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Wegweisung um der Feinde willen

David wünscht sich Wegweisung. Er will auf dem geraden Weg der Gebote Gottes gehen. „Um meiner Feinde willen“ sagt er. Wir erleben bei der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, wie hoch die Maßstäbe sind, die man in der Öffentlichkeit gerade an kirchliche Amtsträger anlegt. Jede Blöße wird ausgenutzt, um eine Person mit hohem moralischen Anspruch als unglaubwürdig zu brandmarken.

Männchen geht auf einem geraden grünen Pfeil nach vorn rechts
Auf dem geraden Weg gehen – eine gute Wahl! (Bild: Peggy und Marco Lachmann-AnkePixabay)

#predigtGottesdienst am Sonntag Reminiscere, 28. Februar 2010, um 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie herzlich in der Pauluskirche zum Gottesdienst am zweiten Sonntag in der Passionszeit mit einem Bibelwort aus Psalm 27, 13:

Ich glaube, dass ich sehen werde die Güte des HERRN im Lande der Lebendigen.

In den Texten und Gebeten geht es heute um die Frage, ob Gott unsere Bitten um Hilfe erhört, und wenn ja, wie seine Hilfe aussehen kann.

Lied 371, 1+3+5+9:

1. Gib dich zufrieden und sei stille in dem Gotte deines Lebens! In ihm ruht aller Freuden Fülle, ohn ihn mühst du dich vergebens; er ist dein Quell und deine Sonne, scheint täglich hell zu deiner Wonne. Gib dich zufrieden!

3. Wie dir’s und andern oft ergehe, ist ihm wahrlich nicht verborgen; er sieht und kennet aus der Höhe der betrübten Herzen Sorgen. Er zählt den Lauf der heißen Tränen und fasst zuhauf all unser Sehnen. Gib dich zufrieden!

5. Er hört die Seufzer deiner Seelen und des Herzens stilles Klagen, und was du keinem darfst erzählen, magst du Gott gar kühnlich sagen. Er ist nicht fern, steht in der Mitten, hört bald und gern der Armen Bitten. Gib dich zufrieden!

9. Sprich nicht: »Ich sehe keine Mittel, wo ich such, ist nichts zum besten.« Denn das ist Gottes Ehrentitel: helfen, wenn die Not am größten. Wenn ich und du ihn nicht mehr spüren, tritt er herzu, uns wohl zu führen. Gib dich zufrieden!

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Wir beten mit Psalm 27, über den ich heute predigen werde. Er ist ein Gebet aus der Liedersammlung des Königs David und beginnt mit einem Lob des Gottes, der uns beschützt:

1 Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?

2 Wenn die Übeltäter an mich wollen, um mich zu verschlingen, meine Widersacher und Feinde, sollen sie selber straucheln und fallen.

3 Wenn sich auch ein Heer wider mich lagert, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht; wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf ihn.

4 Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne: dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang, zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn und seinen Tempel zu betrachten.

5 Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes und erhöht mich auf einen Felsen.

6 Und nun erhebt sich mein Haupt über meine Feinde, die um mich her sind; darum will ich Lob opfern in seinem Zelt, ich will singen und Lob sagen dem Herrn.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Viele Menschen glauben nicht, dass du, Gott, Gebete erhörst. Viele können es nicht mehr glauben. Warum, o Gott, lässt du Menschen so große Enttäuschungen erfahren? Gott, sei nahe auch denen, die am Rande der Verzweiflung sind, denen, die kaum noch genug Kraft haben zum Beten! Wir rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Mit der zweiten Hälfte des Psalms 27 machen wir uns auf die Suche nach dem lebendigen Gott, beknieen ihn um seine Hilfe:

7 HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich!

8 Mein Herz hält dir vor dein Wort: »Ihr sollt mein Antlitz suchen.« Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.

9 Verbirg dein Antlitz nicht vor mir, verstoße nicht im Zorn deinen Knecht! Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht und tu die Hand nicht von mir ab, Gott, mein Heil!

10 Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der Herr nimmt mich auf.

11 Herr, weise mir deinen Weg und leite mich auf ebener Bahn um meiner Feinde willen.

12 Gib mich nicht preis dem Willen meiner Feinde! Denn es stehen falsche Zeugen wider mich auf und tun mir Unrecht ohne Scheu.

13 Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen.

