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„Du stellst meine Füße auf weiten Raum“

Im Familiengottesdienst mit dem Dank für die Italienfreizeit des Jugendzentrums „Holzwurm“ und der Einführung der neuen Konfirmanden predige ich über einen halben Vers aus Psalm 31, 9b. Über sieben Wörter: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“ Sieben Wörter, die es in sich haben. Jedes einzelne Wort ist wichtig, um den Satz zu verstehen.

zwei Bergwanderer unter blauem Himmel
Wanderer in der Bergwelt unter blauem Himmel (Bild: Inga KlasPixabay)

Familiengottesdienst mit dem Dank für die Italienfreizeit und der Einführung der neuen Konfirmanden am 9. Sonntag nach Trinitatis, den 20. August 2000, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
„Fear not“: Joy For Melody
Begrüßung: Frank-Tilo Becher und Karin Stasch-Hölzel
Gebet: Frank-Tilo Becher
Bittrufe: Texte: Frank-Tilo Becher

Zwischengesang: „Herr, erbarme dich, erbarme dich, Herr, erbarme dich, Herr, erbarme dich!“

Bilder der Dankbarkeit: Dias: Ralf Volgmann / Musik: Ten-Sing
Dankgebet: Ralf Volgmann
Lied: Danke (EG 334)

Liebe Gemeinde!

Ich predige über einen halben Vers aus Psalm 31, 9b. Über sieben Wörter:

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Sieben Wörter, die es in sich haben. Jedes einzelne Wort ist wichtig, um den Satz zu verstehen.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Füße brauchen wir zum Gehen, zum Laufen, zum Rennen, bei Sport und Spiel. Füße hinterlassen Spuren, zeigen, wo wir hergekommen sind, was wir durchgemacht haben. Früher brauchte man auch die eigenen Füße, um weit zu reisen. Heute nutzen wir dazu Fahrrad, Auto, Bahn und Flieger. Ihr seid in den Bus gestiegen, der euch nach Italien gefahren hat. Aber beinahe hättet ihr aus Rom zu Fuß zurückwandern müssen, das ist eine der Geschichten, die man sich man nach so einer Reise erzählt.

Füße zu haben, wäre sinnlos, ohne Raum zu haben:

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Egal wo ich herkomme, was meine Vergangenheit ist, Füße brauchen Bewegungsfreiheit, Spiel-Raum. Irgendwo muss ich meinen Fuß hinsetzen können. Gehen kann ich nur, wenn ich nicht eingesperrt bin. Was passiert, wenn mir zu eng wird, wenn mir jemand auf die Füße tritt? Ich ziehe mich zurück – oder ich trete zurück, muss mich doch wehren, gebrauche meine Füße zum Wehtun. Aber wenn genug Platz, genug Freiheit, genug Spiel-Raum da ist, dann habe ich es nicht nötig zu treten.

Füße brauchen Raum zum Gehen. Aber warum muss jemand meine Füße hinstellen?

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Kann ich nicht alleine gehen? Mir fällt ein Baby ein, das laufen lernt. Der Papa, die Mama, stellt es dorthin, wo viel freier Raum ist. Dann verletzt es sich nicht, wenn es hinfällt. Es wird nicht gegängelt, sondern beschützt. Es kriegt die Chance, selber zu gehen.

Wir sind schon lange keine Babies mehr, auch ihr Konfis habt das lange hinter euch. Aber immer wieder im Leben betreten wir Neuland. Wir müssen neu laufen lernen im neuen Raum – in der neuen Schulklasse, im fremden Land, im neuen Beruf, bei neuen Aufgaben, als Konfis im Raum der Gemeinde. Wer stellt mich so hin, dass ich nicht gleich bös auf die Nase falle? Wer zeigt mir Wege, auf denen es gut ist zu gehen? Denn es gibt auch Raum, der einem anderen Menschen gehört, den ich nicht betreten darf. Sonst trete ich hier jemandem auf die Füße und trample dort die Blume kaputt, die ein anderer gepflanzt hat. Ich brauche ein Ziel, Orientierung und Halt im Leben – das ist hier gemeint: „Du stellst meine Füße auf weiten Raum.“

Doch gehen muss ich selber.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Ich bekomme eine Chance. Nutzen kann und muss ich sie selber. Wenn ich nicht losgehe, nützt mir der ganze weite freie Raum nichts.

