Bild: Helmut Schütz

Durch Christus reich gesegnet

Ich dachte, ich lobe einfach Gott. Und plötzlich merke ich: In diesem Lobpreis komme ich selber vor. Ich, Sie, wir alle, wir gehören zu Gottes großem Plan der Einheit für seine Welt. Wir sind gefordert und werden ermutigt, Konflikte zu lösen, Vorurteile abzubauen, Gespräche über Grenzen hinweg zu führen und bei alldem die Wahrheit nicht zu verschweigen.

Der Innenraum der katholischen Kirche St. Albertus in Gießen
Der Innenraum der katholischen Kirche St. Albertus in Gießen

Ökumenische Vesper am Sonntag, den 13. Februar 2011, um 17.00 Uhr in der katholischen St.-Albertus-Kirche Gießen
Eröffnung (Pfarrer Hermann Heil)
Gemeindelied: „Lobe den Herren“
Psalmen 98 und 104 (Chöre und C. Kalbhenn)
Lesung (Pfarrer Helmut Schütz): Epheser 1, 3-14

(Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift © 1980 by Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart:)

3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel.

4 Denn in ihm hat er uns erwählt vor der Erschaffung der Welt, damit wir heilig und untadelig leben vor Gott;

5 er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen,

6 zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn;

7 durch sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade.

8 Durch sie hat er uns mit aller Weisheit und Einsicht reich beschenkt

9 und hat uns das Geheimnis seines Willens kundgetan, wie er es gnädig im voraus bestimmt hat:

10 Er hat beschlossen, die Fülle der Zeiten heraufzuführen, in Christus alles zu vereinen, alles, was im Himmel und auf Erden ist.

11 Durch ihn sind wir auch als Erben vorherbestimmt und eingesetzt nach dem Plan dessen, der alles so verwirklicht, wie er es in seinem Willen beschließt;

12 wir sind zum Lob seiner Herrlichkeit bestimmt, die wir schon früher auf Christus gehofft haben.

13 Durch ihn habt auch ihr das Wort der Wahrheit gehört, das Evangelium von eurer Rettung; durch ihn habt ihr das Siegel des verheißenen Heiligen Geistes empfangen, als ihr den Glauben annahmt.

14 Der Geist ist der erste Anteil des Erbes, das wir erhalten sollen, der Erlösung, durch die wir Gottes Eigentum werden, zum Lob seiner Herrlichkeit.

Chorlied: „Singt Halleluja“ (Stephanuschor)
Ansprache (Pfarrer Helmut Schütz)
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, einige von Ihnen haben die Bibelabende zum Epheserbrief miterlebt, ich glaube, nur ein oder zwei waren bei allen dabei. Ich war überrascht, wie intensiv wir ins Gespräch kamen zu Kernthemen des christlichen Glaubens: Wer an Christus glaubt, wofür entscheidet er sich, was lässt er hinter sich? Die Einheit der Kirche in vielen verschiedenen Konfessionen, wie kann sie gelebt werden, und wer trägt und garantiert sie? Gegen welche Feinde müssen Christen antreten, in äußerer Verfolgung und auch in dem, was uns persönlich innerlich zu schaffen macht? Und mit welchen Waffen können wir als Christen einen siegreichen Kampf bestreiten? Immer wieder kamen wir bei diesen Fragen auf das Zentrum des christlichen Glaubens zurück, und dieses Zentrum ist keine Idee und kein Prinzip, sondern eine Person, nämlich Jesus Christus. Letzten Endes ist der christliche Glaube das Vertrauen auf ihn; er selbst garantiert die Einheit seiner Kirche quer durch alle Konfessionen, in denen Menschen an ihn glauben, und er ist es auch, der uns mit den geistlichen Waffen, vom Vertrauen über die Hoffnung bis hin zur Liebe ausstattet, mit denen wir für den Kampf im alltäglichen Leben überall in Familie und Nachbarschaft, in Kirche und Gesellschaft, im eigenen Land und weltweit gut ausgerüstet sind.

Für diese Feier zur Vesperstunde am frühen Abend haben wir uns vorgenommen, Gott zu loben und zu danken für diesen Jesus Christus, der die Mitte unseres Glaubens und Christenlebens ist. Wir haben Gott bereits gepriesen in Psalmen und Liedern, wir werden Gott preisen im Magnificat der Jungfrau Maria und in weiteren Liedern, und wir besinnen uns nun auf den großen Lobgesang auf Jesus Christus, den wir eben im ersten Kapitel des Epheserbriefes gehört haben. Oft rauschen solche Lobeshymnen einfach an unseren Ohren vorbei. Ich möchte Sie einladen, heute an einigen Stellen noch etwas bewusster hinzuhören.

Wir lesen den Text während der Ansprache jetzt nach der Neuen Genfer Übersetzung, die auch im Bibelwochenheft verwendet wurde:

3 Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Gepriesen sei er für die Fülle des geistlichen Segens, an der wir in der himmlischen Welt durch Christus Anteil bekommen haben.

