Bild: Pixabay

Exil

Zu guter Letzt …

… übermittelt mir Markus Bernard, der früher in der Paulusgemeinde wohnte, ein Gedicht für den Weihnachtsgemeindebrief:

exil

lauf nicht weg
bleibe hier
starre weiter
in den dreck
bis er dir
im herrn
wird hold
zum stern
aus gold

Ein Weihnachtsgedicht? Erst auf den zweiten Blick wird mir klar, dass die krasse Sprache die Wirklichkeitsnähe der Weihnachtsgeschichte widerspiegelt: den Staub auf den Wegen nach Bethlehem, den Schmutz im Stall der Tiere, die Schande, vor der sich Josef zunächst fürchtet und aus der Maria und das Kind befreit werden, als ein Engel Gottes sich um beide Eltern des heiligen Kindes gekümmert hat. Der Dreck dieser Welt kann zum Stern aus Gold werden, aus dem Bösesten kann Gott Gutes entstehen lassen, wie Dietrich Bonhoeffer gesagt hat.

Farbenspiele mit Funken, die zu Sternen aus Gold werden
Sterne aus Gold? (Bild: Gerd AltmannPixabay)

Zum Stern aus Gold kann gerade das werden, was nicht zu Weihnachten zu passen scheint: aufgegebene Träume, zerbrochene Beziehungen, Einsicht in eigene Unvollkommenheit und Verletzbarkeit. „Im Herrn“, diese fromme Formulierung in Verbindung mit dem altertümlichen Wort „hold“, deutet einen überraschenden Ausweg aus der Hoffnungslosigkeit an: es steht nämlich der Weg des Vertrauens auf einen Gott offen, der sich wie ein auf Liebe angewiesenes Kind in unsere Hände begibt und uns dazu anstiftet, unser Leben auf Liebe auszurichten. So können wir uns selber und unsere Nächsten barmherziger behandeln.

„Im Herrn“ sind wir auch, wenn wir diesen Ausdruck auf die Gemeinde, den „Leib Christi“ beziehen: dort finden wir Anschluss an eine Gemeinschaft, die nicht von vornherein aus Gleichgesinnten besteht, sondern die durch den Geist Jesu über Grenzen hinweg zusammengeschlossen wird. So kann Kirche ein Ort werden, wo einsame Menschen nicht einsam bleiben, wo Verzweifelte Mut finden, wo Ratlose sich Orientierung suchen, wo Menschen ohne Träume wieder neue Aufgaben für sich entdecken. Wer im „Exil“ der Ausgegrenztheit lebt, ohne Zuhause im eigenen Land und vielleicht sogar sich selber fremd, darf bleiben, muss nicht weglaufen, kann hier und jetzt anfangen zu leben. In diesem Sinne: Ihnen allen gesegnete Weihnachten!

Ihr Pfarrer Helmut Schütz

„Zu guter Letzt“ Dezember 2008 bis Februar 2009 im Gemeindebrief der Evangelischen Paulusgemeinde Gießen

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