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Ich krieg die Krise!

Gott bleibt unsichtbar in Wolke und Feuer, doch sein Wort darf Mose mitbringen, in Stein gemeißelt. Wer es hört, wird das Land der Freiheit erreichen. – Aaron hat keine Vision, keinen heißen Draht zu Gott, keine Ausstrahlung. Er ist ein Religionsbeamter, der die Wünsche des Volkes erfüllen soll. Heraus kommt – ein kleines Gottesbild, ein Kälbchen.

Gemalter Mose mit stilisierten Gesetzestafeln
Mose und die Tafeln des Gesetzes (Bild: PrawnyPixabay)
Gottesdienst um halb 6 in Paulus am 3. Sonntag nach Epiphanias, den 25. Januar 2004, um 17.30 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Abend, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie herzlich zu einem weiteren Gottesdienst „um halb 6 in Paulus“ mit dem Thema „Ich krieg die Krise!“ Das „Team halb 6“ möchte mit uns gemeinsam fragen, ob Krisen immer Katastrophen sein müssen oder ob sie auch ein Anlass zum Wachsen sein können. Im Mittelpunkt steht eine biblische Geschichte von Mose und Aaron.

Die normalen Wechselgesänge singen wir heute nicht. Wir beginnen mit dem Lied 362, das Martin Luther in der Zeit einer großen Krise der Kirche gedichtet hat: „Ein feste Burg ist unser Gott“:

1. Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen. Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen. Der alt böse Feind mit Ernst er’s jetzt meint; groß Macht und viel List sein grausam Rüstung ist, auf Erd ist nicht seinsgleichen.

2. Mit unsrer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren; es streit‘ für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren. Fragst du, wer der ist? Er heißt Jesus Christ, der Herr Zebaoth, und ist kein andrer Gott, das Feld muss er behalten.

3. Und wenn die Welt voll Teufel wär und wollt uns gar verschlingen, so fürchten wir uns nicht so sehr, es soll uns doch gelingen. Der Fürst dieser Welt, wie sau’r er sich stellt, tut er uns doch nicht; das macht, er ist gericht‘: ein Wörtlein kann ihn fällen.

Eins ist in diesem Gottesdienst genau wie immer. Wir feiern ihn im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

„Ich krieg die Krise.“ Wann sagen wir das? „Alles wächst mir über den Kopf. Privat und im Büro geht alles drunter und drüber. Ich stehe kurz vor dem Nervenzusammenbruch.“

Wir haben im „Team halb 6“ Situationen zusammengetragen, in denen wir die „Krise“ kriegen:

Da ist die Frau, die sich von ihrem Mann getrennt hat. Wenig später verliert sie ihren Arbeitsplatz. Ihre Mutter wohnt im gleichen Haus, braucht immer mehr Pflege rund um die Uhr, wird häufig aggressiv, nichts kann man ihr recht machen. Sie sagt: „Gut, dass du nicht mehr arbeiten musst!“ Die Frau liebt ihre Mutter, aber die Pflege geht über ihre Kräfte. Mit schlechtem Gewissen sieht sie sich nach einem Heimplatz für die Mutter um. „Du willst mich bloß abschieben!“ hat sie die Vorwürfe der Mutter im Ohr. Sie kriegt die Krise.

Da ist ein Konfirmand, ein ganz normaler. Er ist getauft, aber seine Eltern haben nicht viel mit ihm über Gott gesprochen. Er hat Reli gehabt in der Schule, aber nicht viel gelernt, der Lehrer konnte sich nicht durchsetzen. Irgendwie glaubt der Konfirmand an Gott, aber was er mit Jesus anfangen soll, weiß er nicht so recht. Klar will er konfirmiert werden, da gibt‘s Geschenke und außerdem wäre die Oma traurig, wenn er sich nicht konfirmieren ließe. Aber wieso verlangt der Pfarrer so viel? Dauernd in die Kirche gehen! Immer im Unterricht aufpassen! Lernstücke auswendig lernen! Er kriegt die Krise!

