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Dietrich Fischinger zu „Marie, die reine Magd“

Maria mit dem Jesuskind und Josef, der die beiden von der Seite anschaut
Maria mit dem Jesuskind und Josef an ihrer Seite (Bild: Vickie McCartyPixabay)

Eine ausführliche Leserzuschrift zu meinem Aufsatz „Marie, die reine Magd“ im Deutschen Pfarrerblatt erreichte mich von Dietrich Fischinger, die ich hier wiedergeben darf.

Helmut Schütz

Sehr geehrter, lieber Bruder Schütz,

mein alter Freund und „Mitstreiter“ in der Arbeitsgemeinschaft für Kirchliches Friedenszeugnis (seit 1961 bin ich dabei) Heinrich Treblin (Alzey), hat mich über seinen Briefwechsel mit Ihnen anlässlich Ihres Pfarrerblatt-Aufsatzes „Marie, die reine Magd“ informiert.

Da ich schon beim Stuttgarter Kirchentag 1969 – vor 30 Jahren – in Halle 6, wo sich die Entmythologisierer und Neoliberalen samt Neuaufklärern einerseits und die traditionalistisch-Orthodoxen und Supranaturalisten mit ihrem autoritären Gottesverständnis eine täglich lautstärker werdende „Redeschlacht“ lieferten, zum Thema „Jungfrauengeburt“ mit schriftlichen Thesen, die auf das Entscheidende an der Geburt des Immanuel nach Jes.7,14, Mt.1 und Lk. 2 als „unehelichem Sohn“ zum Zeichen gleicher Verwerfung der Männer (im Hause David), wie sie in Gen. 3 im semitischen Völkerkreis der Frau zuteil wurde, und der Wiederannahme / Rechtfertigung der Frau hinwiesen, ebenso auf den Auftrag Jesu, des unter dem Schein der Schande (Unehelichkeit) in dies sterbliche Leben Eingetretenen und ebenso (als Aufrührer / Terrorist gekreuzigt) zu Tod Gekommenen, die Menschheit, die in wahrhaftiger Schande allgegenwärtiger Unmenschlichkeit aus Todesangst, Feigheit und Selbstsicherung zu Lasten der Schwächsten und scheinbar am meisten Straffälligen, als gott- und heillose in Feindschaft zu Gott begriffen, zu retten durch den Heilsgeist, der im Samen des Wortes Gottes, das im Tun Jesu laut wurde, einfürallemal, uns allgegenwärtig jetzt zu wahren Kindern Gottes befreit durch die Gegenwart der Transzendenz, vom Evangelium als treue und barmherzige Liebe voll Leben, das weder aus sterblicher Kraft, noch aus supranaturaler Wunderzwangskraft, sondern aus der schöpferischen Liebe dessen kommt, der uns für die Einwohnung seines Geistes zu seinen Ebenbildern geschaffen hat. Entschuldigen Sie bitte die lange Zusammenfassung. Das Podium mit vielen Professoren und wenigen Laien, auch die Referenten, wussten nichts damit anzufangen. Um so erfreuter bin ich, dass Sie den „springenden Punkt“ so klar herausschälten. Auch in Ihrem Brief S. 3, Abs. 2: 1. Ja, wir müssen Jesu Jungfrauengeburt auf missbrauchte Mütter und uneheliche Kinder anwenden: Nur dazu hat der Vater Jesu dies Geburtszeichen gewählt (sog. 6. Gebot) (wie auch das Todeszeichen für Mörder, Totschläger, Aufrührer, Soldaten, Terroristen, Politiker). Keiner von uns, der nicht am 5. und 6. Gebot in irgendeinerweise, auch indirekt durch Wegsehen, Weghören, mitschuldig wäre!

Daraus folgt, dass ich auch ganz Ihren 2. Hauptpunkt bejahe (S.3, Abs. 4): Das Ziel der Jungfrauengeburt Jesu ist, dass alle Menschen sich im Glauben an Jesus als das vom Geist ewigen / transzendenten Lebens erfülltes Wort Gottes in der Immanenz je jetzt als Kinder Gottes annehmen und demgemäß auch in Gedanken, Worten und Taten sich äußern, verhalten – und das geduldig lernen. Darin liegt auch die Freiheit je jetzt, das „hiermit vergeben haben allen an uns und damit Gottes Ebenbild in uns / Gott selbst Schuldiggewordenen“ neu zu wagen, getragen von Gottes Vergebenhaben uns Zwangssündern ohne den ewigen Gottesgeist. Und auch mein Ja zu Ihrer seelsorgerlichen Zuspitzung ganz besonders für Opfer von Kinderschändungen und Täter / Täterinnen von Kinderschändung und zwar für jeden Menschen als Aufgabe, ob er nun Mann oder Frau ist, und das an Männern oder Frauen in der Seelsorge – begleitet von einer Gruppe, die verantwortlich, selbstkritisch und wach gegeneinander bleibt -, zu lernen wagt. Auf Einzelfragen hierbei wie Sicherheitsverwahrung und Möglichkeit einer echten Resozialisierung und deren Erkennbarkeit, dazu das Risiko aller lebenslang, Opfer und oder Täter zu werden, möchte ich hier nicht weiter eingehen.

