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„Fröhlich sein unser Leben lang“

Kann man, wie es im Konfirmationsspruch des Verstorbenen heißt, fröhlich sein das ganze Leben lang? Jedenfalls nicht im Sinn einer oberflächlichen Heiterkeit. Aber Gott verspricht, uns auch nach schwerem Leiden wieder zu erfreuen.

Fröhlich sein unser Leben lang? Zwei Wanderer auf einer Klippe vor eindrucksvollem Himmel freuen sich.
Ist Lebensfreude auf dem gesamten Lebensweg möglich? (Bild: Sasin TipchaiPixabay)

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Wir halten heute die Trauerfeier aus Anlass des Todes von Herrn V., der im Alter von [über 80] Jahren gestorben ist.

Erinnerungen an das Leben des Verstorbenen

So spricht Gott, der Herr (Jesaja 46,4):

Bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten.

Lasst uns beten mit Worten aus dem Psalm 71:

1 HERR, ich traue auf dich, lass mich nimmermehr zuschanden werden.

5 Du bist meine Zuversicht, HERR, mein Gott, meine Hoffnung von meiner Jugend an.

9 Verwirf mich nicht in meinem Alter, verlass mich nicht, wenn ich schwach werde.

19 Gott, deine Gerechtigkeit reicht bis zum Himmel; der du große Dinge tust, Gott, wer ist dir gleich?

20 Du lässest mich erfahren viele und große Angst und machst mich wieder lebendig und holst mich wieder herauf aus den Tiefen der Erde.

21 Du machst mich sehr groß und tröstest mich wieder.

Guter Gott, nach einem langem Leben, nach glücklichen und schweren Tagen ist Herr V. gestorben. Mit deinem Trost begleitest du uns, wenn wir den Weg des Abschieds gehen.

Wir hören Worte der Bibel aus dem Buch der Weisheit 2 und 3:

1 Leute, die … verkehrt denken, sagen untereinander: »Kurz und voller Leid ist unser Leben, und wenn ein Mensch dahin soll, so gibt es keine Rettung; auch weiß man von keinem, der aus dem Totenreich befreit.

2 Denn nur zufällig sind wir geworden, und nachher werden wir sein, als wären wir nie gewesen.

5 Unsre Zeit geht vorbei wie ein Schatten, und wenn es mit uns zu Ende ist, gibt es keine Wiederkehr.«

23 [Doch] Gott hat den Menschen zur Unvergänglichkeit geschaffen und ihn zum Abbild seines eignen Wesens gemacht.

1 Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand, und keine Qual rührt sie an.

2 In den Augen der Unverständigen gelten sie als tot, und ihr Abscheiden wird für Strafe gehalten

3 und ihr Weggehen von uns für Verderben; aber sie sind im Frieden.

EG 529:

1. Ich bin ein Gast auf Erden und hab hier keinen Stand; der Himmel soll mir werden, da ist mein Vaterland. Hier reis ich bis zum Grabe; dort in der ewgen Ruh ist Gottes Gnadengabe, die schließt all Arbeit zu.

2. Was ist mein ganzes Wesen von meiner Jugend an als Müh und Not gewesen? Solang ich denken kann, hab ich so manchen Morgen, so manche liebe Nacht mit Kummer und mit Sorgen des Herzens zugebracht.

6. So will ich zwar nun treiben mein Leben durch die Welt, doch denk ich nicht zu bleiben in diesem fremden Zelt. Ich wandre meine Straße, die zu der Heimat führt, da mich ohn alle Maße mein Vater trösten wird.

7. Mein Heimat ist dort droben, da aller Engel Schar den großen Herrscher loben, der alles ganz und gar in seinen Händen träget und für und für erhält, auch alles hebt und leget, wie es ihm wohlgefällt.

Liebe Angehörige des Verstorbenen, liebe Trauergemeinde!

Als Herr V. hier im Ort konfirmiert wurde, hat ihm der damalige Pfarrer H. als Konfirmationsspruch Psalm 90, 14 mit auf den Lebensweg gegeben:

Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang.

Ich habe mich gefragt, was sich wohl der Pfarrer dabei gedacht hat, ihm diesen Spruch zu geben. Denn dass das Leben schon des Konfirmanden damals nicht rundherum fröhlich war, das musste er doch wohl auch wissen. Der Vater nicht aus dem Krieg heimgekehrt, die Mutter, die die Familie allein durch schwere Zeiten bringen musste, der Junge, der gleich nach der Schulzeit die Verantwortung für einen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen musste.

Vielleicht hat der Pfarrer damals ja gerade diesem Jungen wünschen wollen, dass Gottes Gnade ihn in besonderer Weise in seinem Leben begleitet und dass er trotz allem ein froher und zufriedener Mensch wird. Was bedeuten dann die beiden Worte, die Martin Luther mit „rühmen“ und „fröhlich sein“ übersetzt?

Mit dem Rühmen ist hier sicherlich kein oberflächliches „Großtun“ oder „Angeben“ gemeint. Womit sich Herr V. zum Beispiel niemals rühmen wollte, waren irgendwelche Kriegserzählungen; die Erlebnisse des Krieges, ob nun in Afrika oder in Griechenland, waren für ihn offenbar zu schrecklich, um darüber in der Öffentlichkeit zu reden; sie müssen ihm schwer zugesetzt haben. „Rühmen“ im biblischen Sinne kann aber auch etwas anderes sein: nämlich eine gesunde Haltung des Selbstbewusstseins, die von Gott geschenkt ist: Ich weiß, wer ich bin, weil ich von Gott geliebt bin, ich darf stolz darauf sein, was ich kann und was ich leiste, weil ich bestimmte Gaben von Gott bekommen habe und auch eine Aufgabe zu erfüllen habe.

