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Warum beten wir Christen den Gott Israels an?

Feindesliebe lernt der, der Rachegefühle überwinden konnte. Ich glaube, so hat es der Gott Israels gemacht: in Jesus Christus ringt er sich durch zur Liebe zu Völkern, die seine Feinde waren. Wir kommen in Demut hinzu zum Gott Israels, weil er ohne Vorbedingung auch uns liebt.

Schild an einer Synagoge (Jesaja 56, 7): „Mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker.“
Schild an einer Synagoge: „Mein Haus wird ein Bethaus heißen für alle Völker.“ (Bild: FotoRiethPixabay)

#predigtGottesdienst am Sonntag, 26. Juni 2005, 10.00 Uhr in der evangelischen Pauluskirche Gießen
Kirchenchor:

Cantate Domino, cantate Domino, cantate Domino, cantate Domino. Canticum, canticum novum, canticum, canticum novum quia mirabilia fecit, mirabilia fecit, salvavit, salvavit, salvavit, salvavit, salvavit dextera sua, dextera sua et brachio sancto, et brachio sancto suo, et brachio, et brachio, et brachio, et brachio sancto suo, sancto suo.

Guten Morgen, liebe Gemeinde!

Ich begrüße Sie herzlich mit dem Wort aus dem Buch Jesaja 43, 1:

Nun spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Unserem Kirchenchor unter der Leitung von Eva Michel danke ich, dass er diesen Gottesdienst mit mehreren Chorsätzen und Kanon-Gesängen mitgestaltet. Zum Beginn haben wir das Lied „Cantate Domino“ gehört, das heißt auf Deutsch: „Singt dem Herrn!“ Das ist das Leitmotiv des Gottesdienstes, in dem Pfarrer Schütz die Frage stellt: Warum beten wir Christen den Gott Israels an?

Lied 502, 1-3:

1) Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit! Lob ihn mit Schalle, werteste Christenheit! Er lässt dich freundlich zu sich laden; freue dich, Israel, seiner Gnaden, freue dich, Israel, seiner Gnaden!

2) Der Herr regieret über die ganze Welt; was sich nur rühret, alles zu Fuß ihm fällt; viel tausend Engel um ihn schweben, Psalter und Harfe ihm Ehre geben, Psalter und Harfe ihm Ehre geben.

3) Wohlauf, ihr Heiden, lasset das Trauern sein, zur grünen Weiden stellet euch willig ein; da lässt er uns sein Wort verkünden, machet uns ledig von allen Sünden, machet uns ledig von allen Sünden.

Im Namen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Auf Lateinisch haben wir bereits den ersten Vers des Psalm 98 gesungen: „Cantate Domino – Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ Jetzt beten wir diesen Psalm gemeinsam (739). Ich lese die linksbündigen, Sie bitte die rechts eingerückten Verse:

1 Singet dem HERRN ein neues Lied, denn er tut Wunder.

Er schafft Heil mit seiner Rechten und mit seinem heiligen Arm.

2 Der HERR lässt sein Heil kundwerden; vor den Völkern macht er seine Gerechtigkeit offenbar.

3 Er gedenkt an seine Gnade und Treue für das Haus Israel, aller Welt Enden sehen das Heil unsres Gottes.

4 Jauchzet dem HERRN, alle Welt, singet, rühmet und lobet!

5 Lobet den HERRN mit Harfen, mit Harfen und mit Saitenspiel!

6 Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem HERRN, dem König!

7 Das Meer brause und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen.

8 Die Ströme sollen frohlocken, und alle Berge seien fröhlich

9 vor dem HERRN; denn er kommt, das Erdreich zu richten.

Er wird den Erdkreis richten mit Gerechtigkeit und die Völker, wie es recht ist.

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist, wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Wir sind aufgefordert zum Lob Gottes. Viele von uns loben Gott von Herzen, aus dankbarer Seele. Andere fragen sich: Habe ich Grund, Gott zu loben? Die Klage liegt mir näher. Gott ist mir fremd geworden. Wieder andere stellen zweifelnde Fragen: Welchen Gott beten wir eigentlich an? Was haben wir Christen mit dem Gott Israels zu tun? Ist Gott wirklich ein wunderbarer Gott? In der Bibel sagt Gott auch schreckliche Sachen. Sind die wirklich von ihm?

