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Zerbrechliche Schatztruhen

Mit irdenen Gefäßen vergleicht Paulus unser Herz, hergestellt aus Erde, Lehm und Ton, und das sind wir ja auch: „von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du wieder werden“, wir sind sterblich, zerbrechlich, doch in uns haben wir diesen kostbaren Schatz Gottes, dieses Licht, das uns Hoffnung gibt und zum Neuanfang ermutigt.

Ein Schmuckkästchen aus einfachem leichten Holz
Paulus vergleicht uns Menschen mit zerbrechlichen Gefäßen für Schätze von Gott (Bild: Bo MeiPixabay)

#predigtGottesdienst am Letzten Sonntag nach Epiphanias, den 24. Januar 2010, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich zum Gottesdienst in der Pauluskirche mit dem Wort Jesu aus dem Buch Jesaja 60, 2:

Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erscheint über dir.

Herrn Pfarrer Schütz ist für diesen Gottesdienst die Überschrift „Zerbrechliche Schatztruhen“ eingefallen. Der Apostel Paulus spricht in seinem 2. Brief an die Korinther von einem kostbaren Schatz, der in „irdenen Gefäßen“ aufbewahrt wird. Was es damit auf sich hat, erfahren wir in der Predigt.

Im Lied 302 heißt es, dass Gott unser schönster Schatz ist. Wir singen die Strophen 1, 2 und 8:

1. Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn. Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd; ich will ihn herzlich loben, solang ich leben werd.

2. Wohl dem, der einzig schauet nach Jakobs Gott und Heil! Wer dem sich anvertrauet, der hat das beste Teil, das höchste Gut erlesen, den schönsten Schatz geliebt; sein Herz und ganzes Wesen bleibt ewig unbetrübt.

8. Ach ich bin viel zu wenig, zu rühmen seinen Ruhm; der Herr allein ist König, ich eine welke Blum. Jedoch weil ich gehöre gen Zion in sein Zelt, ist’s billig, dass ich mehre sein Lob vor aller Welt.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Amen.“

Gott ist unser schönster, größter Schatz; und er gibt uns von diesem Schatz etwas Kostbares ab, nämlich sein Wort, seine Gebote, seine Wegweisung in die Freiheit, wie es im Psalm 119 heißt:

56 Das ist mein Schatz, dass ich mich an deine Befehle halte.

98 Du machst mich mit deinem Gebot weiser, als meine Feinde sind; denn es ist ewiglich mein Schatz.

Kommt, lasst uns Gott anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wo wir auf Gottes Wort hören, haben wir Anteil an seiner Güte und tragen einen guten Schatz in unserem Herzen, wie Jesus im Evangelium nach Matthäus 12 sagt:

35 Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; und ein böser Mensch bringt Böses hervor aus seinem bösen Schatz.

Herr, erbarme dich unser! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Kostbar ist, was Gott uns schenken will: das Vertrauen zu ihm, sein Wort, auf das sich zu hören lohnt, ein Schatz, für den man alles aufgibt, was sich nicht mit diesem Wort verträgt, wie Jesus ebenfalls im Evangelium nach Matthäus 13 sagt:

44 Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.

Der Herr sei mit euch! „Und mit deinem Geist!“

Vater im Himmel, lehre uns zu staunen über dein Wort, wie kostbar es ist, wie heilsam, tröstlich, ermutigend. Lass uns den Schatz finden, den du uns schenken willst. Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Evangelium nach Matthäus 6, 19-21. Jesus Christus spricht:

19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen.

20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen.

21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Wege. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Glaubensbekenntnis

Im nächsten Lied wird Jesus selbst als „unser Schatz“ besungen. Der Dichter Philipp Nicolai hat vor 411 Jahren den Glauben an Jesus mit der Liebe eines Brautpaares beschrieben. Zugegeben, es klingt merkwürdig für unseren Geschmack, wenn Jesus unser Schatz und Bräutigam genannt wird und wir dementsprechend seine Braut sind. Gemeint ist, dass wir als Gemeinde mit Jesus so eng verbunden sind wie eine Braut mit ihrem Bräutigam.