Da ist der junge Handwerker, dem das Arbeitsamt nahegelegt hat, eine Ich-AG zu gründen. Super-Idee – er ist geschickt bei der Arbeit und bekommt auf Anhieb genug Aufträge. Aber dann zahlen einige Kunden nicht. Großkunden können es sich leisten, ihre Zahlungen hinauszuzögern. Über den kleinen Firmen kreist der Pleitegeier. Auch die Zahlungsmoral des Normalbürgers liegt im Argen. Bald hat der Junghandwerker zwar Aufträge, aber kein Geld für die Materialbeschaffung. Er steht vor der Insolvenz und kriegt die Krise.

Eine junge Frau ist überglücklich, denn sie hat geheiratet, und ihr Mann liebt sie sehr. Nur eins mag er an ihr nicht: Sie ist ihm ein bisschen zu dick. Bisher fand sie ihre Figur immer OK, und ihre Freundinnen sagen ihr: Du bist verrückt. Nimm doch nicht wegen deinem Mann ab! Liebt er dich nicht so, wie du bist? Sie hört auf ihren Mann, nicht auf ihre Vernunft, und hungert sich in die Magersucht. Nach zwei Jahren verlässt sie ihr Mann. Er hält den Stress nicht mehr aus, den sie sich macht. Sie kriegt die Krise – und fängt an zu futtern, frisst die Krise in sich rein. Nach einem Jahr wiegt sie doppelt so viel wie in der Magersuchtsphase – jetzt ist sie wirklich dick.

Da ist eine Frau, die weiß schon lange, dass sie als Kind schwer von ihrem Vater misshandelt wurde. Aber er war nicht immer schlecht zu ihr, und sie hat ihn auch geliebt. Sie kommt nicht klar mit ihren Gefühlen, sie kommt nicht klar mit ihrem Leben. Sie sucht Hilfe, spricht sich aus mit einem Seelsorger. Das tut ihr gut, und zugleich wird ihre Angst noch größer. Sie kann ihre Gefühle nicht mehr so gut verdrängen. Und sie macht sich Vorwürfe, weil sie schlecht über ihren Vater denkt und redet. Ist sie nicht doch selber an allem schuld und redet sich alles nur ein? Sie kriegt die Krise.

Lauter Beispiele für Krisen. Kleine und große Krisen – individuelle und globale Krisen. Wie gehen wir mit Krisen um?

Ist Gottvertrauen ein Weg? Wir singen aus dem Lied 361 die Strophen 1, 2, 6 und 7:

1. Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege des, der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

2. Dem Herren musst du trauen, wenn dir’s soll wohlergehn; auf sein Werk musst du schauen, wenn dein Werk soll bestehn. Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbsteigner Pein lässt Gott sich gar nichts nehmen, es muss erbeten sein.

6. Hoff, o du arme Seele, hoff und sei unverzagt! Gott wird dich aus der Höhle, da dich der Kummer plagt, mit großen Gnaden rücken; erwarte nur die Zeit, so wirst du schon erblicken die Sonn der schönsten Freud.

7. Auf, auf, gib deinem Schmerze und Sorgen gute Nacht, lass fahren, was das Herze betrübt und traurig macht; bist du doch nicht Regente, der alles führen soll, Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.

„Ich krieg die Krise!“ ist unser Thema. Das Thema hat noch einen Untertitel in Frageform: „Ein Anlass zum Wachsen?“ Krisen sind nicht dazu da, um abzuwarten, dass sie so schnell wie möglich vorbeigehen oder dass die zuständigen Leute sich darum kümmern – die Politiker um Gesundheitsreform, Arbeitsmarkt und Wirtschaftskrise, die Pfarrer um die Glaubenskrise, die Psychiater um seelische Krisen. Krisen können ein Anlass zum Wachsen sein. Das Wort „Krise“ heißt „Entscheidung“.