Mit Klagen und Fragen kommen wir zu dir, Gott, und rufen zu dir:

Herr, erbarme dich! „Herr, erbarme dich, Christe, erbarme dich, Herr, erbarm dich über uns!“

In seinem Evangelium erzählt Matthäus 15, 30-31, wie einmal eine große Volksmenge zu Jesus kam:

30 … die hatten bei sich Gelähmte, Verkrüppelte, Blinde, Stumme und viele andere Kranke und legten sie Jesus vor die Füße, und er heilte sie,

31 so dass sich das Volk verwunderte, als sie sahen, dass die Stummen redeten, die Verkrüppelten gesund waren, die Gelähmten gingen, die Blinden sahen; und sie priesen den Gott Israels.

Auch wir preisen Gott, den Vater Jesu Christi, der zugleich der Gott Israels ist.

Lasst uns Gott lobsingen! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen. Allein Gott in der Höh sei Ehr und Dank für seine Gnade, darum dass nun und nimmermehr uns rühren kann kein Schade. Ein Wohlgefalln Gott an uns hat; nun ist groß Fried ohn Unterlass, all Fehd hat nun ein Ende“.

Der Herr sei mit euch „und mit deinem Geist.“

Gott, lass uns Gottesdienst feiern mit Herz und Verstand, dass wir uns einlassen auf deine Liebe, die zuerst dem Volk Israel galt und heute auch uns, und dass wir verstehen, was du in allen Zeiten immer wieder neu zu sagen hast. Darum bitten wir dich im Namen Jesu Christi, unseres Herrn. „Amen.“

Wir hören einen Teil aus dem Predigttext im 5. Buch Mose – Deuteronomium 7, 6-9. Mose spricht vor dem Einzug in das versprochene Land zum Volk Israel:

6 Du bist ein heiliges Volk dem HERRN, deinem Gott. Dich hat der HERR, dein Gott, erwählt zum Volk des Eigentums…

7 Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern –,

8 sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat. Darum hat er euch herausgeführt mit mächtiger Hand und hat dich erlöst von der Knechtschaft, aus der Hand des Pharao, des Königs von Ägypten.

9 So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott…

Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren. Halleluja. „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Kirchenchor:

Alleluja, alleluja, alleluja, alleluja. Alleluja, alleluja, alleluja, alleluja. Alleluja, alleluja.

Glaubensbekenntnis

Der Chor singt das Lied 444:

1. Die güldene Sonne bringt Leben und Wonne, die Finsternis weicht. Der Morgen sich zeiget, die Röte aufsteiget, der Monde verbleicht.

2. Nun sollen wir loben den Höchsten dort oben, dass er uns die Nacht hat wollen behüten vor Schrecken und Wüten der höllischen Macht.

3. Kommt, lasset uns singen, die Stimmen erschwingen, zu danken dem Herrn. Ei bittet und flehet, dass er uns beistehet und weiche nicht fern.

4. Es sei ihm gegeben mein Leben und Streben, mein Gehen und Stehn. Er gebe mir Gaben zu meinem Vorhaben, lass richtig mich gehn.

5. In meinem Studieren wird er mich wohl führen und bleiben bei mir, wird schärfen die Sinnen zu meinem Beginnen und öffnen die Tür.

Gott gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Liebe Gemeinde, gerade hat der Chor gesungen: „In meinem Studieren wird er mich wohl führen und bleiben bei mir.“ Heute mute ich uns einiges zu in der Predigt; ich möchte mit Ihnen, mit euch ein schweres Kapitel der Bibel studieren, von dem wir schon einige Verse gehört haben.

