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„Wenn ich schwach bin, so bin ich stark“

Im Verlieren kann ein Gewinn stecken. Einer, der es immer nötig hat, zu gewinnen, ist in Wirklichkeit ein Verlierer. Wer immer stark ist, schützt sich oft nicht ausreichend vor Gefahren, die auch ihn bedrohen. Und jemand, der schwach scheint, kann durch innere Stärkung auch ein schweres Schicksal überwinden.

Zwei Gliederpuppen stehen bzw. sitzen auf einem Schachbrett mit umgeworfenen Spielfiguren
Wer es immer nötig hat zu gewinnen, ist der wirkliche Verlierer (Bild: succoPixabay)

#predigtGottesdienst am 2. Sonntag nach Trinitatis, den 20. Juni 1993, um 9.30 Uhr in der Kapelle der Landesnervenklinik Alzey

Ich begrüße Sie alle herzlich im Gottesdienst in unserer Klinik-Kapelle. Heute geht es um das Thema „Schwach-Sein“ und „Stark-Sein“, insbesondere um das Schwach-Sein oder Stark-Sein im Glauben.

Liederheft 9, 1-4:

Gott des Himmels und der Erden, Vater, Sohn und heilger Geist, der es Tag und Nacht lässt werden, Sonn und Mond uns scheinen heißt, dessen starke Hand die Welt und was drinnen ist, erhält:

Gott, ich danke dir von Herzen, dass du mich in dieser Nacht vor Gefahr, Angst, Not und Schmerzen hast behütet und bewacht, dass des bösen Feindes List mein nicht mächtig worden ist.

Führe mich, o Herr, und leite meinen Gang nach deinem Wort; sei und bleibe du auch heute mein Beschützer und mein Hort. Nirgends als von dir allein kann ich recht bewahret sein.

Meinen Leib und meine Seele samt den Sinnen und Verstand, großer Gott, ich dir befehle unter deine starke Hand. Herr, mein Schild, mein Ehr und Ruhm, nimm mich auf, dein Eigentum.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir hören Worte Jesu aus der Bergpredigt im Evangelium nach Matthäus 5:

3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.

4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.

5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.

6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Selig, das heißt glücklich, ganz von Herzen glücklich und froh, ja, das möchten wir sein! Und du, Jesus, Gottes Sohn, preist Menschen selig!

Nicht die, die immer gesund sind, sondern gerade die, die Leid zu tragen haben.

Nicht die, die sich immer durchsetzen, sondern die, die sanft und barmherzig und friedfertig sind.

Nicht die, die übersatt sind, sondern die, die ihren Hunger und Durst auf dem Grund ihrer Seele spüren.

Nicht die, die einen superstarken Glauben haben, sondern gerade die, die mit leeren Händen vor dir stehen.

Jesus, Bruder, unser Mitmensch, dann ist es ja vielleicht gar nicht so schwer, zum Glauben zu finden, ein erfülltes Leben zu haben, glücklich zu werden. Offen dürfen wir zu dir kommen, mit ehrlichem, reinem Herzen, ohne etwas verbergen zu müssen, hungrig nach Liebe, durstig nach Vergebung, verletzt und trostbedürftig, voller Sehnsucht nach Frieden zwischen den Menschen und auch in der eigenen Seele. Um all das bitten wir dich, Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Wir hören die Lesung aus dem Evangelium nach Lukas 18:

9 [Jesus] sagte aber zu einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis:

10 Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.

11 Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner.

12 Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.

13 Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!

14 Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.

15 Sie brachten auch kleine Kinder zu ihm, damit er sie anrühren sollte. Als das aber die Jünger sahen, fuhren sie sie an.

16 Aber Jesus rief sie zu sich und sprach: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes.

17 Wahrlich, ich sage euch: Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Liederheft 206, 1-7: Hört, wen Jesus glücklich preist
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Zur Predigt hören wir aus dem Paulus-Brief 2. Korinther 11, 30-33 und 12, 6-10:

30 Wenn ich mich denn rühmen soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen.

31 Gott, der Vater des Herrn Jesus, der gelobt sei in Ewigkeit, weiß, dass ich nicht lüge.

32 In Damaskus bewachte der Statthalter des Königs Aretas die Stadt der Damaszener und wollte mich gefangennehmen,

33 und ich wurde in einem Korb durch ein Fenster die Mauer hinuntergelassen und entrann seinen Händen.

6 Und wenn ich mich rühmen wollte, wäre ich nicht töricht; denn ich würde die Wahrheit sagen. Ich enthalte mich aber dessen, damit nicht jemand mich höher achte, als er an mir sieht oder von mir hört.

7 Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarung nicht überhebe, ist mir gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe.

8 Seinetwegen habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche.

9 Und er hat zu mir gesagt: Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne.

10 Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.