Im „Team halb 6“ fiel uns die große Krise ein, in der das Volk Israel nach dem Auszug aus Ägypten stand, als es am Berg Sinai Rast machte, mitten in der Wüste. Hinter sich hatten sie Sklaverei, Ausbeutung, Demütigung. Vor ihnen sollte ein Leben in Freiheit liegen im Gelobten Land. Aber der Weg ins Land der Freiheit war noch weit, unterwegs in der Wüste gab es nicht viel Nahrung, viele sehnten sich zurück nach den gedeckten Tischen in Ägypten, wo das Leben zwar nicht schön war, aber wenigstens in vertrauten Bahnen ablief. Sollten sie wirklich Gott glauben, dass er sie begleiten würde? Sie konnten ihn ja nicht einmal sehen und auf der langen Durststrecke in der Wüste auch nicht viel von ihm spüren. Im 2. Buch Mose – Exodus 24 lesen wir:

12 Und der HERR sprach zu Mose: Komm herauf zu mir auf den Berg und bleib daselbst, dass ich dir gebe die steinernen Tafeln, Gesetz und Gebot, die ich geschrieben habe, um sie zu unterweisen.

13 Da machte sich Mose auf mit seinem Diener Josua und stieg auf den Berg Gottes.

14 Aber zu den Ältesten sprach er: Bleibt hier, bis wir zu euch zurückkommen. Siehe, Aaron und Hur sind bei euch; hat jemand eine Rechtssache, der wende sich an sie.

Die Krise im Volk Israel wird arbeitsteilig angegangen. Ich lasse Josua und Hur beiseite, die sonst in dieser Geschichte keine Rolle spielen, und gehe nur auf Mose und Aaron ein. Mose soll auf den Berg zu Gott gehen, und Aaron bleibt beim Volk, um in der Zwischenzeit für Ordnung zu sorgen. Mose – der Prophet, der Gott selbst begegnen soll. Aaron – der Priester unten auf der Erde, Gottes Bodenpersonal (2. Buch Mose – Exodus 24 und 31):

15 Als nun Mose auf den Berg kam, bedeckte die Wolke den Berg,

16 und die Herrlichkeit des HERRN ließ sich nieder auf dem Berg Sinai, und die Wolke bedeckte ihn sechs Tage; und am siebenten Tage erging der Ruf des HERRN an Mose aus der Wolke.

17 Und die Herrlichkeit des HERRN war anzusehen wie ein verzehrendes Feuer auf dem Gipfel des Berges vor den Israeliten.

18 Und Mose ging mitten in die Wolke hinein und stieg auf den Berg und blieb auf dem Berge vierzig Tage und vierzig Nächte.

18 Und als der HERR mit Mose zu Ende geredet hatte auf dem Berge Sinai, gab er ihm die beiden Tafeln des Gesetzes; die waren aus Stein und beschrieben von dem Finger Gottes.

Mose nimmt sich viel Zeit. Eine ganze Woche muss er oben auf dem Berg warten. Geheimnisvoll ist Gott dort oben anwesend: da ist eine Wolke, in der Gott verborgen ist; zugleich lässt sich Gottes Herrlichkeit auf dem Berg nieder, wie ein verzehrendes Feuer. Gott ist im Dunkel der Wolke und im Licht des Feuers, beides zugleich. Am siebten Tag geht Mose hinein in die Wolke wie in die schützende Geborgenheit eines Mantels und das Licht Gottes verbrennt und blendet ihn nicht.

40 Tage bleibt Mose in der Wolke und im Licht Gottes, sechs Wochen lang lauscht er den Worten Gottes auf dem Berge. So viel Zeit muss sein, um sich auf Gott einzustellen, den Unsichtbaren, den ganz Anderen, der ihm unendlich viel zu sagen hat.