Meine Frage dabei ist: Warum beten wir Christen den Gott Israels an? Israel ist doch das besonders erwählte heilige Gottesvolk, nicht wir. Steht es uns Christen zu, dass wir uns in diese Erwählungsgeschichte Gottes mit seinem Volk sozusagen hineindrängen? Oder ist der Gott des Alten Testaments vielleicht sowieso ein ganz anderer Gott als der, den wir Christen anbeten? Nur ein paar Sätze vor dem Text, den wir vorhin aus dem 5. Buch Mose – Deuteronomium 7 gehört haben, heißt es:

1 Wenn dich der HERR, dein Gott, ins Land bringt, in das du kommen wirst, es einzunehmen, und er ausrottet viele Völker vor dir her, …, die größer und stärker sind als du,

2 und wenn sie der HERR, dein Gott, vor dir dahingibt, dass du sie schlägst, so sollst du an ihnen den Bann vollstrecken. Du sollst keinen Bund mit ihnen schließen und keine Gnade gegen sie üben

3 und sollst dich mit ihnen nicht verschwägern; eure Töchter sollt ihr nicht geben ihren Söhnen, und ihre Töchter sollt ihr nicht nehmen für eure Söhne.

So übersetzt Martin Luther Vers 1 bis 3 aus 5. Mose 7. Grausame Verse: Gott will die Völker im versprochenen Land vor Israel her ausrotten und befiehlt, an ihnen den Bann zu vollstrecken, das heißt eine eroberte Stadt völlig zu vernichten, mit Mann und Maus!

Aber ist der Text eigentlich logisch aufgebaut? Wenn Gott selber die Völker ausrottet, wozu dann noch die Aufforderung zum Vernichtungs-Bann? Wenn die Völker vernichtet sind, wozu dann das Heiratsverbot über Völkergrenzen hinweg?

Es ist nicht respektlos gegenüber dem Wort Gottes, solche Fragen zu stellen, denn es waren ja Menschen, die die Worte der Bibel aufgeschrieben haben, und wir dürfen und sollen unseren Verstand benutzen, um den Sinn dieser Worte zu verstehen. Gott will nicht, dass wir blind an etwas Absurdes glauben.

Um zu verstehen, warum im 5. Buch Mose so viele Widersprüchlichkeiten vorkommen, muss man wissen, wie und vor allem in welcher Zeit es entstanden ist. Gerade dieses Buch hängt mit dem Auf und Ab der Geschichte des Volkes Israel eng zusammen.

Um 1000 vor Christus gründeten Saul und David das Königreich Israel. Nach dem Tod des Königs Salomo brach es in zwei Teile auseinander. 200 Jahre lang gab es im Norden das Reich Israel und im Süden das Reich Juda. Dann eroberte die Weltmacht der Assyrer das Nordreich Israel und löschte es von der Landkarte aus, für immer. Die Bewohner des Nordstaates wurden getötet oder verschleppt; nur wenige fanden Zuflucht im Südreich Juda. Diese Flüchtlinge wollten ihre alten Gottesgesetze bewahren, wie sie dort 200 Jahre lang unabhängig vom Südreich Juda praktiziert worden waren, und schrieben sie auf. Sie wollten kein Missverständnis aufkommen lassen: ihr Gesetz war nicht neu, nein, das alte Gesetz, das Mose am Sinai von Gott erhalten hatte, sollte in neuer Weise bewahrt bleiben. Darum formulierten sie das ganze Gesetzbuch so, als sei es eine einzige Predigt des Mose gewesen, die er vor dem Einzug in das versprochene Land gehalten hätte. So entstand die Urfassung des 5. Buches Mose. In unserem Text finden wir zwei Gesetze aus dieser Sammlung:

3b Eure Töchter sollt ihr nicht geben ihren Söhnen, und ihre Töchter sollt ihr nicht nehmen euren Söhnen.

Als es noch das Nordreich Israel gab, kamen viele Mischehen mit Ausländern vor. Die Propheten, zum Beispiel Hosea, waren dagegen, weil die fremden Frauen oder Männer auch fremde Götter mit ins Land brachten; die sollten in Israel nicht angebetet werden. Jetzt kamen die Flüchtlinge aus Israel nach Juda in den Süden und wollten warnen: Wenn wir nicht unsere Eigenart bewahren, unsere Gesetze, den Glauben an nur einen Gott, den Gott Israels, dann wird auch das Südreich Juda untergehen!