14 Harre des Herrn! Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Zeige dich, Gott, so wie du wirklich bist, weise deinen guten Weg uns allen, damit wir nicht in die Irre gehen und neue Freude finden, sogar mitten im Leid! Das erbitten wir von dir im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören die Schriftlesung aus dem Brief des Paulus an die Römer 5, 1-5:

1 Da wir nun gerecht geworden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesus Christus;

2 durch ihn haben wir auch den Zugang im Glauben zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.

3 Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt,

4 Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung,

5 Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist.

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Amen. „Amen.“

Glaubensbekenntnis
Lied 382: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde, erhört Gott unsere Gebete? Erhört er sie immer oder nie oder manchmal?

Ich habe schon mehrmals auf dieser Kanzel die Geschichte vom kleinen Fritzchen erzählt, der sich so sehr auf einen Ausflug mit seinem Vater gefreut hat. Jeden abend betet er in seinem Bett: „Lieber Gott, lass am Sonntag das Wetter schön werden, damit wir unseren Ausflug machen können!“ Die große Schwester zieht ihren kleinen Bruder damit auf: „Gott hört dir doch sowieso nicht zu.“ „Abwarten“, denkt Fritzchen.

Der Sonntag kommt, und – es regnet in Strömen. Fritzchen ist furchtbar enttäuscht. Der Ausflug fällt ins Wasser. Und seine Schwester meint: „Siehst du, Gott hat dich nicht gehört.“ Aber da sagt Fritzchen: „Doch, Gott hat wohl gehört. Er hat mein Gebet gehört. Aber“ – und dabei muss er doch etwas schlucken – „er hat Nein gesagt.“

Gott kann auch „Nein“ sagen. Er hört alle Gebete, aber er erfüllt nicht immer alle Wünsche. Das ist wichtig für uns, weil wir uns Gottes Allmacht oft so vorstellen, als ob er jeden unserer Wünsche erfüllen müsse. Wenn Gott nicht Nein sagen könnte, wäre er von uns abhängig, ein ausgedachter, falscher Gott. Wenn er nicht Nein sagen könnte, wäre er nicht der allmächtige Gott, sondern ein Automat zur Erfüllung von Wünschen.

Aber kann man von Gott so menschlich reden? Nein sagen, Ja sagen, Gefühle empfinden, Antworten geben – sind das Dinge, die wir von Gott sagen können? Ja, denn Gott hat uns nach seinem eigenen Bild geschaffen, als Mann und Frau, wie es im Schöpfungsbericht heißt. Wenn wir also, nicht als einzelne, sondern in unserer Gemeinschaft als verschiedenartige Menschen, Gottes Ebenbilder sind, dann können wir auch von Gott am besten in menschlichen Bildern sprechen. Wir dürfen nur niemals das Bild und Gott selbst verwechseln. Sonst würden wir uns selbst zu Gott machen oder versuchen, ihn unter unsere Kontrolle zu bringen.

Stattdessen dürfen wir von Gott reden wie von einem Menschen, den wir lieben. Und wir wissen genau, gerade jemand, der uns liebt, nimmt uns so ernst, dass er uns nicht nach dem Munde redet. Der sagt uns auch mal die Meinung oder weist auf einen wunden Punkt hin.

Aber umgekehrt dürfen wir ihm auch offen unsere Meinung sagen. Wir können zu ihm rufen und schreien, und wenn wir keinen Ort haben, wo wir so laut sein dürfen, dann kann das auch ganz still in unserer Seele geschehen. Die Psalmen der Bibel sind Beispiele für solche lebendigen Gespräche mit Gott. Einen haben wir vorhin in voller Länge gehört, jetzt betrachten wir die Verse dieses Psalms 27 noch einmal im einzelnen.

1 VON DAVID. Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?

Als Sänger dieses Liedes wird König David genannt. Ein königlicher Mensch betet hier, mit einem Selbstbewusstsein, das sich auf Gott gründet. Er fühlt sich nicht stark, weil er ein König ist, sondern weil er Furcht und Schwachheit im Vertrauen auf Gott überwinden kann. Gott ist sein Licht und sein Heil, das heißt, er sucht von Gott die nötige Klarheit und alles, was heilsam ist für sein Leben und den Frieden mit anderen Menschen.

2 Wenn die Übeltäter an mich wollen, um mich zu verschlingen, meine Widersacher und Feinde, sollen sie selber straucheln und fallen.