Und dann gibt Gott dem Mose als Geschenk etwas Sichtbares in seine Hand: die Tafeln, auf denen Gottes Gebote stehen – schwer, aus Stein, mit Gottes Finger eigenhändig beschrieben. Gott bleibt unsichtbar in Wolke und Feuer, doch sein Wort darf Mose mitbringen, in Stein gemeißelt. Wer es hört, wird leben, wird wachsen, das Land der Freiheit erreichen.

Gottes Volk bleibt nur frei, indem es auf den Gott hört, der es befreit hat aus der Sklaverei. Frei bleibt, wer nicht tötet, stiehlt oder über andere lästert. Glück gibt es dort, wo Respekt ist in der Familie und Treue in der Ehe und Ruhe nach getaner Arbeit.

So viel zu Mose – in der Krise seines Volkes nimmt er sich viel Zeit, um auf Gott zu hören, um Halt zu suchen beim unsichtbaren Gott, um Maßstäbe zu finden für Gut und Böse.

Nun zum Priester Aaron, Gottes Bodenpersonal. Was tut Moses Bruder in der Zeit der Abwesenheit des Mose, fast sieben Wochen hindurch? Hören wir, was die Bibel erzählt (2. Buch Mose – Exodus 32):

1 Als aber das Volk sah, dass Mose ausblieb und nicht wieder von dem Berge zurückkam, sammelte es sich gegen Aaron und sprach zu ihm: Auf, mach uns einen Gott, der vor uns hergehe! Denn wir wissen nicht, was diesem Mann Mose widerfahren ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat.

2 Aaron sprach zu ihnen: Reißet ab die goldenen Ohrringe an den Ohren eurer Frauen, eurer Söhne und eurer Töchter und bringt sie zu mir.

3 Da riss alles Volk sich die goldenen Ohrringe von den Ohren und brachte sie zu Aaron.

4 Und er nahm sie von ihren Händen und bildete das Gold in einer Form und machte ein gegossenes Kalb. Und sie sprachen: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat!

5 Als das Aaron sah, baute er einen Altar vor ihm und ließ ausrufen und sprach: Morgen ist des HERRN Fest.

Aaron erlebt die Krise anders, nicht mit dem Abstand, den Mose sich im Vertrauen auf Gott verschafft, sondern inmitten eines aufgewühlten Volkes, das voll die Krise kriegt. Er soll die Stellung halten, hat Mose ihm aufgetragen, und wirklich wendet sich das Volk an ihn, das sich alleingelassen fühlt.

Wo ist Gott? Wo sind die Verantwortlichen, die einen Ausweg aus der Krise wüssten? Aaron hat keine Vision, keinen heißen Draht zu Gott, keine Ausstrahlung. Aaron ist nicht der Mann, von dem sie sich etwas sagen lassen würden. Er ist ein Religionsbeamter, der gefälligst ihre Wünsche erfüllen soll: Mach uns einen Gott! Erzähl uns nichts von einem unsichtbaren Gott, auf den wir hören sollen. Wir wollen sehen, an was wir glauben.

Aaron ist ein Spielball in den Händen des Volkes, er führt aus, was sie wollen: lässt sich die goldenen Ohrringe der Israeliten geben, schmilzt sie ein und formt daraus ein Götterbild. Ein Stier soll es werden, Symbol der Stärke und der Fruchtbarkeit, ein mächtiger Gott, der das Volk aus der Wüste, aus der Krise, herausführen kann. Allerdings – das ist witzig – am Ende kommt nur ein Kälbchen heraus. Für mehr reicht das Gold des Volkes nicht aus. Aaron macht ein kleines Bild eines kleinen Gottes und sagt: OK, dann betet ihn an, euren Gott, der euch aus Ägypten geführt hat!

