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Auferstehungszeugen

Ich atme auf, dass der auferstandene Christus uns nicht überfordert. Er selbst begegnet uns, wann und wo er uns begegnen will. Und ich bin voller Zuversicht, dass wir mit dem Auferstehungs­glauben heute antreten können gegen den Irrglauben, alles habe sowieso keinen Zweck.

Drei unterschiedlich gefärbte Ostereier vor einem Kreuz
So unterschiedlich wie Ostereier sind Glaubenserfahrungen (Bild: Gerd AltmannPixabay)

direkt-predigtOstergottesdienst am Sonntag, 30. März 1986, um 9.30 Uhr in Heuchelheim und um 10.30 Uhr in Reichelsheim sowie am Montag, 31. März 1986, um 10.00 Uhr in Dorheim und um 13.00 Uhr in Dorn Assenheim

Im Ostergottesdienst begrüße ich Sie und Euch alle herzlich mit dem Ostergruß: Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden!

Lied EKG 80, 1-5 (EG 106):

1. Erschienen ist der herrlich Tag, dran niemand g’nug sich freuen mag: Christ, unser Herr, heut triumphiert, sein Feind er all gefangen führt. Halleluja.

2. Die alte Schlange, Sünd und Tod, die Höll, all Jammer, Angst und Not hat überwunden Jesus Christ, der heut vom Tod erstanden ist. Halleluja.

3. Sein’ Raub der Tod musst geben her, das Leben siegt und ward ihm Herr, zerstöret ist nun all sein Macht. Christ hat das Leben wiederbracht. Halleluja.

4. Die Sonn, die Erd, all Kreatur, alls, was betrübet war zuvor, das freut sich heut an diesem Tag, da der Welt Fürst darniederlag. Halleluja.

5. Drum wollen wir auch fröhlich sein, das Halleluja singen fein und loben dich, Herr Jesu Christ; zu Trost du uns erstanden bist. Halleluja.

Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. „Amen.“

Christus [ist] auferstanden von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind. (1. Korinther 15, 20)

Kommt, lasst uns anbeten! „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem heiligen Geiste, wie es war von Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“

Gott, unser Herr und Vater! Die Ereignisse des Karfreitags passen in unsere Welt, wir zweifeln nicht daran, dass sie geschehen sind. Wir verstehen den Karfreitag als Tag der Klage. Was am Ostermorgen geschehen ist, passt nicht in unsre Welt, es übersteigt alle unsere Vorstellungsmöglichkeiten. Ostern als Tag der Freude zu begreifen, fällt uns schwer. Sicher, wir freuen uns über den Frühling, über Ostereier, wir singen gern die frohen Osterlieder von der Auferstehung. Aber Ostern ist mehr als ein immer wiederkehrendes Fest. Gott, lass es in uns Ostern werden! Lass uns auferstehen aus der Nacht unseres Todes! Zeige dich uns als der Lebendige durch Jesus Christus, unsren Herrn! „Amen.“

Wir hören das Osterevangelium nach Johannes 20, 1-18.

1 Am ersten Tag der Woche kommt Maria von Magdala früh, als es noch finster war, zum Grab und sieht, dass der Stein vom Grab weg war.

2 Da läuft sie und kommt zu Simon Petrus und zu dem andern Jünger, den Jesus lieb hatte, und spricht zu ihnen: Sie haben den Herrn weggenommen aus dem Grab, und wir wissen nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

3 Da ging Petrus und der andere Jünger hinaus, und sie kamen zum Grab.

4 Es liefen aber die zwei miteinander, und der andere Jünger lief voraus, schneller als Petrus, und kam zuerst zum Grab,

5 schaut hinein und sieht die Leinentücher liegen; er ging aber nicht hinein.

6 Da kam Simon Petrus ihm nach und ging in das Grab hinein und sieht die Leinentücher liegen,

7 aber das Schweißtuch, das Jesus um das Haupt gebunden war, nicht bei den Leinentüchern liegen, sondern daneben, zusammengewickelt an einem besonderen Ort.