Lied 70, 1+5+7:

1. Wie schön leuchtet der Morgenstern voll Gnad und Wahrheit von dem Herrn, die süße Wurzel Jesse. Du Sohn Davids aus Jakobs Stamm, mein König und mein Bräutigam, hast mir mein Herz besessen; lieblich, freundlich, schön und herrlich, groß und ehrlich, reich an Gaben, hoch und sehr prächtig erhaben.

5. Herr Gott Vater, mein starker Held, du hast mich ewig vor der Welt in deinem Sohn geliebet. Dein Sohn hat mich ihm selbst vertraut, er ist mein Schatz, ich seine Braut, drum mich auch nichts betrübet. Eia, eia, himmlisch Leben wird er geben mir dort oben; ewig soll mein Herz ihn loben.

7. Wie bin ich doch so herzlich froh, dass mein Schatz ist das A und O, der Anfang und das Ende. Er wird mich doch zu seinem Preis aufnehmen in das Paradeis; des klopf ich in die Hände. Amen, Amen, komm du schöne Freudenkrone, bleib nicht lange; deiner wart ich mit Verlangen.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, alle Bibelworte in diesem Gottesdienst drehten sich bisher um das Stichwort „Schatz“. So auch unser Predigttext.

Er steht in 2. Korinther 4, 6-10, und handelt von einem Schatz, der in „irdenen Gefäßen“ aufbewahrt wird, das sind Krüge aus Ton oder Lehm, also sehr zerbrechliche Schatztruhen:

6 Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.

8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.

9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.

10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

Das ist ein rätselhafter Text. Irdene Gefäße, zerbrechliche Schatztruhen, wovon redet der Paulus da eigentlich? Und was für einen Schatz kann man in so merkwürdigen Schatzkisten aufbewahren?

Betrachten wir zuerst den Schatz, von dem Paulus redet. Es ist ein Schatz, den Gott uns schenkt:

6 Gott … hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben.

Manche werden enttäuscht sein: dieser Schatz besteht nicht aus Gold oder Geld, sondern aus einer Art von Licht. Gott schenkt uns Licht für unser Herz, ja, wörtlich steht da im griechischen Urtext: Gott selber strahlte hell in unserem Herzen auf. In dem griechischen Wort „lampein“, das Paulus hier verwendet, steckt unser Wort „Lampe“; Paulus vergleicht also tatsächlich Gott mit einer Lampe, die es innen drin in uns hell macht.

Eine gute Nachricht für uns ist das, wenn wir traurig oder ängstlich sind und uns verzweifelt wünschen, dass irgendwo ein Lichtlein herkommt oder dass am Ende des Tunnels ein Licht erscheint, das nicht der entgegenkommende D-Zug ist. Wer in einer solchen Situation dieses helle Licht von Gott geschenkt bekommt, kann aufatmen, Hoffnung gewinnen, neu anfangen.

Aber wenn wir in uns Dinge verbergen, die niemand mitbekommen soll, weil sie nicht in Ordnung sind, dann ist es uns vielleicht gar nicht recht, wenn Gott wie mit einer Gigawattlampe auch die dunkelsten Ecken unserer Seele ausleuchtet. Trotzdem, ich halte auch das für eine gute Nachricht. Denn das Licht von Gott stellt uns nicht einfach bloß; es verändert uns auch; es gibt uns Wärme, es enthält auch Gottes vergebende Liebe, es führt uns wieder auf den richtigen Weg.

Und was ist nun mit diesem merkwürdigen Aufbewahrungsort für diesen Schatz, für dieses Licht von Gott?

7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.

Diese „irdenen Gefäße“, das sind wir selbst, das sind unsere Herzen, in die Gott mit seinem Licht hineinleuchet. Er nistet sich ein in unserem Leben, innen drin in unserer Seele, als ob er keine andere Schatzkiste für dieses kostbare Licht hätte finden können.

