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Jamal und das merkwürdige Tier

Eine Reihe blinder Personen untersucht einen Elefanten
Wie beschreiben blinde Personen einen Elefanten, den sie betasten? (Bild: OpenClipart-VectorsPixabay)
Spielszene mit Handpuppen im Stuhlkreis der Kita-Kinder der Evangelischen Paulusgemeinde Gießen.

Zappi: Hallo, Kinder! Da sind wir endlich wieder.

Fischli: Und unseren neuen Freund Jamal haben wir auch mitgebracht – wie versprochen.

Jamal: Salaam, Kinder, schön dass ich wieder bei euch sein darf.

Gabi: Und ich wollte auch mit. Bin schon ganz gespannt, was Jamal uns erzählen wird.

Lutz: Hey, mich habt ihr wohl ganz vergessen!

Gabi: Nein, Lutz, wer könnte dich vergessen?

Lutz: Na, beim letzten Mal hast du mich nicht mitgenommen.

Gabi: Das stimmt nicht ganz. Ich war ja auch nicht hier. Du hättest ja allein gehen können.

Lutz: Allein hatte ich keine Lust. Aber in der Woche drauf hatte ich Lust, und da ist der Pfarrer Schütz überhaupt nicht mehr zu den Kindern gegangen, und danach auch nicht und dann immer noch nicht und gaaanz gaaanz lange nicht. Und ohne den Pfarrer Schütz können wir nicht zu euch kommen. Weil… der ist ja unser Puppenspieler.

Zappi: Richtig! Und darum ist der Pfarrer Schütz heute natürlich auch noch mit uns mitgekommen!

Lutz: Aber jetzt will ich doch mal wissen, warum der Pfarrer Schütz sooo lange nicht mit uns hierher gekommen ist.

Gabi: Wieso? Hast du das nicht gemerkt? Er hat doch gelesen, viele, viele Bücher, und Geschichten aufgeschrieben, und Leute in der Moschee besucht…

Lutz: Ja, lauter langweilige Sachen. Oder Sachen, wo er uns nicht mitgenommen hat.

Gabi: Doch, einmal hat er Herrn und Frau … von der Islamischen Gemeinde Gießen besucht, da sind wir mit gewesen in seiner Tasche.

Lutz: Aber er hat eigentlich fast nur von Jamal und Zappi und Fischli erzählt.

Jamal: Wir sollten ihm ja auch helfen, Geschichten aus der Bibel und aus dem Koran herauszusuchen – zum Weitererzählen für euch und die Kinder.

Lutz: Aber das andere war laaangweilig. Gaaanz lange hat er nur gaaanz viele Bücher gelesen.

Zappi: Genau. Dicke Bücher, dünne Bücher, leichte Bücher, schwere Bücher.

Fischli: Und manchmal war er mit den dicken Büchern schneller fertig als mit den dünnen. Weil er da nämlich nur ein paar Seiten gelesen hat.

Gabi: Manche Bücher hättest sogar du lesen können, lieber Lutz. Die könntet sogar ihr Kinder schon lesen. Wisst ihr, was das für Bücher sind? * * * Genau: Bilderbücher!

Lutz: Stimmt. Bilderbücher finde ich schön. Da ist nicht so viel Text dabei. Und dafür viele Bilder.

Gabi: Darum heißen sie ja auch „Bilder-Bücher“.

Lutz: Aber was ich noch nicht kapiert habe: Warum hat der Pfarrer Schütz denn so viele Bücher gelesen?

Zappi: Er wollte den Kindern nicht immer nur Geschichten aus der Bibel erzählen,

Fischli: …über die Zappi und ich sehr gut Bescheid wissen,

Jamal: …sondern auch aus dem Koran, in dem ich mich gut auskenne.

Zappi: Und weil der Pfarrer Schütz unser Puppenspieler ist,

Fischli: …muss er die Geschichten ja auch kennenlernen,

Jamal: …sonst könnten wir sie euch nicht weitererzählen.

Lutz: Aber etwas habe ich nicht verstanden.

Gabi: Was denn, lieber Lutz?

Lutz: Wieso liest der Pfarrer Schütz so viel über den Koran? Er ist doch Christ. Christen glauben an das, was in der Bibel steht. Muslime glauben an den Koran.

Gabi: Aber Lutz, hier im Kindergarten sind doch viele Kinder, die Muslime sind. Für die will der Pfarrer Schütz auch etwas erzählen.

Fischli: Und es schadet auch nichts, wenn Christen gemeinsam mit Muslimen etwas aus dem Koran lernen.

Zappi: Genau. Es ist nämlich gar nicht alles anders im Koran. Da steht viel, was in der Bibel auch steht.

Jamal: Und am allerwichtigsten ist, dass Christen und Muslime beide an Gott glauben.

Lutz: Aber ich dachte, Muslime glauben an Allah und Christen an Jesus und Gott.

