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„Fürchte dich nicht, liebes Land!“

Der Apostel Petrus beruft sich in seiner ersten Pfingstpredigt auf den Propheten Joel. Eine Woche vor Pfingsten ist ein guter Zeitpunkt, um einmal zu schauen: Was steht denn eigentlich im Buch des Propheten Joel? Was genau meint der, wenn er sagt: Alle Leute kriegen den Geist Gottes?

Eine Landschaft mit grünen Wiesen und einem Baum unter dramatisch bewölktem Himmel
Unsere Welt, ein Lebensraum für Menschen trotz aller Bedrohungen der Umwelt durch Katastrophen und Kriege (Bild: BessiPixabay)

#predigtGottesdienst am Sonntag Exaudi, 28. Mai 2017, 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Orgelvorspiel
Begrüßung (Kirchenvorsteherin Sabrina Stratil)

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße alle herzlich im Gottesdienst am Sonntag zwischen Himmelfahrt und Pfingsten. Seit Mittwoch findet in Berlin der Deutsche Evangelische Kirchentag statt, heute wird er in der Lutherstadt Wittenberg beendet. Für diejenigen aus der Paulusgemeinde, die den Kirchentagsgottesdienst nicht miterleben oder im Fernsehen verfolgen, hält Herr Pfarrer Schütz heute, 400 Tage nach seiner Verabschiedung in den Ruhestand, seinen ersten Vertretungsgottesdienst in eben diesem Ruhestand. Wir begrüßen ihn herzlich, und ich freue mich persönlich ganz besonders, dass er diesen Gottesdienst mit uns feiert.

Lied 333: Danket dem Herrn!
Im Namen Gottes, des Va­ters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Im Namen Gottes fangen wir jeden Gottesdienst an. Was ist das für ein Name?

Der Vater, der sich in seiner Barmherzigkeit zuerst dem Volk Israel offenbart.

Der Sohn, durch den alle Welt freien Zugang hat zur Liebe dieses Gottes und dessen Name „Jesus“ auf Deutsch „Befreiung“ bedeutet.

Der Heilige Geist, der uns mit seiner Liebe erfüllt.

Kommt, lasst uns Gott anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Im Alten Testament wird Gott immer HERR genannt. Mit vier großen Buchstaben steht dieser Name in der Lutherbibel. Auch Gottes hebräischer Name hat vier Buchstaben: JHWH. Aber der wird nie ausgesprochen. Man soll ihn nicht beschwören wie mit einer Zauberformel, nicht missbrauchen, nicht auf irgendetwas festnageln, als hätten wir ihn in der Hand. Dieser HERR ist kein anderer als der Vater, den uns Jesus durch den Heiligen Geist offenbart.

Herr, vergib uns, wenn wir von dir denken, als seiest du ein x-beliebiger Gott, den wir uns nach unserem Bilde zurechtmachen.

Vergib uns, wenn wir dich für einen Herrn halten, der tyrannisch regiert wie menschliche Machthaber.

Vergib uns, wenn wir denken, wir als Christen wären besser als andere Menschen, weil wir dich am besten erkennen.

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, er­barme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

Gott, du bist ein HERR, der frei macht. Deine Worte sind nicht leer. Deine Worte geschehen. Deine Worte sind kein Fake. Sie sind wahr. Sie schaffen Gerechtigkeit und Frieden.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefal­len. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist gross Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende.“

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, unser Herr, lehre uns, dich und deinen heiligen Namen zu erkennen, durch Worte der Heiligen Schrift. Lass dein Wort unter uns und in uns geschehen – durch Jesus Christus, unseren Herrn. „Amen.“

Pfingsten ist zwar erst in einer Woche, wir hören aber trotzdem schon heute einige Verse aus der Pfingstpredigt des Petrus, in denen er Worte des Propheten Joel aus dem Alten Testament zitiert. Was Petrus sagt, steht in der Apostelgeschichte 2, 17-21 (Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart):

17 »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben;

18 und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.

