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Vertrauen auf Jesus, den verachteten Seemann

In einer Trauerfeier gehe ich auf den Doppelsinn von 1. Korinther 13, 13 ein und auf religiöse Anspielungen in zwei Songs von Leonard Cohen.

Vertrauen auf Jesus, den verachteten Seemann: Ein Kirchenfenster zeigt Jesus neben Petrus auf einem Fischerboot, wie er Sturm und Wellen bedroht
Leonard Cohen stellt Jesus als Seemann dar, der Verachtung erfuhr (Bild: falcoPixabay)

Suzanne
Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen.

Liebe Gemeinde, wir sind hier versammelt, um von Herrn A. Abschied zu nehmen, der im Alter von [über 60] Jahren gestorben ist.

Wir erinnern uns gemeinsam an sein Leben und erweisen ihm die letzte Ehre. Wir lassen einander in der Stunde des Abschieds nicht allein. Wir besinnen uns auf Gott, von dem unser Leben herkommt und zu dem es im Tode zurückkehrt.

Wir beten mit einem alten Lied der Bibel, Psalm 90 (Vers 10 nach der Lutherbibel 1912):

1 EIN GEBET DES MOSE, DES MANNES GOTTES. Herr, du bist unsre Zuflucht für und für.

2 Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.

3 Der du die Menschen lässest sterben und sprichst: Kommt wieder, Menschenkinder!

4 Denn tausend Jahre sind vor dir wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.

5 Du lässest sie dahinfahren wie einen Strom; sie sind wie ein Schlaf, wie ein Gras, das am Morgen noch sprosst,

6 das am Morgen blüht und sprosst und des Abends welkt und verdorrt.

7 Das macht dein Zorn, dass wir so vergehen, und dein Grimm, dass wir so plötzlich dahin müssen.

8 Denn unsre Missetaten stellst du vor dich, unsre unerkannte Sünde ins Licht vor deinem Angesicht.

9 Darum fahren alle unsre Tage dahin durch deinen Zorn; wir bringen unsre Jahre zu wie ein Geschwätz.

10 Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn‘s hoch kommt, so sind‘s achtzig Jahre, und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen; denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.

11 Wer glaubt‘s aber, dass du so sehr zürnest, und wer fürchtet sich vor dir in deinem Grimm?

12 Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.

13 HERR, kehre dich doch endlich wieder zu uns und sei deinen Knechten gnädig!

14 Fülle uns frühe mit deiner Gnade, so wollen wir rühmen und fröhlich sein unser Leben lang.

15 Erfreue uns nun wieder, nachdem du uns so lange plagest, nachdem wir so lange Unglück leiden.

16 Zeige deinen Knechten deine Werke und deine Herrlichkeit ihren Kindern.

17 Und der Herr, unser Gott, sei uns freundlich und fördere das Werk unsrer Hände bei uns. Ja, das Werk unsrer Hände wollest du fördern!

Liebe Gemeinde, dass wir uns hier zu einer Trauerfeier für Herrn A. versammelt haben, ist nicht so ganz selbstverständlich. Er hatte in seinem Testament bestimmt, dass er anonym beigesetzt werden sollte. Es sollten auch keine offiziellen Benachrichtigungen über eine Trauerfeier verschickt werden. Dass Sie hier sind, die sich für ihn interessiert haben, ihm nahegestanden sind und auch die Zeit seiner Krankheit mit ihm durchlebt haben, dagegen – so denke ich – hätte er sicher nichts einzuwenden gehabt.

Dass ein Pfarrer eine Trauerfeier für ihn gestaltet, wie ich es jetzt tue, hat er von sich aus nicht in Anspruch nehmen wollen, aber er hat es auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Bei seiner durchaus religiösen, aber kirchenkritischen Einstellung dachte er, die Kirche würde es ohnehin ablehnen, ihn zu beerdigen. Damit hat er nun nicht Recht behalten, und ich hoffe, ihm nicht zu nahe zu treten, wenn ich dem Wunsch seiner Mutter entspreche und Sie alle, die wirklich um ihn trauern, in dieser Stunde mit meinen Worten begleite.