8 Da ging auch der andere Jünger hinein, der zuerst zum Grab gekommen war, und sah und glaubte.

9 Denn sie verstanden die Schrift noch nicht, dass er von den Toten auferstehen müsste.

10 Da gingen die Jünger wieder heim.

11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab

12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten.

13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.

14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist.

15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.

16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!

17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.

18 Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.

Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren. Halleluja! „Halleluja, Halleluja, Halleluja!“

Lied EKG 86, 1-3 (EG 112):

1. Auf, auf, mein Herz, mit Freuden nimm wahr, was heut geschicht; wie kommt nach großem Leiden nun ein so großes Licht! Mein Heiland war gelegt da, wo man uns hinträgt, wenn von uns unser Geist gen Himmel ist gereist.

2. Er war ins Grab gesenket, der Feind trieb groß Geschrei; eh er’s vermeint und denket, ist Christus wieder frei und ruft Viktoria, schwingt fröhlich hier und da sein Fähnlein als ein Held, der Feld und Mut behält.

3. Das ist mir anzuschauen ein rechtes Freudenspiel; nun soll mir nicht mehr grauen vor allem, was mir will entnehmen meinen Mut zusamt dem edlen Gut, so mir durch Jesus Christ aus Lieb erworben ist.

Gnade und Friede sei mit uns allen von Gott, unserem Vater, und Jesus Christus, unserem gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Amen.
Text zur Predigt: 1. Korinther 15, 1-11

1 Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht,

2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr’s festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.

3 Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;

4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift;

5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.

6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.

7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.

8 Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.

9 Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.

10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.

11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir, und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeinde!

Karfreitag schien der letzte Akt eines Trauerspiels zu sein, in dem die vereinigte menschliche Bosheit, Feigheit, Gewissenlosigkeit und Gleichgültigkeit Gott selbst grausam tötet. Eigentlich konnte nun nur noch die Grablegung folgen, die Trauer und Grabpflege der Angehörigen und Freunde, und evtl. das Aufgreifen seiner Ideen durch seine Nachfolger. Sein Grab hätte ein Wallfahrtsort werden können, und sein Andenken hätte man bewahren können wie das von vielen anderen berühmten Leuten auch.

Aber es kam anders. Aus dem, was am Karfreitag geschah, wurde der erste Akt eines Freudenspiels, das Ostern heißt. Für wen wurde es Ostern? Die Bibel sagt: für alle, die zum Glauben kamen; für alle, die erfuhren: Jesus lebt; für alle, die begriffen, dass diese Tat Gottes ihr Leben von Grund auf verändern würde.

Die Frage, was an Ostern wirklich geschehen ist, können wir nur richtig beantworten, wenn wir uns in den Osterglauben mit hineinnehmen lassen. Augenzeugen der Auferstehung selbst gibt es nicht; wir haben nur Berichte von Menschen und über Menschen, die – jeder auf seine Weise – zum Osterglauben gekommen sind.

Im Evangelium haben wir den Bericht des Johannes über die Ostererfahrungen einer Frau und zweier Jünger gehört: Maria von Magdala, Simon Petrus und des Lieblingsjüngers Jesu. Etwa 70 Jahre nach den Ereignissen ist der Bericht erst niedergeschrieben worden. Was wir eben aus dem Brief des Paulus an die Korinther gehört haben, ist viel eher schriftlich verfasst worden, aber immerhin auch schon zwanzig Jahre nach Christi Tod. Es ist die älteste uns schriftlich erhaltene Osterpredigt. Was als erstes auffällt: die Beschreibung des Paulus enthält kein Wort davon, dass der Auferstandene als erstes einer Frau erscheint; stattdessen werden 500 Brüder erwähnt, die Christus auf einmal gesehen hätten, und Kephas, das ist ein anderer Name für Simon Petrus, habe ihn zuerst gesehen.