David hatte oft Grund, sich sehr bedroht zu fühlen; hier steht wörtlich: „sie wollen mein Fleisch fressen“. Froh können wir sein, wenn wir solche Erfahrungen und Ängste nicht kennen, die es dort gibt, wo Krieg und Folter herrschen, wo perverse Gewalttäter ihr Unwesen treiben. Aber ich denke an den Titel eines Films von Rainer Werner Faßbinder: „Angst essen Seele auf“; es gibt auch mitten unter uns Menschen, die sich aufgefressen fühlen von inneren Ängsten, von Erinnerungen an erlittene Schmerzen, oder die ihre Angst vor Bedrohungen nicht abschütteln können. Vor Gott darf man alle diese Ängste aussprechen und auch dazu stehen, dass man zornig ist auf Menschen, die uns Böses wollen und zufügen: Sie sollen zu Fall kommen und zur Rechenschaft gezogen werden.

3 Wenn sich auch ein Heer wider mich lagert, so fürchtet sich dennoch mein Herz nicht; wenn sich Krieg wider mich erhebt, so verlasse ich mich auf ihn.

Hier spricht König David als tapferer Heerführer; aber auch im übertragenen Sinn können wir diesen Vers beten, zum Beispiel wenn wir unter Mobbing leiden oder wenn uns alles zu viel wird. Wer sich auf Gott verlässt, kann Mut fassen, um sich den eigenen Ängsten oder scheinbar unüberwindlichen Problemen zu stellen. David spricht es nicht ausdrücklich aus, aber er tritt sicher nicht allein dem feindlichen Heer gegenüber; mutig ist man gerade auch, indem man sich Hilfe sucht, um seine Probleme zu lösen.

4 Eines bitte ich vom Herrn, das hätte ich gerne: dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein Leben lang, zu schauen die schönen Gottesdienste des Herrn und seinen Tempel zu betrachten.

Unvermittelt nach der Erwähnung der Feinde äußert David seinen Wunsch, im Haus Gottes bleiben zu können. Hier ist ein Ort, wo er sich sein Leben lang immer wieder zurückziehen kann, um aufzutanken. Bleiben, Schauen, Betrachten, das sind ruhige Aktivitäten, durch die auch wir am Feiertag Kraft schöpfen können für die Kämpfe des Alltags.

5 Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes und erhöht mich auf einen Felsen.

Hier wird deutlich, dass mit dem Tempel kein prunkvolles Gebäude gemeint sein muss. Zur Zeit des Königs David gab es den Tempel in Jerusalem ja noch nicht einmal. Gott war schon bei seinem Volk, als es von Mose durch die Wüste geführt wurde, und ließ seine Größe und Güte in einem Zelt unter den Menschen wohnen. Eine einfache Hütte, eine Sozialwohnung, in der Menschen zu Gott beten, auch unsere schlichte Pauluskirche in der Nordstadt kann ein Ort sein, wo Gott für uns da ist in böser Zeit. Es gibt Zeiten, da braucht man ein Versteck, um sich verkriechen zu können, da wäre es unklug, sich allein einer Übermacht von anstürmenden Problemen stellen zu wollen. Wenn man genug Kräfte und Hilfe gesammelt hat, gelingt es dann wieder, sich offen hinzustellen wie ein Anführer, der weithin sichtbar auf einem Felsen steht, und es mit Sorgen und Problemen mutig aufzunehmen.

6 Und nun erhebt sich mein Haupt über meine Feinde, die um mich her sind; darum will ich Lob opfern in seinem Zelt, ich will singen und Lob sagen dem Herrn.

David hat seine Feinde überwunden, alle Probleme sind vorerst gelöst, nun geht er ins Zelt Gottes und singt dankbare Lieder.

7 HERR, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich!

Aber er dankt nicht nur, sondern er bittet Gott auch. Zuerst bittet er darum, dass Gott ihm überhaupt zuhört. Er soll es gnädig tun, also mitfühlend, wohlwollend, und er soll er-hören, wörtlich steht da, er soll antworten. Ein Gebet braucht eine Antwort von Gott, sonst kann man es sein lassen.

Aber wie kann Gott uns antworten? Wir hören ja seine Stimme nicht so wie die Propheten sie gehört haben. Wir sehen ihn ja nicht, weil Gott unsichtbar ist. Darum macht David Gott Vorhaltungen:

8 Mein Herz hält dir vor dein Wort: »Ihr sollt mein Antlitz suchen.« Darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz.

Wir dürfen hartnäckig daran festhalten, dass Gott selber zwar nicht sichtbar ist, aber dass er uns trotzdem sein Antlitz, sein Gesicht zeigt. „Gesicht zeigen!“, das war einmal das Motto einer Aktion gegen Ausländerfeindlichkeit. Wenn Gott uns sein Gesicht zeigt, dann erfahren wir seine Solidarität; er steht uns bei, er ist da, mit seiner Liebe hüllt er uns ein wie mit einem warmen Mantel.