Der um das Jahr 700 in Juda regierende König Hiskia nahm diese Mahnungen ernst und versuchte sich unabhängig zu machen von der Weltmacht Assyrien. Als ein großes Wunder Gottes blieb es den Israeliten in Erinnerung, dass der assyrische Großkönig Sanherib in dieser Zeit die Hauptstadt Jerusalem zwar belagerte, aber nicht erobern konnte.

Nach Hiskias Tod geriet die Sammlung der Gesetze aus dem Nordreich Israel aber für fast 70 Jahre in Vergessenheit. Die aus dem Norden geflohenen Israeliten mussten mit ansehen, wie ihr Land von den Assyrern mit fremden Völkerschaften besiedelt wurde, ähnlich wie es in Polen und Ostdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg geschah. Das heilige Volk Israel, war es von Gott völlig vergessen und verlassen worden? War Gott seinem erwählten Volk untreu geworden?

Als König Josia um 639 v. Chr. mit 8 Jahren an die Macht kam, bahnte sich eine Wende an. Zwei entscheidende Dinge geschahen in seiner Regierungszeit:

Erstens: Im Tempel fand man ein altes Gesetzbuch, eben die Urfassung des 5. Buchs Mose, von der ich gesprochen hatte, und Josia sagte: Von nun an soll dieses Gesetz Gottes verbindlich in Juda gelten!

Und 2.: Die Macht der Assyrer ging zu Ende. Zum ersten Mal seit 100 Jahren sah das Volk Israel die Chance, das Land der Zehn Stämme im Norden zurückzugewinnen. In dieser Zeit wurde das 5. Buch Mose zum ersten Mal gründlich überarbeitet.

Es blieb dabei – man wollte am Wort Gottes festhalten, das durch Mose verkündet worden war. Aber in einer wieder anderen Zeit wollte man es wieder auf neue Weise sagen. Und man scheute sich nicht, dem Mose diese neue Auslegung des alten Gesetzes in den Mund zu legen, obwohl er selber nicht so gesprochen hatte. Aber warum legt man Mose einen Satz wie diesen in den Mund?

1 Wenn dich der HERR, dein Gott, ins Land bringt, in das du kommen wirst, es einzunehmen, und er ausrottet viele Völker vor dir her…,

2 … [dann] sollst [du] keinen Bund mit ihnen schließen und keine Gnade gegen sie üben

3 und sollst dich mit ihnen nicht verschwägern.

Hier ist es gut, ein wenig Hebräisch zu können. Das Wort „ausrotten“ steht im Urtext gar nicht da. Verwendet wird das Wort „naschal“, das ursprünglich „lösen“ bedeutet. Eine Axt löst sich vom Stiel; in übertragenem Sinn sollen Völker, die von den Assyrern unrechtmäßig im Land Israel angesiedelt wurden, dort wieder „herausgelöst“ und hinausgeworfen werden. Was dem Nordreich Israel widerfahren ist, die totale Vernichtung als Staat und die fast vollständige Auslöschung als Volk bis auf die wenigen Flüchtlinge, das soll dem Südreich Juda nicht geschehen, ja, Israel hofft darauf, dass Gott die feindlichen Völker wieder vertreibt. Ein Misshandelter mag sich Rachepläne ausmalen, ohne sie in die Tat umzusetzen, ein Heimatvertriebener mag sich vorstellen, die Vertreiber wieder fortzujagen, ohne dass er wirklich Krieg will. So verstehe ich die harten Töne der Israeliten zur Zeit des Königs Josia. Entscheidend für Israel ist die Grundhaltung: Wir sind für Gott ein heiliges Volk, darum gibt es keine Vermischung mit Völkern, die andere Götter anbeten, und keinerlei Zugeständnisse an sie, sonst wird Israel seine Eigenart völlig verlieren.

Aber die Träume Israels, wieder stark zu werden wie unter König David und Salomo, zerplatzen wie Seifenblasen. Pharao Necho tötet König Josia im Jahr 609 v. Chr. 23 Jahre später beendet die neue Großmacht der Babylonier die Geschichte des ganzen Südreichs Juda und führt die Bevölkerung in die Verbannung nach Babylon.