Erinnerungen an das Leben und die Krankheit des Verstorbenen

Herr A. hat mit der Kirche seine Schwierigkeiten gehabt. Sie haben mir erzählt: Er war religiös, aber „ohne das ganze Fußvolk“. Wer weiß, was für Erfahrungen er gemacht hat, die ihm das Bodenpersonal der Kirche verleidet haben. Er besaß Bibeln und las wohl auch darin, in der Zeit im Hospiz hat er gebetet.

Was kann uns helfen, wenn uns das Herz schwer wird, weil ein Mensch gestorben ist, den wir geliebt haben? Ich denke an zwei Arten von Trost. Ein Trost kann es sein, in der Erinnerung an den Verstorbenen zu spüren, wie die Liebe zu ihm und die erfahrene Liebe von ihm mit seinem Tod nicht einfach weg sind. Liebe bewegt und prägt uns, hinterlässt bleibende Spuren in uns. Der Apostel Paulus sagt (1. Korinther 13, 13):

Nur aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen.

Wenn wir an Liebe denken, an Vertrauen und Hoffnung, von denen Paulus spricht, weil er sie für lebensnotwendig hält, dann wird uns allerdings auch bewusst, dass dieses Allerwichtigste überhaupt in unserem Leben oft auch fehlt.

Wenn es nicht gelingt, dass Eltern gemeinsam einem Kind die Geborgenheit einer heilen Familie zu geben imstande sind, dann bleiben Wunden in der Seele eines Menschen zurück. Wenn Enttäuschungen hinzukommen, weil jemand, von dem man es nicht erwartet hat, in krasser Weise egoistisch handelt, kann man verstehen, dass Beziehungen auf Dauer zerstört und nicht mehr zu kitten sind. Wenn ein Junge immer wieder auch in Angst vor dem Mann lebt, der sein Vorbild und Halt sein sollte, weil dieser zu viel Alkohol trinkt, ist es schon ein Wunder, wenn er selber sein Leben in geordneten Bahnen zu führen versteht und es meistert, so gut er es eben kann.

Dabei haben die Menschen geholfen, auf die er sich verlassen konnte, die er geliebt hat, seine Freunde, seine Mutter, sein Stiefvater. Es gab also trotz allem in diesem Leben Liebe und Freundschaft, Treue und Zuverlässigkeit. Dafür können wir dankbar sein, das kann ein großer Trost sein.

Nachher hören wir das „Halleluja“ von Leonard Cohen. Es ist ein Lied über Liebe, die immer auch gefährdet ist. Liebe ist nicht einfach ein Siegesmarsch, und das Halleluja, das wir singen, ist manchmal auch ein kaltes, ein gebrochenes Halleluja, meint der Sänger, dann nämlich, wenn wir Traurigkeiten und Enttäuschungen verkraften müssen. Ohne die Taube des heiligen Geistes, ohne die sanfte Macht Gottes, die wir manchmal über uns mehr ahnen, als dass wir fest an sie glauben, ist es uns oft nicht möglich, an die Liebe zu glauben und Liebe in unserem Leben zu üben – wir haben sie nötig!

Eine zweite Art von Trost ergibt sich daraus, dass der Sinn unseres Lebens nicht nur von unseren menschlichen Fähigkeiten zu lieben abhängt, sondern dass unser Leben in Gottes Liebe einbettet ist. Wir sind ein Teil von Gottes Plan, er ist es, der uns dazu beruft, Liebe zu empfangen und zu geben.

Das ist der eigentliche Grund, weshalb Paulus in seinem Bibelvers die Liebe so großartig findet. Er spricht nämlich von einer vollkommenen Liebe, die er an dem Menschen Jesus Christus kennengelernt hat, der sein Leben aus Liebe für andere hingegeben hat.