Aber in einem erlaube ich mir, Ihnen doch zu widersprechen: Sie sagen, über die historische Wahrscheinlichkeit sei keine sichere Aussage möglich (S. 3, Abs. 2, letzter Satz) und begründen das damit, dass eine Empfängnis Jesu vom Heiligen Geist nicht auf übernatürliche Weise geschehen sein muss, ja weigern sich gegen die gewisse Aussage, dass hier ein „übernatürliches Wunder“ vorliegen „müsse“ (S. 4, Abs. 2 und 3).

Dagegen mache ich nicht zuerst, aber doch auch mit den biblisch argumentierenden Brüdern und Schwestern in dieser Frage geltend, dass im NT überall vorausgesetzt ist, dass Jesus „versucht wurde, doch ohne Sünde“, vgl. Hebr. 2, 14-18; 4, 14f. Denn wer Opfer einer Gewalttat wurde, ist darin schwergeschädigt. Und die Heilung einer solchen Schädigung wäre für mein Verständnis ein „übernatürliches Wunder“, das gleich mit der Geburt Jesu dessen Besonderheit herausstellen würde, die viele eben der Jungfrauengeburt anlasten, weil diese von Anfang an die Besonderheit Jesu herauszustellen interessiert sein könnte und das „Mensch, versuchbar wie wir“ – nämlich von innen durch den angenommenen sündegewohnten Leib aus der Maria als Sünderin wie alle Menschen in ihrem sozialen, zur Rechtfertigung der Zwangsgewalt gegen gefährliche Sünder genötigten Umfeld, ebenso von außen durch ebendiese, zur eidbeschworenen Loyalität der Rechtfertigung dieser Zwangsgewalt nötigenden Gesellschaft, widrigenfalls sie dem Freund der Rechtsbrecher deren Strafe auferlegt, solange keine Freiheit für gewissensmäßige Feindesliebe / „Vaterlandsverrat“ / „Loyalitätsbruch“ / „Eidverzicht“ gesellschaftsgesetzlich eingeräumt ist (was Jesu weltgeschichtliche Rechtsauswirkung ist und bleibt und erkennbares Zeichen seiner Präsenz und noch gegenwärtigen Geisteswirkung bleibt) – grundsätzlich in Frage stellt. Hier sehe ich christologische Konsequenzen, die sich gegen Hebr. 1f. vergehen, wonach Gottes Sohn nicht Engel, sondern Mensch wie wir in sterblich-anfechtbarer und nur dem gehorsamen Glauben gegen das Sehen in Freiheit zugeordneter Mensch wurde und die Inkarnation des Geistes in wahrer Gottebenbildlichkeit bewährt hat außerhalb von uns unter selben Bedingungen und gegen unseren Widerspruch; doch für uns zum fertig bewährten Wort Gottes unterwegs von Empfängnis / Geburt bis Tod / Übergang ins Ziel der Schöpfung (in zwei Schritten um der Freiheit gottebenbildlicher Liebe willen) geworden ist. Dies außerhalb von uns (extra nos) und doch immanent / inkarniert schon übersehbar fertig gegenwärtig macht seine Objektivierbarkeit aus, was Luther gegen des Erasmus Relativismus der Humanisten die assertiones, „gewissen Aussagen“ nannte, die dem Menschen erlauben, gegen die Gesellschaft, Kirche, Politik. und Wirtschaft gewissensmäßig und für alle an Jesus nachprüfbar aufzustehen und eine allen wohltätig dienende Menschenwürde ohne Gewalttat in solchem Verhalten zu beweisen, ob dies anerkannt wird oder zur Hinrichtung führt.