19 Und ich will Wunder tun oben am Himmel und Zeichen unten auf Erden, Blut und Feuer und Rauchdampf;

20 die Sonne soll in Finsternis verwandelt werden und der Mond in Blut, ehe der große und herrliche Tag des Herrn kommt.

21 Und es soll geschehen: Wer den Namen des Herrn anrufen wird, der soll gerettet werden.«

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Hal­leluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“
Glaubensbekenntnis
Lied 382: Ich steh vor dir mit leeren Händen, Herr
Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde,

beim er­sten Pfingstfest in Jerusalem denken die Leute auf der Straße: Was sind das für komische Frauen und Männer, die da so begeistert von Jesus reden? Jeder kann sie verstehen trotz des Sprachengewirrs in der großen Stadt. Aber was fällt denen ein, jeden einfach anzuquatschen! Die sind wohl betrunken!

Petrus widerspricht, indem er auf den Propheten Joel hinweist. Der hatte vorausgesagt, wir haben es gehört: In den letzten Tagen wird Gott jungen und alten Menschen seinen Geist geben. Sie werden voller Begeisterung auf die Straße gehen und für die Sache Gottes eintreten.

So könnte eine Pfingstpredigt anfangen. Aber heute ist ja noch nicht Pfingsten. Doch eine Woche vor Pfingsten ist ein guter Zeitpunkt, um einmal zu schauen: Was steht denn eigentlich im Buch des Propheten Joel? Was genau meint der, wenn er sagt: Alle Leute kriegen den Geist Gottes?

Stellen wir uns vor, der Prophet Joel würde seine Worte direkt an uns richten. Natürlich sind sie uns in vielem fremd. Aber da es Worte der Bibel sind, gibt es in ihnen auch etwas, das uns angeht. Vielleicht trifft oder be-trifft uns dieses eine Bild oder dieser andere Gedanke und gibt uns Anstöße zum selber Nachdenken für unsere so ganz andere, aber in manchem auch ähnliche Situation. Frau Stratil liest vor, was Joel uns zuruft (alle folgenden Bibeltexte nach der Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart), und ich stelle Verbindungen her zwischen Joel und uns in unserer Zeit.

Es beginnt ein Drama in fünf Akten. Dem 1. gebe ich die Überschrift:

1. Ist es nicht schrecklich?!

1:1 Dies ist das Wort des HERRN, das geschehen ist zu Joel, dem Sohn Petuels.

Dieser erste Vers des Buches Joel hat mich angeregt, schon am Anfang dieses Gottesdienstes so viel vom Namen Gottes zu reden. Denn Joel spricht im Namen des HERRN, dessen Wort nicht leer ist, sondern geschieht. Schon der Name des Propheten Joel selbst ist Programm: Die Silbe „Jo“ nimmt den Anfangsbuchstaben „J“ vom hebräischen Gottesnamen auf. Und da „El“ auf Hebräisch „Gott“ heißt, ist der Name Jo-El ein kurzes, knackiges Bekenntnis: Nur einer ist Gott, nämlich der HERR, der frei macht.

2 Hört dies, ihr Ältesten, und merkt auf, alle Bewohner des Landes, ob solches geschehen sei zu euren Zeiten oder zu eurer Väter Zeiten!

Joel spricht die Ältesten an, das sind die Verantwortlichen in einem Volk: Eltern, Lehrerinnen, Kirchenvorsteher. Politiker vom Abgeordeten im Stadtparlament bis zur Kanzlerin. Zugleich wendet er sich aber auch an alle Bewohner des Landes, egal ob reich oder arm, Einheimischer oder Migrant, niemanden lässt er aus. Uns alle fragt er: Ist jemals so etwas geschehen wie in unserer Zeit? Fast klingt es wie die ewige Klage: Nie war es so schlimm wie heute! Traditionelle Werte gelten nicht mehr. Fernsehen und Internet machen die Leute aggressiv und dumm. Terror bedroht uns mehr als je zuvor. Die ganze Welt rückt uns zu sehr auf die Pelle. Stimmt Joel ein in so ein allgemeines Jammerkonzert?