Wenn ich die deutschen Bibelübersetzungen an dieser Stelle mit dem griechischen Urtext vergleiche, fällt mir auf: Gott wird gepriesen, wir werden von Gott gesegnet, aber im Urtext steht zwei Mal das gleiche Wort, das wörtlich so viel heißt wie „wohlreden“ oder „Gutes sagen“. Wir können im Deutschen nicht gut beide Male das gleiche Wort verwenden, denn wir haben nichts in der Hand, um Gott zu segnen, wir haben nichts vorzuweisen, um von Gott gepriesen zu werden. Es ist aber doch gut zu sehen: Es gibt zwischen dem Lobpreis für Gott und dem Segen Gottes an uns eine deutliche Entsprechung; in beiden Fällen handelt es sich um gute Worte: Im Segenswort schenkt Gott uns, was uns leben lässt, im Lobpreis drücken wir Gott gegenüber unseren Dank für seinen Segen aus.

Der Lobpreis wird nicht an Jesus selbst gerichtet, sondern an den Gott und Vater Jesu Christi. Genauer bestimmt wird Gottes Segen mit einem dreifachen „in“: Erstens: „in jeder geistlichen Segnung“, zweitens „in den Himmeln“, drittens „in Christus“.

Was Gott uns in seinem Segen schenkt, ist also erstens er selbst in seinem Geist, er segnet uns, indem er uns innerlich verwandelt, stärkt, tröstet, ermutigt. Zweitens: Gottes Segen lässt uns schon hier in himmlischen Welten leben, nämlich in dem Reich Gottes, von dem Jesus gesagt hat, dass es schon hier mitten unter uns ist, wo wir auf ihn vertrauen. Darum ist auch drittens Gottes Segen uns geschenkt „in Christus“, also indem wir an ihn glauben und zum Leib Christi, zur Gemeinschaft seiner Kirche, gehören.

In den folgenden Versen wird weiter ausgeführt, was es bedeutet, „in Christus“ zu leben:

4 Denn in Christus hat er uns schon vor der Erschaffung der Welt erwählt mit dem Ziel, dass wir ein geheiligtes und untadeliges Leben führen, ein Leben in seiner Gegenwart und erfüllt von seiner Liebe.

5 Von allem Anfang an hat er uns dazu bestimmt, durch Jesus Christus seine Söhne und Töchter zu werden. Das war sein Plan; so hatte er es beschlossen.

Erstaunlich ist: dass wir in Christus sind, also im Vertrauen auf Jesus zu seiner Kirche gehören, Glieder am Leib Christi sind, das ist für den Epheserbrief kein Zufall, sondern von Gott bereits vor der Schöpfung geplant. Er wollte schon damals, dass wir unser Leben heilig und untadelig in der Verantwortung vor ihm führen. Er wusste schon damals, dass wir das ohne seine Hilfe, ohne Christus, ohne die Liebe, mit der er selber uns erfüllt, nicht schaffen würden. Aber durch Jesus Christus können wir es schaffen, wie er selbst als Gottes Söhne und Töchter zu leben.

Wenn uns das gelingt, im Vertrauen auf Jesus in seiner Gemeinde als Gottes Kinder zu leben, etwas von seiner Liebe widerzuspiegeln und auf Wegen des Friedens zu gehen, dann ist das ein tatkräftiger Beitrag zum Lobpreis Gottes im Alltag, so fährt unser Text fort:

6 Und das alles soll zum Ruhm seiner wunderbaren Gnade beitragen, die er uns durch seinen geliebten Sohn erwiesen hat.

Hier könnte man noch denken: Schön wär‛s, wenn wir so heilig und untadelig leben könnten. Aber die menschliche Natur ist nun mal nicht so. Doch sofort werden wir belehrt, dass die wunderbare Gnade und Liebe Gottes gerade darin besteht, uns diese Ausrede zu nehmen:

7 Durch Christus, der sein Blut für uns vergossen hat, sind wir erlöst; durch ihn sind uns unsere Verfehlungen vergeben. Daran wird sichtbar, wie groß Gottes Gnade ist;

8 er hat sie uns in ihrer ganzen Fülle erfahren lassen.

Uns ist vergeben. Jesu Tod am Kreuz war ein Freikauf von den Folgen unserer Verfehlungen. Damit ist uns Verantwortung ganz neu zugetraut und zugemutet: Wir dürfen, sollen, müssen neu anfangen; es gibt keine Ausrede, als seien wir zu sündig, als könnten wir uns eh nicht ändern.

Im Lobpreis fahren wir fort, Gott zu loben und zu danken, und nun geht es um einen vormals geheimen Plan, der erst mit Christus aller Welt offenbar werden sollte.

In seiner Gnade hat er uns auch alle nötige Weisheit und Einsicht geschenkt.

9 Er hat uns seinen Plan wissen lassen, der bis dahin ein Geheimnis gewesen war und den er – so hatte er es sich vorgenommen, und so hatte er beschlossen – durch Christus

10 verwirklichen wollte, sobald die Zeit dafür gekommen war: Unter ihm, Christus, dem Oberhaupt des ganzen Universums, soll alles vereint werden – das, was im Himmel, und das, was auf der Erde ist.