Mit irdenen Gefäßen vergleicht Paulus unser Herz, hergestellt aus Erde, Lehm und Ton, und das sind wir ja auch: „von Erde bist du genommen, zu Erde sollst du wieder werden“, wir sind sterblich, zerbrechlich, doch in uns haben wir diesen kostbaren Schatz Gottes, dieses Licht, das uns Hoffnung gibt und zum Neuanfang ermutigt.

Übrigens ist dieses Licht nicht nur ein privates Geschenk an uns zum rein persönlichen Gebrauch. Jedes Licht will strahlen, man kann es nicht einsperren, nicht unter einen Scheffel stellen, wie Jesus sagt. Darum stellt Paulus seine Botschaft in einen weiten Zusammenhang, er erinnert an die Weltschöpfung, an den…

6 Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten.

So hatte Gott die Schöpfung angefangen, indem aus totaler Finsternis plötzlich Licht zu strahlen begann. Ganz ähnlich soll es dort werden, wo wir sind. Es soll nicht finster bleiben, sondern hell werden, nicht nur in unserem eigenen Herzen, sondern auch im Leben anderer Menschen:

… dass durch uns entstünde die Erleuchtung…

„Durch uns soll Erleuchtung entstehen“, wir sollen Menschen ein Licht aufgehen lassen. Und was für ein Licht soll das sein? Paulus drückt sich kompliziert aus. Das Licht, das in uns zu leuchten begonnen hat, soll auch bei anderen neue Einsicht in Gang setzen, es soll nämlich dienen…

zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

In einfacherem Deutsch: Etwas vom unsichtbaren Gott wird sichtbar in einem menschlichen Gesicht. Allmacht, unendliche Güte, barmherzige Liebe Gottes – wenn wir davon etwas begreifen wollen, müssen wir Jesus ins Gesicht sehen. Jesus, wo er uns aufrichtet, aber auch wo er uns richtet, Jesus, der uns tröstend in den Arm nimmt, der uns aber auch streng anschauen kann, Jesus, der zerbrochene Seelen und kaputte Menschenleben heilt, der es aber auch ertragen hat, als man ihn am ganzen Leib blutig geschlagen und ins Gesicht gespuckt hat.

Damit wird noch klarer, was das für ein Licht ist, das da in uns aufleuchtet: es wirft zwar selbst keine Schatten, aber es leuchtet aus der Dunkelheit hervor.

Bei Jesus in seinem ganzen Leben war das nicht anders. Dass Gottes Liebe in ihm war, bewahrte ihn nicht davor, gequält und getötet zu werden. Aber er blieb getragen von Gottes Liebe, er bewahrte seine Liebe zu den Menschen. Jesus blieb stärker als das Böse, indem er auf Böses nicht mit Bösem, sondern mit Liebe antwortete. Jesus machte das alles nicht als ein Supermann mit ganz anderen Kräften, als sie uns anderen Menschen zur Verfügung stehen, sondern er wusste genau, dass er ein zerbrechlicher Mensch war, der auf die Hilfe Gottes angewiesen war. Jesus ist Gottes Sohn, indem er zugleich ganz Mensch ist. Im Unterschied zu uns anderen Menschen hatte er den Heiligen Geist vollkommen in sich, so dass das ganze Licht Gottes in größtmöglicher Lichtstärke aus ihm herausstrahlte. Aber wie wir hatte er dieses Licht in einem sterblichen Körper, in einer verletzbaren Seele, in einem Herzen, das schwere Versuchungen zu bewältigen hatte. Das heißt, wenn wir, wie Paulus sagt, zerbrechliche Schatztruhen für das Licht der Liebe Gottes sind, dann sind wir genau so zerbrechlich wie Jesus selbst.

7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.