Ist Israel nun völlig verloren und am Ende? Der Gott Israels – ist er zu schwach, um gegen die Götter von Babel anzukommen? Die Israeliten, die sich jetzt Juden nennen, sehen das anders. Wieder überarbeiten sie das 5. Buch Mose. Im Kapitel 7 ergänzen sie in Vers 17 bis 19 Erinnerungen an die Vergangenheit:

17 Wirst du aber in deinem Herzen sagen: Diese Völker sind größer als ich; wie kann ich sie vertreiben?,

18 so fürchte dich nicht vor ihnen. Denke daran, was der HERR, dein Gott, dem Pharao und allen Ägyptern getan hat

19 durch große Machtproben, die du mit eigenen Augen gesehen hast, … womit dich der HERR, dein Gott, herausführte. So wird der HERR, dein Gott, allen Völkern tun, vor denen du dich fürchtest.

In einer Zeit, in der das Volk Israel die Last der Geschichte tragen muss, die Heimat verloren zu haben, ohne Aussicht auf Rückkehr, da erinnert es sich an das, was Gott früher für das Volk getan hatte. Wenn jemand den Juden sagt: „Euer Gott ist zu schwach! Auf jeden Fall ist er euch untreu geworden!“, dann antworten sie: „Nein, Gott ist stark und treu. Was wir erlitten haben, war seine Strafe, weil wir ihm untreu geworden sind. Wenn wir ihm jetzt die Treue halten, dann werden wir auch wieder Gottes Segen erfahren, so wie damals, als er das Volk Israel aus Ägypten herausgeführt hat.“ Das wollen sie sich für alle Zeiten einprägen: Wir dürfen nicht vergessen, wer unser Gott ist. Wir sind Gottes heiliges Volk. Das schreiben sie direkt in ihr heiliges Buch hinein, im 5. Buch Mose – Deuteronomium 7, 11-15:

11 So halte nun die Gebote und Gesetze und Rechte, die ich dir heute gebiete, dass du danach tust.

12 … so wird der HERR, dein Gott, auch halten den Bund…

13 … und er wird segnen die Frucht deines Leibes und den Ertrag deines Ackers … und das Jungvieh deiner Kühe und deiner Schafe…

15 Der HERR wird von dir nehmen alle Krankheit…

Fertig ist die Predigt noch nicht, aber wir unterbrechen sie an dieser Stelle passend mit dem Loblied 500, gesungen vom Chor:

1. Lobt Gott in allen Landen und lasst uns fröhlich sein: der Sommer ist vorhanden, die Sonn gibt hellen Schein, der Winter ist vergangen, das Feld ist voller Frücht, die wir von Gott empfangen, wie man vor Augen sieht.

2. Herr, gib durch deinen Segen den lieben Sonnenschein, dazu den sanften Regen, die du uns schaffst allein. Die Frücht im Feld vermehre, behüt vor Reif und Schloß‘ und allem Unheil wehre, dein Güt und Macht ist groß.

3. Gib uns auch hier auf Erden die geistlich Sommerzeit, dass uns bei den Beschwerden dein Hilf stets sei bereit, damit wir willig tragen all Trübsal, Angst und Not und endlich nicht verzagen, wenn uns hinreißt der Tod.

4. Füll unser Herz mit Freuden durch Wohltat mancherlei, dass uns nichts möge scheiden von deiner Gnad und Treu, solang wir sind auf Erden, bis wir vor deinem Thron einst ewig selig werden, empfangn die Ehrenkron.

Endspurt in der heute anstrengenden und hoffentlich trotzdem anregenden Predigt, liebe Gemeinde!