Sie tanzen um‘s Goldene Kalb. Sie beten ihn an, den Glanz des Goldes, verlassen sich auf das, was sie sehen können. Ist das auch unsere Versuchung? Hilft uns das Geld aus der Krise heraus, die wir deshalb kriegen, weil das Geld knapper wird? Helfen starke Sprüche, medienwirksame Auftritte der Politiker? Verlassen wir uns auf alles Mögliche, nur nicht auf einen Gott, der unsichtbar ist? Verschärfen wir unsere Seelenkrise, indem wir die Zähne zusammenbeißen und ja nicht zeigen, wie schwach wir uns fühlen?

Mose ist noch nicht wieder zurück vom Berg Gottes, da hat Aaron die Krise bewältigt, auf seine Weise. Das Volk ist zufrieden:

6 Und sie standen früh am Morgen auf und opferten Brandopfer und brachten dazu Dankopfer dar. Danach setzte sich das Volk, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um ihre Lust zu treiben.

Genügt es, eine Krise zu bewältigen, indem man so tut, als gäbe es keine? Die Lösung der Spaßgesellschaft: Möglichst wenig Verantwortung bei maximaler Ablenkung durch Markenartikel und Talkshows, Handy- und Computerzeitvertreib. Oder die Lösung der Leistungsgesellschaft: Die einen arbeiten bis zum Umfallen, kommen vor Hektik nicht zur Besinnung; andere können bei dem Tempo nicht mithalten, fallen heraus aus dem Arbeitsprozess. Manche betäuben sich oder machen die Augen zu vor ihren Problemen.

Lied 584: Meine engen Grenzen

Die Geschichte geht weiter. Mose steigt vom Berg herunter.

15 Mose wandte sich und stieg vom Berge und hatte die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand; die waren beschrieben auf beiden Seiten.

16 Und Gott hatte sie selbst gemacht und selber die Schrift eingegraben.

17 Als nun Josua das Geschrei des Volks hörte, sprach er zu Mose: Es ist ein Kriegsgeschrei im Lager.

18 Er antwortete: Es ist kein Geschrei wie bei einem Sieg, und es ist kein Geschrei wie bei einer Niederlage, ich höre Geschrei wie beim Tanz.

19 Als Mose aber nahe zum Lager kam und das Kalb und das Tanzen sah, entbrannte sein Zorn, und er warf die Tafeln aus der Hand und zerbrach sie unten am Berge

20 und nahm das Kalb, das sie gemacht hatten, und ließ es im Feuer zerschmelzen und zermalmte es zu Pulver und streute es aufs Wasser und gab’s den Israeliten zu trinken.

21 Und er sprach zu Aaron: Was hat dir das Volk getan, dass du eine so große Sünde über sie gebracht hast?

22 Aaron sprach: Mein Herr lasse seinen Zorn nicht entbrennen. Du weißt, dass dies Volk böse ist.

23 Sie sprachen zu mir: Mache uns einen Gott, der vor uns hergehe; denn wir wissen nicht, was mit diesem Mann Mose geschehen ist, der uns aus Ägyptenland geführt hat.

24 Ich sprach zu ihnen: Wer Gold hat, der reiße es ab und gebe es mir. Und ich warf es ins Feuer; daraus ist das Kalb geworden.

Jetzt kriegt Mose die Krise. Er erkennt mit einem Blick: Aaron hat die Krise des Volkes nicht bewältigt, sondern verschärft. Aaron hat sich hineinverstricken lassen in die Verzweiflung des Volkes, hat nicht Gottvertrauen gegen die Suche nach dem falschen Gott gesetzt, nicht Mut gegen die Angst. Zur Rede gestellt, wagt Aaron nicht einmal, seinem Bruder mutig die Wahrheit zu beichten. In seiner Selbstrechtfertigung ist das Goldene Kalb wie von selbst entstanden. Verantwortlich für sein Verhalten will er nicht sein.