Und mit dem Fröhlichsein ist hier keine Fastnachtsstimmung gemeint. Herr V. war ja eher ein ruhiger Mensch, genügsam und bescheiden. Zu einem solchen Menschen passt keine ständige überschwengliche Heiterkeit, aber doch eine tief empfundene Lebensfreude, ein Ja-Sagen zum Leben, eine Zufriedenheit mit dem, was einem beschieden ist.

Dass Herrn V.s Konfirmationsspruch so zu verstehen ist, darauf deutet auch der darauffolgende Vers Psalm 90, 15 hin:

Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest, nachdem wir so lange Unglück leiden.

Da steht im hebräischen Urtext das gleiche Wort noch einmal, das vorher mit „fröhlich sein“ übersetzt worden war: „Erfreue uns!“ Der, der da bittet, wünscht sich, dass er sich endlich wieder freuen kann, nachdem er Unglück erlitten hat. Er hat ein schweres Schicksal aus Gottes Hand entgegengenommen, und er fleht Gott um Hilfe an, um neue Lebensfreude nach einen langen Leidenszeit.

Ich glaube, mit diesen beiden Bibelversen haben wir eine Brille, mit der wir das Leben von Herrn V. betrachten und einen roten Faden finden können, der sich durch alles hindurchzieht.

Auch wenn ihm der Vater in seinen jungen Jahren gefehlt hat – er bekam die Kraft geschenkt, dennoch seine Aufgabe auf dem elterlichen Hof zu meistern.

Auch wenn Herr V. die Schrecken des Krieges nicht vergessen konnte, ihm wurde doch ein neuer Anfang geschenkt, als er heiratete und seine Familie gründete. So konnte er einem vaterlosen Jungen, wie er es einst gewesen war, ein Vater werden; und mit liebevoller Strenge erzog er seine Kinder, wie es früher üblich war.

Als seine Ehefrau für viele Jahre schwer erkrankte, hat Herr V. sie lange Zeit mit viel Geduld pflegen können.

Es gab viel Entbehrung und Leid, viel Mühe und Arbeit in diesem Leben – und auf der anderen Seite auch Erfüllung und Zufriedenheit. Herr V. hat, wie Sie mir sagten, die Dinge so genommen, wie sie waren, und er war stets bemüht, das Beste daraus zu machen.

Als Herr V. dann selber auf ständige Betreuung und Pflege angewiesen war, hat er erfahren dürfen, dass die Hilfe, die er selbstverständlich zu leisten bereit war, auch ihm selbstverständlich gegeben wurde.

Menschliche Hilfe hat jedoch ihre Grenzen. Manchmal müssen wir auch fremde Hilfe in Anspruch nehmen, um selber wieder neue Kräfte zu sammeln, um nicht selber krank zu werden.

Und irgendwo enden auch unsere Möglichkeiten, ein Leben zu bewahren. Wir müssen zugeben, dass wir nicht die Herren sind über Leben und Tod, sondern dass wir mit dem, was wir tun, nur im Dienst unseres Vaters im Himmel stehen. Nicht mehr und auch nicht weniger.

Und wenn es im Konfirmationsspruch von Herrn V. heißt: „Fülle uns frühe mit deiner Gnade!“ – dann können wir uns auch vorstellen, dass wir selber jeden Morgen neu mit leeren Händen vor Gott stehen und neue Kraft, Zuversicht und Trost bekommen, um unser Tagwerk zu tun, um die Schritte zu gehen, die an diesem Tag dran sind.

In der nächsten Zeit werden das in Ihrem Leben Schritte der Trauer sein, Schritte des Abschieds von einem Mann, der ein langes erfülltes Leben geführt hat, für den es vielleicht jetzt eine Erlösung war, zu sterben, der Ihnen jedoch auch fehlen wird mit all dem, was er Ihnen bedeutet hat.

Gerade auch der Abschied von einer langen Zeit der Pflege – erst für die Mutter, dann für den Vater – fällt nicht leicht, denn oft merkt man erst im Nachhinein, wie erschöpft man ist, wie wenig man auf sich selbst geachtet hat; und es ist besonders wichtig, dass man es in all der Trauer auch lernt, gut für sich selber zu sorgen und aufmerksam zu sein auf das, was jetzt an Aufgaben dran ist.

Alles hat seine Zeit, Abschied und Neuanfang, Trauer und neue Lebensfreude, und so macht die Bitte aus Psalm 90, 15 vielleicht auch für Sie einen guten Sinn:

Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest, nachdem wir so lange Unglück leiden.

Amen.

EG 611:

1. Harre, meine Seele, harre des Herrn! Alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Sei unverzagt! Bald der Morgen tagt, und ein neuer Frühling folgt dem Winter nach. In allen Stürmen, in aller Not wird er dich beschirmen, der treue Gott.

2. Harre, meine Seele, harre des Herrn! Alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht; größer als der Helfer ist die Not ja nicht. Ewige Treue, Retter in Not, rett auch unsre Seele, du treuer Gott!

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