Jamal: Trotzdem gibt es nur einen Gott. Auf Arabisch heißt Gott „Allah“, darum sagen viele Muslime zu Gott auch „Allah“.

Zappi: Und in der Bibel gibt es auch nur einen einzigen Gott.

Fischli: Genau. Der Jesus ist nämlich nicht ein zweiter Gott. Aber er hat die Menschen genau so lieb wie der eine Gott. Das glauben die Christen.

Lutz: Es gibt also nur einen Gott, aber die Menschen glauben verschieden an Gott?

Jamal: Ja, so kann man das sagen.

Gabi: Aber es gibt auch Menschen, die an mehrere Götter glauben. Zum Beispiel die Hindus in Indien.

Lutz: Und manche glauben an gar keinen Gott. Manchmal finde ich das auch schwer, an Gott zu glauben. Immerhin kann man Gott gar nicht sehen.

Gabi: Stimmt. Und keiner weiß genau, wie Gott aussieht…

Jamal: Hey, da fällt mir eine Geschichte ein, die der Dichter Sana‛i vor 900 Jahren in Afghanistan einmal erzählt hat (918). Wollt ihr die hören?

Zappi: Na klar, dafür sind wir doch eigentlich hierhergekommen.

Fischli: Also los, erzähl…

Jamal: In der großen Stadt Ghor gab es nur blinde Leute. Ihr wisst doch, was „blind“ ist? * * * Genau, wenn man nicht sehen kann. Wenn es immer dunkel ist, auch wenn man die Augen auf hat. Ich weiß nicht, warum alle Menschen in dieser Stadt blind waren, aber es war nun einmal so. Einmal kam ein groooßes Tier in die Stadt Ghor, und die blinden Menschen fürchteten sich, weil es so lauten Krach machte. So etwas hatten sie noch nie gehört! Endlich gingen ein paar besonders Mutige von den Blinden zu dem Tier hin. Sie wollten es anfassen und fühlen, was es für ein Tier war. Aber kaum hatten sie einen Teil von dem Tier angefasst, da liefen sie auch schon wieder weg, weil sie solche Angst bekamen! Die anderen fragten: Was ist das denn nur für ein Tier? Ein Mann sagte: „Das Tier ist hoch und dick wie ein Berg!“ Eine Frau meinte: „Du irrst dich, es ist ganz flach wie ein Vorhang oder ein Fächer.“ Einer rief: „Das Tier ist lang und rund und ringelt sich, es muss eine Riesenschlange sein!“ Ein anderer rief dazwischen: „Quatsch, ich habe zwar etwas Rundes gefühlt, aber es hat sich nicht geringelt, es war wie ein dicker Baumstamm oder eine feste Säule.“ „Nein“, sagte eine andere Frau, „das Tier war dünn und spitz wie ein Speer, und sehr gefährlich.“ Doch der sechste von allen, der am wenigsten Angst hatte, meinte: „Alles Unsinn, da war ein Seil, das hing herunter, vielleicht ist das Tier längst eingefangen und festgebunden.“ Sie hörten gar nicht auf zu streiten. Jeder wollte Recht haben. „Dick!“ „Nein, flach!“ „Rund!“ „Nein, spitz!“ „Baumstamm!“ „Speer!“ „Schlange!“ „Seil!“ Keiner wollte nachgeben. Am Ende der Geschichte sagte der Dichter Sana‛i: So ähnlich ist es mit Gott. Viele Menschen erzählen etwas von Gott, und doch sind sie wie die Blinden in der Geschichte. Denn keiner kann Gott sehen. Darum erzählt jeder etwas anderes. Wer hat Recht? Das weiß keiner. Aber jeder sollte auf den anderen hören. Vielleicht wissen alle gemeinsam mehr von Gott als nur einer allein.

Lutz: Hey, das war ja ganz nett mit Gott am Schluss. Aber was war das denn nun für ein Tier in der Geschichte?

Gabi: Weißt du das denn nicht? Ich habe es längst herausgefunden. Ich verrate es aber nicht. Ich will erst mal wissen, ob die Kinder es auch wissen.

Jamal: Könnt ihr es raten? * * * (919) Ja, genau, es ist ein Elefant! Er ist hoch wie ein Berg, hat Ohren wie ein Fächer oder Vorhang, einen Rüssel wie eine Ringelschlange, Beine wie Baumstämme oder Säulen und einen Schwanz wie ein Seil… Und alles zusammen ist ein einziges Tier.

Jamal: Wollt ihr die Geschichte noch einmal als Bilderbuch hören – und sehen? Die ist nur ein bisschen anders. Da kommen nicht blinde Menschen vor, sondern… Ihr werdet es sehen… Das große Tier ist aber dasselbe wie in der alten Geschichte aus Afghanistan (920).

Lutz: Jetzt haben wir so viel von einem Elefanten gehört, da will ich unbedingt das Lied „Echt elefantastisch“ singen!

Gabi: Ja, das ist toll – und in dem Lied geht es ja auch um Gott und seine Welt!

Echt elefantastisch

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