Gibt es noch einen Ausweg aus der Krise, nachdem falsche Rezepte eine Krise verschärfen? Mose weiß nur einen Weg. Noch einmal will er zu Gott gehen, macht er sich auf den weiten Weg.

30 Am nächsten Morgen sprach Mose zum Volk: Ihr habt eine große Sünde getan; nun will ich hinaufsteigen zu dem HERRN, ob ich vielleicht Vergebung erwirken kann für eure Sünde.

31 Als nun Mose wieder zu dem HERRN kam, sprach er: Ach, das Volk hat eine große Sünde getan, und sie haben sich einen Gott von Gold gemacht.

32 Vergib ihnen doch ihre Sünde; wenn nicht, dann tilge mich aus deinem Buch, das du geschrieben hast.

Mose hatte dem Volk seinen Zorn gezeigt, als er die Krise kriegte. Die Gesetzestafeln schmiss er kaputt, Goldstaubwasser mussten die Israeliten trinken. Ob sie davon krank wurden, ist nicht überliefert. Aber trotz seines Zorns will Mose nicht, dass die Geschichte Gottes mit seinem Volk hier schon endet – hier in der Wüste, auf halbem Wege ins Gelobte Land. Er bietet Gott einen kühnen Deal an: Entweder du vergibst deinem Volk oder du musst auch mich streichen aus der Liste der Lebendigen.

Hat Mose Erfolg? Das bleibt in der Schwebe (2. Buch Mose – Exodus 32 und 33):

33 Der HERR sprach zu Mose: Ich will den aus meinem Buch tilgen, der an mir sündigt.

34 So geh nun hin und führe das Volk, wohin ich dir gesagt habe. Siehe, mein Engel soll vor dir hergehen. Ich werde aber ihre Sünde heimsuchen, wenn meine Zeit kommt.

3 Ich selbst will nicht mit dir hinaufziehen, denn du bist ein halsstarriges Volk; ich würde dich unterwegs vertilgen.

Sünde hat böse Folgen. Daran ändert auch Gottes Vergebung nichts. Egoismus zahlt sich nur kurzfristig aus. Gewalt führt zu Leid und Angst und immer mehr Gewalt. Wer in Sünde von Gott getrennt lebt, kann nicht erwarten, im Buch des ewigen Lebens zu stehen. Trotzdem gibt Gott dem Volk eine neue Chance. Mose soll es führen. Das Versprechen gilt noch: Das Land der Freiheit ist erreichbar.

Aber wie merkwürdig klingt es, wenn Gott sagt: Ich selbst will diesen Weg nicht mit euch gehen, dann könnte ich mich vergessen und euch vernichten, ihr seid so halsstarrig, so unbelehrbar, ihr macht immer wieder die gleichen Fehler. Immerhin: Seinen Engel lässt er vor ihnen hergehen.

Ich finde, dieser Gedanke passt in unsere Zeit. Es gibt heute viele Menschen, die lieber mit Engeln zu tun haben als mit Gott selbst. Vielleicht ahnen sie intuitiv, wie gefährlich die Begegnung mit Gott sein kann, wenn man nicht bereit ist, wirklich auf ihn zu hören.

Mose steigt wieder herunter vom Berg und sagt dem Volk weiter, was er von Gott gehört hat. Nun endlich lässt das Volk erkennen, dass es anfängt, aus der Krise zu lernen – das Gefühl der Gottverlassenheit und der Tanz um‘s Goldene Kalb als Anlass zur Umkehr und zum Wachsen.

4 Als das Volk diese harte Rede hörte, trugen sie Leid, und niemand tat seinen Schmuck an.

So kann ein Ausweg aus der Krise beginnen. Sie zeigen Zeichen der Reue. Statt ihren Schmuck zu tragen, tragen sie Leid. Sie lassen Trauer zu. Gott entzieht sich ihnen, und sie fangen an, ihn zu vermissen, von dem sie nichts wissen wollten. Ihnen wird bewusst: irgendwo gibt es einen eigenen Anteil an ihrer Krise. Sie sind nicht an allem schuld, sie konnten nichts für die Gefangenschaft in Ägypten. Aber sie können etwas dafür, sich in der alten Unfreiheit der falschen Götter wohler zu fühlen als in der Freiheit des unsichtbaren, liebenden Gottes.