Das alles sind Hinweise darauf, dass wir es hier nicht mit Berichten im Sinn einer modernen Reportage zu tun haben, sondern mit Bezeugungen eines Glaubens, zu dem jeder auf eine andere Art gekommen ist.

Heute möchte ich mich zuerst mit dem Bericht des Paulus beschäftigen. Er gibt zunächst weiter, was er von anderen gehört hatte. Das hat er mit den Evangelisten gemeinsam; nur, was er berichtet, weicht, wie gesagt, zum Teil von den Evangelien ab.

Dann aber fügt Paulus hinzu: „Zuletzt von allen ist er (der Auferstandene) auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.“ Dieser Satz gibt mir in doppelter Weise zu denken.

Zum einen bedeutet dieser Satz: die Auferstehungserfahrung ist nicht an den Ostermorgen gebunden. Erscheinungen des Auferstandenen waren nicht grundsätzlich auf die Zeit der 40 Tage beschränkt.

Und zum anderen ist Paulus der einzige biblische Zeuge, der seine Vision des Auferstandenen selber schriftlich bezeugt. Alle anderen Auferstehungsberichte der Bibel sind erst sehr lange mündlich weitererzählt worden, ehe sie schriftlich niedergelegt wurden.

Ich will damit sagen, dass es kein Wunder ist, wenn sich unser Verstand an vielen Widersprüchen in den verschiedenen Erzählungen stößt.

Ich will außerdem sagen, dass die Bibel nicht von uns verlangt, jedes einzelne Vorstellungsbild nachzuvollziehen, mit dem die Auferstehung Jesu beschrieben wird.

Vor allem sollten wir uns vor dem Missverständnis hüten, als sei die Auferstehung Jesu lediglich eine Wiederbelebung eines Toten, als sei Jesus so etwas wie eine lebende Leiche, ein Geist oder ein Zombie, von denen es in heutigen Gruselfilmen nur so wimmelt. Das wäre wahrlich keine Freudenbotschaft, sondern nichts als ein Schauermärchen.

Aber was bedeutete denn nun die Auferstehung für Paulus? Er sagt nichts weiter, als dass er Jesus als vorläufig letzter gesehen habe. Und er sagt etwas über die Folgen dieser Begegnung. Mit dem schlichten Satz drückt er diese Folgen so aus: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin.“ Die Begegnung mit dem lebendigen Christus hat sein Leben radikal verändert. Aus dem Christenverfolger wurde ein Christusverkündiger. Aus dem, der sich vor Gott rechtschaffen vorkam, wurde einer, der sich auf Gottes Liebe angewiesen wusste.

Was der Osterglaube bei den anderen bewirkt hatte, die Jesus als Auferstandenen gesehen hatten, sagt Paulus nicht. Er erwähnt nur: Jesus ist nach seinem Tode mehrfach gesehen worden.

Greifen wir einen Augenblick auf die Berichte des Johannesevangeliums zurück. Von Petrus und dem Lieblingsjünger heißt es da, dass sie das leere Grab finden und es nacheinander, mit verständlicher Scheu, inspizieren. Aber nur vom Lieblingsjünger wird gesagt: Er sah – und glaubte. Dieser Mann brauchte noch nicht einmal eine Erscheinung des Auferstandenen zu sehen. Er sah das leere Grab, die Leinentücher, in die Jesus gewickelt gewesen war, das Schweißtuch, und das genügte ihm. Er glaubte. So kurz und knapp beschreibt das Johannesevangelium die Wirkung des Osterereignisses beim Lieblingsjünger Jesu, in dem viele den Jünger Johannes erkennen.