3 Sagt euren Kindern davon, und lasst’s eure Kinder ihren Kindern sagen und diese wiederum ihren Nachkommen.

Bevor Joel seine Klage ausspricht, fordert er dazu auf, über Generationen hin weiterzusagen, was Gott ihm gesagt hat. Es geht um etwas Konkreteres als um bloßes Jammern. Es geht um eine wahre Hungerkatastrophe, die das Volk Israel schwer getroffen hat:

4 Was die Raupen übrig ließen, das fraßen die Heuschrecken, und was die Heuschrecken übrig ließen, das fraßen die Larven, und was die Larven übrig ließen, das fraß das Geschmeiß.

Wie klingt das in unseren Ohren? Na ja, da haben die Bauern eben Pech gehabt! Aber ist das nicht halb so schlimm? Wenn bei uns eine Ernte verhagelt ist, kaufen wir halt Äpfel aus Neuseeland oder Getreide aus Amerika! An diese Seite des Zusammenrückens der Völker in der Welt haben wir uns gewöhnt. Uns stehen die Segnungen der ganzen Er­de zur Verfügung, wenn es bei uns einmal knapp wird. Aber wie wäre es, wenn das Klima weiter umkippt, wenn Dürrekatastrophen zunehmen, wenn immer mehr Länder nicht mehr uns beliefern würden, sondern anfangen, erst einmal die eigene Bevölkerung zu ernähren, die jetzt noch Hunger leidet?

6 Denn es zog herauf gegen mein Land ein Volk, mächtig und ohne Zahl; das hatte Zähne wie die Löwen und Backenzähne wie die Löwinnen.

7 Es verwüstete meinen Weinstock und fraß meinen Feigenbaum kahl, schälte ihn ab und warf ihn hin, dass seine Zweige weiß dastehen.

Joel weiß nicht nur von Naturkatastrophen, sondern auch von Kriegen. Er hat es erlebt, dass man in Israel nicht im Frieden unter seinem eigenen Weinstock und Feigenbaum sitzen konnte. Noch heute sehen wir solche Verwüstung in Syrien und im Irak, in Afrika südlich der Sahara und an vielen anderen Orten. So beschreibt Joel, was tatsächlich an Schrecklichem geschieht in der Welt.

Im zweiten Akt wird es aber nicht etwa besser. Nein:

2. Es soll noch schlimmer kommen!

14 Sagt ein heiliges Fasten an, ruft einen Feiertag aus! Versammelt die Ältesten und alle Bewohner des Landes zum Hause des HERRN, eures Gottes, und schreit zum HERRN.

Wieder werden die Ältesten und alle Bewohner des Landes angesprochen. Sie sollen sich im Gotteshaus versammeln. Auch dazu sind Feiertage da, sich hier in der Kirche zu versammeln. Und zwar nicht nur, um auf Gott zu hören, sondern auch, um zu Gott zu schreien! Gott will hören, wie es uns geht, wie wir zurechtkommen mit unserem Leben und mit all dem, was schlimm ist in unserer Welt. Joel selbst legt dem Volk damals eine ganz besondere Klage in den Mund:

15 O weh des Tages! Denn der Tag des HERRN ist nahe und kommt wie ein Verderben vom Allmächtigen.

2:1 Blast die Posaune zu Zion, ruft laut auf meinem heiligen Berge! Erzittert, alle Bewohner des Landes! Denn der Tag des HERRN kommt und ist nahe,

2 ein finsterer Tag, ein dunkler Tag, ein wolkiger Tag, ein nebliger Tag!

Joel klagt über den Tag des HERRN. Der kommt bald, er ist nahe. Aber wieso soll der Tag des HERRN etwas so Schlimmes sein? Joel beschreibt ihn, wie wir uns einen düsteren Tag mit schlechtem Wetter vorstellen, der depressiv macht. Aber ist der Tag des Herrn nicht ein Feiertag? Für uns Christen ist doch jeder Sonntag ein „Tag des Herrn“, eine kleine Erinnerung an den Auferstehungstag Jesu.