Liebe Gemeinde,

im Bibelkreis haben wir in dieser Woche unter anderem über die erste Seligpreisung gesprochen: „Selig sind die geistlich Armen!“

Ich habe dazu erläutert, dass es in dieser Preisung Jesu darum geht, dass man arm ist an heiligem Geist, also eigentlich: dass man im Glauben schwach ist. Und wir kamen darauf: Vor Gott darf man einfach mit leeren Händen dastehen; der Glaube ist keine Leistung, keine besondere Anstrengung des Menschen.

Schwach und stark: Wer kann von sich denn sagen, dass er stark im Glauben sei? Fühlen wir uns nicht alle schwach im Glauben? Und wenn sich einer stark fühlt: Ist er nicht vielleicht etwas überheblich und traut sich zu viel zu?

In unserem Predigttext hören wir, dass sich der große Apostel Paulus am liebsten seiner Schwachheit rühmen wollte. Er hatte von einem schweren Schicksal, vielleicht einer unheilbaren Krankheit befreit sein wollen, von einem „Pfahl im Fleisch“, wie er es nannte. Genau werden wir wohl nie erfahren, an was für einer Krankheit er litt. Aber eins wissen wir genau: sein Wunsch wurde nicht erfüllt. Und er tröstete sich mit einem Wort, das er von Christus direkt an sich gerichtet empfand: „Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“.

Manche Menschen verlieren ihren Glauben, wenn sie leiden müssen, wenn sie sich fragen: „Wie kann Gott solches Unrecht, solches Leid zulassen? Womit habe ich das verdient?“ Aber wenn wir so fragen, finden wir keine Antwort. Was verdienen wir denn überhaupt? Meinen wir denn, wir hätten ein gutes Schicksal „verdient“? Ist ein böses Schicksal eine Strafe Gottes? Jesus hat dem entschieden widersprochen.

Das Gute sollten wir aus Gottes Hand dankbar annehmen. Und zum Bösen, das uns trifft, hat Dietrich Bonhoeffer vor ungefähr fünfzig Jahren, als er unter Adolf Hitler wegen seiner christlichen Überzeugungen im Gefängnis saß, einmal ein paar sehr wichtige Gedanken aufgeschrieben:

Ich glaube, dass Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will. Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum besten dienen lassen.

Ich glaube, dass Gott uns in jeder Notlage so viel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus, damit wir uns nicht auf uns selbst, sondern allein auf ihn verlassen. In solchem Glauben müsste alle Angst vor der Zukunft überwunden sein.

Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Fatum (= Schicksal) ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.

Liederheft 234: Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist

Gott kann auch aus dem Bösesten Gutes entstehen lassen, liebe Gemeinde. Wir haben das nicht in der Hand, aber solche Erfahrungen gab es nicht nur damals zu Bonhoeffers Zeiten. Wenn jemand ganz unten ist, durch tiefe Trauer niedergedrückt, oder niedergeschlagen aus Überlastung oder nervlicher Anspannung, dann mag es ihm so vorkommen, als könne ihm niemand helfen, nicht einmal Gott. Doch dann kann es manchmal durch eine winzige Geste anders werden, ein lachendes Zuwinken, ein Wort der Aufmerksamkeit kann ausreichen, um wieder Hoffnung zu gewinnen, sich angenommen und geborgen zu fühlen.

Als ich noch Pfarrer in drei Landgemeinden war, da sagte mir eine leidgeprüfte ältere Frau einmal, ihr habe der Satz sehr geholfen: „Gott gibt nicht weniger Leid, sondern er gibt stärkere Schultern.“ Mancher Mensch erfährt so die Hilfe Gottes: Er nimmt nicht Probleme weg, sondern er hilft, sie zu tragen.

Was ist aber, wenn wir uns eigentlich zwar schwach fühlen, überfordert und gereizt, aber dennoch scheinbar stark reagieren, uns durchsetzen gegen Menschen, von denen wir uns bedrängt fühlen?

Wenn eine Mutter mit ihrem Kind Probleme hat, das Kind lauter schlechte Noten nach Hause bringt, dann macht sie sich Sorgen. Sie fragt sich: was ist nur mit dem Kind los, was habe ich falsch gemacht, oder auch: wie kann mir mein Kind so etwas antun? Im Grunde fühlt sich die Mutter hilflos, aber wenn das Kind wieder mit einer 6 in der Klassenarbeit nach Hause kommt, dann wird sie wahrscheinlich schimpfen, Vorwürfe machen und strafen. Was ist hier Stärke, was ist Schwäche? Hilft hartes Durchgreifen – oder ist das gerade ein Zeichen von Schwäche, die man sich nicht eingesteht?

