgebetstag 2013: Gottes Segen behüte dich nun
Bekanntmachungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Nachspiel
Anschließend Essen und Trinken auf dem Grillplatz

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