Der „Tag des HERRN“, den Joel vor seinem inneren Auge hat, sieht anders aus. Er ist ein Tag der Abrechnung, der Strafe, vielleicht sogar des Weltuntergangs. Feindliche Gewalt könnte hereinbrechen, gegen die man absolut machtlos ist:

Gleichwie die Morgenröte sich ausbreitet über die Berge, so kommt ein großes und mächtiges Volk, desgleichen vormals nicht gewesen ist und hinfort nicht sein wird auf ewige Zeiten für und für.

3 Vor ihm her geht ein verzehrendes Feuer und hinter ihm eine brennende Flamme. Das Land ist vor ihm wie der Garten Eden, aber nach ihm wie eine wüste Einöde, und niemand wird ihm entgehen.

6 Völker entsetzen sich vor ihm, und jedes Angesicht erbleicht.

9 Sie stürzen sich auf die Stadt, laufen auf der Mauer, in die Häuser steigen sie ein, wie ein Dieb kommen sie durch die Fenster.

Spricht Joel nicht Ängste an, von denen viele Menschen heute getrieben sind, Angst vor dem Terror, sei es von Islamisten oder von Rechtsradikalen, Angst vor Diebesbanden, die in die Sicherheit der eigenen Wohnung einbrechen könnten?

10 Vor ihm erzittert das Land und bebt der Himmel, Sonne und Mond werden finster, und die Sterne halten ihren Schein zurück.

Aber warum übertreibt Joel dermaßen? Kann ein Feind so übermenschliche Kräfte haben, dass er sogar Sonne, Mond und Sterne verdunkelt? Gerade fällt mir ein: Tatsächlich könnte eine Atomexplosion den Himmel verdunkeln. Aber die Gestirne am Himmel können wir auch als Symbole für unsere höch­sten Werte ansehen. Wir sollen ja Kinder des Lichts sein. Wenn wir uns jedoch massiv bedroht fühlen, geraten wir in die Gefahr, auch selber unsere Werte zu verlieren, nicht mehr auf das Licht der Liebe zu vertrauen, selber unmenschlich zu werden.

11 Und der HERR lässt seinen Donner vor seinem Heer erschallen. Denn sein Heer ist sehr groß; denn es ist mächtig und richtet seinen Befehl aus. Ja, der Tag des HERRN ist groß und voller Schrecken, wer kann ihn ertragen?

Auf den ersten Blick ist es verwirrend, dass Gott selber das feindliche Heer anführt. Also das, was uns entgegensteht, wovor wir Angst haben, schreckliche Ereignisse, die uns treffen, das soll Gottes Wille sein? Was für ein Tag des HERRN ist das, der auch für die, die an Gott glauben, solche Schrecken bringt? Un-er-träglich ist das in Joels Augen!

Und zugleich denke ich: Wenn Gott NICHT irgendwie auch in den Schrecken dieser Welt anwesend wäre, wie furchtbar wäre DAS denn? Dann müsste es ja eine feindliche Macht geben, die NOCH stärker ist als Gott. Aber die gibt es – Gott sei Dank! – nicht.

Darum folgt nun auch der dritte Akt:

3. Umkehr zu Gott

Gott selbst bringt nicht nur Schrecken, sondern auch eine Hoffnung ins Spiel:

12 Doch auch jetzt noch, spricht der HERR, kehrt um zu mir von ganzem Herzen mit Fasten, mit Weinen, mit Klagen!

Es mag vieles schrecklich sein. Es mag noch Schlimmeres kommen. Und doch ist nicht alles ausweglos: Umkehr ist möglich. Drei mögliche Wege zurück zu Gott nennt der Prophet Joel: Fasten, Weinen, Klagen. Wer weinen und klagen kann über das, was wirklich traurig ist in unserer Welt, der muss nicht in Selbstmitleid um sich selber kreisen, sondern kann sich öffnen, zunächst für Gott.
Und das Fasten? Es mag eine Haltung beschreiben, mit der wir uns auf das besinnen, was wirklich zum Leben notwendig ist.