Maria von Magdala ist die Hauptperson im Auferstehungsbericht des Johannes. Sie ist die erste am Grab, sie findet das Grab offen, sie denkt an Grabräuber und berichtet alles dem Petrus. Die Jünger kommen zwar und machen ihre eigene Erfahrung mit dem Grab, aber um Maria kümmern sie sich weiter nicht, die weinend dort steht. Maria scheint sich gar nicht helfen lassen zu wollen, so verzweifelt ist sie in ihrem Schmerz. Nicht einmal einen letzten Liebesdienst kann sie Jesus erweisen, weil sie annimmt, man habe den Leichnam Jesu aus dem Grab geraubt. So lässt sie sich auch nicht trösten von zwei Engeln, die sie im Grab sitzen sieht, und wendet sich von ihnen ab. Aber im Umwenden steht ein Mann vor ihr, den sie für den Gärtner hält. Erst als er sie mit Namen anruft, erkennt sie in ihm Jesus, ihren Meister. Auch dies ist nur eine kurze Begegnung. Jesus verbietet Maria, ihn anzurühren. Und er gibt ihr einen klaren Auftrag: sie soll den anderen Jüngern sagen, dass Jesus zum Vater im Himmel zurückkehrt.

Und als Maria zu den anderen Jüngern geht, da lautet ihre Botschaft ähnlich wie die des Paulus: „Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt!“ Auch bei Maria hat sich etwas Entscheidendes verändert in der ganzen Lebenshaltung. Maria, die verzweifelt hin und her irrt, die sich nicht zu helfen weiß, die gar nicht auf Menschen oder Engel achtet, die ihr helfen könnten, dieselbe Maria führt einen klaren Auftrag ihres Herrn Jesus Christus aus. Sie hat erfahren, dass er lebt, nicht so wie vorher auf der Erde, aber so, dass er mit Gott, seinem Vater im Himmel, zusammen sein wird.

Von drei Menschen haben wir gehört, dass sie den Auferstandenen auf ihre Art gesehen haben und dass dieses Sehen für sie einschneidende Folgen hatte: Für Paulus wissen wir es am genauesten, weil wir seine Lebensgeschichte vor und nach der Begegnung mit Christus kennen. Für Johannes können wir nur ahnen, was es für ihn bedeutete, dass er das leere Grab sah und glaubte. Vielleicht fiel es ihm, dem Lieblingsjünger leichter als anderen, sowohl Jesus in seinem Weg zum Kreuz zu verstehen – er war ja auch der einzige gewesen, der unter dem Kreuz ausgeharrt hatte -, als auch seine Auferstehung für sich anzunehmen. Und für Maria wissen wir, dass aus einer trauernden, in sich gekehrten, unselbständigen Frau durch die Begegnung mit Jesus eine selbstbewusste Jüngerin wurde.

Wo begegnen wir dem Auferstandenen und welche Folgen hat diese Begegnung für uns? Das wird für jeden von uns so verschieden aussehen, wie für die Jünger und Jüngerinnen damals.

Wo Jesus für uns mehr wird als eine leider gescheiterte, gute Persönlichkeit der Weltgeschichte, wo Gott für uns ein anderer wird als ein ferner Schicksalsgott, wo wir erkennen, dass Gott in Jesus für uns gestorben ist, da können wir auch zum Glauben an seine Auferstehung gelangen.

Und wenn wir daran glauben, dass Jesus lebt, dann sind wir Zeugen seiner Auferstehung, genau wie Paulus, wie Johannes, wie Maria. Dann verläuft unser Leben anders.

Vielleicht in ganz bescheidenen Ausmaßen. Vielleicht so, dass wir in immer wiederkehrender Mutlosigkeit immer wieder trotzdem neuen Mut finden. Vielleicht so, dass wir mit Menschen einen neuen Anfang machen können, mit denen wir aneinander oder auseinander geraten waren. Vielleicht auch so, dass wir eine Aufgabe übernehmen, vor der wir uns lange gescheut haben.