Jetzt wird es aber Zeit, zu fragen: Wer ist das denn, der meine Füße auf weiten Raum stellt, der mir Freiheit gibt? Dieses große „Du“ in unserem Satz:

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Wer ist dieses Du?

Ich versuche eine einfache Antwort. Gott ist das größte Du, das wir kennen. Für das kleine Baby ist zuerst die Mama oder der Papa dieses große Du, sie sind wie Gott, die können alles, die geben Schutz und Chancen, die stellen die Füße des Kindes so hin, dass es selber laufen lernt. Werden wir größer, dann merken wir: Papa und Mama können doch nicht alles. Wir merken: es sind viele andere Menschen auf der Welt, und nicht alle sind lieb zu uns. Viele machen uns Angst, machen uns die Welt eng. Das Wort Angst kommt von Enge, wenn mir der Brustkorb zugeschnürt ist und ich nicht richtig atmen kann. Viele Menschen erleben so viele Enttäuschungen und so wenig Liebe in der Welt, dass sie an überhaupt kein großes Du mehr glauben wollen.

Trotzdem, das ist die Botschaft der Bibel, die Botschaft von Jesus, die Botschaft der Kirche: dieses große Du ist wirklich da, und es ist ansprechbar! Ich darf Du sagen zu dem, der die Welt geschaffen hat. Du, großes Du, Du willst, dass ich da bin! Du hast mich lieb, ich kann mich auf dich verlassen. Meine Angst beruhigt sich, die Welt ist nicht mehr eng. Sie wird weit. Gott will für mich Weite, nicht Enge.

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Es ist wichtig, zu betonen, dass Gott nicht engstirnig, sondern weitherzig ist.

Gerade weil die meisten Menschen heute die Kirche als eng erleben. Ist wirklich in der Kirche nur bestimmte Musik erlaubt? Darf man nur bestimmte Gedanken denken? Muss jeder Christ genau das gleiche glauben? Nein, Gott will, dass die Kirche ein weiter Raum ist – da haben alle Menschen Platz, nicht nur die, die schon glauben. Jesus war Weltmeister im Gottvertrauen – und gerade darum hatte er das weitest mögliche Herz gerade für Zweifler und Sünder und Menschen mit vielen Fragen – er wollte, dass alle Menschen zurückfinden zu Gott, zu dem großen Du, von dem alle herkommen.

Vor allem ihr Kinder, ihr Jugendlichen, heute vor allem ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden: Hört nicht auf zu fragen! Hört nicht auf, eure Ideen auszusprechen! Hört nicht auf, uns zu kritisieren, wenn ihr meint, in der Kirche muss sich etwas ändern. Wir brauchen euch! Gott braucht eure Mitwirkung in der Kirche genau so, wie er die erwachsenen Leute braucht. Gott schenkt uns so viel Raum, dass wir niemanden niedertreten oder beiseitedrängen müssen.

Ein kleines Wort habe ich noch vergessen, das Wörtlein „auf“. Es heißt ja:

Du stellst meine Füße auf weiten Raum.

Müsste es nicht heißen: „in den weiten Raum“? Ich stelle mir den weiten Raum, auf den meine Füße gestellt werden so vor: Eine weite Fläche, festen Boden unter den Füßen. Ich versinke nicht im Boden, ich gehe nicht unter in Angst und Sorgen. Doch ich brauche auch nicht abzuheben und sein wollen wie Gott. Denn Gott selber möchte, dass ich mit beiden Beinen auf der Erde stehe. „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“. Amen.

„Zurück zu Gott“: Joy For Melody
Vorstellung des neuen Konfirmandenjahrgangs:
Verlesung der Namen: Frank-Tilo Becher / Austeilung der Lesezeichen: H. Schütz
Lied: Herr, deine Liebe (EG 610)
Bekanntmachungen: Frank-Tilo Becher
Fürbitten: Ralf Volgmann, Frank-Tilo Becher und andere
Vater unser und Segen: Frank-Tilo Becher
Kollektensammlung und Musik von Ten-Sing
Kirchencafé im Gemeindesaal

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