13 Zerreißt eure Herzen und nicht eure Kleider und kehrt um zu dem HERRN, eurem Gott!

In alter Zeit war es üblich, in der Trauer seine Kleider zu zerreißen. Heute ziehen viele schwarze Kleidung an, wenn sie trauern. Der Prophet sagt: Darauf kommt es nicht an. Ihm geht es um eine herzzerreißende Klage, eine nicht nur äußerliche Trauer, sondern eine tiefgreifende innere Veränderung: Umkehr zu dem einzig wahren HERRN. Denn sein Name, wie gesagt, ist Programm: Gott will Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden für alle Welt!

Denn er ist gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und es reut ihn bald die Strafe.

14 Wer weiß, ob er nicht umkehrt und es ihn reut und er Segen zurücklässt…

Gnädig, barmherzig, geduldig, von großer Güte: So hatte schon Mose Gott erfahren, als er die Zehn Gebote als Wegweisung zum Leben bekam. Gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte: So wird später Jesus die Liebe Gotte leben und zu allen Völkern tragen.

Der Gott Israels, der auch unser Gott ist, gibt uns die Möglichkeit, zu ihm umzukehren, weil zuerst ER zu UNS umkehrt. Ja, er kann umkehren, es kann ihn reuen, uns Menschen zu bestrafen, obwohl wir es tausendfach verdienen, so, wie wir mit Umwelt, Mitmensch und uns selbst immer wieder umgehen. Gott kann die Plagen bereuen, die er uns Menschen verdientermaßen auferlegt und kann neuen Segen zurücklassen.

In diesem Zusammenhang regt Joel an, etwas zu tun, was schon Mose Gott gegenüber getan hatte, als das Volk Israel das Goldene Kalb angebetet hatte und Gott das Volk zur Strafe vernichten wollte:

17 Lasst die Priester, des HERRN Diener, weinen zwischen Vorhalle und Altar und sagen: HERR, schone dein Volk und lass dein Erbteil nicht zuschanden werden, dass Völker über sie herrschen! Warum willst du unter den Völkern sagen lassen: Wo ist nun ihr Gott?

Die Priester, die Pfarrer, alle, die Verantwortung tragen im Volk Gottes, sie sollen an Gott appellieren, indem sie ihn bei seiner Ehre packen. Wäre es nicht peinlich für Gott, wenn die, die an ihn glauben, als ewige Verlierer unter den Völkern gelten? Würden nicht alle sagen: Was soll das für ein Gott sein? Wo ist seine Allmacht? Gibt es Gott überhaupt?

Als Jesus am Kreuz hing, HAT man ihn ausgelacht. Doch gerade ihn, der sich selbst opferte, beteten einige als den einzig wahren Sohn Gottes an. Und der Vater ihm Himmel stand zu ihm, weckte ihn vom Tode auf.

Schon Joel ist davon überzeugt: Es gibt tatsächlich einen vierten Akt in unserem Drama:

4. Gott kehrt zu uns um!

18 Da eiferte der HERR um sein Land und verschonte sein Volk.

Mit leidenschaftlichem Einsatz wendet sich Gott dem Land zu, in dem Menschen wohnen, die er aus Liebe auserwählt hat. Nachdem es so aussah, als ob dieses Volk für immer verloren wäre, verschont er Israel.

Haben wir als Kirche Jesu Christi eine solche innere Gewissheit, dass Gott um das Land eifert, in dem wir leben, und dass wir nur im Vertrauen auf seinen Namen verschont bleiben vor allem Unheil, das wir befürchten?

19 Und der HERR antwortete und sprach zu seinem Volk: Siehe, ich will euch Getreide, Wein und Öl die Fülle schicken, dass ihr genug daran haben sollt, und will euch nicht mehr unter den Völkern zuschanden werden lassen.

Gott verspricht ein Ende des Hungers und ein Ende der Unterdrückung durch andere Völker.

20 Und ich will den Feind aus Norden von euch wegtreiben und ihn in ein dürres und wüstes Land verstoßen, seine Spitze in das östliche Meer und sein Ende in das westliche Meer; er soll verfaulen und stinken, denn er hat Großes getan.