Lied 235: O Herr, nimm unsre Schuld, mit der wir uns belasten

Was soll das Volk tun? Sie sehnen sich jetzt nach Gott, haben aber selber die Krise ihrer Gottverlassenheit verschärft. Gottes Worte sind verlorengegangen. Die Gesetzestafeln hat Mose im Zorn zerstört. Doch Gott weiß einen Ausweg.

1 Und der HERR sprach zu Mose: Haue dir zwei steinerne Tafeln zu, wie die ersten waren, dass ich die Worte darauf schreibe, die auf den ersten Tafeln standen, welche du zerbrochen hast.

2 Und sei morgen bereit, dass du früh auf den Berg Sinai steigest und dort zu mir tretest auf dem Gipfel des Berges.

4 Und Mose hieb zwei steinerne Tafeln zu, wie die ersten waren, und stand am Morgen früh auf und stieg auf den Berg Sinai, wie ihm der HERR geboten hatte, und nahm die zwei steinernen Tafeln in seine Hand.

5 Da kam der HERR hernieder in einer Wolke, und Mose trat daselbst zu ihm und rief den Namen des HERRN an.

Ein weiteres Mal muss Mose auf den Berg steigen, mit zwei neuen Steintafeln in der Hand. Wieder begegnet ihm Gott in einer Wolke, und dieses Mal erfährt Mose von Gott nicht nur Gesetze und Gebote, sondern Gott zeigt ihm seine ganze Barmherzigkeit:

6 Und der HERR ging vor seinem Angesicht vorüber, und Mose rief aus: HERR, HERR, Gott, barmherzig und gnädig und geduldig und von großer Gnade und Treue,

7 der da Tausenden Gnade bewahrt und vergibt Missetat, Übertretung und Sünde, aber ungestraft lässt er niemand, sondern sucht die Missetat der Väter heim an Kindern und Kindeskindern bis ins dritte und vierte Glied!

Gottes Wesen ist Barmherzigkeit, Vergebung, neuer Anfang! Dem widerspricht nicht, dass die Sünden der Väter heimgesucht werden an Kindern, Enkeln und Urenkeln. Realistisch sieht die Bibel die Folgen der Sünde. Wenn ein Mann Schuld auf sich lädt, z. B. gegenüber seinen Kindern, dann leidet darunter auch die Enkel- und Urenkel-Generation. Die Barmherzigkeit Gottes reicht dagegen unendlich weit, für sie gibt Gott keine Grenzen an.

28 Und Mose war allda bei dem HERRN vierzig Tage und vierzig Nächte und aß kein Brot und trank kein Wasser. Und er schrieb auf die Tafeln die Worte des Bundes, die Zehn Worte.

Noch einmal wartet das Volk lange auf Mose, dieses Mal mit mehr Geduld. Und die Geduld wird belohnt. Denn als Mose vom Berg herabsteigt, bringt er ihnen nicht nur die kostbaren neuen Tafeln der Gebote mit, sondern sie erleben außerdem eine Überraschung:

29 Als nun Mose vom Berge Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte, weil er mit Gott geredet hatte.

Wir sagen: Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Die Israeliten hatten gelernt, dass der Glanz des Goldes nicht ausreicht, sie von Krisen zu erlösen. Das Goldene Kalb hatte sie nicht glücklich gemacht. Jetzt dürfen sie im Gesicht eines Menschen den Glanz von Gottes Angesicht sehen. Das Gesetz Gottes ist mehr als beschriebene Steintafeln. Es hat ein menschliches Gesicht, das Gesicht der Liebe Gottes. Wir Christen sehen im Glanz auf Moses Gesicht schon etwas vom Licht, das mit Jesus in die Welt kommt.