Solche Aussagen meiden Sie, arbeiten – wie Erasmus – mit moralisch allen Wohltätigem, vermeiden aber das Ärgernis von Jesus, Paulus, der Urchristenheit, ebendieses assertiven „einen Wortes Gottes mit gesellschaftlichem Verhaltensanspruch“, das in den Konflikt führt, Ja oder Nein abnötigt – der Ausweg ist Verleugnen Jesu und seiner Worte / Gebote vom Vater, wie Gaben der eindeutigen Liebe (1. Kor. 13; Röm. 12f.; Mt. 5-7). Sie begnügen sich scheinbar bescheiden mit einer „Randnotiz“ (S. 4, Abs. 2), wo für Paulus seine gerechtmachende Wirkung des Geistes in der Rechtfertigung des Schwachen (zur Gerechtigkeit Gottes noch unfähigen Menschen, mangels Evangeliums, des Gottlosen, des Sünders, des Gottesfeindes (Röm. 5, 6.8.10; vgl. 8, 1ff.) auf dem Spiel steht, je jetzt im Zeugnis und der Tat des Glaubens, zu dem uns Christus je jetzt und bleibend jetzt befreit hat Gal. 5, 1.

Bei der Frage der Jungfrauengeburt erlaube ich mir für die „historische Wahrscheinlichkeit“ für jetzt nur auf 2 Umstände hinzuweisen: Jes. 7, 14 ist die Geburt des verheißenen Geistbringers – seit Abraham verheißen und offen – auf eine alma / junge Frau ohne Herleitung vom Königshaus David, wohin die Erwartung durch die Natanverheißung für Israel konzentriert war, zugespitzt. Das war für Israel deshalb nicht beliebig auf irgendeinen anderen Mann oder gar Gottlosen oder Gewalttäter übertragbar, weil ja Abraham durch die Auslieferung von Sara an den Pharao und an Abimelech von Gerar schuldig wurde und diese Schuld am Verheißenen in Gen. 22 bekennen musste; und Ahas als Davidide den Gottesglauben gegenüber Jesaja verleugnete und mit eigener Weisheit und Politik der Selbsthilfe die Unfähigkeit aller Männer zum Glaubensgehorsam in Ganzheit deutlich gemacht hatte. Diese Verheißung geschah „unter dem Gesetz“ Gottes, nicht unter heidnischer Mythologie. Darum war hier das Gotteszeichen alma-Geburt = ohne Zutun eines Mannes gegeben als Erkennungszeichen für den Geisterschließer für alle Menschen, wenn er da ist. 2. Luk. 2, 24 – das Auslöseopfer für männliche Erstgeburt wurde dem Ortspriester gegeben vom leibl. Vater, bei unehel. Geburt vom Erstgeborenen selbst vom ersten Verdienst. Lag, wie bei Jesus beides nicht vor, war der Hohepriester in Jerusalem zuständig, das anzuerkennen; Frauenzeugnis galt in Israel nicht. Deshalb ist das Ziel von Lk. 2, 22-39 das Bekenntnis der alma-Geburt Jesu von 2 Männern, Josef und Simeon, und 2 Frauen (nicht gleichberechtigt!) Maria und Hanna vor dem Hohepriester und dessen Anerkennung (nicht ausdrücklich ausgesagt) der Nichtauslösung durch Josef, d. h. der alma-Geburt Jesu. In Israel unter dem Gesetz war das nötig, dort gelten keine Legenden. Damit bleibt das Zeugnis stehen, aber bestreitbar (was Israel im Talmud tat).

Mit sehr herzlichem Gruß und Dank!
Ihr Dietrich Fischinger

 

Zur Biographie von Dietrich Fischinger:

Geboren 8. 4. 1928 in Stuttgart.
Luftwaffenhelfer und Flaksoldat 1944-45.

Studium der Evangelischen Theologie in Tübingen und Göttingen 1946-51.
Examensarbeit über den Todesprozeß Jesu 1954.

Pfarrer im Heimatvertriebenen-Neubaugebiet Stuttgart-Zuffenhausen-Rot 1955-60.
Theologischer Lehrer an der Bahnauer Evangelischen Missionsschule in Unterweissach 1960-66.
Pfarrer in Stuttgart-Feuerbach 1966-77 (mit Kontaktstudium in Rom über die urchristliche Kirchenreform der Waldenser im Hochmittelalter); in Bad Liebenzell 1977-83.

Im vorzeitigen Ruhestand:
Museumsmitarbeit und wissenschaftliches Vorstandsmitglied der Deutschen Waldenservereinigung in Ötisheim-Schönenberg 1983-95.
Mitarbeit in der Kirchlichen Bruderschaft in Württemberg,
Mitglied beim Internationalen Versöhnungsbund.
Mitbegründer der Arbeitsgemeinschaft für Kirchliches Friedenszeugnis;
Mitarbeit in zwei Puidoux-Kommissionen.

Veröffentlichungen:
„Das Lukasevangelium“ Kreuz-Verlag 1962,
„Der Deutsche Waldenser“,
„Blätter für Württembergische Kirchengeschichte“.

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