Ganz konkret spricht Joel in Gottes Auftrag von der Vertreibung eines starken Feindes im Norden; damals ging es wohl um die Assyrer, die mit grausamer Schreckensherrschaft dieselbe Gegend unsicher machten, in der heute der Terror des IS herrscht.

21 Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost; denn der HERR hat Großes getan.

„Fürchte dich nicht, liebes Land!“ Schön übersetzt Luther diesen Vers, obwohl im Original das Land gar nicht als „lieb“ angesprochen wird. Es passt aber trotzdem. Aus Liebe will Gott seinem Land die Furcht nehmen.

Man könnte auch übersetzen: „Fürchte dich nicht, liebe ERDE!“ Denn das hebräische Wort ADAMAH erinnert an ADAM, für den die Erde als Lebensraum geschaffen wurde, so wie auch unser Wort Erde zugleich den Ackerboden und die weite Welt meinen kann. Wir dürfen uns überall auf der Erde von Gott angeredet fühlen, wenn er ruft: „Fürchte dich nicht, liebes Land!“ Gott tut Großes, er hat es getan, und er wird wieder Großes tun. Und was tut er konkret?

22 Fürchtet euch nicht, ihr Tiere auf dem Felde; denn die Auen in der Steppe grünen, und die Bäume bringen ihre Früchte, und die Feigenbäume und Weinstöcke tragen reichlich.

Wir müssen die Hoffnung für unsere Umwelt nicht aufgeben. Der Rhein zum Beispiel, der in den 70er Jahren total umzukippen drohte, ist durch umweltschonende Maßnahmen wieder viel sauberer geworden. Wenn wir die Augen vor dem Klimawandel nicht verschließen, ist es möglich, seine Folgen wenigstens nicht noch schlimmer ausfallen zu lassen.

23 Und ihr, Kinder Zions, freut euch und seid fröhlich im HERRN, eurem Gott, der euch den Lehrer zur Gerechtigkeit gibt und euch herabsendet Regen, Frühregen und Spätregen wie zuvor,

24 dass die Tennen voll Korn werden und die Keltern Überfluss an Wein und Öl haben.

Sind Angst und Furcht überwunden, dann wächst auch wieder Freude und Fröhlichkeit. Als Grund dafür nennt Joel nicht nur, dass der notwendige Regen auf die Felder fällt und dass genug Brot, Wein und Öl geerntet werden, sondern Gott gibt dem Volk auch „den Lehrer der Gerechtigkeit“, so steht es übersetzt in der zum Reformationsjubiläum neu herausgegebenen Lutherbibel 2017.

Interessant ist, dass andere Bibelübersetzungen, auch die Lutherbibelrevision von 1984, diesen Lehrer weglassen. Das hebräische Wort MORÄH kann beides heißen: Lehrer und Regen. Vielleicht dachte man, dass die Gabe eines Lehrers nicht in den Zusammenhang passt, weil hier hauptsächlich von Saat und Ernte die Rede ist.

Aber zu einem guten Umgang mit Natur und Umwelt, mit unserem Produzieren und Ernten, gehören doch auch gute Lehrer, die uns beibringen, wie wir alles gerecht verteilen und wie wir die Natur nicht übermäßig ausbeuten oder gar zerstören. Vielleicht schaut Joel hier auch voraus auf DEN Lehrer der Gerechtigkeit, den Gott später in seinem Sohn seinem Volk und aller Welt und so auch uns schenkt: Jesus Christus!

Jetzt sind wir an der Stelle angekommen, die der Apostel Petrus, ein bisschen abgewandelt, an Pfingsten den Menschen in Jerusalem zurufen wird.

Diesem letzten, fünften Akt vom Drama aus dem Buch Joel gebe ich die Überschrift:

5. Heiliger Geist für alle!

3:1 Und nach diesem will ich meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, und eure Söhne und Töchter sollen weissagen, eure Alten sollen Träume haben, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen.