Ich weiß es aus eigener Erfahrung mit unseren Söhnen: Wenn es Zeiten gab, in denen sie überhaupt nicht mehr auf uns, die Eltern, hören wollten, wenn sie alles „vergaßen“, was sie tun sollten, wenn es wegen geringster Anlässe Krach gab – dann konnten wir sicher sein: irgendetwas hatte das auch mit uns selber zu tun – es gab zu viel Arbeit, zu wenig Zeit für die Familie, oder aus anderen Gründen Anlass für gereizte Stimmung. So etwas überträgt sich, und wo wir versäumt haben, uns selber Zeiten der Erholung und Entspannung zu gönnen, wo wir selber unserer geschwächten Psyche nicht gewahr wurden, da schienen wir – ohne es zu wollen – an unseren Kindern etwas abzureagieren. Manchmal hilft es schon, über solche Belastungen der ganzen Familie nur einfach mal offen zu reden, mit dem Ehepartner oder mit der ganzen Familie. Zugeben, dass man Probleme hat, dass man überlastet ist, dass man ernstgenommen werden will, dass man nicht nur herumkommandiert werden möchte, das kann dazu führen, die Dinge viel entspannter zu betrachten.

Viele fühlen sich als Verlierer, wenn sie ihre Schwäche zugeben. Und als Verlierer dazustehen, wer kann das schon ertragen? Aber ist einer, der seine Schwäche zugeben kann, wirklich ein Verlierer? Jesus scheint ja die Dinge auf den Kopf zu stellen, wenn er sagt: „Wer sein Leben gewinnen will, der wird es verlieren!“

Verlieren, gewinnen, stark sein, schwach sein – die Begriffe verlieren ihre Eindeutigkeit, wenn wir lange über sie nachdenken. Im Verlieren kann ein Gewinn stecken, einer, der es immer nötig hat, zu gewinnen, ist in Wirklichkeit ein Verlierer. Einer, der immer stark ist, schützt sich oft nicht ausreichend vor Gefahren, die auch ihn bedrohen. Und jemand, der schwach scheint, kann durch innere Stärkung auch ein schweres Schicksal überwinden.

Lied 14, 1-4:

Kommt, Kinder, lasst uns gehen, der Abend kommt herbei; es ist gefährlich stehen in dieser Wüstenei. Kommt, stärket euren Mut, zur Ewigkeit zu wandern von einer Kraft zur andern; : es ist das Ende gut. :

Kommt, Kinder, lasst uns gehen, der Vater gehet mit; er selbst will bei uns stehen bei jedem sauren Tritt; er will uns machen Mut, mit süßen Sonnenblicken uns locken und erquicken; : ach ja, wir habens gut. :

Kommt, Kinder, lasst uns wandern, wir gehen Hand in Hand; eins freuet sich am andern in diesem wilden Land. Kommt, lasst uns kindlich sein, uns auf dem Weg nicht streiten, die Engel selbst begleiten : als Brüder unsre Reihn. :

Sollt wo ein Schwacher fallen, so greif der Stärkre zu; man trag, man helfe allen, man pflanze Lieb und Ruh. Kommt, bindet fester an; ein jeder sei der Kleinste, doch auch wohl gern der Reinste : auf unsrer Liebesbahn. :

Liebe Gemeinde, noch ein letzter Gedankengang zu diesem Thema. Warum konnten Menschen wie z. B. Mutter Teresa gesicherte Verhältnisse aufgeben und sich ganz dem Dienst an den Ärmsten der Armen widmen? Wie können Menschen täglich der Hoffnungslosigkeit ins Auge sehen und geben doch nicht auf? Wie können Menschen sich voll und ganz ihrer eigenen Schwachheit und Krankheit stellen, sich Tag für Tag dem Wechselspiel ihrer Gefühle ausliefern und jede äußere Stärke und Kontrolle aufgeben?

Die Antwort lautet: Liebe. Nicht eine Liebe, die wir selbst aufbringen, sondern eine Liebe, die Gott uns schenkt. Die Liebe, mit der Gott uns in Jesus geliebt hat. „Lass dir an meiner Gnade, meiner Liebe, genügen“, sagt Gott in Christus, „denn meine Kraft, diese Kraft der Liebe, ist in den Schwachen mächtig. In den Schwachen, und auch in denen, die anderen Schwachen zu helfen versuchen.“ Gott hat uns in Christus geliebt, und er wartet auf unsere Gegenliebe – ein Gott, der kein bisschen äußere Stärke zeigt, sondern sich uns in vollkommener Schwachheit total ausliefert – aus Liebe.

Dieser schwache Gott – das ist zugleich der allmächtige Gott, den wir anbeten. Seine Allmacht ist verborgen in seiner Unscheinbarkeit, in seiner Verletzlichkeit. Warum haben wir es dann immer wieder nötig, uns zu einer scheinbaren Stärke aufzuschwingen? Warum wollen wir immer wieder unsere Schwäche nicht zugeben? Wir haben das nicht nötig. Gott nimmt uns an, so wie wir sind. Gott fordert uns zur Liebe heraus, fordert uns dazu heraus, einander auch mit unseren Schwachheiten anzunehmen.