9 Verbirg dein Antlitz nicht vor mir, verstoße nicht im Zorn deinen Knecht! Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht und tu die Hand nicht von mir ab, Gott, mein Heil!

Hinter diesem Vers steckt die Befürchtung, Gott könne sich im Zorn von uns abwenden. Er könnte nicht auf uns hören, weil wir nicht auf ihn gehört haben. Aber der hier betet, ist voller Vertrauen auf Gottes Vergebung, ohne Gottes Hilfe könnten wir nicht zurechtkommen.

10 Denn mein Vater und meine Mutter verlassen mich, aber der HERR nimmt mich auf.

Die Kräfte menschlicher Väter und Mütter sind begrenzt und irgendwann muss man endgültig Abschied nehmen von den Eltern. Gott hört nie auf, unser himmlischer Vater zu sein. Im Vertrauen auf ihn müssen wir darum in dieser Welt nicht einsam sein im Sinne von mutterseelenallein. Wir können es aushalten, auch einmal allein zu sein, weil wir eine Ein-samkeit in anderem Sinne spüren, ein Eins-sein mit dem Gott, der uns liebt.

Von diesem Gott, der uns gegenübersteht wie ein guter Vater oder eine gute Mutter, erwartet David nun Antwort in einem ganz bestimmten Sinn:

11 HERR, weise mir deinen Weg und leite mich auf ebener Bahn um meiner Feinde willen.

David wünscht sich nicht Geschenke, nicht ein leichtes Leben ohne Sorgen. Er wünscht sich Wegweisung. Er will auf dem geraden Weg der Gebote Gottes gehen und nicht auf die schiefe Bahn geraten. „Um meiner Feinde willen“ sagt er. Ein einziger schwerer Fehler, den man macht, kann mühsam aufgebautes Vertrauen zerstören, kann sogar tödliche Folgen haben. Wir erleben es gerade bei der Ratsvorsitzenden unserer Evangelischen Kirche in Deutschland, wie hoch die Maßstäbe sind, die man in der Öffentlichkeit gerade an kirchliche Amtsträger anlegt. Natürlich muss jeder, der Vorwürfe äußert und Konsequenzen fordert, auch prüfen, ob er nicht selber im Glashaus sitzt; aber David erwähnt mit gutem Grund die Feinde: wer sowieso nicht gut auf jemanden zu sprechen ist, nutzt gern die Blöße aus, die sich der andere gibt, um seine Position zu schwächen. Niemand ist davor gefeit, Fehler zu machen oder sogar schwere Schuld auf sich zu laden; darum ist gerade diese Bitte so wichtig: „Gott, zeige mir den richtigen Weg, und hilf mir, dass ich diesen Weg auch gehe. Und wenn ich doch abgerutscht bin, hilf mir, die Konsequenzen zu tragen und hilf mir zurück auf den geraden Weg.“

12 Gib mich nicht preis dem Willen meiner Feinde! Denn es stehen falsche Zeugen wider mich auf und tun mir Unrecht ohne Scheu.

Nicht immer ist es eigene Schuld, durch die wir in Verruf geraten. David erlebt Verleumdung und bittet Gott, dass man nicht denen glaubt, die ihn kaputt machen wollen. Wir können hier auch an innere Stimmen denken, durch die wir uns selber fertigmachen, wenn wir zu wenig Selbstvertrauen haben: „Lass dich nicht so gehen! Reiß dich zusammen, sonst musst du dich schämen! Wenn du nicht so viel leistest wie andere Menschen, bist du nichts wert!“ Nicht auf solche Stimmen sollen wir hören; sie tun uns Unrecht. Es gibt Zeiten im Leben, wo unsere Kräfte an Grenzen stoßen und wo es wichtig ist, dass wir eine Schulter finden, an die wir uns einfach anlehnen und an der wir uns ausweinen können.

13 Ich glaube aber doch, dass ich sehen werde die Güte des HERRN im Lande der Lebendigen.

So betont David noch einmal seine Zuversicht, dass Gott sein Gebet erhören und ihm antworten wird. Wir sehen Gott zwar nicht im wörtlich genommenen Sinn, aber wir können seine Güte sehen. Gottes Güte sehen wir zum Beispiel, wo wir sein Wort nicht als Einschränkung, sondern als Erlaubnis erfahren: „Lass auch einmal Schwachheit zu! Lass dich fühlen, was du fühlst! Nimm dich, wie du bist! Vertraue dich jemandem an mit all deinen Problemen! Trau dich, um Hilfe zu bitten! Es ist keine Schande, krank zu sein und nicht mehr arbeiten zu können. Du musst dich nicht schämen, wenn deine Kräfte versagen. Dein Leben hat einen Sinn, auch wenn du nicht mehr für andere da sein kannst. Du bist ein wichtiger, kostbarer, wertvoller Mensch, denn Gott hat dich unendlich lieb!“

Wer das beherzigen kann, der sieht Gottes Güte, auch wenn er erfahren muss, dass Gott nicht alle Wünsche erfüllt.