Eins scheint mir noch wichtig. Während ich diese Osterpredigt geschrieben habe, fühlte ich mich überfordert, klare Beispiele zu finden für Veränderungen im heutigen Leben durch die Osterbotschaft. Nach Konfirmation und Karwoche, nach vielen Anstrengungen ohne viele Pausen habe ich nicht mehr viel Energie, fühle ich mich ideenleer. Und in diesem Augenblick bemerke ich, dass ich einen Riesendenkfehler mache. Ich tue ja so, als ob ich es wäre, der Ihnen die Osterfreude vermitteln müsste. Ich tue so, als ob ich mich selbst erst einmal sozusagen eigenhändig zur Osterfreude aufraffen müsste. Und da erlebe ich, wie ich aufatmen kann und sagen kann: Nein, auferstanden ist ER, Jesus selbst; und er überfordert weder mich noch irgendjemand anders.

Er ist dem Paulus so begegnet, dass er sagen konnte: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“, und der Maria so, dass sie aufstehen konnte und zu den anderen Jüngern gehen. Und er wird mir und Ihnen so begegnen, wie es für uns gut ist und wann es für uns an der Zeit ist. Um Offenheit für solche Begegnung können wir allerdings bitten.

Und eine zweite Sache ist wichtig. Wer in der Bibel den Auferstehungsglauben findet, bleibt nicht allein für sich. Maria geht zu den anderen. Paulus weiß sich verbunden mit seinen Gemeinden, für die er predigt. Wir können uns in unserem Glauben auch Unterstützung holen, wo wir in den Gruppen und Kreisen zusammenkommen in der Gemeinde.

Und noch etwas möchte ich anfügen. Ich bemerke, dass ich selber und viele andere besonders auf einem Gebiet sehr kraftlos und mutlos geworden bin. Es ist der Einsatz für den Frieden.

Manche sind vielleicht ein bisschen froh darüber, dass dieses Thema in Predigten und in der Kirche nicht mehr so oft vorkommt. Es liegt ja auch eine gewisse Gefahr darin, wenn der Eindruck erweckt wird: ihr seid nur richtige Christen, wenn ihr auf der richtigen Linie mitkämpft.

Mir scheint aber, dass die andere Gefahr noch viel größer ist: dass wir nämlich vollkommen schweigen an einer Stelle, wo wir nicht schweigen dürften. Dass wir schweigen aus Angst, unser Reden könne falsch ausgelegt werden.

Es wird Zeit, dass wir uns wieder ein paar Gedanken machen über den Frieden. Denn es werden Pläne für ein Wettrüsten im Weltraum in Gang gesetzt, die alles in den Schatten stellen, was jemals für Waffensysteme investiert worden ist. Es sind auf der anderen Seite Hoffnungen geweckt worden, bis zur Jahrtausendwende alle Atomwaffen abrüsten zu können.

Sind das Themen, die Christen nicht zu interessieren brauchen? Da geht es doch um unseren Glauben oder zumindest um die Konsequenzen aus unserem Glauben. Glauben wir daran, dass wir nur Sicherheit gewinnen können durch tödliche Bedrohung eines Gegners, oder glauben wir daran, dass Frieden möglich wird durch einen langen Prozess vertrauensbildender Maßnahmen? Glauben wir daran, dass Jesu beispielhaftes Leiden nur eine Bedeutung hat für unsere persönliche Erlösung? Oder glauben wir, dass in der Art Jesu auch ein Impuls steckt zur Veränderung verkrusteter, verhärteter Feindschaften in unserer Welt?

Ich will in einer Predigt auf diese Fragen nicht näher eingehen. Das sollten wir im Gespräch tun, wo wir zusammenkommen, und auch in der eigenen Auseinandersetzung mit diesem Thema, wo es uns in Zeitung, Fernsehen oder anderswo begegnet. Ich möchte heute, an einem Tag, an dem wieder Ostermärsche für den Frieden stattfinden, nur daran erinnern, dass dieses Thema nach wie vor eines der wichtigsten Themen für uns Christen ist.