Und da Jesus trotz seines Todes am Kreuz nicht verloren ging, sondern zum ewigen Leben bei Gott auferweckt wurde, macht Paulus auch uns Hoffnung auf neues Leben nach dem Tod. Wir wissen nicht, wie das aussieht, aber wir dürfen zuversichtlich davon ausgehen: Wir haben Zukunft bei Gott; in Gottes Liebe bleibt alles, was wir bruchstückhaft an menschlicher Liebe erfahren und verschenkt haben, aufbewahrt – und diese Liebe wird im Himmel sogar zur Vollkommenheit gebracht in einer Weise, die wir uns nicht wirklich vorstellen können.

Im Vertrauen darauf können wir Herrn A. loslassen: Gott nimmt ihn auf in seinem Friedensreich und wird erfüllen, wonach er sich sehnt, schenkt ihm vielleicht ein Glück, das er hier auf Erden so nicht erfahren konnte.

Im Lied von Leonard Cohen, das wir am Anfang gehört haben, war von Jesus die Rede, der ein Seemann war, weil er über das Wasser gehen konnte und weil nur Ertrinkende ihn sehen konnten. So verstehe auch ich Jesus: er gibt Menschen Halt und Trost, die scheinbar am Ende sind, die keinen festen Grund unter den Füßen haben. Und wer sterben muss, der ertrinkt nicht in einem Meer von Sinnlosigkeit. Wie der Gottessohn, der nach Cohen „verachtet und fast menschlich“ war, sinkt „er in deine Weisheit wie ein Stein“. In Gottes Weisheit und Liebe wird er, der stirbt, nicht ertrinken, nicht untergehen, sondern ewig leben. Amen.

Hallelujah

Wir beten mit Psalm 91 um die Begleitung der Engel Gottes:

1 Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt,

2 der spricht zu dem HERRN: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.

3 Denn er errettet mich vom Strick des Jägers und von der verderblichen Pest.

4 Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und Zuflucht wirst du haben unter seinen Flügeln. Seine Wahrheit ist Schirm und Schild,

5 dass du nicht erschrecken musst vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Tages fliegen,

6 vor der Pest, die im Finstern schleicht, vor der Seuche, die am Mittag Verderben bringt.

7 Wenn auch tausend fallen zu deiner Seite und zehntausend zu deiner Rechten, so wird es doch dich nicht treffen.

8 Ja, du wirst es mit eigenen Augen sehen und schauen, wie den Gottlosen vergolten wird.

9 Denn der HERR ist deine Zuversicht, der Höchste ist deine Zuflucht.

10 Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird sich deinem Hause nahen.

11 Denn er hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen,

12 dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

13 Über Löwen und Ottern wirst du gehen und junge Löwen und Drachen niedertreten.

Gott spricht zu uns, wenn wir uns trauen, auf seine Liebe zu bauen:

14 »Er liebt mich, darum will ich ihn erretten; er kennt meinen Namen, darum will ich ihn schützen.

15 Er ruft mich an, darum will ich ihn erhören; ich bin bei ihm in der Not, ich will ihn herausreißen und zu Ehren bringen.

16 Ich will ihn sättigen mit langem Leben und will ihm zeigen mein Heil.«

Großer, uns oft fremder und doch treuer Gott, wir sind dankbar für das Leben von Herrn A. und für alles Gute, das du ihm und durch ihn auch uns erwiesen hast. Lass uns die Liebe bewahren, die wir füreinander empfunden und einander geschenkt haben.

Wir bitten dich, sei uns nahe, wenn in uns ein Chaos der Gefühle herrscht, wenn wir nicht wissen, woran wir glauben und worauf wir uns verlassen sollen. Lass uns aushalten, was wir fühlen, und hilf uns, unser Leben zu meistern. Lass niemanden allein, der Hilfe braucht, hilf uns, für die Menschen da zu sein, die uns anvertraut sind, und lass uns niemals vergessen, wie kostbar unser Leben ist. Amen.

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