Es kann sein, dass eine Krankheit nicht geheilt wird, dass man mit einer Behinderung leben muss, und Gott gibt die Kraft, das Leben trotzdem zu meistern.

Es kann sein, dass ein Mensch stirbt, den wir sehr vermissen, und wir brauchen sehr lange, um wieder Gottes Güte zu spüren. Das Land der Lebendigen erstreckt sich nicht nur auf die uns zugängliche, sichtbare Welt; wir dürfen darauf vertrauen, dass Gott auch einen Weg für unsere Verstorbenen weiß und dass sie in seiner Liebe gut aufgehoben sind.

14 Harre des Herrn! Sei getrost und unverzagt und harre des Herrn!

Harren ist ein altes Wort für „Warten“ oder „Hoffen“. Ungläubige Menschen haben ein Sprichwort erfunden, das lautet: „Hoffen und Harren hält manchen zum Narren.“ OK, wenn man an der falschen Stelle hofft, zum Beispiel auf Hilfe von unzuverlässigen Menschen, mag das richtig sein. Von Gott aber haben wir etwas zu erwarten; im Vertrauen auf ihn können wir auch Durststrecken überstehen. Selbst wenn lange Zeit von Gottes Güte nichts erkennbar ist, müssen wir doch nicht aufhören, auf seine Hilfe zu hoffen. Denn Gott ist der Vater Jesu Christi, der am Kreuz verzweifelt schrie: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Und Jesus erfuhr die Hilfe des Vaters im Himmel, als er ihn von den Toten auferweckte und ihn ganz neu seine Güte sehen ließ im Lande der Lebendigen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.
Lied 611:

1. Harre, meine Seele, harre des Herrn; alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Sei unverzagt, bald der Morgen tagt, und ein neuer Frühling folgt dem Winter nach. In allen Stürmen, in aller Not wird er dich beschirmen, der treue Gott.

2. Harre, meine Seele, harre des Herrn; alles ihm befehle, hilft er doch so gern. Wenn alles bricht, Gott verlässt uns nicht; größer als der Helfer ist die Not ja nicht. Ewige Treue, Retter in Not, rett auch unsre Seele, du treuer Gott!

Lasst uns beten.

Gott, unser guter Vater und unsere gute Mutter! Du leitest uns mit deiner Stimme, die wir in der Bibel hören, wenn wir unsere Ohren nicht verschließen. Du begegnest uns in den Menschen, die nach deinem Willen leben und uns ein Vorbild geben. Du trittst uns vor die Augen in anderen Menschen, die in Not sind, auf uns angewiesen sind. Du bist da für uns in Menschen, die uns ihre Hilfe anbieten. Schenke uns Augen, die dich erkennen, wo wir dir begegnen. Schenke uns Ohren, die dich nicht überhören, wo du zu uns sprichst. Schenke uns die Einsicht, dass manchmal das Gegenteil von dem wahr ist, was man so für Wahrheit hält: deine Kraft wird in Schwachen mächtig; Kontrolle ist manchmal gut, aber Vertrauen viel besser, und der Glaube an Gott ist viel mehr als eine Vermutung und ein ungenaues Wissen: Wenn wir glauben, setzen wir unsere ganze Zuversicht auf dich! Wir dürfen dankbar leben, auch wenn wir jeden Tag viel Grund haben zu klagen.

Insbesondere beten wir heute für Frau … . Wir bitten dich, dass du ihr im Himmel den Frieden und die ewige Glückseligkeit schenkst, die sie auf Erden nicht finden konnte. Und wir bitten dich für ihren Ehemann, ihre Angehörigen und ihre Freunde um den Trost und die Kraft in der Trauer, den nur du ihnen schenken kannst. Amen.

In der Stille bringen wir vor Gott, was wir ganz persönlich auf dem Herzen haben.

Stille und Vater unser
Lied 627: Schalom, schalom, wo die Liebe wohnt, da wohnt auch Gott
Abkündigungen

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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