Gottes geheimer Plan sieht eine großartige Vereinigung vor, die nicht nur alle Menschen auf der gesamten Erde umfasst, sondern auch alle Engelmächte des Himmels. Dass diese Vision auch 2000 Jahre nach Christus noch nicht verwirklicht ist, stimmt mich zwar skeptisch. Hat die christliche Kirche nicht Jahrhunderte hindurch die Einheit der Menschheit auf unzureichenden und falschen Wegen gesucht, unter Anwendung von Zwang, Nötigung und Gewalt? Hat die Kirche Jesu Feindesliebe und seine Friedensbotschaft nicht immer wieder vergessen oder für unrealistisch gehalten? Trotzdem, im Vertrauen auf Jesus, der am Kreuz sogar seinen Todfeinden vergab, möchte ich festhalten an dieser Hoffnung auf die Versöhnung von allem, was auf der Erde und im Himmel ist. Das ist keine blauäugige Hoffnung, sondern Gottes realer Plan mit dieser Welt.

Wichtig ist: Zu diesem Plan Gottes mit seiner Welt gehören auch wir:

11 Außerdem hat Gott uns – seinem Plan entsprechend – durch Christus zu seinen Erben gemacht. Er, der alles nach seinem Willen und in Übereinstimmung mit seinem Plan ausführt, hatte uns von Anfang dazu bestimmt

12 mit dem Ziel, dass wir zum Ruhm seiner Macht und Herrlichkeit beitragen – wir alle, die wir unsere Hoffnung auf Christus gesetzt haben.

Je mehr ich in diesen Lobpreis Gottes einsteige, desto mehr merke ich: Da dachte ich, ich lobe einfach Gott. Und plötzlich merke ich: In diesem Lobpreis komme ich selber vor, bin ich extrem herausgefordert. Ich, Sie, wir alle, wir gehören zu Gottes großem Plan der Einheit für seine Welt. Wir sind gefordert und werden ermutigt, Konflikte zu lösen, Vorurteile abzubauen, Gespräche über Grenzen hinweg zu führen und bei alldem die Wahrheit nicht zu verschweigen.

13 Auch ihr gehört jetzt zu Christus. Ihr habt die Botschaft der Wahrheit gehört, das Evangelium, das euch Rettung bringt. Und weil ihr diese Botschaft im Glauben angenommen habt, hat Gott euch – wie er es versprochen hat – durch Christus den Heiligen Geist gegeben. Damit hat er euch sein Siegel aufgedrückt, die Bestätigung dafür, dass auch ihr jetzt sein Eigentum seid.

Wir sind hier versammelt als Menschen, die Jesu Botschaft gehört, sie als wahr erkannt und angenommen haben. Wir sind gerettet von der Sünde, befreit zur Liebe, erfüllt mit Gaben des Heiligen Geistes. Sogar sein Siegel hat er uns aufgedrückt, dieses Siegel ist unsere christliche Taufe, durch die ein für alle Mal bestätigt ist, dass wir zu Gott gehören.

Kommen wir zum Schluss:

14 Der Heilige Geist ist gewissermaßen eine Anzahlung, die Gott uns macht, der erste Teil unseres himmlischen Erbes; Gott verbürgt sich damit für die vollständige Erlösung derer, die sein Eigentum sind. Und auch das soll zum Ruhm seiner Macht und Herrlichkeit beitragen.

Unser Lobpreis für Gott endet mit der Dankbarkeit für den Heiligen Geist, von dem in unserem Text immer wieder die Rede war. Vergessen wir nicht: Der Heilige Geist ist Gott selber, wie er in Jesus sichtbar auf der Welt gewirkt hat, wie er spürbar auch in uns wirken will, uns mit geistlichen Waffen ausrüstet: Liebe, Geduld, Klarheit, Wahrheit, Friede, Eintracht und viele andere mehr. Wir dürfen sie einsetzen in der Zuversicht, dass wir hier auf Erden nur bruchstückhaft verwirklichen können, was Gott für die Welt plant. Wie, wo und wann alles vereint sein wird, was im Himmel und auf der Erde ist, das entscheidet Gott selbst. Versprochen ist uns aber von Gott, dass wir ein Teil dieses Ganzen sein werden, dass auch wir selbst die Vollendung im Himmel erwarten dürfen. Dafür lasst uns Gott gemeinsam lobpreisen! Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes. (Römer 15, 13). Amen.
Chorlied: „Laudate Dominum“ (Albertuschor)
Magnificat mit Antiphon: EG 600 (Pfarrer Hermann Heil)
Fürbitten (alle Pfarrer/innen – vorb. durch Pfarrer Achim Plagentz)
Vater Unser (Pfarrer Achim Plagentz)
Chorlied (Michaelschor)
Segen (Pfarrer Hermann Heil)
Orgelnachspiel
Anschließend: Gemeinsames Beisammensein in der Rotunde von St. Albertus

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