Joel verspricht nicht nur, dass die Menschen wieder satt werden und einen Lehrer der Gerechtigkeit bekommen. Sie sollen Gottes Geist bekommen. Das heißt, sie sollen Gott selber in sich spüren! Das gilt nicht nur für alte, weise Leute, sondern auch für Jugendliche im Konfi-Alter. Nicht nur für Männer und Jungs, auch für Frauen und Mädchen. Das klingt so wie der Spruch, der zur Zeit am Stadtkirchenturm hängt: „Du bist heilig!“ Ja, Gott traut dir und mir zu, dann wir uns ändern. Er traut es sogar dem zu, dem ich es gar nicht zutraue oder zumuten will.

2 Auch will ich zur selben Zeit über Knechte und Mägde meinen Geist ausgießen.

Joel wiederholt seinen Satz noch einmal speziell für Knechte und Mägde. Damals waren das Leute, die eigentlich in der Öffentlichkeit nicht zählten. Wörtlich übersetzt, waren es Sklaven und Sklavinnen, bestenfalls waren sie eher schlecht bezahlte Arbeitnehmer. Auch sie bekommen Gottes Geist. Von Gott etwas zu wissen und zu spüren, das ist nicht reserviert für besonders Begabte oder Privilegierte oder Menschen mit dem stärksten Glauben, sondern für alle.

Das würde sich als schönes Schlusswort eignen, aber der Text, auf den Petrus in seiner Pfingstpredigt eingehen wird, geht noch weiter:

3 Und ich will Wunderzeichen geben am Himmel und auf Erden: Blut, Feuer und Rauchsäulen.

4 Die Sonne soll in Finsternis und der Mond in Blut verwandelt werden, ehe denn der große und schreckliche Tag des HERRN kommt.

Ist das jetzt nicht ein Rückschritt in den 2. Akt? Noch einmal erinnert Joel an den schrecklichen Tag des HERRN mit seinen Begleit­erscheinungen. Warum?

Vielleicht will Joel sagen: Der Tag des HERRN ist kein einzelnes Ereignis an einem ganz bestimmten Tag, auch nicht der eine einzige Weltuntergang am Ende aller Ta­ge. Mit bösen Omen, mit Vorzeichen schlimmer Zeiten, mit Weltuntergangsstimmung müssen wir zu jeder Zeit leben – wenn wir nicht bereit und fähig sind, zum Gott des Friedens umzukehren und uns von seinem Geist erfüllen zu lassen. Eine Sonnenfinsternis oder ein Blutmond ist für uns zwar nicht mehr so erschreckend, wie sie es für Menschen früherer Zeiten waren, als man sie noch nicht astronomisch erklären konnte, aber wir kennen andere Symbole tödlicher Gefahr für die Menschheit, von Atompilzen über unsichtbare Giftgaswolken bis hin zur unausrottbaren Dummheit von Menschen, die nur von sich selbst, ihren Ängsten und Vorurteilen besessen sind. Joel findet es wichtig, sich davon nicht lähmen zu lassen und sich nicht anstecken zu lassen von einer Dummheit der Unmenschlichkeit.

5 Und es soll geschehen: Wer des HERRN Namen anrufen wird, der soll errettet werden.

So endet der Predigttext, den Petrus an Pfingsten auslegen wird. Wie Joel fordert Petrus dazu auf: Ruft den Namen des HERRN an!

Damit beginnen wir jeden Gottesdienst, den wir im Namen Gottes feiern. Damit beenden wir jeden Gottesdienst, wenn wir im Vaterunser bitten: „Geheiligt werde dein Name!“

Vertrauen wir auf den Namen Gottes, dann werden wir gerettet: frei von allen Zwängen, erlöst aus aller Sünde, befreit von Angst sogar vor dem Tod.

Denn Gott sagt zu uns: „Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost; denn der HERR hat Großes getan.“ Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.
Lied 285: Das ist ein köstlich Ding, dem Herren danken
Fürbitten
Gebetsstille
Vater unser
Lied 171: Bewahre uns, Gott
Abkündigungen

Geht mit Gottes Segen:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

Orgelnachspiel

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