Einsatz für den Frieden ersetzt nicht den Glauben. Aber Jesus hat die Friedensstifter selig gepriesen. Im Stuttgarter Schuldbekenntnis nach den Erfahrungen mit der Judenverfolgung im Dritten Reich haben Christen eingestanden: Wir haben nicht mutig genug bekannt. Damals war es zu spät; es half den Millionen Toten nicht mehr. Heute können wir in einer ähnlichen Situation noch unseren Beitrag leisten, unsere Stimme erheben, sagen, was wir für richtig oder für falsch halten, und aufstehen gegen den Irrglauben, dass sowieso alles sinnlos sei.

Wo bin ich hingeraten in dieser Osterpredigt? Vielleicht habe ich zu weit ausgeholt, habe von Paulus, Johannes und Maria erzählt, habe Beispiele aus unserer Zeit für Begegnungen mit dem Auferstandenen gesucht. Am wichtigsten ist mir dabei das Aufatmen geworden, dass der Auferstandene Christus uns nicht überfordert, dass er selbst uns begegnet, wann und wo er uns begegnen will. Und gleich danach kommt die zuversichtliche Gewissheit, dass wir mit dem Auferstehungsglauben heute antreten können gegen den Irrglauben, dass sowieso alles keinen Zweck habe.

Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Darum sind auch wir Zeugen seines Lebens gegen den Tod! Darum dürfen auch wir wie Paulus durch Gottes Gnade seine Mitarbeiter sein! Darum dürfen wir miteinander leben, füreinander da sein und für den Frieden in der Welt eintreten! Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.
Lied EKG 449, 1+2 (nicht im EG):

1. Lasset uns den Herren preisen, o ihr Christen überall! Kommet, dass wir Dank erweisen unserem Gott mit süßem Schall! Es ist frei von Todesbanden Simson, der vom Himmel kam, und der Löw aus Judas Stamm, Christus Jesus ist erstanden. Nun ist hin der lange Streit. Freue dich, o Christenheit!

2. Warest du, o Held gestorben, warest du ins Grab gelegt? Ei du bliebest unverdorben: Da sich nur die Erd erregt, bist du aus der Höhlen kommen, hast das Leben und die Macht aus der schwarzen Gruft gebracht und des Todes Raub genommen, schenkst uns nun die Seligkeit. Freue dich, o Christenheit!

Fürbitten und Vater unser
Lied EKG 75, 1-3 (EG 99):

Christ ist erstanden von der Marter alle; des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

Wär er nicht erstanden, so wär die Welt vergangen; seit dass er erstanden ist, so lobn wir den Vater Jesu Christ’. Kyrieleis.

Halleluja, Halleluja, Halleluja! Des solln wir alle froh sein, Christ will unser Trost sein. Kyrieleis.

Abkündigungen und Segen
Lied EKG 76, 1+5+7 (Eg 101):

1. Christ lag in Todesbanden, für unsre Sünd gegeben, der ist wieder erstanden und hat uns bracht das Leben. Des wir sollen fröhlich sein, Gott loben und dankbar sein und singen Halleluja. Halleluja.

5. Hier ist das recht Osterlamm, davon wir sollen leben, das ist an des Kreuzes Stamm in heißer Lieb gegeben. Des Blut zeichnet unsre Tür, das hält der Glaub dem Tod für, der Würger kann uns nicht rühren. Halleluja.

7. Wir essen und leben wohl, zum süßen Brot geladen; der alte Sau’rteig nicht soll sein bei dem Wort der Gnaden. Christus will die Kost uns sein und speisen die Seel allein; der Glaub will keins andern leben. Halleluja.

Abendmahl
Lied EKG 87, 5+7 (EG 113):

5. Es war getötet Jesus Christ und sieh, er lebet wieder. Weil nun das Haupt erstanden ist, stehn wir auch auf, die Glieder. So jemand Christi Worten glaubt, im Tod und Grabe der nicht bleibt; er lebt, ob er gleich stirbet.

7. Das ist die reiche Osterbeut, der wir teilhaftig werden: Fried, Freude, Heil, Gerechtigkeit im Himmel und auf Erden. Hier sind wir still und warten fort, bis unser Leib wird ähnlich dort Christi verklärtem Leibe.

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