Auf Gott zu hören, kann eine Zumutung sein. Eine Krise kann viel von uns fordern. Verzicht. Umdenken. Mut. Sich-Einlassen auf Gefühle. Vor allem aber gehört zur Krisenbewältigung, dass wir uns einlassen auf das Strahlen Gottes. Seine Liebe begleitet uns, sein Licht leitet uns. Krisen mögen manches zerstören, aber sie können uns nicht unsere Würde nehmen. So werden Krisen ein Anlass zum Wachsen. Amen.

Lied 573: Lobt den Herrn, lobt den Herrn, unter uns erblüht sein Stern

Vater im Himmel, wenn ich die Krise kriege, wenn mir alles über den Kopf wächst, dann schenke mir ruhige Stunden, um zu dir und zu mir selbst zu finden.

Wenn ich unglücklich bin wegen meines Aussehens, bewahre mich vor falschen Schönheitsidealen und vor Sucht. Schenke mir die Einsicht, dass ich wunderbar geschaffen bin und dass ich meine Probleme nur gemeinsam mit Menschen meines Vertrauens lösen kann, nicht wenn ich auf Leute höre, die mir Druck machen.

Wenn ich mit Gott nicht viel anfangen kann – zeig mir, dass du ganz anders bist als der Mann mit dem langen Bart. Wenn ich Jesus nicht kenne, hilf mir, mich auf die Bibel einzulassen und Jesus nachzufolgen.

Herr Jesus, ich danke dir, dass ich dir so viel wert bin. Öffne mir die Augen, die Menschen zu sehen, die dich suchen. Öffne mir die Ohren, die Klagen der Menschen zu hören, die am Ende sind. Öffne mir den Mund, von der Kraft deiner Liebe Zeugnis zu geben.

Wenn mir die Wirtschaftslage Angst macht, wenn Arbeitslosigkeit oder Insolvenz drohen, wenn ich nicht weiß, wie ich mit dem Geld hinkommen soll, dann lass mich meine Sorgen auf dich werfen. Lass mich spüren, dass ich mehr bin als mein Marktwert im Geschäftsleben oder auf dem Arbeitsamt.

Wenn ich mich überfordert fühle durch Menschen, die mich beanspruchen, die mir Vorwürfe machen, dann lass mich erkennen, wo ich Nein sagen muss und darf. Hilf mir meine Kräfte einteilen für das wirklich Notwendige. Hilf mir, mich zu wehren, wo ich wie Aaron unter Druck gerate.

Wenn meine Kindheit schwer war, gib mir den Mut, mir Hilfe zu suchen und mich meinen Gefühlen zu stellen. Lass mich meine Angst aushalten und verhilf mir zur Einsicht, dass ich auch denen, die mich verletzt haben, keinen Gefallen damit tue, wenn ich mich mein Leben lang schuldig fühle für fremde Schuld.

Wenn wir trauern um einen geliebten Menschen, dann begleite uns auf dem Weg der Trauer. Heute beten wir besonders für Frau … , die im Alter von … Jahren gestorben ist. Nimm sie gnädig auf in dein himmlisches Reich und sei den Angehörigen nahe mit deinem Trost. Amen.

Gebetsstille und Vaterunser

Wir singen aus dem Lied 65 die Strophen 1, 2 und 5, mit der 7. Strophe als Refrain nach jeder anderen Strophe:

Von guten Mächten treu und still umgeben
Abkündigungen

Gott sei hinter dir und schütze dich. Er sei vor dir und führe dich. Er sei neben dir und begleite dich. Gott sei unter dir und trage dich. Er sei über dir und segne dich. Er sei in dir und erfülle dich.

Es segne dich Gott, der Allmächtige und Barmherzige, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. „Amen, Amen, Amen.“

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