Paulus hat wohl Grund, uns so zu ermahnen. Denn wir neigen dazu, unsere Zerbrechlichkeit zu vergessen, wenn wir uns stark fühlen. Aber die Kraft, die wir haben, das Licht, das wir ausstrahlen, ist nicht selbstverständlich in uns, es ist ein Geschenk. Wir haben Kräfte, wir dürfen mutig Gutes tun, wir bekommen jeden Tag neue Energie für unsere Aufgaben, aber „diese überschwengliche Kraft kommt von Gott und nicht von uns“. Paulus wusste es aus eigener Erfahrung, er litt an einer geheimnisvollen Krankheit, ihm war auch bewusst, dass es ihm Mühe bereitete, die Botschaft von Christus in einfachen Worten zu verkünden. Trotzdem hörte er nicht auf, seine „mission impossible“ in die Tat umzusetzen, diesen unmöglichen Auftrag, den Glauben an einen gekreuzigten, einen scheinbar gescheiterten und machtlosen Gott zu verkünden. Denn er wusste: „Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig.“

Auf fünffache Weise wiederholt Paulus diesen Gedanken, um uns klarzumachen, dass wir keine Supermenschen sein müssen, um gute Christen zu sein, um unser Leben zu meistern, um anderen Menschen hilfreich zur Seite zu stehen.

Erstens kennt Paulus feindselige Angriffe von außen:

8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht.

Das ist eine mutige Reaktion auf Mobbing und Niedertracht. „Wir ängstigen uns nicht.“ Wir verzichten darauf, über eine angemessene Angst hinaus uns Angst zu machen. Wörtlich steht da: „wir lassen uns nicht in die Enge treiben, wir werden nicht zerquetscht“.

Bedrängnis von außen wird erst dann zu einer wirklichen Bedrohung, wenn sie uns in unserem Inneren erreicht, zum Beispiel wenn wir denken: im Grunde haben die ja Recht mit ihren Angriffen und Vorwürfen. Aber wir dürfen auf Vergebung vertrauen, wir dürfen wissen: egal, was wir getan haben, egal, was andere über uns sagen, egal ob wir unschuldig oder schuldig in Bedrängnis geraten, Gott macht uns nicht nieder, er will uns bewahren, aufrichten, wenn nötig, auf den richtigen Weg bringen.

Zweitens kennt Paulus aber die Erfahrung, dass Angst unsere Seele einschnürt:

Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.

Wenn wir nicht weiter wissen, wenn sich unsere Angst nicht beruhigen lässt, dann müssen wir sie aushalten, und Paulus ist überzeugt, wir können Angst ertragen, ohne das wir zu verzweifelten Taten greifen, im Vertrauen auf den Jesus, der gesagt hat (Johannes 16, 33):

In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.

Drittens spricht Paulus von einer ganz konkreten Situation (2. Korinther 4):

9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen.

Verfolgt zu sein, fliehen zu müssen, unter ständiger Anspannung zu leben, stelle ich mir schrecklich vor. Paulus und seine Begleiter kennen aber die Erfahrung, in dieser Situation nicht allein zu sein. Sie haben Unterstützung von Freunden, von der Gemeinde, man gewährt ihnen Unterschlupf und Schutz. Und sie wissen sich behütet von Gott, trotz allem. Wenn alle Menschen uns verlassen, ist Gott immer noch bei uns.

Auch in unserer Zeit gibt es Christenverfolgungen in manchen Ländern. Bei uns führen manchmal Konflikte im Büro, auf dem Schulhof oder in der Nachbarschaft dazu, dass Menschen gemobbt, bedroht und verfolgt werden. Auch für sie ist wichtig, dass sie es wagen, sich Hilfe zu suchen und nicht allein bleiben mit ihrer Angst. Das gilt auch dann, wenn das Gefühl, verfolgt zu sein, übertrieben erscheint; Menschen, die unter einem sogenannten Verfolgungswahn leiden, brauchen ja auch Hilfe, damit sie nicht immer weiter in den Teufelskreis von Alleinsein und immer mehr Angst vor bösen Menschen hineingeraten.

Viertens spricht Paulus Erfahrungen an, die noch bitterer sind:

Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.

In der Zürcher Bibelübersetzung steht hier: „zu Boden geworfen, doch nicht am Boden zerstört.“ Man mag das einen schwachen Trost nennen, aber Paulus legt uns dringend ans Herz, auch auf den schwächsten Trost nicht zu verzichten. Wir neigen dazu, wenn Schlimmes passiert, noch Schlimmeres zu erwarten; Paulus ist dankbar dafür, dass es wenigstens im Augenblick erst einmal nicht zum Allerschlimmsten gekommen ist.