Ungewöhnlich ist, dass die verbannten Juden in Babylon zum Gotteslob fähig blieben. Weniger schön, aber durchaus verständlich finde ich es, dass sie sich gerade in dieser Zeit noch schärfer von den anderen Völkern abgegrenzt haben. Israel hätte sich nie mit fremden Völkern und ihren Göttern einlassen sollen, heißt es jetzt. Hätte man gleich kurzen Prozess mit den Fremdvölkern in Kanaan gemacht, damals beim Einzug in das versprochene Land, dann wäre das Land nie verlorengegangen. Das wäre eine Erklärung für die grausame Forderung, den Vernichtungsbann in die Tat umzusetzen, die erst in dieser Zeit ins 5. Buch Mose – Deuteronomium 7, 1-2, eingefügt wurde:

1 Wenn dich der HERR, dein Gott, ins Land bringt, in das du kommen wirst, es einzunehmen, und er ausrottet viele Völker vor dir her, die größer und stärker sind als du,

2 und wenn sie der HERR, dein Gott, vor dir dahingibt, dass du sie schlägst, so sollst du an ihnen den Bann vollstrecken.

Wie dem auch sei, Israel blieb das Heilige Volk Gottes, es ging nicht unter. Es gelang den Juden, in feindlicher Umgebung, weit weg von zu Hause, ihren eigenen Glauben zu bewahren, vielleicht so ähnlich, wie es die Russlanddeutschen in Sibirien nach dem Zweiten Weltkrieg getan haben. 50 Jahre nach dem Untergang des Südreichs Juda erlaubte der neue persische Großkönig Kyros den Juden die Rückkehr nach Israel. Und nach weiteren 20 Jahren war sogar ein neuer Tempel in Jerusalem erbaut.

In dieser Zeit ist – zum letzten Mal – das 5. Buch Mose noch einmal dicker geworden. Und zwar deshalb, weil wohl einige, aber nicht alle Hoffnungen der Juden in Erfüllung gegangen waren. Die Heimat bekamen sie wieder, auch einen neuen Tempel. Aber nicht die Selbständigkeit als Staat. Das führte dazu, dass die Juden sich noch stärker abgrenzten von allen Völkern in der Umgebung. Denn die Gefahr blieb bestehen, dass Israel sich in der Völkerwelt auflösen würde. Das erklärt so harte Sätze wie 5. Buch Mose – Deuteronomium 7, 16:

16 Du wirst alle Völker vertilgen, die der HERR, dein Gott, dir geben wird. Du sollst ihrer nicht schonen und ihren Göttern nicht dienen; denn das würde dir zum Fallstrick werden.

Wichtig ist: so ein Satz wird nicht in die Tat umgesetzt; er ist nicht aus der Überlegenheit heraus gesprochen. Das zeigt der Vers 7 im gleichen Kapitel:

7 Nicht hat euch der HERR angenommen und euch erwählt, weil ihr größer wäret als alle Völker – denn du bist das kleinste unter allen Völkern –,

8 sondern weil er euch geliebt hat und damit er seinen Eid hielte, den er euren Vätern geschworen hat.

Das ist es, was sich durch die Geschichte Israels und der Juden hindurchzieht: Heilig ist das Volk nicht, weil es besser, größer oder stärker ist als andere Völker, sondern weil es zu Gott gehört und weil Gott – egal was passiert – zu seinem Volk steht.

Bleibt immer noch die Frage vom Anfang offen: Warum beten wir Christen den Gott Israels an? Die Antwort darauf lautet: Weil wir als Christen keinen anderen Gott kennen und haben als die Juden. Der Vater Jesu im Himmel ist der Gott Israels. Als Jesus Menschen heilt, da heilt er sie durch das Vertrauen zu dem Gott, der bereits viele Jahrhunderte hindurch sein Volk Israel geführt und begleitet hat, wir haben es vorhin (Matthäus 15) gehört:

30 Jesus heilte sie…,

31 …und sie priesen den Gott Israels.

Jesus Christus fand einen anderen Weg, um den Glauben an den Gott Israels zu bewahren, als den der totalen Abgrenzung. Er öffnete den Weg zum barmherzigen Gott Israels für alle Menschen aus allen Völkern. Er fand auch einen anderen Weg, mit Feindschaft umzugehen, als den der Ausrottung und der Vernichtung.

In der Bergpredigt, Matthäus 5, sagt er in den Versen 43 bis 45:

43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« und deinen Feind hassen.

44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen,

45 damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.