Lernen wir doch von Paulus, der ein Missionar war, ein Mann voller Energie, der die Botschaft von Christus bis weit nach Europa hinein verkündigt hat. Er hat diese Kraft nicht als ein äußerlich gesunder und vor Kraft strotzender Mensch gehabt. Nein, er hat uns auf andere Weise ein Beispiel gegeben. „Darum bin ich guten Mutes in Schwachheit, in Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen und Ängsten, (nämlich) um Christi willen“, so schreibt Paulus, „denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“ Ich kenne das auch: Wenn ich einen Tag habe, an dem nichts gelingen will, an dem ich zu nichts Lust habe, an dem ich nicht „gut drauf“ bin, dann hilft es oft, wenn ich mir das einfach eingestehe: Es ist eben so: Ich bin nicht gut drauf, es geht mir nicht gut. Und das darf so sein. Ich muss mich nicht unter Druck setzen, damit ich nach außen stark erscheine.

Wir bewundern oft die Menschen, die sich nach außen so stark geben. Und wenn sich jemand „gehen lässt“, wie wir sagen, dann halten wir das oft nicht aus. Selber schämen wir uns, wenn wir uns nicht zusammenreißen konnten. Aber diese Einstellung ist in einer christlichen Gemeinde gar nicht am Platz. Wenn Gott es aushält, dass wir vor ihm schwach sind, wenn er uns als schwache Menschen annimmt und stärken will, ja wenn er selbst sogar schwach wird um der Liebe willen, dann brauchen wir weder ihm noch unseren Mitchristen eine Stärke vorzuspielen, die auf die Dauer über unsere Kräfte geht. Wir dürfen den Mut haben, schwach zu sein im Glauben, schwach zu sein in Gefühlen, die uns übermannen. Wir dürfen uns im Gebet einfach so Gott anvertrauen, und wir dürfen uns auch Menschen suchen, bei denen wir unser Herz ausschütten können. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Liederheft 5, 1-5:

Jesu, geh voran auf der Lebensbahn! Und wir wollen nicht verweilen, dir getreulich nachzueilen; führ uns an der Hand bis ins Vaterland.

Solls uns hart ergehn, lass uns feste stehn und auch in den schwersten Tagen nicht nur über Lasten klagen; denn durch Trübsal hier geht der Weg zu dir.

Rühret eigner Schmerz irgend unser Herz, kümmert uns ein fremdes Leiden, o, so gib Geduld zu beiden; richte unsern Sinn auf das Ende hin.

Ordne unsern Gang, Jesu, lebenslang. Führst du uns durch rauhe Wege, gib uns auch die nötge Pflege; tu uns nach dem Lauf deine Türe auf.

Großer Gott, du bist ein Freund der Kleinen, der Kinder, der einfachen Leute, der Ungebildeten. Du hast uns Menschen lieb, so wie wir sind, auch wenn wir nicht viel zu bieten haben. Und wenn du uns Begabungen schenkst, wenn wir Stärken haben, wenn wir fähig sind, kompliziert zu denken, dann hilf uns, dass wir mit diesen Gaben gut für uns sorgen und auch die anderen Menschen nicht vergessen. Die Großen und die Kleinen, die Starken und die Schwachen, wir gehören alle zusammen, und wir alle sind nicht immer nur stark und nicht immer nur schwach. Lass uns auch deine kleinen Geschenke, die kleinen Begabungen nicht verachten: dass wir uns freuen können über den Gesang der Vögel, dass wir jemanden aufmuntern können durch ein Lächeln oder dadurch, dass wir einfach zuhören. Und wer auf etwas verzichten muss, was er früher konnte und heute nicht mehr kann, dem hilf bei diesem schweren Lernen, davon Abschied zu nehmen und die Traurigkeit darüber auszuhalten. Großer Gott, du bist ein Freund der Kleinen – aber etwas willst du nicht: dass wir uns kleiner machen, als wir sind. Aufrechten Gang schenkst du uns, wir dürfen stehen zu dem, was wir können und was wir nicht können. Schämen müssen wir uns nur, wenn wir dem nicht gerecht werden, wofür wir wirklich verantwortlich sind. Wir brauchen nicht überheblich zu sein, aber wir dürfen wie Paulus stolz darauf sein, dass wir deine geliebten Kinder sind. Amen.

Alles, was uns heute bewegt, schließen wir im Gebet Jesu zusammen:

Vater unser
Liederheft 231: So stark wie ein Fels bin ich nicht

Und nun lasst uns mit Gottes Segen in den Sonntag und in die neue Woche gehen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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