Und an fünfter Stelle bezieht Paulus alles, was er gesagt hat, noch einmal auf Jesus Christus:

10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.

Auch so kann der Gedanke ausgedrückt werden, dass wir zerbrechliche Behälter für einen kostbaren Schatz sind: Alles, was an uns unvollkommen ist, was uns bedrängt und Angst macht, unsere Zerbrechlichkeit und Sterblichkeit, das haben wir mit Jesus gemeinsam. Er hat unser menschliches Schicksal durchlebt, mit allen Höhen und Tiefen, bis hin zu einem grausamen Leiden und Sterben. Doch das war nicht das Letzte, was man über Jesus sagen konnte. Er wurde auferweckt zum ewigen Leben, ihm ist alle Macht beim Vater im Himmel gegeben, er ist lebendig für uns da mit seiner Liebe. Und darum tragen wir nicht nur das Sterben, sondern auch das Leben Jesu an unserem Leibe.

Ich hörte in der letzten Woche von einer Frau in den USA, die ohne Arme geboren worden war. Man sollte meinen, dass sie nur mit großen Schwierigkeiten ihr Leben meistern konnte. Aber sie lernte alles, was andere mit ihren Händen machen, mit ihren Füßen zu tun. Sie schreibt SMSe und schminkt sich mit ihren Füßen. Sie machte sogar den Pilotenschein, um ihre Flugangst zu überwinden. Mit dem privaten Flugzeug oder mit dem Auto kommt sie beruflich weit im Land herum. Ihr Beruf ist Motivationstrainerin. Sie bringt anderen Menschen bei, wie sie die eigenen Kräfte in sich wecken und für ihr persönliches und berufliches Leben nutzbar machen können.

Wir müssen nicht alle mit unseren Füßen schreiben und Autofahren lernen. Aber das Beispiel dieser Frau kann uns ermutigen, dass wir auch wahrnehmen, welche Schätze wir in uns tragen, selbst wenn wir uns fühlen wie eine alte kaputte Schatztruhe. Paulus sagt: Es steckt mehr in uns, als wir meinen. Denn Gott selber steckt in uns als ein Licht, das uns verwandeln und in die Weite strahlen will. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 584: Meine engen Grenzen

Lasst uns beten.

Vater im Himmel, in der Fürbitte denken wir heute besonders an unsere fernen Nächsten in Haiti, die weiter dem Grauen des Erdbebens ausgesetzt sind:

Umherirrende Kinder, Mütter und Väter mit leeren Händen; Hunderttausende in schrecklicher Ungewissheit, immer mehr von ihnen in bitterer Gewissheit und Trauer; unversorgte Kranke und Verletzte; Menschen, umhergetrieben von Hunger und Durst; überforderte und erschöpfte Helferinnen und Helfer.

Gib ihnen die Kraft, sich von Stunde zu Stunde an das Leben und an ihre nächstliegende Aufgabe zu klammern, damit sie nicht jetzt noch im Meer des Elends versinken, sondern ihr persönliches rettendes Ufer erreichen.

Wir bitten um Klugheit und Entschlusskraft für alle, die die Katastrophenhilfe organisieren und koordinieren, damit die besten Absichten vieler verwirklicht werden können.

Wir bitten auch für uns selbst: Rühre unsere Herzen an, damit wir unser Leben ohne Angst vor den ganz großen Naturkatastrophen nicht als Selbstverständlichkeit ansehen, sondern als Verpflichtung, für unsere Mitmenschen einzustehen, die dieses Glück nicht haben, in Haiti und an vielen anderen Orten.

Verwandle uns durch dein Licht, dass wir unsere Stärken sinnvoll und hilfreich in die Tat umsetzen, dass wir ein Lichtblick werden für andere Menschen.

In der Stille bringen wir vor dich, was wir ganz persönlich auf dem Herzen haben:

Gebetsstille und Vater unser
Lied 588: Tragt in die Welt nun ein Licht
Abkündigungen

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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