Schon im 5. Buch Mose war es legitim, dass Gottes Wort in neuer Zeit neu ausgelegt wurde. Genau so hat es Jesus gemacht: Er hielt daran fest, dass der Gott Israels treu ist und bleibt. Und er wagte es, die Liebe dieses Gottes noch umfassender und klarer zu verkünden und zu leben.

Feindesliebe lernt der, der schon einmal Rachegefühle gehegt hat und sie überwinden konnte.

Ich glaube, so hat es der Gott Israels gemacht: in Jesus Christus ringt er sich durch zur Liebe zu Völkern, die seine Feinde waren.

Wir kommen hinzu zum Volk Gottes, auch wir sind ihm heilig, wenn wir uns demütig auf den Gott Israels einlassen. Er liebt auch uns nicht, weil wir zahlreich sind, sondern weil er uns vergibt und uns zur Liebe beruft. Amen.

Der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben. Amen.

Wir singen das Lied 323:

1. Man lobt dich in der Stille, du hocherhabner Zionsgott; des Rühmens ist die Fülle vor dir, o Herre Zebaoth. Du bist doch, Herr, auf Erden der Frommen Zuversicht, in Trübsal und Beschwerden lässt du die Deinen nicht. Drum soll dich stündlich ehren mein Mund vor jedermann und deinen Ruhm vermehren, solang er lallen kann.

2. Es müssen, Herr, sich freuen von ganzer Seel und jauchzen hell, die unaufhörlich schreien: »Gelobt sei der Gott Israel‘!« Sein Name sei gepriesen, der große Wunder tut und der auch mir erwiesen das, was mir nütz und gut. Nun, dies ist meine Freude, zu hangen fest an dir, dass nichts von dir mich scheide, solang ich lebe hier.

3. Herr, du hast deinen Namen sehr herrlich in der Welt gemacht; denn als die Schwachen kamen, hast du gar bald an sie gedacht. Du hast mir Gnad erzeiget; nun, wie vergelt ich’s dir? Ach bleibe mir geneiget, so will ich für und für den Kelch des Heils erheben und preisen weit und breit dich hier, mein Gott, im Leben und dort in Ewigkeit.

Barmherziger Vater im Himmel, wir danken dir, dass du deinem Volk Israel die Treue hältst, dass du die Schwachen nicht vergisst und dass du durch Jesus Christus deine Liebe auch den Völkern, auch uns geschenkt hast. Lass uns begreifen, dass wir das nicht verdienen, sondern dass wir nur heilig sind, wenn wir zu dir gehören und Jesus nachfolgen.

Bevor wir Christen uns über die Grausamkeiten im Alten Testament entrüsten, schenke uns Selbsterkenntnis in Demut. Wir Christen haben in der Vergangenheit Hitlers Völkermord an den Juden nicht verhindert. Wir Christen haben es in der Gegenwart nicht erreicht, dass der Kampf gegen den Terrorismus nur mit friedlichen Mitteln geführt wird. Wir Christen sind noch heute nicht frei von Vorurteilen gegenüber Fremden.

Barmherziger Gott, sei bei denen, die am Ende sind, die sich machtlos fühlen, weil sie so gern hätten helfen wollen und es nicht konnten. Begleite diejenigen in unserer Gemeinde, die um geliebte Menschen trauern. Heute bitten wir besonders für Herrn …, der im Alter von … Jahren gestorben ist und kirchlich bestattet worden ist. Verlass uns nicht, wenn wir sterben, wenn wir trauern, wenn wir verzweifelt sind. Schenke uns deine Liebe und neuen Mut zum Leben. Amen.

In der Stille bringen wir vor dich, Gott, was wir noch auf dem Herzen haben.

Gebetsstille und Vater unser
Abkündigungen

Der Chor singt das Lied 335:

Ich will den Herrn loben allezeit, allezeit, sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein, in meinem Munde sein, sein Lob, sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein, in meinem Munde sein, in meinem Munde sein.

Und nun geht mit Gottes Segen – vielleicht bleiben Sie auch noch ein wenig zum Kirchencafé bei Wasser, Tee und Kaffee:

Der Herr segne euch und er behüte euch. Er lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden. „Amen, Amen, Amen!“

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